Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 26.02.2019, B 11 AL 6/18 R

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. Februar 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf BAB hat.

Der 1989 geborene Kläger absolvierte eine zweijährige Ausbildung als Hochbaufacharbeiter bei der Firma i.-GmbH, die am 1.9.2014 begann und am 31.8.2016 endete. Die Ausbildungsvergütung betrug im ersten Jahr 690 Euro monatlich und im zweiten Jahr 1060 Euro monatlich. Neben den wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Eltern gab der Kläger, der nicht bei diesen wohnte, an, dass er eine Miete in Höhe von insgesamt 268 Euro monatlich, ab 2015 in Höhe von 278 Euro monatlich zu zahlen habe. Die Kosten für Pendelfahrten zur Arbeit mit dem Öffentlichen Personennahverkehr bezifferte er mit 44,70 Euro monatlich.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf BAB ab. Ausgehend von einem 18monatigen Bewilligungszeitraum übersteige das aus der Ausbildungsvergütung resultierende durchschnittliche Einkommen in Höhe von 640,09 Euro monatlich den Gesamtbedarf im Bewilligungszeitraum in Höhe von 616,70 Euro monatlich (Bescheid vom 2.9.2014; Widerspruchsbescheid vom 12.9.2014). Nachfolgend bewilligte das Jobcenter K. dem Kläger vom 1.9.2014 bis 28.2.2015 einen Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II in Höhe von monatlich 44 Euro.

Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger BAB vom 1.9.2014 bis 31.8.2015 in gesetzlicher Höhe zu erbringen (Urteil vom 28.10.2016). Abweichend von dem gesetzlichen Regelbewilligungszeitraum von 18 Monaten sei der Berechnung der BAB ein Zeitraum von zwölf Monaten zugrunde zu legen. Bereits bei Antragstellung sei absehbar gewesen, dass die Ausbildungsvergütung des Klägers im ersten Ausbildungsjahr nicht zur Deckung des Existenzminimums ausreiche, während der Bedarf ab dem zweiten Lehrjahr gedeckt werde.

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.2.2018). Eine Bewilligung von BAB nach Maßgabe eines auf das erste Ausbildungsjahr verkürzten Bewilligungszeitraums entbehre einer gesetzlichen Grundlage. Nach der Rechtsprechung des BSG seien eine Durchschnittsberechnung bezogen auf den Regelbewilligungszeitraum und damit einhergehende Verzerrungen verfassungsrechtlich unbedenklich.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 69 Abs 1 Satz 2 SGB III. Abweichungen vom Regelbewilligungszeitraum seien möglich. Die Entscheidung der Beklagten zur Festlegung des Bewilligungszeitraums müsse pflichtgemäßem Ermessen entsprechen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsvergütung im Baugewerbe im zweiten Ausbildungsjahr gegenüber dem ersten Jahr im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen untypisch hoch ausfalle. Sein Existenzminimum sei unterschritten worden. Dies sei nur vorübergehend hinzunehmen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. Februar 2018 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 28. Oktober 2016 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Eine Verkürzung des Bewilligungszeitraums auf das erste Ausbildungsjahr verkehre die vom Gesetzgeber als Regel vorgesehene Dauer von 18 Monaten zur Ausnahme.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG zu Recht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat in dem streitigen Zeitraum vom 1.9.2014 bis 31.8.2015 keinen Anspruch auf BAB.

1. Gegenstand des Verfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 2.9.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.9.2014, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, BAB zu erbringen. Hiergegen wendet sich der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG), mit der er für den Zeitraum von September 2014 bis August 2015 BAB in gesetzlicher Höhe - dh in Höhe von monatlich 74 Euro nach der Aufrundungsregel in § 71 Satz 1 SGB III (sämtliche Vorschriften anwendbar in der ab dem 1.4.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854) - begehrt (§ 123 SGG). In dem Umstand, dass der Kläger diese Aufrundungsregel bei der Abfassung seines Antrags vor dem SG nicht einbezogen hat, ist keine Beschränkung des Klagebegehrens zu sehen. Unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips, wonach im Zweifel davon auszugehen ist, dass ein Kläger dasjenige begehrt, was ihm den größten Nutzen bringt (vgl BSG vom 3.5.2018 - B 11 AL 6/17 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 26 RdNr 10, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zugrunde zu legen, dass er BAB in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe beansprucht.

2. Der Kläger kann in dem streitigen Zeitraum vom September 2014 bis August 2015 keine BAB beanspruchen.

a) Zwar erfüllt der Kläger die allgemeinen Voraussetzungen für die Bewilligung von BAB. Er hat eine förderungsfähige Berufsausbildung zum Hochbaufacharbeiter nach Maßgabe des Berufsausbildungsvertrages bei der i.-GmbH absolviert (vgl § 56 Abs 1 Nr 1, § 57 SGB III). Hierbei handelt es sich um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Gesamtdauer von 24 Monaten (§ 25 HwO iVm § 1 Abs 1 Nr 1 a), § 2 Abs 2 Satz 1 VO über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 2.6.1999 <BGBl I 1102>, in der ab dem 20.2.2009 geltenden Fassung <BGBl I 399>). Der Kläger zählt auch zum förderungsfähigen Personenkreis und erfüllt die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung (§ 56 Abs 1 Nr 2, § 59 Abs 1, § 60 Abs 1, 2 Nr 1 SGB III). Ausweislich seines Antrags auf BAB vom 7.8.2014 hat er die deutsche Staatsangehörigkeit und lebte als Volljähriger außerhalb des Haushalts seiner Eltern. Dem Kläger standen jedoch die erforderlichen Mittel zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung (§ 56 Abs 1 Nr 3 SGB III).

b) Zur Ermittlung des monatlichen Bedarfs des Klägers hat die Beklagte zu Recht die Bedarfe für den Lebensunterhalt und die Fahrkosten in Höhe von 616,70 Euro monatlich berücksichtigt. Hierin eingeschlossen sind ein Grundbedarf in Höhe von 348 Euro monatlich (§ 61 Abs 1 Satz 1 SGB III iVm § 13 Abs 1 Nr 1 BAföG; sämtliche BAföG-Vorschriften in der ab dem 28.10.2010 geltenden Bekanntmachung der Neufassung des BAföG vom 7.12.2010, BGBl I 1952) zuzüglich einer Erhöhung um 149 Euro monatlich für die Unterkunftskosten (§ 61 Abs 1 Satz 2 SGB III) und - wegen der diesen Betrag tatsächlich übersteigender Mietkosten von 268 Euro monatlich bzw 278 Euro monatlich - eine weitere Pauschale in Höhe von 75 Euro monatlich für Unterkunft und Nebenkosten (§ 61 Abs 1 Satz 3 SGB III) zuzüglich Kosten für Pendelfahrten in Höhe von 44,70 Euro monatlich (§ 63 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB III). Bedarfe für sonstige Aufwendungen iS des § 64 SGB III sind weder festgestellt noch begehrt der Kläger solche.

c) Diesen Bedarf konnte der Kläger aus seiner Ausbildungsvergütung im Zeitraum vom 1.9.2014 bis 31.8.2015 decken, weil sich hieraus als anrechenbares Einkommen (§ 67 Abs 1 Nr 1 SGB III) ein durchschnittlicher Betrag in Höhe von 640,09 Euro monatlich ergibt.

aa) Für das zu berücksichtigende Einkommen maßgeblich ist § 11 Abs 4 BAföG sowie die Vorschriften des Vierten Abschnitts des BAföG mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen (§ 67 Abs 2 Satz 1 SGB III). Gemäß § 22 BAföG sind für die Anrechnung des Einkommens des Auszubildenden die Einkommensverhältnisse im Bewilligungszeitraum maßgebend (Abs 1 Satz 1). Auf den Bedarf jedes Kalendermonats des Bewilligungszeitraums wird der Betrag angerechnet, der sich ergibt, wenn das Gesamteinkommen durch die Zahl der Kalendermonate des Bewilligungszeitraums geteilt wird (Abs 2). Die Ausbildungsvergütung wird ohne Berücksichtigung von Freibeträgen voll als Einkommen abzüglich einer Sozialpauschale in Höhe von 21,3 Prozent angerechnet (§ 21 Abs 2 Satz 1 Nr 1, § 23 Abs 3 BAföG). Abweichend von § 22 Abs 1 BAföG ist für die BAB jedoch dasjenige Einkommen maßgebend, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar ist; Änderungen sind (nur) bis zum Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen (§ 67 Abs 2 Satz 1, Satz 2 Nr 2 SGB III). Nach § 69 Abs 1 SGB III besteht der Anspruch auf BAB für die Dauer der Berufsausbildung oder die Dauer der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (Satz 1). Über den Anspruch wird bei Berufsausbildung in der Regel für 18 Monate, im Übrigen in der Regel für ein Jahr (Bewilligungszeitraum) entschieden (Satz 2).

Zutreffend hat die Beklagte die zur Verfügung stehende und im Zeitpunkt der Beantragung von BAB absehbare Ausbildungsvergütung des ersten Ausbildungsjahres und im Umfang von sechs Monaten auch diejenige des zweiten Ausbildungsjahres als Einkommen nach Maßgabe des Regelbewilligungszeitraums von 18 Monaten in Höhe von insgesamt 14 640 Euro abzüglich einer Sozialpauschale in Höhe von 3118,32 Euro mit 11 521,68 Euro zugrunde gelegt und hieraus ein durchschnittliches Einkommen in Höhe von 640,09 Euro monatlich ermittelt.

bb) Die Beklagte war nicht gehalten, bei der Berechnung des anrechenbaren Einkommens einen vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall der Bewilligungsdauer von 18 Monaten abweichenden Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen, der sich nur auf das erste Ausbildungsjahr beziehen würde.

Zwar sind nach dem Wortlaut des § 69 Abs 1 Satz 2 SGB III, wonach über den Anspruch auf BAB in der Regel für 18 Monate, im Übrigen in der Regel für ein Jahr (Bewilligungszeitraum) entschieden wird, Abweichungen im Sinne einer Verkürzung oder Verlängerung des Bewilligungszeitraums mit Blick auf die Dauer der Ausbildung nicht ausgeschlossen (vgl Brecht-Heitzmann in Gagel, SGB II/SGB III, § 69 SGB III RdNr 21, Stand Juni 2018; Hassel in Brand, SGB III, 8. Aufl 2018, § 69 RdNr 3; Herbst in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, § 69 RdNr 27, 2. Aufl 2019; Schön in Banafsche/Körtek/Kruse, SGB III, 2. Aufl 2015, § 69 RdNr 2; Wagner in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 6. Aufl 2017, § 69 RdNr 11). Jedoch liegen weder wegen der tatsächlichen Bedarfsunterdeckung im streitigen Zeitraum des ersten Ausbildungsjahres noch wegen der Dauer der Ausbildung des Klägers von insgesamt nur 24 Monaten besondere Umstände vor, die eine Verkürzung geboten erscheinen lassen. Dies folgt vor allem aus der Entstehungsgeschichte und dem Gesamtzusammenhang der Regelung (vgl zur historischen Entwicklung: BSG vom 28.11.2007 - B 11a AL 47/06 R - SozR 4-4300 § 71 Nr 3 RdNr 16).

Bis zum 1.1.1998, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Reformgesetz) vom 24.3.1997 (BGBl I 594), war in § 20 Abs 8 der Neufassung der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit zur Änderung der Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (A-Ausbildung) ab 1.10.1996 (ANBA 1997, 737f, 743 ff) vorgesehen, dass bei der Berechnung der BAB die wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend waren, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweisbar waren (Satz 1). Ausdrücklich geregelt war, dass Änderungen in der Höhe der Ausbildungsvergütung während eines Bewilligungszeitraums zu berücksichtigen waren, wenn diese auf dem Eintritt in das nächste Ausbildungsjahr oder in den nächsten Ausbildungsabschnitt beruhten (§ 20 Abs 8 Satz 3 A-Ausbildung).

Mit der zunächst in § 73 Abs 1 Satz 2 SGB III in der Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes, der Vorgängerregelung zu § 69 Abs 1 Satz 2 SGB III, festgeschriebenen Dauer des Bewilligungszeitraums von einem Jahr knüpfte der Gesetzgeber wortlautidentisch an § 50 Abs 3 BAföG an (BT-Drucks 13/4941, S 167 <zu § 73>; vgl zur Verknüpfung der Regelbewilligungsdauer von einem Jahr nach dem BAföG mit dem Schuljahr bzw Semester: BVerwG vom 15.11.1979 - 5 C 34/78 - BVerwGE 59, 130; BVerwG vom 13.1.1983 - 5 C 97/80 - FamRZ 1983, 1176 ff, juris RdNr 29). In Abgrenzung zu § 22 Abs 1 BAföG bezieht der Gesetzgeber für die Einkommensberechnung bei der BAB jedoch nur dasjenige Einkommen ein, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar ist (§ 67 Abs 2 Satz 1, Satz 2 Nr 2 SGB III). Anders als beim BAföG führen daher Änderungen im laufenden Bewilligungszeitraum bei der BAB nicht zu einer Änderung des Bewilligungsbescheids (vgl BSG vom 8.7.2009 - B 11 AL 20/08 R - SozR 4-4300 § 71 Nr 5 RdNr 19; BT-Drucks 13/4941, S 166 f <zu § 71>; B. Schmidt in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 67 RdNr 68, Stand Dezember 2016).

Trotz dieser Abweichung der BAB-Regelungen von den BAföG-Bestimmungen ergaben sich wegen der zumeist vorab bekannten Höhe der Ausbildungsvergütung regelmäßig keine tatsächlichen Abweichungen bei der nach einer Durchschnittsbetrachtung erfolgenden Berechnung des monatlich zur Verfügung stehenden Einkommens im Regelbewilligungszeitraum von einem Jahr. Eine Änderung trat erst mit der Verlängerung des Bewilligungszeitraums von zwölf Monaten auf 18 Monate durch das Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung vom 19.3.2001 (BGBl I 2001, 390) ein. Der Verlängerung des Bewilligungszeitraums kommt Bedeutung für die Höhe der BAB zu, weil die regelmäßig höhere Ausbildungsvergütung im zweiten Ausbildungsjahr in die Berechnung der BAB bereits für das erste Ausbildungsjahr einbezogen wurde. Die Erweiterung des Bewilligungszeitraums begründete der Gesetzgeber dennoch ausschließlich mit verwaltungspraktischen Gründen. Durch die Verlängerung des Bewilligungszeitraums werde die Verwaltung bei einer überwiegend 36 Monate umfassenden Ausbildungsdauer durch Erlass von nur noch zwei anstelle von bisher drei Bescheiden entlastet. Den Belastungsspitzen zu Beginn der Ausbildung im August/September eines Jahres könne die Bundesagentur für Arbeit durch organisatorische Maßnahmen nicht ausreichend begegnen. Auch ziele die Verlängerung darauf ab, die bislang unzumutbar langen Bearbeitungszeiten für die Antragsteller zu verkürzen (vgl BR-Drucks 585/00, S 40; BT-Drucks 14/4731, S 28).

Dieser entstehungsgeschichtliche Zusammenhang der § 67 Abs 2 Satz 1, § 67 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III und § 69 Abs 1 SGB III und der daraus herzuleitende Zweck der Regelung mit einem ausdrücklichen und alleinigen Abstellen auf verwaltungspraktische Gesichtspunkte bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber Auszubildende wie den Kläger mit einer lediglich 24 Monate umfassenden Ausbildung abweichend behandeln wollte. Wie die Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 14/4731 S 28 "überwiegend 36 Monate umfassende Ausbildungsdauer") belegen, hat er Berufsausbildungen mit einer unterschiedlichen Dauer in den Blick genommen. Auch bei dem Anstieg von Ausbildungsvergütungen im zweiten Ausbildungsjahr handelt es sich um einen regelhaften Umstand, der sich bereits aus § 17 Abs 1 Satz 2 des BBiG ergibt. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber dies unbeachtet gelassen hat.

cc) Die Beklagte ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gehalten, einen vom Regelfall abweichenden Bewilligungszeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen. Zwar kann - wie der Senat bereits betont hat - nach den jetzigen Regelungen zur Berechnung der BAB regelmäßig und regelhaft vor allem zu Beginn einer Ausbildung eine Unterdeckung des errechneten Gesamtbedarfs des Auszubildenden bei alleiniger Betrachtung der BAB auftreten (BSG vom 8.7.2009 - B 11 AL 20/08 R - SozR 4-4300 § 71 Nr 5 RdNr 20). Hiervon ist auch der Kläger betroffen. Bedenken begegnet dies wegen der Unterhaltssicherungsfunktion der BAB (vgl BSG vom 28.11.2007 - B 11a AL 47/06 R - SozR 4-4300 § 71 Nr 3 RdNr 18). Nach ihrer Zweckbestimmung soll sie den Bedarf zum Lebensunterhalt während einer Berufsausbildung absichern (BSG vom 16.6.2015 - B 4 AS 37/14 R - SozR 4-4200 § 27 Nr 2 RdNr 29) und einen Zugang zum Erwerbsleben über eine abgeschlossene Berufsausbildung ermöglichen (vgl zur vorrangigen Absicherung der durch die Ausbildung entstehenden existenziellen Bedarfe durch Leistungen nach dem BAföG und dem SGB III BVerfG vom 8.10.2014 - 1 BvR 886/11 - juris RdNr 13 ff; BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 28/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 8 RdNr 25).

Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 8.7.2009 (B 11 AL 20/08 R - SozR 4-4300 § 71 Nr 5 RdNr 20 ff) ausgeführt, dass sich eine vorübergehende Unterschreitung des Bedarfs mit Rücksicht auf den Ausgleich in Härtefällen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt sieht. Denn der Gesetzgeber hatte bereits in § 27 Abs 4 SGB II aF eine Möglichkeit eröffnet, Härtefälle im System der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufzufangen. Auch aus Gründen der Absicherung des sozio-kulturellen Existenzminimums ist daher eine Verkürzung des Regelbewilligungszeitraums von 18 Monaten auf das erste Ausbildungsjahr des Klägers nicht geboten. Diesen Weg der Öffnung für SGB II-Leistungen hat der Gesetzgeber durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016 (BGBl I 1824) zum 1.8.2016 fortgesetzt, indem er den Ausschluss der Auszubildenden mit Anspruch auf BAB von SGB II-Leistungen aufgehoben hat. Anstelle einer Änderung der Regelungen der BAB hat er die Schnittstelle zwischen Grundsicherung und Ausbildungsförderung entschärft. Ob es sich um eine verwaltungspraktische und zweckmäßige Lösung handelt, wenn eine Bedarfsdeckung bei bestimmten Auszubildenden nur unter Einbeziehung zweier Sozialleistungssysteme erfolgt, hatte der Senat nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK