Grundsicherung für Arbeitsuchende - abschließende Entscheidung nach vorläufiger Leistungsbewilligung - Bezeichnung als "Änderungsbescheid" - Bekanntgabe - Erstattung erbrachter Leistungen - Beschränkung der Minderjährigenhaftung - Verschulden des Vertreters - Bagatellgrenze)
Die Beschränkung der Minderjährigenhaftung setzt weder ein Verschulden des Vertreters des Minderjährigen voraus noch gibt es für ihr Eingreifen eine Bagatellgrenze.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. August 2017 aufgehoben. Das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 31. Mai 2016 wird geändert und der Bescheid des Beklagten vom 24. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2015 wird aufgehoben, soweit eine über 19,84 Euro hinausgehende Erstattung verlangt wird.
Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits für alle drei Instanzen zu erstatten.
Tatbestand
Umstritten ist eine Erstattungsforderung des beklagten Jobcenters gegen die Klägerin im Hinblick auf eine Beschränkung der Minderjährigenhaftung.
Die am 2.5.1997 geborene Klägerin war Schülerin und lebte in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Vater und ihrem Bruder. Der Beklagte bewilligte ihnen vorläufig aufstockendes Alg II für den Zeitraum vom 1.3. bis 30.6.2015 (Bescheid vom 10.2.2015). Nachdem der Vater seine Verdienstbescheinigungen vorgelegt hatte, ausweislich derer er tatsächlich ein geringfügig höheres Einkommen als das vorläufig zugrunde gelegte erzielt hatte, setzte der Beklagte mit "Änderungsbescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts" vom 24.8.2015 für die drei Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft jeweils niedrigere Leistungen als zuvor bewilligt abschließend fest. Mit einem weiteren Bescheid ebenfalls vom 24.8.2015, der an die Klägerin persönlich gerichtet war, verlangte der Beklagte unter Hinweis auf die nunmehrige abschließende Festsetzung des Alg II von der Klägerin die Erstattung von insgesamt 53,24 Euro für die Monate März bis Juni 2015. Der Widerspruch hiergegen wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 29.10.2015).
Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin nur gegen die Erstattungsforderung für die Zeit vom 1.3. bis 1.5.2015 in Höhe von 33,40 Euro gewandt und eine Vermögensauskunft vorgelegt, wonach sie über kein Bar- oder Sparvermögen und als Sachvermögen über ein ca zwei Jahre altes Mobiltelefon, eine mehrere Jahre alte Digitaluhr, Schulbücher im Wert von ca 40 Euro, zehn Bücher der Unterhaltungsliteratur und acht CD's verfüge. Das SG hat den Erstattungsbescheid aufgehoben, soweit danach mehr als 25 Euro zu erstatten seien. Die Haftungsbeschränkung des § 1629a BGB für die Zeit vor Vollendung des 18. Lebensjahres sei im Grundsatz gegeben, von den von der Klägerin aufgezählten Vermögensgegenständen seien das Mobiltelefon sowie die Unterhaltungsliteratur und die CD's zu berücksichtigen; der Wert dieser Gegenstände werde auf 25 Euro geschätzt. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden (Urteil vom 31.5.2016). Nur die Klägerin hat die vom SG zugelassene Berufung eingelegt, die das LSG zurückgewiesen hat (Urteil vom 16.8.2017). Entgegen der Auffassung des SG greife die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB hier nicht, weil die Erstattungsforderung nicht auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Vaters beruhe, sondern auf einer abschließenden Entscheidung nach einer vorläufigen Bewilligung wegen der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens. Deshalb komme es nicht darauf an, dass das SG zu Unrecht für die Berechnung einer Erstattungssumme Vermögensgegenstände berücksichtigt habe, die unpfändbar seien.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III und des § 1629a BGB. Es fehle zum einen bereits an einer Rechtsgrundlage für den Erstattungsbescheid, da durch den als Änderungsbescheid gekennzeichneten Bescheid vom 24.8.2015 keine endgültige Bewilligungsentscheidung getroffen worden sei. Der Änderungsbescheid sei zudem an ihren Vater adressiert gewesen, zu diesem Zeitpunkt sei sie aber bereits volljährig gewesen. Eine Zurechnung über §§ 1626 ff, 1629 BGB scheide ebenso aus wie die Heranziehung des § 38 SGB II. Hinsichtlich des § 1629a BGB habe das LSG verkannt, dass dessen Voraussetzungen auch bei der Beantragung existenzsichernder Leistungen gegeben seien und ein Fehlverhalten des gesetzlichen Vertreters für das Eingreifen des § 1629a BGB keine Voraussetzung sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. August 2017 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 31. Mai 2016 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 24. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2015 aufzuheben, soweit eine über 19,84 Euro hinausgehende Erstattung verlangt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Zu Unrecht hat das LSG entschieden, dass die Grundsätze der Beschränkung der Minderjährigenhaftung hier nicht anwendbar seien und die Klägerin dem Beklagten für den streitigen Zeitraum vom 1.3. bis 1.5.2015 im Ergebnis 25 Euro zu erstatten habe.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Urteilen der Bescheid des Beklagten vom 24.8.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2015, mit dem eine Erstattungsforderung von insgesamt 53,24 Euro für März bis Juni 2015 festgesetzt wurde. Da die Klägerin aber allein die Aufhebung des Erstattungsbescheids für den Zeitraum vom 1.3. bis 1.5.2015 begehrt, standen ursprünglich nur 33,40 Euro im Streit. Diesbezüglich hat das SG mit seinem Urteil die Haftung der Klägerin auf das von ihm als pfändbar angesehene Vermögen von 25 Euro beschränkt, sodass die Klage bereits im Umfang von 8,40 Euro erfolgreich war. Da allein die Klägerin Berufung eingelegt hat, war nur noch über diese 25 Euro zu entscheiden. In der Sache geht es darum, ob bezüglich der Erstattungsforderung die Beschränkung der Minderjährigenhaftung gemäß § 1629a BGB zu Gunsten der Klägerin eingreift.
2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Insbesondere war die Berufung zulässig, nachdem das SG sie in seinem Urteil zugelassen hat. Die Klägerin hat sich allein gegen den Erstattungsbescheid zutreffend mit der reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG) gewandt, denn dieser stellt einen eigenständigen Bescheid dar, getrennt von dem Bescheid ebenfalls vom 24.8.2015, mit dem geringere Leistungen als zuvor abschließend bewilligt wurden, gegen den die Klägerin aber keinen Widerspruch eingelegt hat.
3. Rechtsgrundlage für den Erstattungsbescheid ist § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II (idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850; vgl zum anwendbaren Recht BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f; BSG vom 7.12.2017 - B 14 AS 7/17 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 55 RdNr 10) iVm § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III (idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854). Nach § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II ist die Vorschrift des § 328 SGB III betreffend die vorläufige Entscheidung entsprechend anwendbar; nach § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III sind für den Fall, dass mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen zu erstatten.
Im Ergebnis ergibt sich im vorliegenden Fall keine Erstattungsforderung des Beklagten gegen die Klägerin, der Bescheid vom 24.8.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2015 ist daher für den streitigen Zeitraum vom 1.3. bis 1.5.2015 insgesamt aufzuheben. Zwar ist der Erstattungsbescheid formell nicht zu beanstanden (dazu 4.), er beruht auf einem wirksamen Bescheid ebenfalls vom 24.8.2015, der ordnungsgemäß bekannt gegeben wurde (dazu 5.). Die materielle Rechtswidrigkeit folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 1629a BGB (dazu 6.). Die Vorschrift knüpft allein an das Vorhandensein fremdverantworteter Verbindlichkeiten an, setzt kein Verschulden des Vertreters voraus und unterliegt keiner Bagatellgrenze (dazu 7.). Eine Berücksichtigung von Vermögensgegenständen der Klägerin scheidet vorliegend wegen Unpfändbarkeit dieser Gegenstände aus (dazu 8.).
4. Der angefochtene Erstattungsbescheid ist nicht schon wegen eines formellen Mangels aufzuheben. Soweit der Beklagte versäumt hat, die Klägerin vor Erlass des Verwaltungsakts anzuhören (vgl hierzu BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 19 f), ist dieser Mangel nach den Feststellungen des LSG im Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 41 Abs 1 Nr 3 SGB X).
5. Der Erstattungsbescheid beruht auf dem wirksamen, als abschließende Entscheidung anzusehenden "Änderungsbescheid" vom 24.8.2015, der hinsichtlich der Klägerin bindend geworden ist, weil sie dagegen keinen Widerspruch eingelegt hat. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheids kommt es allein darauf an, dass der Rechtsgrund für die Leistung weggefallen ist. Entscheidend ist die Wirksamkeit, nicht die Rechtmäßigkeit des den Leistungsanspruch abschließend regelnden Bescheids.
a) Die für die Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheids in den Fällen des § 328 Abs 3 SGB III notwendige abschließende Entscheidung (vgl BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 23) ist vorliegend getroffen worden und in dem "Änderungsbescheid" vom 24.8.2015 zu sehen. Dem steht nicht die Bezeichnung als Änderungsbescheid entgegen. Es kommt nicht auf die Überschrift eines solchen Verwaltungsakts an (BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 32), vielmehr kann ein mit "Änderungsbescheid" bezeichneter Bescheid nach den allgemeinen Regeln der Auslegung auch eine abschließende Entscheidung darstellen (BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26; BSG vom 5.7.2016 - B 14 AS 36/16 R - SozR 4-1500 § 86 Nr 3 RdNr 14). Die Auslegung des vorliegenden Bescheids ergibt nach dem für das Verständnis maßgebenden Empfängerhorizont mit hinreichender Klarheit, dass es sich um eine abschließende Entscheidung handelt. Der unter dem Vorläufigkeitsvorbehalt stehende Bescheid vom 10.2.2015 wird ausdrücklich aufgehoben und in dem Verfügungssatz klargestellt, dass den in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen insgesamt niedrigere Leistungen zustehen. Diese werden getrennt nach den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft und nach Monaten einzeln aufgelistet. Weiterhin wird zur Begründung auf die eingereichten Lohnnachweise verwiesen und hinsichtlich der entstandenen Überzahlungen ein gesonderter Erstattungsbescheid angekündigt.
b) Diese abschließende Entscheidung wurde der Klägerin gemäß § 37 SGB X ordnungsgemäß bekannt gegeben. Es ist hier von der grundsätzlichen Vermutung nach § 38 Abs 1 Satz 1 SGB II auszugehen, dass ein Leistungsberechtigter, der einen Antrag auf Leistungen stellt, bevollmächtigt ist, Leistungen nach dem SGB II auch für die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Daraus folgt, dass die auf den Antrag erteilten Bescheide dem Leistungsberechtigten für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II bekannt gegeben werden können, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Mitglieder bereits volljährig sind oder nicht. Für die Annahme einer wirksamen Bekanntgabe gegenüber der Klägerin greift die Vermutungsregelung des § 38 SGB II auch bei einer abschließenden Entscheidung nach einer vorläufigen mit geringeren Leistungen ein (vgl BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 15 f). Eine Rüge hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellung des LSG, dass die Klägerin dem Haushalt weiterhin angehört hat, ist seitens der Klägerin nicht erfolgt.
6. Der Erstattungsbescheid vom 24.8.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2015 ist teilweise - soweit er die streitige Zeit vom 1.3. bis zum 1.5.2015 betrifft - materiell rechtswidrig. Zwar sind die Voraussetzungen des § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III insofern erfüllt, als der Beklagte in zulässiger Weise nach vorläufiger Bewilligung und nachfolgender abschließender Entscheidung überzahlte Leistungen ua von der Klägerin zurückgefordert hat.
Die materielle Rechtmäßigkeit des Erstattungsverwaltungsakts bemisst sich im vorliegenden Fall allerdings nicht nur an § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II iVm § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III, sondern auch an § 1629a BGB. Nach dieser Vorschrift beschränkt sich die Haftung für Verbindlichkeiten, die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, auf den Bestand des bei Eintritt in die Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes. Die Regelung dient insoweit der Erfüllung eines Verfassungsauftrags, als das BVerfG in seinem Beschluss vom 13.5.1986 (1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155) entschieden hatte, das als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG anerkannte Recht auf Selbstbestimmung werde berührt, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder kraft der ihnen zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1629 Abs 1 BGB) finanziell verpflichten können. Hierdurch könnten in erheblichem Maße die Grundbedingungen freier Entfaltung und Entwicklung junger Menschen betroffen werden. Der zur Umsetzung dieser Rechtsprechung durch das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz vom 25.8.1998 (BGBl I 2487) in das BGB eingefügte § 1629a BGB knüpft dabei allein an die Saldierung zwischen der fremdverantworteten Verbindlichkeit und dem Vermögensbestand bei Eintritt der Volljährigkeit an.
Diese vom BVerfG beanstandete Lage kann in gleicher Weise im Angesicht der finanziellen Folgen auftreten, die Minderjährigen als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft über die insoweit geltende Vertretungsregelung (§ 38 SGB II) aufgebürdet werden. Die in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte gesetzliche Regelung des § 1629a BGB gilt für die "Minderjährigenhaftung" im SGB II entsprechend (grundlegend BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 40 ff; vgl auch BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 40/15 R - SozR 4-1500 § 75 Nr 24 RdNr 35 ff; Anschluss im Ergebnis durch BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 12/14 R - SozR 4-1300 § 50 Nr 5 RdNr 14; vgl hierzu auch Greiser in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 40 RdNr 142 ff sowie zuletzt Kellner, NZS 2018, 684; teilweise kritisch im Hinblick auf eine entsprechende Anwendung Uyanik, Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen nach dem SGB II im Konflikt zur Minderjährigenhaftungsbeschränkung nach § 1629a BGB, 2018, S 137 ff). Die entsprechende Anwendung hat in vollem Umfang zu erfolgen, denn im Sozialrecht kann aus verfassungsrechtlichen Gründen kein geringerer Schutz der Minderjährigen gelten als im Zivilrecht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einem Beschluss des BVerwG vom 28.3.2008 (5 B 32/08) zur Rückzahlungspflicht von BAföG, das unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist (§ 20 Abs 1 Satz 1 Nr 4 BAföG), denn daraus lässt sich für den vorliegenden Fall wegen eines nicht vergleichbaren Sachverhalts nichts herleiten. Die Regelung über die Beschränkung der Minderjährigenhaftung findet demnach auch nicht erst im Verwaltungsvollstreckungsverfahren Anwendung, sondern betrifft bereits den Erstattungsbescheid (BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 45 f).
7. Auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 1629a BGB vor.
a) Die vorliegende Verbindlichkeit in Form des Erstattungsverlangens über (noch) 25 Euro ist durch eine Handlung des vertretungsberechtigten Vaters mit Wirkung für die Klägerin begründet worden. Die zur Erstattung führende Überzahlung resultiert aus der Beantragung und der Entgegennahme der Leistungen nach dem SGB II (vgl § 38 Abs 1 Satz 1 SGB II). Die Vorschrift knüpft allein an das Vorhandensein fremdverantworteter Verbindlichkeiten an (vgl hierzu nur Coester in Staudinger, BGB, 2015, § 1629a RdNr 21 ff, 44). In diesem Sinne bestimmt § 1629a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 Var 2 BGB, dass selbst die familiengerichtliche Genehmigung eines Rechtsgeschäfts an der beschränkten Haftung des Minderjährigen nichts ändert. Dies bestätigt, dass eine Pflichtwidrigkeit des Vertreterhandelns im Rahmen des § 1629a BGB keine Tatbestandsvoraussetzung ist. Demgemäß kann aus der Neufassung des § 34a SGB II nichts hergeleitet werden. Da es auf die Rechtsgrundlage für das Erstattungsverlangen nicht ankommt, ist die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nicht nur auf Fälle anwendbar, in denen der Erstattungsanspruch auf § 50 SGB X beruht, sondern ist auch auf § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III anzuwenden.
b) Für eine Bagatellgrenze gibt es keine durchgreifenden Gründe. Ausgehend davon, dass die Regelung des § 1629a BGB wegen verfassungsrechtlicher Vorgaben in Gänze gilt, greift auch die Beschränkung der Minderjährigenhaftung ein, ohne dass es auf die Höhe der Rückforderungssumme ankommt. Dagegen findet die den Anwendungsbereich der Schutzvorschrift einschränkende Regelung des § 1629a Abs 2 Var 2 BGB keine Anwendung. Für die Fälle, in denen alle Bedarfe und auch alle "persönlichen Bedürfnisse" des Kindes durch staatliche Fürsorgeleistungen sichergestellt werden müssen, weil die Leistungsfähigkeit der Eltern als Unterhaltsverpflichtete nicht genügt, verbietet sich der (generalisierte) Schluss, dass durch die Rückforderung keine unzumutbaren finanziellen Belastungen entstehen (BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - aaO, RdNr 51-52). Dass es sich vorliegend bei der Höhe der Erstattungsforderung um einen relativ geringfügigen Betrag handelt, der aus Sicht der Betroffenen den Start in die Volljährigkeit zwar erschweren kann, ihr Selbstbestimmungsrecht aber nicht in verfassungswidriger Weise einschränken würde, steht einer entsprechenden Anwendung des § 1629a BGB nicht entgegen. Nach der gesetzlichen Konzeption des § 1629a BGB wird die Höhe der Rückforderungssumme allein im Rahmen der Saldierung von Schuld und Vermögen zum Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres berücksichtigt und ist insofern einer Pauschalierung und Typisierung im Sinne einer Bagatellgrenze nicht zugänglich.
8. Bei Anwendung der genannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass die Klägerin von den ursprünglich für die Zeit vom 1.3. bis zum 30.6.2015 als Erstattung verlangten 53,24 Euro nicht mehr als 19,84 Euro erstatten muss, der Betrag, der auf die Zeit nach Eintritt ihrer Volljährigkeit entfällt.
Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit der Klägerin am 2.5.2015 besaß diese - wie das LSG festgestellt hat - kein einsetzbares Vermögen. Die Haftung des volljährig Gewordenen nach § 1629a BGB umfasst nicht die gemäß § 811 ZPO unpfändbaren Gegenstände (vgl Huber in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl 2017, § 1629a RdNr 41). Unpfändbar nach § 811 Abs 1 Nr 1 ZPO sind insbesondere die dem persönlichen Gebrauch des Schuldners dienenden Sachen, soweit sie zu seiner der Verschuldung angemessenen, bescheidenen Haushalts- und Lebensführung benötigt werden. Um welche Gegenstände es sich hierbei handelt, bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung und den Besonderheiten des Einzelfalls. Somit können auch Gegenstände, die in vertretbarem Umfang Beziehungen zur Umwelt und eine Teilhabe am kulturellen Leben sowie Informationen über das Zeitgeschehen ermöglichen, als für den persönlichen Gebrauch bestimmt und damit unpfändbar sein (vgl Herget in Zöller, ZPO, 32. Aufl 2018, § 811 RdNr 15). Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass weder das zwei Jahre alte Smartphone der Klägerin noch die zehn Bücher oder acht CD's der Pfändung unterliegen. Weitere Vermögensgegenstände besaß die Klägerin an ihrem 18. Geburtstag nach den Feststellungen des LSG nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.