Sozialhilfe für Ausländer - Hilfe zum Lebensunterhalt - tatsächlicher Aufenthalt im Inland - mehr als vierwöchiger Auslandsaufenthalt - Niederlassungserlaubnis - Europäisches Fürsorgeabkommen
In Deutschland lebende Ausländer haben nach einem mehr als vier Wochen ununterbrochen andauernden Auslandsaufenthalt keinen Anspruch auf Gewährung eines Regelsatzes als Hilfe zum Lebensunterhalt.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Februar 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Im Streit sind höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) während eines Auslandsaufenthalts im Mai 2013.
Die 1979 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Deutschland. Sie verfügt über eine Niederlassungserlaubnis und bezog im streitigen Zeitraum eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die beklagte Stadt bewilligte der Klägerin für April 2013 Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 575,99 Euro mit dem Hinweis, dass die Leistungen bei gleichbleibenden Verhältnissen für nachfolgende Zeiträume durch Zahlung weiterbewilligt würden (Bescheid vom 27.3.2013). Wegen eines Auslandsaufenthalts in der Türkei (2.4. bis 22.5.2013) stellte die Beklagte die Leistung ab Mai 2013 vorläufig ein (Bescheid vom 29.4.2013). Der Widerspruch der Klägerin war für die Zeit ab ihrer Rückkehr sowie hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung erfolgreich (Bescheid vom 27.6.2013, Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 21.10.2013).
Während das Sozialgericht (SG) Detmold der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin für die Zeit vom 1. bis 22.5.2013 weitere Leistungen in Höhe von 254,67 Euro zu zahlen (Urteil vom 17.3.2015), hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.2.2016). Ein Anspruch der Klägerin sei ausgeschlossen, weil sie sich nicht entsprechend § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII im Inland tatsächlich aufgehalten habe. Soweit nach § 23 Abs 1 Satz 4 SGB XII die Einschränkungen des § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII nicht für Ausländer mit Niederlassungserlaubnis gölten, beziehe sich dies ausschließlich auf das eingeschränkte Leistungsspektrum, nicht aber auf das Erfordernis des tatsächlichen Aufenthalts. Die Klägerin könne sich auch nicht auf das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) berufen, weil seine Anwendung ebenfalls den tatsächlichen Aufenthalt im Inland voraussetze.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 23 SGB XII. Das Erfordernis des tatsächlichen Aufenthalts nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII sei für Ausländer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland (§ 30 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - <SGB I>) eine Einschränkung iS des § 23 Abs 1 Satz 4 SGB XII und entfalle bei einem Ausländer mit Niederlassungserlaubnis. Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten bleibe nach § 98 Abs 1 Satz 2 SGB XII bestehen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Februar 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17. März 2015 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Der Senat kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen zur Erwerbsminderung/Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht abschließend entscheiden, ob sie von der Beklagten Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII für die Zeit ihres Auslandsaufenthalts verlangen kann.
Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist der "Einstellungs-"Bescheid vom 29.4.2013, mit dem die Beklagte Leistungen für die Zeit ab dem 1.5.2013 abgelehnt hat, in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 27.6.2013 (§ 86 SGG) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2013. Hiergegen wendet sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, § 56 SGG). Mit den Bescheiden vom 29.4.2013 und 27.6.2013 hat die Beklagte erstmals endgültig über Ansprüche der Klägerin für den Monat Mai entschieden (zur Leistungsablehnung als endgültige Entscheidung vgl zB Bundessozialgericht <BSG> Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 13/07 R - juris, RdNr 11), ohne einen zuvor erlassenen Bewilligungsbescheid abzuändern. Mit dem Bescheid vom 27.3.2013 hat die Beklagte der Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont (zu diesem Maßstab bei der Auslegung von Verwaltungsakten vgl zB BSG Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 33/07 R - SozR 4-1500 § 77 Nr 1 RdNr 15 und BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 2/09 R - SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 14) nur für April 2013 Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligt. Dies ergibt sich aus dem Verfügungssatz (§ 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz <SGB X>: "Bewilligung (von - bis) APRIL 2013") und dessen Begründung (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB X: "Dieser Bescheid regelt das Leistungsverhältnis nur für oben genannte Bewilligungszeiträume." und "Für APRIL 2013 ergeben sich lt. nachstehender Berechnung, die Bestandteil dieses Bescheides ist, folgende Beträge:").
In der Sache ist Gegenstand des Revisionsverfahrens höhere Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat Mai 2013 ohne Beschränkung auf die Regelsatzleistung, wie das LSG meint. Der Kreis L hat der Klägerin unter teilweiser Abhilfe des Widerspruchs (§ 85 Abs 1 SGG) Leistungen unter Berücksichtigung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung für den gesamten Monat Mai 2013 bewilligt. Hiergegen hat sich die Klägerin gewandt und im Klageverfahren ohne Beschränkung auf den Regelsatz die Verurteilung der Beklagten zu weiteren Leistungen nach dem SGB XII in Höhe von 254,67 Euro beantragt. Die Beklagte ist hierzu verurteilt worden. Für eine Beschränkung der Klage im Berufungsverfahren bestand kein Anlass und ist auch nichts ersichtlich. Das LSG wird deshalb Leistungen nach dem SGB XII in vollem Umfang (etwa auch die Einkommensanrechnung sowie die Kosten von Unterkunft und Heizung) zu überprüfen haben.
Einer Sachentscheidung des Senats stehen keine von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrenshindernisse oder gerügte Verfahrensmängel entgegen. Insbesondere ist für den Fall, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum erwerbsfähig war, weder von Amts wegen zu prüfen noch gerügt worden, dass der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG (unechte notwendige Beiladung) beizuladen war (BSGE 112, 188 = SozR 4-3500 § 49 Nr 1, RdNr 12; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 75 RdNr 13b mwN).
Kommen als Leistungen nach dem SGB XII ausschließlich Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Betracht, hat das LSG - unterstellt, die Höhe der Leistungen für den Monat Mai ist im Übrigen zutreffend berechnet - im Ergebnis zu Recht die Auffassung vertreten, dass der Klägerin für die Zeit ihres Auslandsaufenthalts vom 1. bis 22.5.2013 jedenfalls keine Regelsatzleistung zusteht und deshalb das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit nach einem mehr als vier Wochen ununterbrochen andauernden Auslandsaufenthalt keinen Anspruch auf Gewährung eines anteiligen Regelsatzes als Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Senat kann aber mangels hinreichender Feststellungen des LSG zur Erwerbsminderung (auf Dauer) / Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht abschließend entscheiden, ob für den streitigen Zeitraum ggf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder im Falle der Erwerbsfähigkeit der Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) gegen den zuständigen SGB-II-Leistungsträger nach dessen Beiladung im wiedereröffneten Berufungsverfahren (§ 75 Abs 2 Alt 2 SGG) in Betracht kommen.
Die Beklagte ist als (durch den Kreis herangezogener) örtlicher Träger der Sozialhilfe sachlich zuständiger Leistungsträger. Nach § 97 Abs 1 SGB XII ist für die Sozialhilfe sachlich zuständig der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist. Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird nach Landesrecht bestimmt (§ 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII, hier § 2 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen <AG-SGB XII NRW> vom 16.12.2004, GV NRW 816 iVm § 2 Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW <AV-SGB XII NRW> vom 16.12.2004, GVBl NRW 816, idF der Ersten Verordnung zur Änderung der AV-SGB XII NRW vom 11.5.2009, GV NRW 299). Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe für Leistungen nach dem Dritten (und Vierten) Kapitel des SGB XII ist danach nicht vorgesehen (zur Befugnis des Senats zur eigenständigen Anwendung und Auslegung des Landesrechts BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 12). Örtlich zuständiger Träger ist der Kreis L , der der Beklagten seine Aufgaben als örtlicher Träger der Sozialhilfe zur Wahrnehmung im eigenen Namen übertragen hat (§ 3 Abs 2 Satz 1 SGB XII idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022, iVm § 1 Abs 1 und § 3 Abs 1 Satz 1 AG-SGB XII NRW sowie der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Kreis L vom 7.1.2005).
Offenbleiben kann, ob die Beklagte nach § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII (idF des Gesetzes vom 27.12.2003, BGBl I 3022), der für die örtliche Zuständigkeit auf den tatsächlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten abstellt, im streitigen Zeitraum vom 1. bis 22.5.2013 (für die ersten vier Wochen des Auslandsaufenthalts siehe unten) auch örtlich zuständig ist. Denn sie ist für diesen Zeitraum ohnehin materiell-rechtlich nicht zu Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII an die Klägerin verpflichtet. Einer Entscheidung, ob es an einer Regelung der örtlichen Zuständigkeit mangelt, wenn der bisher (und zum Zeitpunkt der Entscheidung) örtlich zuständige Träger für einen Zeitraum in der Sache entscheidet, in dem offensichtlich kein anderer Träger der Sozialhilfe als örtlich zuständig in Betracht kommt, der nach § 18 Abs 2 Satz 1 SGB XII (idF des Gesetzes vom 27.12.2003, BGBl I 3022) beteiligt werden kann (so zum - § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII inhaltlich entsprechenden - § 97 Abs 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz <BSHG> bei längeren Auslandsurlaubsreisen eines Sozialhilfeempfängers Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> Urteil vom 22.12.1998 - 5 C 21/97 - Buchholz 436.0 § 97 BSHG Nr 10), bedarf es danach nicht.
Materiell-rechtlich bemisst sich der geltend gemachte Anspruch nach § 23 SGB XII (idF des Gesetzes vom 27.12.2003, BGBl I 3022) iVm § 19 Abs 1, § 27 Abs 1, § 27a Abs 3 Satz 1 SGB XII (jeweils idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453) oder nach §§ 41 ff SGB XII (idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453). Ob die Klägerin überhaupt zum leistungsberechtigten Personenkreis für Leistungen zum Lebensunterhalt gehört oder nach § 21 SGB XII (idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453) von solchen Leistungen ausgeschlossen ist, weil sie als Erwerbsfähige dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist, hat das LSG nicht festgestellt. Der Entscheidung des LSG ist lediglich zu entnehmen, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bezog. Dies lässt aber keine Rückschlüsse auf ihre (ggf dauerhafte) Erwerbsminderung zu. Insbesondere wäre der Senat an etwaige Feststellungen des Rentenversicherungsträgers zur Erwerbsminderung nicht gebunden (vgl bereits BSGE 105, 201 = SozR 4-4200 § 8 Nr 1, RdNr 14 ff, 17; BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6, RdNr 15 f; BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 1/10 R - Juris RdNr 19; vgl zum erforderlichen Procedere zur Feststellung der - dauerhaften - Erwerbsminderung und zur fehlenden Bindung der Gerichte in Feststellungen des Rentenversicherungsträgers Blüggel in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 41 SGB XII, RdNr 79 ff und § 45 RdNr 36 ff, 62).
Soweit ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt betroffen ist, kann die Frage nach der Erwerbsfähigkeit der Klägerin allerdings offenbleiben, weil sie auch im Falle einer Erwerbsminderung mangels tatsächlichen Aufenthalts im Bundesgebiet keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII hat. Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, (nur) Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zu leisten.
Der Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel wird bei Ausländern damit an den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet geknüpft. Der Begriff des "tatsächlichen Aufenthalts" ist grundsätzlich im Sinne einer körperlichen (physischen) Anwesenheit zu verstehen (vgl Schlette in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand März 2018, K § 23 RdNr 7; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 23 RdNr 34; Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 23 SGB XII RdNr 32, Stand Juli 2008; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 23 RdNr 7 und § 98 RdNr 13; Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 98 RdNr 22). Für deutsche Staatsangehörige existiert eine entsprechende Regelung zwar nicht, allerdings sieht das SGB XII infolge der Anknüpfung der Hilfezuständigkeit an einen tatsächlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich eines Sozialhilfeträgers (s oben § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII) auch bei nur vorübergehenden Auslandsaufenthalten (etwa Urlaubsreisen) im Grundsatz keine Sozialhilfegewährung vor. Das BVerwG hat für die identische Rechtslage nach dem BSHG hierin keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke gesehen, sondern eine Folge des Territorialitätsprinzips, das vom Gesetzgeber im Falle des § 119 BSHG (heute § 24 SGB XII) durchbrochen werde, im Übrigen aber nach der bestehenden Rechtslage hinzunehmen sei (BVerwG Urteil vom 22.12.1998 - 5 C 21/97 - Buchholz 436.0 § 97 BSHG Nr 10). Fehle bei Auslandsreisen, die den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland unberührt ließen und deshalb von der Auslandssozialhilfe nicht erfasst würden, ein zuständiger Sozialhilfeträger, habe dies zur Folge, dass einem Hilfebedürftigen eine sozialhilferechtliche Versorgung für einen im Ausland entstehenden Bedarf nicht zustehe (insoweit kommen Leistungen nach § 5 des Gesetzes über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse <Konsulargesetz> in Betracht). Das bedeute nicht, dass ein Hilfeempfänger keine Urlaubsreisen ins Ausland machen dürfe, er müsse allerdings seinen Bedarf in dieser Zeit selbst decken bzw von anderen decken lassen (BVerwG, aaO, Juris RdNr 9).
Das BVerwG hat in dieser Entscheidung bezüglich des tatsächlichen Aufenthalts jedoch zu Recht betont, dass eine durch den tatsächlichen Aufenthalt eines Hilfeempfängers begründete örtliche Zuständigkeit eines Trägers der Sozialhilfe nicht schon bei jeder vorübergehenden Ortsabwesenheit des Hilfeempfängers ende; vielmehr ließen kurzfristige Abwesenheiten während des Bewilligungszeitraums von regelmäßig einem Monat die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers unberührt (ebenso Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand März 2018, K § 98 SGB XII RdNr 28; Schoch in LPK-SGB XII, 10. Aufl 2015, § 98 RdNr 14; Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 98 RdNr 26; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII 19. Aufl 2015, § 98 RdNr 15; zweifelnd Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 98 RdNr 8 f). Ein solches Verständnis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII, der durch das Abstellen auf den tatsächlichen Aufenthalt die Zuständigkeit des ortsnahen Sozialhilfeträgers anordnet, um im Interesse des Hilfesuchenden eine schnelle und effektive Beseitigung der gegenwärtigen Notlage zu ermöglichen (vgl bereits BVerwGE 79, 46, 53). Der "ortsnahe" ist schneller als der "ortsferne" Sozialhilfeträger in der Lage, die erforderlichen Ermittlungen, insbesondere zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Hilfesuchenden, vorzunehmen (Effektivität der Sozialhilfe). Der erkennende Senat schließt sich deshalb dieser Auffassung an, allerdings mit der Maßgabe, dass kurzfristige Abwesenheiten (nur) bis zu vier Wochen unschädlich sind. Auslandsaufenthalte von Empfängern von Leistungen zum Lebensunterhalt werden regelmäßig Urlaubszwecken dienen. Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sieht als gesetzliche Mindesturlaubsdauer (§ 3 BUrlG: 24 Werktage) einen Zeitraum von vier Wochen vor. Es ist deshalb sachgerecht, eine an diesen Zeitrahmen angelehnte Unterbrechung des tatsächlichen Aufenthalt hinzunehmen, in der Leistungen weiterzuzahlen sind (vgl zu diesem Gedanken BT-Drucks 18/9984, S 92).
Ein solches Verständnis muss auch bei der Auslegung des tatsächlichen Aufenthalts iS von § 23 SGB XII zugrunde gelegt werden, weil für eine funktionsdifferente Auslegung kein Raum ist (ablehnend Schlette, aaO, § 23 RdNr 7, wonach ein ununterbrochener Aufenthalt erforderlich sei; auch nur kurzzeitige, vorübergehende Aufenthalte im Heimatland oder in Drittstaaten führten zum sofortigen Erlöschen jeglicher Leistungsberechtigung). Denn soweit Ausländer einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII haben (sei es eingeschränkt nach § 23 Abs 1 Satz 1 oder ohne Einschränkung im Hinblick auf ein Daueraufenthaltsrecht <dazu unten>), sind sie Deutschen gleichgestellt. Ein erkennbarer Grund, den Ausländer dennoch anders zu behandeln, besteht nicht.
Die Klägerin kann weitergehende Ansprüche nicht aus § 23 Abs 1 Satz 4 SGB XII (idF des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern - Zuwanderungsgesetz - vom 30.7.2004, BGBl I 1950) herleiten. Danach gelten die Einschränkungen nach Satz 1 ua nicht für Ausländer, die - wie die Klägerin - im Besitz einer Niederlassungserlaubnis (§ 9 Aufenthaltsgesetz <AufenthG>) sind. Für sie ist Sozialhilfe nach den allgemeinen, dh auch für Deutsche geltenden, Regelungen zu leisten (vgl zB Decker in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 23 SGB XII RdNr 121, Stand: Juli 2008; Groth in BeckOK, SGB XII, § 23 RdNr 9, Stand: 1.12.2017; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 23 RdNr 13; Schlette in Hauck/Noftz, K § 23 SGB XII RdNr 38, Stand: Mai 2017).
§ 23 Abs 1 Satz 4 SGB XII hebt bei Vorliegen seiner Voraussetzungen aber nicht das Erfordernis eines tatsächlichen Aufenthalts auf. Soweit dort von den "Einschränkungen nach Satz 1" die Rede ist, ist - wie das LSG zu Recht ausführt - der Leistungsumfang, nicht aber ein Verzicht auf den tatsächlichen Aufenthalt gemeint. Liegen die Voraussetzungen von Satz 4 nicht vor, hat der Ausländer mit tatsächlichem Aufenthalt im Inland nur Anspruch auf eine "Grundversorgung" (Wahrendorf, aaO, RdNr 31) im Sinne einer Beschränkung auf die in Abs 1 Satz 1 genannten Leistungen. Während er bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff SGB XII), Hilfe bei Krankheit (§ 48 SGB XII), Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 50 SGB XII) geltend machen kann, besteht, soweit keine Sonderregelungen greifen, kein gebundener Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 ff SGB XII), Hilfe zur Überwindung besonderer Lebenslagen (§§ 67 f SGB XII), Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70 ff SGB XII), vorbeugende Gesundheitshilfe (§ 47 SGB XII), Hilfe zur Familienplanung (§ 49 SGB XII) sowie bei Sterilisation (§ 51 SGB XII). Diese Leistungen können nur im Ermessenswege (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII) gewährt werden. Nur diese Einschränkung bzw Beschränkung auf Ermessensleistungen entfällt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 23 Abs 1 Satz 4 SGB XII erfüllt (ebenso Schlette, aaO, K § 23 RdNr 38).
Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesentwicklung. § 23 Abs 1 Satz 4 SGB XII war im Gesetzesentwurf (vgl BT-Drucks 15/1514) noch nicht enthalten, sondern wurde erst auf Vorschlag des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung als Satz 3 eingefügt (vgl Beschlussempfehlung BT-Drucks 15/1734 S 20), weil bei Ausländern, deren Aufenthalt in Deutschland dauerhaft ist oder voraussichtlich dauerhaft sein wird, das Ermessen (nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII idF des Gesetzes vom 27.12.2003, aaO) über die Leistungen der Sozialhilfe, auf die nach den Sätzen 1 und 2 des § 23 Abs 1 SGB XII (idF des ursprünglichen Entwurfs) kein Anspruch besteht, in der Regel (ohnehin) auf Null reduziert ist, zB bei ausländischen Ehegatten deutscher Staatsangehöriger oder anderen Ausländern, bei denen das Ende des Aufenthalts nicht absehbar ist. Zur Vermeidung problematischer Einzelfallentscheidungen sollte dies durch den Satz 3 (später Satz 4) klargestellt und eindeutig geregelt werden (BT-Drucks 15/1761 S 5 f).
Auch der Zweck der Sozialhilfe spricht für eine solche Auslegung. Staatliche "Fürsorge" kann ihre Aufgabe, das Existenzminimum der im Inland lebenden Menschen sicherzustellen, nur erfüllen, wenn sich die Leistungsberechtigten tatsächlich im Inland aufhalten. Bestreiten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland ihren Lebensunterhalt in erheblichem zeitlichen Umfang im Ausland, so können staatliche Fürsorgeleistungen ihren Sicherstellungsauftrag im Inland nicht mehr erfüllen. Dieses Prinzip darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass die für das Inland gedachten existenzsichernden Leistungen langfristig auch bei Auslandsaufenthalten gewährt werden (vgl dazu nur BT-Drucks 18/9984 S 92 zur Einfügung des § 41a SGB XII; s auch BSG Urteil vom 21.9.2017 - B 8 SO 5/16 R - RdNr 24 für BSGE und SozR 4 vorgesehen). Dies gilt für deutsche wie für ausländische Staatsangehörige gleichermaßen.
Aus anderen Rechtsvorschriften (§ 23 Abs 1 Satz 5 SGB XII idF des Gesetzes vom 27.12.2003, BGBl I 3022) folgen ebenso keine weitergehenden Ansprüche der Klägerin. Insbesondere kann sie sich nicht auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA vom 11.12.1953 (BGBl II 1956, 564) berufen. Nach Art 1 dieses Abkommens, das ua die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei unterzeichnet haben (BGBl II 1958, 18 und BGBl II 1977, 255), ist jeder der Vertragschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind.
Zwar ist das EFA als unmittelbar geltendes Bundesrecht anwendbar (vgl zB BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 24) und sowohl der persönliche (Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaats) als auch der sachliche Anwendungsbereich ("Fürsorge" iS des Art 1 EFA, vgl Art Abs a Buchst i EFA; kein Vorbehalt für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, vgl Bekanntmachung vom 31.1.2012, BGBl II 144, idF der Bekanntmachung vom 3.4.2012, BGBl II 470, vgl hierzu zB BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - BSGE 120, 139 = SozR 4-4200 § 7 Nr 46, RdNr 17 ff und Greiser in jurisPK-SGB XII, Anhang zu § 23 RdNr 91 ff, Stand: 19.7.2016) gegeben.
Art 1 EFA setzt aber einen tatsächlichen Inlandsaufenthalt ("irgendeinem Teil seines Gebietes") voraus (ebenso zB Schlette, aaO, K § 23 RdNr 26, und hierzu neigend zB BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 36; aA wohl Greiser in jurisPK-SGB XII, Anhang zu § 23 RdNr 102 f, Stand: 19.7.2016). Das EFA unterscheidet zwischen dem tatsächlichen Aufenthalt für das sozialrechtliche Gleichbehandlungsgebot (Art 1 EFA) und dem gewöhnlichen Aufenthalt für den Ausweisungsschutz bei Inanspruchnahme von Leistungen nach Art 6 EFA (vgl zB Denkschrift zum EFA, BT-Drucks 2/1882, 22 f; vgl auch BT-Drucks 2/2202 S 1). Während des streitigen Auslandsaufenthalts der Klägerin bestand kein tatsächlicher Aufenthalt im Bundesgebiet; insoweit ist jede kurzfristige Ortsabwesenheit beachtlich.
Schließlich kann auch offenbleiben, ob sich die Klägerin als ggf (ehemalige) Arbeitnehmerin oder Familienangehörige, wozu das LSG keine Feststellungen getroffen hat, auf Rechte nach dem sog Assoziationsrecht zwischen der Europäischen Union und der Türkei berufen kann, weil jedenfalls die Sozialhilfe von dessen sachlichen Geltungsbereich ausgenommen ist (vgl insbesondere Art 4 Abs 4 des Beschlusses Nr 3/80 des Assoziationsrats vom 19.9.1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr C 110/60 vom 25.4.1983; widersprüchlich zB Frings/Janda/Keßler/Steffen, Sozialrecht für Zuwanderer, 2. Aufl 2018, vgl RdNr 32 einerseits und RdNr 426 andererseits).
Der Klägerin kann aber ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zustehen, wenn sie dauerhaft voll erwerbsgemindert ist und die übrigen Voraussetzungen für entsprechende Leistungen vorliegen (insbesondere Bedürftigkeit), zu denen das LSG aus seiner Sicht zu Recht keine Feststellungen treffen musste. Nach § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XII bleiben die Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB XII (§§ 41 ff SGB XII) unberührt. Maßgebend für diese Leistungen ist anders als für Leistungen des Lebensunterhalts nach dem 3. Kapitel der "gewöhnliche Aufenthalt" des Leistungsberechtigten im Inland (§ 41 Abs 1 SGB XII). Die Klägerin hatte nach den bindenden Feststellungen des LSG und der von ihm getroffenen Prognoseentscheidung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Es fehlen aber - wie dargelegt - Feststellungen des LSG zur Erwerbsminderung sowie (bei einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung) zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Klägerin, die dem Senat eine abschließende Entscheidung ermöglichen. Das LSG wird ggf auch den zuständigen SGB-II-Leistungsträger beiladen müssen, wenn er als leistungspflichtig in Betracht kommt (§ 75 Abs 2 Alt 2 SGG).
Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.