Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 2017 sowie des Sozialgerichts Lübeck vom 14. März 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch der Klägerin auf Alg wegen des Erhalts einer Entlassungsentschädigung über den 13.5.2010 hinaus ruht.
Die 1957 geborene Klägerin war nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau seit dem 1.8.1973 fortlaufend bei der HSH AG (bzw deren Rechtsvorgängern) beschäftigt, zuletzt mit einem monatlichen Bruttogehalt von 4549,26 Euro. Nach ihrem Arbeitsvertrag waren auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen der für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung anwendbar. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 12.5.2009 zum 31.12.2009. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 191 603,39 Euro. Grundlage der Abfindung war eine zwischen dem Konzernbetriebsrat und der HSH AG am 8.4.2009 unterzeichnete Konzernbetriebsvereinbarung zum "Ausscheiden gegen Abfindungszahlung" (im Folgenden: KBV). Seit dem 1.6.2010 ist die Klägerin selbstständig tätig.
Die Klägerin meldete sich zum 1.1.2010 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte Alg ab dem 23.10.2010; der Anspruch ruhe vom 1.1.2010 bis 25.3.2010 wegen des Eintritts einer Sperrzeit und vom 1.1.2010 bis 22.10.2010 wegen einer Entlassungsentschädigung (drei Bescheide jeweils vom 17.2.2010). Die Beklagte wies den gegen die Sperrzeit gerichteten Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.5.2010). Auch der Widerspruch wegen des Ruhens aufgrund der Entlassungsentschädigung blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 31.5.2010). Nach Angaben des Arbeitgebers habe zwar die Kündigung von Mitarbeitern gedroht, diese seien aber noch nicht konkret benannt worden. Es habe deshalb für die Klägerin eine Kündigungsfrist von 18 Monaten gegolten. Gemäß § 143a Abs 2 SGB III verkürze sich der Ruhenszeitraum auf den 22.10.2010. Beide Widerspruchsbescheide griff die Klägerin nicht an.
Stattdessen stellte sie - nach Ablehnung der freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung während ihrer selbstständigen Tätigkeit - mit am 27.5.2011 eingegangenem Schreiben einen "Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 17.2.2010". Diesen Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte ab, weil weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen noch das Recht falsch angewandt worden sei (Bescheid vom 1.6.2011; Widerspruchsbescheid vom 15.9.2011).
Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 1.6.2011 idF des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2011 aufgehoben und die Beklagte verurteilt "den Bescheid vom 17.2.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.5.2010 insoweit aufzuheben, als sie für den Zeitraum vom 13.5.2010 bis zum 22.10.2010 das Ruhen des Anspruches auf Zahlung von Arbeitslosengeld festgestellt hat" (Urteil vom 14.3.2014). Eine aus Anlass einer Betriebsänderung gezahlte sozialplanmäßige Abfindung unterliege dem Anwendungsbereich des § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III. Der Ruhenszeitraum ende mit dem 12.5.2010. § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III fingiere eine Kündigungsfrist von einem Jahr, wenn dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden könne. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags nur noch aus wichtigem Grund und bei Betriebsänderungen iS des § 111 BetrVG gekündigt werden können; die ordentliche Kündigung sei ausgeschlossen gewesen. Die beim Arbeitgeber der Klägerin durchgeführte Reduzierung des Personals um 760 Mitarbeiter in nahezu allen Betriebsabteilungen stelle aber eine Betriebsänderung auch iS von § 111 Satz 3 Nr 1 BetrVG dar, die den besonderen Kündigungsschutz der Klägerin insoweit habe entfallen lassen.
Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos (Urteil vom 14.7.2017). Das LSG hat auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass Rechtsgrundlage für den Rücknahmeanspruch der Klägerin § 44 Abs 2 SGB X sei. Eine Betriebsänderung liege vor, weil es allein auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 111 BetrVG ankomme. Auch der bloße Personalabbau, wie er hier erfolgen sollte, könne eine Betriebseinschränkung sein.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte neben Verfahrensmängeln eine Verletzung des § 143a Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III aF. Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sei auch dann "zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen" und es gelte deshalb die fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten, wenn die ordentliche Kündigungsmöglichkeit für den Arbeitgeber - zeitlich unbeschränkt - ausgeschlossen gewesen sei und eine zum Wiederaufleben der ordentlichen Kündbarkeit des Arbeitnehmers führende Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) noch nicht vorliege. Außerdem genüge zur Anwendung von § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF nicht die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis bei Zahlung einer Abfindung mit Zustimmung des Arbeitnehmers zu beenden, sondern es sei erforderlich, dass es nur bei Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung gekündigt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Juli 2017 sowie des Sozialgerichts Lübeck vom 14. März 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat ihre Berufung gegen das Urteil des SG zu Unrecht zurückgewiesen. Die Urteile der Vorinstanzen sind deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den Entscheidungen der Vorinstanzen der Bescheid vom 1.6.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2011, durch den die Beklagte die begehrte (teilweise) Rücknahme des Bescheides vom 17.2.2010 abgelehnt hat. Durch diesen Bescheid hat die Beklagte Alg für Zeiten vor dem 23.10.2010 wegen des Ruhens infolge der erhaltenen Entlassungsentschädigung versagt. Die Klägerin begehrt die Rücknahme dieses Bescheides und die Zahlung von Alg nach ihrem im Klageverfahren gestellten Antrag ausdrücklich (nur noch) für die Zeit ab dem 14.5.2010.
Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1, 4 SGG (vgl nur BSG vom 4.4.2017 - B 4 AS 6/16 R - BSGE 123, 76 = SozR 4-4200 § 40 Nr 12, RdNr 12 mwN). Mit der Anfechtungsklage begehrt die Klägerin die Aufhebung des eine Rücknahme ablehnenden Verwaltungsakts. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch die Beklagte gerichtet, durch den diese die begehrte Änderung des bindenden Bewilligungsbescheides bewirken soll. Mit der Leistungsklage schließlich begehrt die Klägerin Alg für die Zeit ab dem 14.5.2010. Ein solcher Anspruch kommt - ohne dass dies im Klageantrag unmittelbar Niederschlag gefunden hätte - nach ihrem erkennbaren Interesse aber nur für die Zeit bis zum 31.5.2010 in Betracht, denn nach den Feststellungen des LSG ist die Klägerin ab dem 1.6.2010 wegen der von ihr aufgenommenen selbstständigen Tätigkeit nicht mehr arbeitslos gewesen. Ihr Begehren ist deshalb so auszulegen, dass Alg ab dem 1.6.2010 nicht geltend gemacht wird. Die vom SG ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten, den Bescheid vom 17.2.2010 auch insoweit aufzuheben, als er eine Regelung für die Zeit vom 1.6.2010 bis 22.10.2010 enthält, geht deshalb unter Verletzung von § 123 SGG über das Beantragte hinaus.
2. Verfahrensmängel, die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen könnten, liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlen dem Urteil des LSG nicht die nach § 136 Abs 1 Nr 6 SGG erforderlichen Entscheidungsgründe (zu den Anforderungen zuletzt BSG vom 3.5.2018 - B 11 AL 2/17 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 14 mwN). Es werden die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme bindender Verwaltungsakte und für ein Ruhen des Leistungsanspruchs wegen des Erhalts einer Entlassungsentschädigung genannt und erörtert, was ausreicht. Bedenken gegenüber der Zulässigkeit der Berufung mit Blick darauf, dass nur ein Leistungsanspruch für den Zeitraum vom 14.5.2010 bis 31.5.2010 im Streit ist, bestehen nicht. Bei einem täglichen Leistungssatz von 53,32 Euro, der sich aus dem vom LSG in Bezug genommenen Bewilligungsbescheid ergibt, beträgt der Wert des Beschwerdegegenstands 853,12 Euro (53,32 Euro x 16 Tage) und übersteigt den Betrag von 750 Euro (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG).
3. Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf Rücknahme des bindenden Ablehnungsbescheides vom 17.2.2010 und in der Folge auch kein Anspruch auf Alg.
a) Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Rücknahme des zur Überprüfung gestellten Bescheides vom 17.2.2010 ist § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die in § 330 Abs 1 SGB III vorgesehenen Einschränkungen für den Fall, dass der betreffende Verwaltungsakt auf einer Rechtsnorm beruht, die nach seinem Erlass für nichtig oder für unvereinbar mit dem GG erklärt (erste Alt) oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist (zweite Alt), sind vorliegend ohne Bedeutung.
Entgegen der Auffassung des LSG ist § 44 Abs 2 SGB X nicht anwendbar, denn es ist kein Regelungsgegenstand ohne Bezug zu einer Leistungserbringung oder Beitragserhebung ersichtlich, der dem Regelungsbereich des § 44 Abs 2 SGB X ("Im Übrigen") unterfallen könnte. Die Klägerin verlangt über die teilweise Rücknahme des bindenden Bescheides die Zahlung der Sozialleistung Alg (nur) für die Zeit vom 14.5.2010 bis 31.5.2010. Dass sie, wovon SG und LSG ausgegangen sind, auch die Rücknahme von Regelungen beansprucht, die den Zeitraum ab dem 1.6.2010 betreffen, ist ihrem Begehren - wie bereits dargelegt - nicht zu entnehmen. Durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit ab dem 1.6.2010 hätte sich im Übrigen ein Ruhen des Anspruchs wegen einer Entlassungsentschädigung - wenn man hierin eine eigene Regelung sehen würde - ohnehin erledigt. Denn anders als die stets mit einer Anspruchsminderung verbundenen Rechtsfolgen einer Sperrzeit beschränkt sich die Rechtsfolge des Ruhens wegen einer Entlassungsentschädigung auf den Wegfall des Zahlungsanspruchs für einen ganz bestimmten Zeitraum der kalendermäßig unabhängig davon abläuft, ob ein Anspruch auf Alg besteht (vgl nur Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 158 RdNr 114, Stand Dezember 2014; Düe in Brand, SGB III, 8. Aufl 2018, § 158 RdNr 29). Ab dem 1.6.2010 hat ein Zahlungsanspruch bereits wegen der fehlenden Arbeitslosigkeit nicht mehr bestanden.
b) Ein Anspruch der Klägerin auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 17.2.2010 und Gewährung von Alg für die Zeit vom 14.5.2010 bis 31.5.2010 besteht indes nicht, denn durch diesen Bescheid hat die Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. In diesem Zeitraum ruhte der Anspruch der Klägerin auf Alg wegen des Erhalts einer Abfindung zu Recht.
§ 143a SGB III (in der hier anwendbaren Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - BGBl I 2848, im Folgenden: SGB III aF), der § 158 SGB III entspricht, bestimmt in Abs 1 Satz 1: Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 143a Abs 1 Satz 2 SGB III aF). Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten (§ 143a Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III aF), bei zeitlich begrenztem Ausschluss oder bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre (§ 143a Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB III aF). Kann dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr (§ 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF).
Vorliegend ist das Arbeitsverhältnis durch die Vereinbarung der Auflösung am 12.5.2009 zum 31.12.2009 zwar unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Diese hat nach § 17 Nr 1 Abs 2 letzte Alt des nach dem Arbeitsvertrag der Klägerin anwendbaren Manteltarifvertrags (MTV) für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken (Stand April 2009) nach einer im Falle der Klägerin zu berücksichtigenden Beschäftigungszeit von mehr als zwölf Jahren sechs Monate zum Quartalsende betragen. Ein Ruhen des Anspruchs auf Alg wegen des Erhalts der Entlassungsentschädigung ist also nicht in unmittelbarer Anwendung von § 143a Abs 1 Satz 1 SGB III aF eingetreten. Doch war die Klägerin, die zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 50. Lebensjahr bereits vollendet und dem Betrieb auch mindestens zehn Jahre angehört hatte, nach § 17 Nr 3 Abs 1 MTV nur noch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderungen iS des § 111 BetrVG kündbar.
Hier hat bei Abschluss des Aufhebungsvertrags zunächst kein wichtiger Grund vorgelegen, der eine Kündigung gerechtfertigt hätte. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass bereits im Mai 2009 fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin zu einer unzumutbaren Belastung ihres Arbeitgebers geführt und damit die besonderen, sehr engen individualarbeitsrechtlichen Voraussetzungen für eine hier allein in Betracht kommende fristgebundene betriebsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund (dazu zuletzt BSG vom 17.12.2013 - B 11 AL 13/12 R - BSGE 115, 106 = SozR 4-4300 § 143a Nr 2‚ RdNr 16 ff) vorgelegen hätten. Nach der arbeitsförderungsrechtlich gebotenen fallbezogenen Betrachtungsweise ist zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht von einer die Kündigung rechtfertigenden Betriebsänderung auszugehen (näher dazu d), sodass wegen des anzunehmenden zeitlich unbegrenzten Ausschlusses der ordentlichen Kündigung iS des § 143a Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III aF im Rahmen der Anwendung von § 143a Abs 1 Satz 1 SGB III aF eine (fiktive) Kündigungsfrist von 18 Monaten zu berücksichtigen ist.
c) Es liegt kein Fall des § 143a Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB III aF vor, wonach die Kündigungsfrist gilt, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre. Ein zeitlich begrenzter Ausschluss der ordentlichen Kündigung iS von § 143a Abs 1 Satz 3 Nr 2 Alt 1 SGB III aF ist hier nicht gegeben, denn dem MTV ist allenfalls eine sachliche, aber keine zeitliche Begrenzung zu entnehmen. Auch soweit die KBV vom 8.4.2009 den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahre 2012 und damit eine zeitliche Schranke vorsieht, vermag diese hier nicht zur Berücksichtigung der ohne Kündigungsausschluss geltenden kürzeren Kündigungsfrist führen. Abzustellen ist nach Sinn und Zweck der Regelung darauf, was ohne den zeitlich begrenzten Ausschluss maßgebend gewesen wäre. Wegen des bereits bestehenden Kündigungsausschlusses nach dem MTV wäre eine Kündigung der Klägerin mit ordentlicher Kündigungsfrist hier auch ohne die Regelung in der KBV nur unter den Einschränkungen des MTV statthaft gewesen.
d) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen gilt auch keine fiktive Kündigungsfrist von (nur) einem Jahr gemäß § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich hätte gekündigt werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG - auch schon zur Vorgängerbestimmung in § 117 Abs 2 Satz 4 AFG - umfasst § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF von vornherein nicht die Fälle, in denen der Arbeitgeber im Hinblick auf das KSchG mangels ausreichender Kündigungsgründe im Einzelfall nicht (wirksam) ordentlich kündigen kann und sich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Abfindung "erkaufen" muss. Einbezogen sind vielmehr nur Sachverhalte, in denen die ordentliche Kündigung für den Arbeitgeber vertraglich grundsätzlich ausgeschlossen ist und nur für Fälle (wieder-)eröffnet werden soll, bei denen eine Abfindung gezahlt wird. Sind also für den Arbeitgeber alternative Möglichkeiten der ordentlichen Kündigung auch ohne Abfindung eröffnet, so ist die Anwendung des § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF mit der Folge ausgeschlossen, dass bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist ein Ruhen des Alg-Anspruchs nicht in Betracht kommt (vgl nur BSG vom 29.1.2001 - B 7 AL 62/99 R - BSGE 87, 250 = SozR 3-4100 § 117 Nr 22 und SozR 3-4300 § 143a Nr 2, juris RdNr 25; BSG vom 9.2.2006 - B 7a AL 44/05 R - BSGE 96, 64 = SozR 4-4300 § 143a Nr 1, RdNr 13). Im Umkehrschluss reicht es zur Anwendung von § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF allerdings nicht aus, wenn eine Abfindung zwar vorgesehen ist, diese allerdings - wie es hier nach der KBV der Fall ist - nicht (schon) die Kündigung, sondern nur einen Auflösungsvertrag ermöglicht, der naturgemäß nur im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer zustande kommen kann (vgl BSG vom 15.12.1999 - B 11 AL 29/99 R - juris RdNr 18).
Vielmehr ist im Rahmen einer von der BSG-Rechtsprechung stets geforderten fallbezogenen Betrachtungsweise entscheidend, ob ganz konkret die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung nur bei Abfindung bestanden hat (so ausdrücklich BSG vom 29.1.2001 - B 7 AL 62/99 R - BSGE 87, 250 = SozR 3-4100 § 117 Nr 22 und SozR 3-4300 § 143a Nr 2, juris RdNr 31). Denn die Frist von einem Jahr gemäß § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF beruht auf dem Gedanken, dass der kündigungsrechtliche Status des Arbeitnehmers, dem allgemein nur bei Zahlung einer Abfindung ordentlich gekündigt werden kann, schwächer ist, als bei unbegrenztem Ausschluss der Kündigung, aber stärker als bei ordentlicher Kündbarkeit. Die Annahme eines solchen "geschwächten" Kündigungsschutzes ist dabei nur gerechtfertigt, wenn die Kündigungsmöglichkeit bereits konkret eröffnet ist. Wenn es einem Arbeitnehmer, wie vorliegend der Klägerin, lediglich ermöglicht wird, eine Abfindung zu erhalten, wenn sie freiwillig auf einen bereits bestehenden Kündigungsschutz verzichtet, ohne dass eine konkrete Kündigung im Raum steht, reicht dies nicht aus.
Es ist auch kein Grund ersichtlich, die Jahresfrist des § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF ungeachtet des Wortlauts der Vorschrift anzuwenden, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber zwar nicht gekündigt werden kann, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag aber eine Abfindung zur Folge hat. Eine entsprechende Anwendung wäre nur gerechtfertigt, wenn insoweit eine planwidrige, ergänzungsbedürftige Gesetzeslücke bestehen würde, an der es fehlt. Es entspricht gerade nicht dem Plan des Gesetzes, die anzuwendende "Kündigungsfrist" daran zu knüpfen, ob für das freiwillige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Abfindungen vorgesehen sind. Denn ob eine Abfindung zum Ruhen eines Leistungsanspruchs führt, beurteilt § 143a Abs 1 SGB III aF bzw § 158 Abs 1 SGB III niemals nach den Gründen, die zur Zahlung der Abfindung geführt haben, sondern allein nach der Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist oder, wenn die ordentliche Kündigung ausgeschlossen oder eingeschränkt war, nach besonderen Fristen, die das Gesetz diesen Fällen der Einschränkung der ordentlichen Kündigung entsprechend zuordnet (so noch zu § 117 Abs 2 AFG BSG vom 15.12.1999 - B 11 AL 29/99 R - juris RdNr 19).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze scheitert eine Anwendung von § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF deshalb schon daran, dass dem Arbeitgeber der Klägerin weder tarifvertraglich noch durch betriebsverfassungsrechtliche Regelungen ein Kündigungsrecht gegenüber der Klägerin zum 31.12.2009 zugestanden hätte. Soweit von der Klägerin vertreten wird, ihr hätte trotz des bestehenden Kündigungsschutzes schon aufgrund der vom Arbeitgeber für erforderlich gehaltenen Personalabbaumaßnahmen im Mai 2009 ordentlich gekündigt werden können, greift dies bereits wegen des ausdrücklichen Kündigungsverzichts des Arbeitgebers in der KVB (Ziff 2) von 2009 bis 2012 nicht durch. Zwar galt dieser Kündigungsverzicht nur unter der ungewissen Voraussetzung, dass bestimmte Ziele des Personalabbaus durch Aufhebungsverträge erreicht werden. Eine Auswertung, ob diese Abbauziele erreicht wurden, sollte allerdings erstmals zum 31.12.2009 stattfinden. Im Rahmen geplanter Personalabbaumaßnahmen waren also Kündigungen vor diesem Termin nicht vorgesehen. Zudem rechtfertigt allein das Angebot, gegen eine nicht unerhebliche Abfindung ausscheiden zu können, selbst wenn es eine betriebsverfassungsrechtliche Grundlage wie hier in der KVB haben sollte, eben nicht gleichzeitig eine Kündigung unter Zahlung der vorgesehenen Abfindung. Dementsprechend war der Klägerin - anders etwa als in sämtlichen von den Vorinstanzen herangezogenen Entscheidungen des BSG zur Auslegung von § 117 Abs 2 AFG bzw § 143a Abs 1 SGB III aF - auch nicht gekündigt worden, sondern sie ist aufgrund eines Auflösungsvertrags aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.
Auf die von den Vorinstanzen und der Klägerin unter Auslegung des MTV problematisierte Frage, unter welchen Voraussetzungen eine möglicherweise beabsichtigte Betriebsänderung einen Sozialplan erfordert und hypothetisch Kündigungsmöglichkeiten, ggf auch nur gegen Zahlung einer Abfindung, einräumen kann, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Was gegolten hätte, wenn nach einer Auswertung festgestellt worden wäre, dass die Ziele des Personalabbaus auf freiwilliger Basis nicht erreicht werden und Kündigungen tatsächlich in Betracht kommen, kann hier ebenfalls offenbleiben. Die Klägerin hatte schon vor dem Zeitpunkt einen Aufhebungsvertrag geschlossen, zu dem es erstmals überhaupt zu einer solchen Auswertung kommen sollte.
e) Bei der sonach gemäß § 143a Abs 1 Satz 1 und 2 SGB III aF anzunehmenden (fiktiven) Kündigungsfrist von 18 Monaten hätte das Arbeitsverhältnis ausgehend vom Tag der Vereinbarung über die Beendigung am 12.5.2009 erst zum 31.12.2010 gekündigt werden dürfen, was den maximalen Ruhenszeitraum bestimmt. Nach § 143a Abs 2 SGB III aF sind unter Berücksichtigung der Beschäftigungszeit und des Lebensalters der Klägerin 25 % der Entlassungsentschädigung in Höhe von 191 603,39 Euro, also 47 900,84 Euro, ab Anspruchsbeginn (1.1.2010) nach Maßgabe von § 143a Abs 2 Satz 3 iVm Satz 2 Nr 1 SGB III aF anzurechnen. Bei einem kalendertäglichen Entgelt von 161,92 Euro, das der Bemessung zugrunde gelegen hätte, ergibt sich ein Ruhenszeitraum, der über den 31.5.2010 hinausgeht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.