Sozialversicherung - Säumniszuschlag - Arbeitgeber - Kenntnis von der Beitragspflicht - Verschulden - Erhebung ab Eintritt der Kenntnis oder verschuldeten Unkenntnis
1. Die Säumniszuschläge auslösende Kenntnis von der Beitragspflicht liegt vor, wenn der Arbeitgeber die seine Beitragsschuld begründenden Tatsachen kennt und zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre nachvollzieht, dass eine Beschäftigung vorliegt, die Beitragspflicht nach sich zieht.
2. Die fehlende Kenntnis von der Zahlungspflicht ist dann nicht unverschuldet, wenn dem Arbeitgeber wenigstens bedingter Vorsatz vorzuwerfen ist.
3. Säumniszuschläge sind ab Eintritt der Kenntnis oder verschuldeten Unkenntnis von der Beitragspflicht zu erheben.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. August 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 4419 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung von Säumniszuschlägen auf eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen streitig.
Die klagende GmbH betreibt ein Busunternehmen mit speziell für einen 24-stündigen Aufenthalt ausgestatteten Reisebussen. Sie beschäftigte eigene Fahrer und zog regelmäßig ergänzend weitere Fahrer (sog Tourbegleiter) heran, die sie als selbstständig behandelte und nicht zur Sozialversicherung anmeldete. Auch der Beigeladene zu 1. war mit Unterbrechungen in der Zeit vom 17.10.2006 bis zum 18.11.2009 wiederholt als Tourbegleiter für die Klägerin tätig. Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 2006 bis 2009 forderte die Beklagte von der Klägerin insgesamt 54 303,03 Euro Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschlägen von 14 480,50 Euro für die Tätigkeit von sechs Tourbegleitern nach, davon entfiel auf den Beigeladenen zu 1. ein Betrag von 19 737,21 Euro einschließlich 7432 Euro Säumniszuschläge (Bescheid vom 23.5.2011, Widerspruchsbescheid vom 2.4.2012).
Das SG hat die Verfahren hinsichtlich vier Fahrer abgetrennt und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.6.2014). Im Berufungsverfahren hat das LSG das Verfahren bezüglich eines weiteren Tourbegleiters abgetrennt. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG ihre Forderung gegen den Beigeladenen zu 1. auf 16 643,53 Euro einschließlich Säumniszuschlägen von 4419 Euro reduziert. Sodann hat das LSG das Urteil des SG geändert, die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der auf den Beigeladenen zu 1. entfallenden Säumniszuschläge aufgehoben und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. Die Beitragsnachforderung sei wegen der abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin nicht zu beanstanden. Allerdings sei die für die Erhebung von Säumniszuschlägen für die Vergangenheit erforderliche vorsätzliche Unkenntnis des Geschäftsführers der Klägerin von der Beitragszahlungspflicht nicht feststellbar. Der Verschuldensmaßstab bestimme sich nicht nach § 276 BGB. Da sowohl § 25 Abs 2 SGB IV als auch § 14 Abs 2 SGB IV nach der Rechtsprechung des BSG mindestens bedingten Vorsatz erforderten, gelte dieser Maßstab auch für § 24 Abs 2 SGB IV (Urteil vom 30.8.2017).
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 24 Abs 2 SGB IV. Diese Vorschrift definiere nicht selbst den Verschuldensmaßstab, so dass nach der Rechtsprechung des 13. Senats des BSG (Urteil vom 1.7.2010 - B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr 5) § 276 BGB heranzuziehen sei, der für ein Verschulden bereits leichte Fahrlässigkeit ausreichen lasse. Dem ständen die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 26.1.2005 (B 12 KR 3/04 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 7) und vom 9.11.2011 (B 12 R 18/09 R - BSGE 109, 254 = SozR 4-2400 § 14 Nr 13) nicht entgegen. Nur diese Auslegung entspreche dem Zweck des § 24 SGB IV, der nicht sanktionieren, sondern Druck auf säumige Beitragszahler ausüben solle, einen standardisierten Mindestschadensausgleich enthalte und Zinscharakter habe. Es bestehe eine Parallele zu § 28r SGB IV, in dessen Anwendungsbereich die Einzugsstelle Vorsatz und jede Fahrlässigkeit zu vertreten habe. Die Klägerin habe kein Verfahren zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. eingeleitet und damit fahrlässig gehandelt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. August 2017 aufzuheben, soweit der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2012 und des Änderungsbescheids vom 30. August 2017 aufgehoben worden ist, und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 24. Juni 2014 hinsichtlich des Beigeladenen zu 1. insgesamt zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den angegriffenen vorinstanzlichen Entscheidungen der mit der Anfechtungsklage zulässig angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23.5.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.4.2012 und des in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG erlassenen Änderungsbescheids vom 30.8.2017 (§§ 96, 153 Abs 1 SGG), mit dem (noch) Säumniszuschläge von 4419 Euro gefordert werden. Ob diese Säumniszuschläge dem Grunde und der Höhe nach zu Recht festgesetzt worden sind, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Zwar liegen die objektiven Voraussetzungen zur Erhebung von Säumniszuschlägen für die Vergangenheit vor (dazu 1.). Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen kann der Senat jedoch nicht beurteilen, ob und - wenn ja - für welchen Zeitraum die Klägerin unverschuldet keine Kenntnis von der Beitragszahlungspflicht hatte (dazu 2.).
1. Gemäß § 24 Abs 1 S 1 SGB IV in der seit 1.1.2002 unveränderten Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 (BGBl I 1983) ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Die objektiven Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen, deren Vorliegen die Beklagte nachzuweisen hat, sind hier erfüllt. Die von der Klägerin aufgrund des von ihr nicht angefochtenen und damit rechtskräftigen Urteils des LSG für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 17.10.2006 bis zum 18.11.2009 geschuldeten Beiträge hat sie nicht rechtzeitig gezahlt.
2. Wird eine Beitragsforderung - wie hier - durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist nach § 24 Abs 2 SGB IV in der seit 1.1.2001 unveränderten Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000 (BGBl I 1983) ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Ausnahmeregelung setzt voraus, dass (a) der Beitragsschuldner keine Kenntnis von seiner Zahlungspflicht hat, (b) die Unkenntnis nicht verschuldet ist, (c) ihm auch Kenntnis oder Verschulden einer anderen Person nicht zurechenbar ist und (d) die unverschuldete Unkenntnis ununterbrochen bis zur Festsetzung der Säumniszuschläge durch Bescheid bestanden hat. Dazu hat das LSG weitere Feststellungen (e) unter Berücksichtigung des Grundsatzes der objektiven Beweislast (f) zu treffen.
a) Eine Exkulpation nach § 24 Abs 2 SGB IV ist ausgeschlossen, wenn der säumige Beitragsschuldner Kenntnis von seiner Zahlungspflicht hatte (vgl BSG Urteil vom 17.4.2008 - B 13 R 123/07 R - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2, RdNr 22). Während "Kenntnis" nach seinem Wortsinn das Wissen von einer Tatsache bedeutet (Duden Onlinewörterbuch, Stichwort Kenntnis recherchiert am 23.10.2018), ist dem Begriff der "Zahlungspflicht" über das Wissen der sie begründenden Tatsachen hinaus eine rechtliche Wertung iS des Erkennens einer konkreten Verhaltensanforderung immanent (ähnlich zur Meldepflicht im SGB III BSG Urteil vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8 RdNr 19 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1, RdNr 26). Kenntnis von der Zahlungspflicht nach § 24 Abs 2 SGB IV ist damit das sichere Wissen darum, rechtlich und tatsächlich zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet zu sein (so bereits zu § 25 SGB IV BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R - BSGE 120, 209 = SozR 4-2400 § 28p Nr 6, RdNr 65). Sie liegt bei einem nach § 28e SGB IV zahlungspflichtigen Arbeitgeber vor, wenn er die seine Beitragsschuld begründenden Tatsachen kennt, weil er zumindest als Parallelwertung in der Laiensphäre nachvollzieht, dass einerseits Beschäftigung vorliegt, die andererseits die Beitragspflicht nach sich zieht. Das Wissen um die (bloße) Möglichkeit der Beitragserhebung steht dem sicheren Wissen um die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Beitragszahlung hingegen nicht gleich (BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R - BSGE 120, 209 = SozR 4-2400 § 28p Nr 6, RdNr 68). Ein Irrtum über die Arbeitgebereigenschaft schließt die Kenntnis aus (ähnlich zum Straftatbestand des § 266a StGB: BGH Urteil vom 24.1.2018 - 1 StR 331/17 - Juris; vgl auch BGH Urteil vom 5.3.1986 - 2 StR 666/85 - Juris).
b) Allein das Fehlen der Kenntnis von der Beitragszahlungspflicht steht der Festsetzung von Säumniszuschlägen noch nicht entgegen. Vielmehr sind Säumniszuschläge nur dann nicht zu erheben, wenn die Unkenntnis unverschuldet ist. Dieses (Un-)Verschulden bestimmt sich nicht nach § 276 BGB, sondern setzt - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - aufgrund eines eigenständigen Verschuldensmaßstabs wenigstens bedingten Vorsatz voraus (vgl BSG Urteil vom 26.1.2005 - B 12 KR 3/04 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 7 RdNr 36; Schlegel in Küttner Personalbuch 2018, Säumniszuschläge RdNr 16). Hierfür sprechen der Wortlaut des § 24 Abs 2 SGB IV (1), systematische Erwägungen (2) und der Zweck der Säumniszuschläge (3). Mit diesem Auslegungsergebnis widerspricht der erkennende Senat nicht der Rechtsprechung des 13. Senats (4).
(1) § 24 Abs 2 SGB IV verwendet den Begriff "unverschuldet", während § 276 BGB zur Bestimmung der Verantwortlichkeit eines Schuldners für Pflichtverletzungen festlegt, dass dieser Vorsatz und Fahrlässigkeit "zu vertreten" hat. Die unterschiedliche Formulierung legt es nahe, dass § 24 Abs 2 SGB IV nicht auf § 276 BGB Bezug nimmt und der Verschuldensmaßstab der Sozialrechtsnorm nicht zwingend mit demjenigen des Zivilrechts übereinstimmen muss.
(2) Dass entgegen der Ansicht der Beklagten und einzelner Landessozialgerichte (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 12.3.2009 - L 16 R 49/08 - Juris; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 2.3.2016 - L 2 R 327/15 - Juris; Sächsisches LSG Urteil vom 22.4.2016 - L 1 KR 228/11 - Juris) sowie der in der Literatur (Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 24 RdNr 60; Roßbach in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, § 24 RdNr 8; Wagner in BeckOK SGB IV, Stand 1.9.2018, § 24 RdNr 12; Udsching in Hauck/Noftz, SGB IV, Stand April 2018, K § 24 RdNr 11; Zieglmeier in Kasseler Kommentar, Stand Juli 2017, § 24 SGB IV RdNr 46; Zieglmeier/Rittweger, Risiken des Arbeitgebers in der Betriebsprüfung, 2016, RdNr 283 f, ähnlich Kreikebohm in Kreikebohm, Kommentar zum SGB IV, 3. Aufl 2018, § 24 RdNr 13) - zum Teil ohne nähere Begründung - vertretenen Meinung nicht auf einen aus § 276 BGB abzuleitenden, im Privat- und öffentlichen Recht allgemein geltenden Verschuldensgrundsatz (vgl Grundmann in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl 2016, § 276 RdNr 6, Caspers in Staudinger, BGB, Stand März 2014, § 276 RdNr 11) zurückzugreifen ist, wird durch die Gesetzessystematik bestätigt. Danach ist für die Bestimmung des Verschuldensmaßstabs in § 24 Abs 2 SGB IV ebenso wie nach § 14 Abs 2 SGB IV und § 25 Abs 1 S 2 SGB IV auf bedingten Vorsatz abzustellen.
Das SGB IV normiert unterschiedliche Rechtsverhältnisse und knüpft dabei an jeweils eigenständige Verschuldensmaßstäbe an. § 28r SGB IV regelt die Schadensersatzpflicht der Einzugsstelle oder des Rentenversicherungsträgers gegenüber (anderen) Sozialversicherungsträgern im Fall einer schuldhaften Pflichtverletzung und ordnet insoweit eine Haftung für vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten an (vgl BSG Urteil vom 7.11.1996 - 12 RK 9/96 - SozR 3-2400 § 28r Nr 2 S 5 f; BT-Drucks 11/2221 S 30 f zu § 28r). Für den das Rechtsverhältnis der Beschäftigten zu ihren Arbeitgebern kennzeichnenden Beitragsabzug bestimmt § 28g SGB IV, dass nur der ohne Verschulden des Arbeitgebers unterbliebene Abzug des Arbeitnehmeranteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Arbeitsentgelt auch später als bei den drei nächsten Lohn- und Gehaltszahlungen nachgeholt werden kann, es sei denn, der Beschäftigte ist ua seinen Pflichten nach § 28o Abs 1 SGB IV vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen. § 24 Abs 2 SGB IV betrifft hingegen die rückwirkende Beitragsfestsetzung durch die Einzugsstelle oder den Sozialversicherungsträger und damit (ua) deren Verhältnis zum Arbeitgeber als zahlungspflichtiger Schuldner rückständiger Beiträge. Für die rückwirkende Erhebung von Beiträgen bei Arbeitgebern gelten neben § 24 Abs 2 SGB IV auch die Regelungen des § 25 Abs 1 S 2 SGB IV über die Verjährung vorsätzlich vorenthaltener Beiträge und des § 14 Abs 2 SGB IV über das bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen zugrunde zu legende Arbeitsentgelt. Beide Vorschriften setzen zumindest bedingten Vorsatz voraus (BSG Urteil vom 9.11.2011 - B 12 R 18/09 R - BSGE 109, 254 = SozR 4-2400 § 14 Nr 13, RdNr 16, 25 ff; BSG Urteil vom 30.3.2000 - B 12 KR 14/99 R - SozR 3-2400 § 25 Nr 7 S 35 f; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R - BSGE 120, 209 = SozR 4-2400 § 28p Nr 6, RdNr 64). § 24 Abs 2 SGB IV bildet zusammen mit § 14 Abs 2 und § 25 Abs 1 S 2 SGB IV einen einheitlichen Regelungskomplex mit der Folge eines einheitlichen Haftungsmaßstabs.
(3) Gestützt wird diese Auslegung durch teleologische Aspekte. Es entspricht nicht der Zielsetzung des Gesetzgebers, für das Verschulden bereits Fahrlässigkeit ausreichen zu lassen. Säumniszuschläge sanktionieren eine verspätete Beitragszahlung. Durch sie soll - ähnlich einem Zwangsgeld - einerseits Druck auf den Zahlungspflichtigen ausgeübt werden, fällige Beiträge rechtzeitig zu zahlen (vgl BSG Urteil vom 2.11.2015 - B 13 R 35/14 R - Juris RdNr 21 mwN; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 3/11 R - BSGE 111, 268 = SozR 4-2400 § 24 Nr 7, RdNr 25; BSG Urteil vom 17.5.2001 - B 12 KR 32/00 R - BSGE 88, 146, 152 = SozR 3-2400 § 24 Nr 4 S 15), und es den Sozialversicherungsträgern andererseits ermöglicht werden, ihren Leistungsaufgaben fristgerecht nachzukommen (BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 13 RJ 28/03 R - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2 RdNr 21). Die mit der Erhebung von Säumniszuschlägen angestrebte Drucksituation bleibt aber unspezifisch und ist nicht zur Durchsetzung der rechtzeitigen Zahlung im Einzelfall geeignet, wenn der Zahlungspflichtige keinen hinreichenden Anhaltspunkt für seine Beitragsschuld hat. Unter Berücksichtigung des bei der Festsetzung von Säumniszuschlägen zu beachtenden verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 3/11 R - BSGE 111, 268 = SozR 4-2400 § 24 Nr 7, RdNr 21; zum Nachzahlungszins gemäß §§ 233a, 238 AO vgl BFH Beschluss vom 25.4.2018 - IX B 21/18 - BFHE 260, 431) kann der Zweck der Säumniszuschläge, die rechtzeitige Zahlung der Beiträge durchzusetzen, rechtmäßig nur erreicht werden, wenn der betroffene Arbeitgeber seine Zahlungspflicht zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.
Das gilt umso mehr, als die Ausnahmeregelung des § 24 Abs 2 SGB IV unbillige Härten vermeiden soll (BSG Urteil vom 1.7.2010 - B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 22 mwN), die entstehen würden, wenn Säumniszuschläge auch für Zeiten vor der Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen erhoben werden müssten, obwohl der Beitragsschuldner unverschuldet keine Kenntnis von seiner Zahlungspflicht hatte. Für die Härtefallregelung bliebe aber kaum ein denkbarer Anwendungsbereich, wenn bereits fahrlässiges Verhalten, insbesondere durch die unterbliebene Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV oder fehlende Herbeiführung einer Entscheidung der Einzugsstelle nach § 28h SGB IV, die unverschuldete Unkenntnis ausschließen würde. Das fakultativ ausgestaltete Statusfeststellungsverfahren würde entgegen dem Gesetzeswortlaut des § 7a Abs 1 S 1 SGB IV faktisch obligatorisch.
(4) Das hier gefundene Auslegungsergebnis widerspricht nicht der Rechtsprechung des 13. Senats. Danach steht zwar der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht sowohl fahrlässiges als auch vorsätzliches Verhalten iS des § 276 BGB entgegen (BSG Urteil vom 1.7.2010 - B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 23). Allerdings betreffen sowohl diese Entscheidung als auch die darin in Bezug genommenen Urteile vom 17.4.2008 (B 13 R 123/07 R - BSGE 100, 215 = SozR 4-2400 § 25 Nr 2), vom 29.11.2007 (B 13 R 48/06 R - BSGE 99, 227 = SozR 4-2600 § 186 Nr 1) und vom 12.2.2004 (B 13 RJ 28/03 R - BSGE 92, 150 = SozR 4-2400 § 24 Nr 2) die analoge Anwendung des § 24 Abs 2 SGB IV auf den Sonderfall der Nachversicherung nach §§ 8, 181 ff SGB VI durch die Bundesrepublik Deutschland und einzelne Bundesländer als Träger öffentlicher Verwaltung. Diese Rechtsprechung ist auf die nach einer Statuszuordnung als abhängige Beschäftigung vom Arbeitgeber wegen rückwirkend festgesetzter Beiträge erhobenen Säumniszuschläge nicht übertragbar. Mangels Identität der Rechtsfrage in der hier zu entscheidenden Sache und einer früheren Entscheidung des 13. Senats liegt eine Abweichung iS des § 41 Abs 2 SGG als Voraussetzung einer Anfrage beim 13. Senat nicht vor (vgl BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 6/13 R - SozR 4-7945 § 3 Nr 1 RdNr 22). Für angefochtene Statuszuordnungen nebst festgesetzter Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge ist nach der Geschäftsverteilung des BSG allein der erkennende Senat zuständig.
c) Ist eine juristische Person des Privatrechts - wie die hier klagende GmbH - Beitragsschuldnerin, kommt es zunächst auf die Kenntnis oder unverschuldete Unkenntnis zumindest eines Mitglieds eines Organs von der Beitragspflicht an. Wissen und Verschulden eines vertretungsberechtigten Organmitglieds ist als dasjenige des Organs anzusehen und damit auch der juristischen Person zuzurechnen (vgl BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R - BSGE 120, 209 = SozR 4-2400 § 28p Nr 6, RdNr 66 mwN). Das gleiche gilt nach dem Rechtsgedanken der §§ 166, 278 BGB für andere zum Vertreter der juristischen Person bestellte natürliche Personen, sofern sie eigenverantwortlich mit der sozialversicherungsrechtlichen Bewertung einer Tätigkeit für die juristische Person und der Erfüllung ihrer Zahlungspflicht betraut sind (vgl BGH Urteil vom 28.2.2012 - VI ZR 9/11 - Juris RdNr 13 f). Auch die Kenntnis und das Verschulden weiterer im Rahmen einer betrieblichen Hierarchie verantwortlicher Personen kann der betroffenen juristischen Person zuzurechnen sein, wenn keine Organisationsstrukturen geschaffen wurden, um entsprechende Informationen aufzunehmen und intern weiterzugeben (vgl BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R - BSGE 120, 209 = SozR 4-2400 § 28p Nr 6, RdNr 66 mwN).
d) Säumniszuschläge sind für die Vergangenheit ab Kenntnis oder verschuldeter Unkenntnis zu erheben. § 24 Abs 2 SGB IV sieht eine Exkulpation des Zahlungspflichtigen nur vor, "soweit" er eine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht glaubhaft macht. Damit kann eine unverschuldete Unkenntnis auch lediglich hinsichtlich eines Teils der Beitragsschuld - auch in zeitlicher Hinsicht - bestehen. Säumniszuschläge sind deshalb nur für die Zeit nach der Fälligkeit der geschuldeten Beiträge zu erheben, in der keine unverschuldete Unkenntnis (mehr) vorliegt, der Beitragsschuldner also positive Kenntnis von seiner Zahlungspflicht oder seine Unkenntnis verschuldet hat.
e) Ob die Klägerin auf der Grundlage dieser Maßstäbe Säumniszuschläge zu zahlen hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Das LSG hat zwar festgestellt, dass einen Geschäftsführer der Klägerin jedenfalls im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge kein Verschulden traf. Es fehlt aber an Feststellungen dazu, ob dieser Geschäftsführer auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis von der Zahlungspflicht erlangte oder diese billigend in Kauf nahm.
Gelangt das LSG zu der Feststellung, dass dieser Geschäftsführer der Klägerin durchgehend unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte, keine weiteren Geschäftsführer bestellt waren oder - falls doch - diese ebenso durchgehend kein Verschulden traf, hat es zu klären, ob der als Zeuge gehörte Disponent oder eine andere Person für die Beurteilung der Zahlungspflicht zumindest mitverantwortlich war. Nach den festgestellten Angaben des gehörten Disponenten ging dessen Funktion als Mitgesellschafter der Klägerin über diejenige eines einfachen Disponenten hinaus. Das LSG hat daher zu ermitteln, ob er oder weitere im Unternehmen der Klägerin tätige Personen eigenverantwortlich mit der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. betraut waren oder ihre Kenntnis vom Bestehen oder jedenfalls der Möglichkeit der Zahlungspflicht intern hätten weitergeben müssen. Das LSG hat den Kenntnisstand der als maßgeblich ermittelten Personen festzustellen, gegebenenfalls deren Verschulden im zeitlichen Verlauf zu prüfen und bei entsprechenden Anhaltspunkten ein Organisationsverschulden der Klägerin zu klären.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das LSG insbesondere die vom Disponenten bekundete Kenntnis vom Urteil des Senats vom 11.3.2009 (vgl B 12 KR 21/07 R - Juris) zu beachten. Zwar ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Veröffentlichung der Entscheidungsgründe eines einschlägigen Urteils ein sicheres Wissen um die Zahlungspflicht nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann (vgl BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R - BSGE 120, 209 = SozR 4-2400 § 28p Nr 6, RdNr 68; BSG Urteil vom 4.9.2018 - B 12 R 4/17 R - Juris RdNr 28), sondern im Einzelfall zu prüfen ist, und berechtigte Zweifel an der Versicherungsfreiheit für die Kenntnis von der Zahlungspflicht nicht ausreichen (vgl BSG Urteil vom 13.8.1996 - 12 RK 76/94 - SozR 3-2400 § 25 Nr 6, Juris RdNr 25). Es kann aber im Rahmen bedingten Vorsatzes vorwerfbar sein, wenn ein Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit darauf verzichtet, die Entscheidung einer fachkundigen Stelle herbeizuführen (vgl BSG Urteil vom 9.11.2011 - B 12 R 18/09 R - BSGE 109, 254 = SozR 4-2400 § 14 Nr 13, RdNr 33; BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 KR 20/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 29, RdNr 35). Allerdings darf nicht das gesamte Risiko der Einordnung komplexer sozialversicherungsrechtlicher Wertungsfragen den Arbeitgebern überantwortet werden (vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 R 7/14 R - Juris RdNr 27), so dass sich Schematisierungen verbieten. Es bedarf deshalb der individuellen Überprüfung des bedingten Vorsatzes unter sorgfältiger Beweiswürdigung im Einzelfall (vgl BSG Urteil vom 4.9.2018 - B 12 KR 11/17 R - Juris RdNr 26, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
f) Für die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht trägt die Klägerin die objektive Beweislast. § 24 Abs 2 SGB IV ist als Ausnahme von der Erhebung von Säumniszuschlägen ausgestaltet, so dass derjenige beweispflichtig ist, der sich auf die rechtsbegründenden Tatsachen der Ausnahme beruft (vgl BSG Urteil vom 2.12.2008 - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 30 ff). Dabei genügt der abgesenkte Beweisgrad der Glaubhaftmachung.
3. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.
4. Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 S 1, § 47 Abs 1 S 1 GKG in Höhe der noch streitigen Forderung festzusetzen.