Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Mai 2018 geändert.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit der Kläger Leistungen nach dem SGB XII von der Beigeladenen begehrt.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Tatbestand
Im Streit sind existenzsichernde Leistungen für einen Unionsbürger von Januar bis Dezember 2015.
Der 1971 geborene Kläger ist luxemburgischer Staatsbürger. Er hält sich seit Mai 2012 in Deutschland auf, seit August 2014 gewöhnlich in Mainz und bis Januar 2017 ohne festen Wohnsitz. Bis zum 29.3.2016 übte er in Deutschland keine Erwerbstätigkeit aus, bewarb sich allerdings auf verschiedene Stellen. Am 7.1.2015 beantragte der Kläger Alg II. Das beklagte Jobcenter lehnte den Antrag unter Hinweis auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II (§ 7 Abs 1 SGB II in der bis zum 28.12.2016 geltenden Fassung - aF) ab (Bescheid vom 10.2.2015; Widerspruchsbescheid vom 24.4.2015). Den während des Klageverfahrens hiergegen am 6.1.2016 gestellten Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem SGB XII lehnte der vom SG beigeladene Sozialhilfeträger ab (Bescheid vom 21.1.2016; Widerspruchsbescheid vom 30.6.2016). Am 29.3.2016 nahm der Kläger eine Erwerbstätigkeit auf.
Im Termin vor dem SG anerkannte der Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Alg II ab 29.3.2016; dieser nahm das Teilanerkenntnis an und beantragte die Verurteilung der Beigeladenen zu Leistungen vom 7.1.2015 bis 28.3.2016. Das SG hat die Beigeladene verurteilt, dem Kläger vom 7.1. bis 31.12.2015 Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.4.2017): Der nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II aF vom Alg II ausgeschlossene Kläger sei nicht nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII (§ 23 Abs 3 SGB XII in der bis zum 28.12.2016 geltenden Fassung - aF) von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen; dem stehe das auf ihn als luxemburgischen Staatsangehörigen anwendbare Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) entgegen. Er habe nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, soweit dem in zeitlicher Hinsicht nicht die bestandskräftig gewordene Leistungsablehnung der Beigeladenen ab Januar 2016 entgegen stehe. Das LSG hat auf die nur von der Beigeladenen eingelegte Berufung das Urteil des SG aufgehoben und die Klage gegen den Beklagten sowie gegen die Beigeladene abgewiesen (Urteil vom 29.5.2018): Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Leistungen gegen den Beklagten noch gegen die Beigeladene. Von Leistungen nach dem SGB II sei er nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II aF ausgeschlossen. Er könne sich weder auf eine Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU berufen, die nicht vom Leistungsausschluss umfasst sei, noch auf ein anderes materielles Aufenthaltsrecht, das eine Ausnahme vom Leistungsausschluss rechtfertigen könne. Auf Leistungen nach dem SGB XII habe der Kläger keinen Anspruch, weil die Voraussetzungen des allenfalls in Betracht kommenden § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII nicht erfüllt seien. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des BSG werde nicht gefolgt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger vor allem eine Verletzung des § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Mai 2018 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 13. April 2017 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 10. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2015 zu verurteilen, ihm vom 7. Januar bis 31. Dezember 2015 Arbeitslosengeld II zu zahlen,
hilfsweise,
die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 13. April 2017 zurückzuweisen.
Dem Vorbringen des Beklagten ist der Antrag zu entnehmen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist teils unbegründet, teils im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 2 SGG). Zu Recht hat das LSG die Klage gegen den Beklagten abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat. Jedoch ist die Klage nicht insgesamt abzuweisen, weil eine Verurteilung der Beigeladenen als Sozialhilfeträger auf den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII in Betracht kommt (§ 75 Abs 2 Alt 2, Abs 5 SGG). Insoweit ist dem Senat eine abschließende Entscheidung wegen des Fehlens näherer Feststellungen verwehrt.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile der Vorinstanzen und der Bescheid vom 10.2.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.4.2015, durch den der Beklagte das vom Kläger begehrte Alg II abgelehnt hat, sowie das gegen die Beigeladene gerichtete hilfsweise Begehren des Klägers auf Leistungen nach dem SGB XII. Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass Gegenstand des Verfahrens auch nach der Verurteilung nur der Beigeladenen durch das SG zu Leistungen nach dem SGB XII noch das gegen den Beklagten gerichtete Begehren des Klägers auf Alg II ist; weil die Verurteilung der Beigeladenen gegenüber jener des Beklagten nur hilfsweise ergangen ist, begehrt der Kläger in der Sache nach wie vor in erster Linie Alg II vom Beklagten, auch wenn das SG nur die Beigeladene zur Leistung verurteilt und der Kläger deren Verurteilung vor dem LSG verteidigt hat (vgl zu einer entsprechenden prozessualen Konstellation BSG vom 28.3.2017 - B 1 KR 15/16 R - BSGE 123, 10 = SozR 4-1300 § 107 Nr 7, RdNr 11 mwN). Streitig ist mit Blick auf den Haupt- wie den Hilfsantrag der Zeitraum vom 7.1. bis 31.12.2015, für den das SG unter Klageabweisung im Übrigen die Beigeladene zur Leistungsgewährung verurteilt und wogegen nur diese Berufung eingelegt hat.
2. Zutreffende Klageart für das gegen den Beklagten gerichtete Begehren ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG). Zulässig ist auch der im Klageverfahren gestellte Hilfsantrag auf Verurteilung des notwendig beigeladenen Sozialhilfeträgers (vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 13).
3. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Alg II, wie das LSG zu Recht entschieden hat. Nach dem damals geltenden und hier anwendbaren Recht (dazu 4.) unterlag er - ungeachtet der vom LSG festgestellten Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II aF (dazu 5.) - dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II aF (dazu 6.). Diesem stehen weder EU-Recht noch das EFA oder das GG entgegen (dazu 7.).
Doch kommen für den Kläger Leistungen der Beigeladenen nach dem SGB XII in Betracht. Der Anwendbarkeit des SGB XII auf ihn steht § 21 Satz 1 SGB XII nicht entgegen (dazu 8.). Zwar kann der Kläger nach dem damals geltenden und hier anwendbaren Recht dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII aF unterliegen (dazu 9.), der mit dem EU-Recht vereinbar ist (dazu 10.a), über dessen Vereinbarkeit auch mit dem EFA dem Senat vorliegend indes eine abschließende Entscheidung verwehrt ist (dazu 10.b). Bei seiner Anwendbarkeit schließt § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII aF nicht Ermessensleistungen nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII aus (dazu 11.). Auch über diese ist dem Senat eine abschließende Entscheidung verwehrt (dazu 12.).
4. Für den vom Kläger primär verfolgten Alg II-Anspruch vom 7.1. bis 31.12.2015 ist das in diesem Zeitraum geltende Recht anzuwenden, weil es an einer hiervon abweichenden Regelung fehlt (Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f). Insbesondere lässt sich dem Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (BGBl I 3155, nachfolgend: Gesetz vom 22.12.2016) nicht entnehmen, dass es sich Geltung für die Zeit vor seinem Inkrafttreten am 29.12.2016 beimisst (vgl BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 18).
5. Die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II aF erfüllte der Kläger in der streitigen Zeit nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG). Festgestellt hat das LSG insbesondere, dass der Kläger hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II aF iVm § 9 Abs 1 SGB II war.
6. Dessen ungeachtet war der Kläger nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II aF von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
a) Nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II aF sind "ausgenommen" - also keine leistungsberechtigten Personen iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II aF und ohne Leistungsberechtigung nach dem SGB II - Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Von diesem Leistungsausschluss umfasst sind erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der EU, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer) und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen (vgl BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 22; so seit 29.12.2016 auch § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Buchst a SGB II), sodass insoweit dahinstehen kann, ob der Kläger über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche (§ 2 Abs 2 Nr 1a FreizügG/EU) verfügte oder nicht, denn in beiden Fällen ist er vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II aF erfasst. Auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag, konnte sich der Kläger im streitigen Zeitraum aufgrund der Feststellungen des LSG nicht berufen (vgl zum Prüfungsprogramm insoweit BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 24 ff).
b) Von den materiellen Freizügigkeitsberechtigungen nach dem FreizügG/EU zu unterscheiden ist die generelle Freizügigkeitsvermutung für EU-Ausländer, wegen der der Aufenthalt eines EU-Ausländers zumindest solange als rechtmäßig angesehen werden muss, bis die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts festgestellt und damit die Ausreisepflicht begründet hat. Diese generelle Freizügigkeitsvermutung allein eröffnet indes weder einen Zugang zu Leistungen nach dem SGB II noch steht sie dem Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II entgegen (vgl BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 23).
7. Mit EU-Recht ist dieser SGB II-Leistungsausschluss vereinbar, wie sich aus der Rechtsprechung des EuGH (EuGH vom 11.11.2014 - C 333/13 - Dano, NJW 2015, 145; EuGH vom 15.9.2015 - C 67/14 - Alimanovic, NJW 2016, 555; EuGH vom 25.2.2016 - C 299/14 - Garcia-Nieto, NJW 2016, 1145) ergibt (vgl BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 27). Das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA steht dem SGB II-Leistungsausschluss des Klägers als luxemburgischen Staatsangehörigen nicht entgegen, denn der von der Bundesregierung am 19.12.2011 bezogen auf SGB II-Leistungen erklärte Vorbehalt zum EFA bewirkte eine wirksame Einschränkung der Inländergleichbehandlung (vgl dazu im Einzelnen BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - BSGE 120, 139 = SozR 4-4200 § 7 Nr 46, RdNr 18 ff).
Auch Verfassungsrecht steht dem SGB II-Leistungsausschluss nicht entgegen. Dieser ist mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG vereinbar, weil der Kläger grundsätzlich Zugang zu existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII hat (vgl BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 29 ff; Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde hiergegen durch BVerfG <Kammer> vom 21.8.2018 - 1 BvR 2674/17).
8. Der Anwendbarkeit des SGB XII auf den Kläger steht § 21 Satz 1 SGB XII nicht entgegen (vgl dazu im Einzelnen BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 32 ff; BSG vom 9.8.2018 - B 14 AS 32/17 R - vorgesehen für SozR 4, RdNr 24 ff).
9. Der Kläger war nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII aF - vorbehaltlich der Vereinbarkeit mit dem EFA (dazu 10.b) - von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen.
Danach haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Für den vom Kläger vom 7.1. bis 31.12.2015 geltend gemachten Anspruch ist § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII noch in dieser, im streitigen Zeitraum geltenden Fassung anzuwenden, weil es an einer hiervon abweichenden Regelung fehlt (Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f). Insbesondere lässt sich auch insoweit dem Gesetz vom 22.12.2016 (BGBl I 3155) nicht entnehmen, dass es sich Geltung für die Zeit vor seinem Inkrafttreten am 29.12.2016 beimisst.
Zwar ist der Kläger nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG nicht eingereist, um iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII aF Sozialhilfe zu erlangen. Hierfür wäre Voraussetzung, dass der Zweck, Sozialhilfe zu erlangen, den Einreiseentschluss geprägt hat (BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 45). Ein solcher finaler Zusammenhang ist hier nicht ersichtlich, zumal der Kläger nicht sogleich nach seiner Einreise Leistungen beantragt hat. Doch sind ebenso wie nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II aF auch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB XII aF - vorbehaltlich der Vereinbarkeit mit dem EFA - erst recht EU-Ausländer, die weder über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen, vom Anspruch auf Sozialhilfe ausgeschlossen (vgl BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 42; so seit 29.12.2016 auch § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB XII).
10. a) Dieser Ausschluss vom Anspruch auf Sozialhilfe nach dem SGB XII ist mit EU-Recht vereinbar; hier gilt nichts anderes wie zum Leistungsausschluss im SGB II.
b) Ob auch das EFA der Anwendung des Leistungsausschlusses vorliegend nicht entgegen steht, kann der Senat mangels näherer Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.
Luxemburg ist ein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens und der Kläger ist damit vom EFA nach seinem persönlichen Anwendungsbereich erfasst. Zudem ist ein Vorbehalt mit Blick auf existenzsichernde SGB XII-Leistungen durch die Bundesregierung nicht erklärt worden. Doch erfordert die Anwendung des Gleichbehandlungsgebots des Art 1 EFA (vgl zu dessen Anwendungsbereich und Regelungsinhalt BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - BSGE 120, 139 = SozR 4-4200 § 7 Nr 46, RdNr 17), dass sich der Kläger im streitigen Zeitraum erlaubt iS des Art 11 EFA in Deutschland aufgehalten hat (vgl zum erlaubten Aufenthalt BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 59/13 R - RdNr 20 ff mwN).
Der zur Inländergleichbehandlung nach dem EFA führende erlaubte Aufenthalt erfordert eine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes Aufenthaltsrecht (vgl zuletzt BSG vom 9.8.2018 - B 14 AS 32/17 R - vorgesehen für SozR 4, RdNr 34 f). Insoweit kommt vorliegend allein eine materielle Freizügigkeitsberechtigung als EU-Ausländer zur Arbeitsuche in Betracht (§ 2 Abs 2 Nr 1a FreizügG/EU; vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - BSGE 120, 139 = SozR 4-4200 § 7 Nr 46, RdNr 18; BSG vom 20.1.2016 - B 14 AS 15/15 R - RdNr 30; BSG vom 17.3.2016 - B 4 AS 32/15 R - RdNr 22). Das LSG hat indes keine näheren Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger im streitigen Zeitraum arbeitsuchend war (zur Auslegung des Begriffs der Arbeitsuche vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 16 ff). Vielmehr hat es erhebliche Zweifel formuliert und es als äußerst fraglich bezeichnet, ob dem Kläger bis zum 28.3.2016 das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche zustand; andererseits hat es den Nachweis von Bewerbungen von April bis Juni 2015 festgestellt. Letztlich hat es dies aber offen gelassen, weil der Kläger selbst bei Bestehen eines Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche keinen Leistungsanspruch gegen den Beklagten habe. Insoweit - mit Blick auf das Alg II-Begehren - konnte zwar dahin stehen, ob der Kläger über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche verfügte oder nicht, nicht aber mit Blick auf die hilfsweise begehrten SGB XII-Leistungen. Die insoweit erforderlichen Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben, um entscheiden zu können, ob das EFA der Anwendung des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII aF auf den Kläger entgegen steht und er deshalb Anspruch auf Sozialhilfe nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII hat.
11. Kann sich der Kläger nicht auf das EFA berufen, greift zwar der Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII aF. Dieser führt indes nicht zum Ausschluss auch von Ermessensleistungen nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII (vgl dazu im Einzelnen BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 44 ff; Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde hiergegen durch BVerfG <Kammer> vom 21.8.2018 - 1 BvR 2674/17).
12. Auf der Grundlage des § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII kann der Kläger einen Zugang zu vom Beigeladenen zu gewährenden existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII haben.
Hinsichtlich der nach § 18 Abs 1 SGB XII (Kenntnisgrundsatz) erforderlichen Kenntnis des beigeladenen Sozialhilfeträgers ist auf die diesem zuzurechnende Kenntnis des beklagten Jobcenters zu verweisen (vgl zuletzt BSG vom 9.8.2018 - B 14 AS 32/17 R - vorgesehen für SozR 4, RdNr 40). Diese der Beigeladenen zuzurechnende Kenntnis ist dem Beklagten durch den Alg II-Antrag des Klägers vom 7.1.2015 vermittelt worden und erst ab diesem Zeitpunkt sind vom SG dem Kläger Leistungen nach dem SGB XII zugesprochen worden.
Soweit der Kläger hiernach grundsätzlich Zugang zu existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII hat, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung hierüber verwehrt. Zwar kann den Feststellungen des LSG die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 Abs 1, § 27 Abs 1 SGB XII entnommen werden; insbesondere hat das LSG die Hilfebedürftigkeit des Klägers iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II aF festgestellt. Ob und ggf ab wann indes das Ermessen der Beigeladenen dem Grunde und der Höhe nach auf Null reduziert ist, kann auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen vom Senat nicht abschließend entschieden werden. Geklärt in der Rechtsprechung des BSG ist bereits, dass eine Ermessensreduktion in Betracht kommt, wenn und weil sich der Aufenthalt von EU-Ausländern nach Ablauf von sechs Monaten tatsächlichem Aufenthalt in Deutschland, der von der Ausländerbehörde faktisch geduldet wird, so verfestigt hat, dass die Erbringung existenzsichernder Leistungen nur im Einzelfall nach Ermessen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht mehr genügt (zur normativen Anknüpfung der sechs Monate an die Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche nach § 2 Abs 2 Nr 1a FreizügG/EU und an § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB XII aF vgl BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 53). Doch sind den Feststellungen des LSG keine genügenden Tatsachen zu entnehmen, um abschließend entscheiden zu können, ob vorliegend vom Regelfall einer Verfestigung des tatsächlichen Aufenthalts des Klägers in Deutschland nach Ablauf von sechs Monaten seit seiner Einreise auszugehen ist oder ob und ggf für welchen Zeitraum vom Regelfall abweichend eine bereits früher oder erst später einsetzende Ermessensreduktion auf Null im Zeitraum vom 7.1. bis 31.12.2015 in Betracht kommt (vgl zu tatsächlichen Hinweisen hierfür BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 58; BSG vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 47 RdNr 45; BSG vom 30.8.2017 - B 14 AS 31/16 R - BSGE 124, 81 = SozR 4-4200 § 7 Nr 53, RdNr 54).
Über die Ermessensleistungen nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII und das Eingreifen einer Ermessensreduktion auf Null bei Aufenthaltsverfestigung wird das LSG nach Feststellung der hierfür erforderlichen Tatsachen zu entscheiden haben, wenn sich der Kläger nicht auf das EFA berufen kann und er deshalb nicht bereits Anspruch auf Sozialhilfe nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII hat.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.