Krankenversicherung - Krankenhausvergütungsstreit - Nachreichen von Behandlungsunterlagen - Bewertung des Beweiswerts durch Tatsachengericht im Einzelfall
1. Ein Krankenhaus ist im Vergütungsstreit nicht gehindert, erkennbar ergänzte Behandlungsunterlagen nachzureichen, wenn weder Gesetzes- noch Vertragsrecht entgegenstehen.
2. Das Tatsachengericht hat den Beweiswert von Behandlungsunterlagen jeweils im Einzelfall und insbesondere bei nachträglichen Änderungen ohne plausiblen Kontext kritisch zu bewerten.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 30. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 867,77 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin, Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses, behandelte die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte H. S. (im Folgenden: Versicherte) vollstationär vom 6. bis 10.5.2012 und berechnete hierfür 3072,66 Euro (23.5.2012; Diagnosis Related Group <DRG> J21Z - Andere Hauttransplantation oder Debridement mit Lymphknotenexzision oder schweren CC). Die Beklagte beglich die Forderung zunächst vollständig, verrechnete jedoch einen Betrag von 867,77 Euro aufgrund einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK, 15.10.2012) mit unstreitigen Behandlungsfällen der Klägerin (11.10.2013): Der Behandlungsfall sei mit der DRG J04B zu vergüten (Eingriffe an der Haut der unteren Extremität außer bei Ulkus oder Infektion / Entzündung, Alter < 70 Jahre ohne CC). Eine lokale Lappenplastik ergebe sich nicht aus dem Operationsbericht. Auf die MDK-Stellungnahme übersandte die Klägerin der Beklagten einen um die Wundrandmobilisation ergänzten Operationsbericht (30.4.2013). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.6.2016). Das LSG hat auf die Berufung der Klägerin die Beklagte zur Zahlung von 867,77 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die Voraussetzungen des OPS-Kodes 5-903.5e seien erfüllt. Das habe die Klägerin durch den ergänzten Operationsbericht nachvollziehbar dargelegt (Urteil vom 30.1.2018).
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 109 Abs 4 Satz 3 und § 275 Abs 1 Nr 1 und Abs 1c Satz 1 und 2 SGB V, § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) sowie des Beschleunigungsgrundsatzes und des Gebots der Wirtschaftlichkeit. Eine iS von § 301 SGB V formal korrekte Abrechnung könne nicht im Nachhinein nach Bewertung durch den MDK ergänzt und angepasst werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 30. Januar 2018 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 20. Juni 2016 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der beklagten KK ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Das LSG hat die Beklagte zu Recht unter Aufhebung des klageabweisenden SG-Urteils zur Zahlung von 867,77 Euro nebst Zinsen verurteilt. Der klagenden Krankenhausträgerin steht der im Gleichordnungsverhältnis zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12) verfolgte Vergütungsanspruch aus der Behandlung anderer Versicherter zu (dazu 1.). Die Beklagte erfüllte diesen Vergütungsanspruch nicht in Höhe von 867,77 Euro dadurch, dass sie mit
einem aus der Behandlung der Versicherten resultierenden Erstattungsanspruch aufrechnete (dazu 2.).
1. Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlung anderer Versicherter der Beklagten Anspruch auf die abgerechnete Vergütung von 867,77 Euro hatte; eine
nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 17; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 4 RdNr 8).
2. Die Beklagte erfüllte diesen Vergütungsanspruch nicht dadurch, dass sie mit einem aus der Behandlung der Versicherten resultierenden Erstattungsanspruch aufrechnete. Die Beklagte zahlte der Klägerin für die stationäre Behandlung der Versicherten auch den Vergütungsanteil von 867,77 Euro nebst Zinsen mit Rechtsgrund.
a) Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung sind erfüllt. Die Beklagte ist - was sie auch nicht bestreitet - verpflichtet, die stationäre Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten im Krankenhaus der Klägerin vom 6. bis 10.5.2012 zu vergüten. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt.
b) Die Klägerin erhielt zu Recht - neben den von der Beklagten bereits anerkannten 2204,89 Euro - auch den weiteren Vergütungsanteil (dazu aa) in Höhe von 867,77 Euro. Die Klägerin kodierte für die durchgeführte Behandlung zutreffend OPS 5-903.5e, sodass die DRG J21Z angesteuert wird (dazu bb). Dies wird von der Beklagten grundsätzlich auch nicht in Zweifel gezogen. Sie bezweifelt indes zu Unrecht die Berechtigung der Klägerin, die Voraussetzungen dieser Kodierung durch eine nachträgliche Ergänzung des OP-Berichts darzulegen (dazu cc). Die Vergütungsforderung ist auch nicht verwirkt (dazu dd).
aa) Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie dem der Klägerin nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Fallpauschalengesetz vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 7 Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 <Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - KHRG> vom 17.3.2009, BGBl I 534, mWv 25.3.2009) und § 17b KHG (idF durch Art 6 Nr 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG> vom 22.12.2011, BGBl I 2983 mWv 1.1.2012; vgl entsprechend BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 12; BSGE 123, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 61, RdNr 10). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen - FPVn) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der KKn und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 9 Buchst a KHRG vom 17.3.2009, BGBl I 534) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 11 KHRG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPVn auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KHEntgG (idF durch Art 19 Nr 3 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG> vom 26.3.2007, BGBl I 378).
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (vgl § 1 Abs 6 Satz 1 FPV 2012; zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus -, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 13). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu Letzteren gehören die FPVn selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (<ICD-10-GM> hier in der Version 2012 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 21.9.2011, BAnz AT vom 10.11.2011 Nr 169 S 3751, in Kraft getreten am 1.1.2012) und die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS (hier in der Version 2012 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des OPS vom 21.9.2011, BAnz AT vom 21.11.2011 Nr 169 S 3752, in Kraft getreten am 1.1.2012; zur Grundlage der Rechtsbindung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24). Schließlich gehören zu den einbezogenen Regelungskomplexen die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2012 (Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2012 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG). Hierdurch erlangen die dem Groupierungsalgorithmus vorgelagerten DKR-Regelungen über die Eingabe der in ICD-10-GM und OPS enthaltenen kodierfähigen Angaben in die Groupierungsmaske jedes Jahr zwischen den Vertragspartnern erneut Geltung (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 17; zu deren normativer Wirkung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18, 24; vgl zum Ganzen BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 10).
Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestands innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 51 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-5562 § 2 Nr 1
RdNr 15; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 8 RdNr 14).
bb) Die von der Klägerin abgerechnete DRG J21Z setzt nach diesen Grundsätzen die zulässige Kodierung von OPS 5.903.5e voraus, dementsprechend eine "lokale Lappenplastik an Haut und Unterhaut" als "großflächige Dehnungsplastik" an "Oberschenkel und Knie". Nach den unangegriffenen und den Senat daher bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllte die von der Klägerin durchgeführte Operation diese Anforderungen.
cc) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Abrechnung nicht ein vom tatsächlichen Behandlungsfall abweichender Sachverhalt zugrunde zu legen, weil sich die maßgebliche Tatsachengrundlage nicht bereits eindeutig aus dem ursprünglichen OP-Bericht ergab. Das für den Rechtsstreit maßgebliche, zur Zeit der Behandlung der Versicherten geltende Vergütungsrecht für Krankenhäuser bezweckt, das tatsächlich vom Krankenhaus der KK Geleistete zu vergüten und Fehler, die dies verhindern, zu korrigieren. So zielt das zwingende Abrechnungssystem der Fallpauschalen mit dem hierauf abgestimmten Gebot an die Krankenhäuser, die KKn über die gesetzlich und normenvertraglich bestimmten Abrechnungsgrundlagen zu informieren, auf das - hier einschlägige - Prüfregime der sachlich-rechnerischen KKn haben die Leistungen zu vergüten, die Krankenhäuser tatsächlich erbracht haben. Hierfür genügt es nicht, dass das Krankenhaus eine Leistung bloß abrechnet. Es muss sie tatsächlich bewirkt haben (stRspr, vgl zB BSGE 122, 87 = SozR 4-2500 § 301 Nr 7, RdNr 26 mwN; nachfolgend BVerfG Beschluss vom 26.11.2018 - 1 BvR 318/17 - juris = KrV 2019, 12). Zwar sieht das SGB V bei Streit über Krankenhausvergütung vorprozessual kein Verwaltungsverfahren mit Amtsermittlung vor. Das vom Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) geprägte gerichtliche Rechtsschutzverfahren des SGG ermöglicht hingegen als folgerichtige Ergänzung eine umfassende Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (vgl zB BSGE 125, 91
= SozR 4-1500 § 120 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 18.12.2018 - B 1 KR 40/17 R - juris RdNr 22, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Es dient dazu, den für die rechtliche Bewertung der gestellten Rechnung des Krankenhauses maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären und der rechtlichen Bewertung des erhobenen Vergütungsanspruchs zugrunde zu legen. Das Vorbringen des Krankenhauses und die von ihm vorgelegten Dokumentationen sind hierfür ebenso wenig alleine maßgeblich wie das Erheben substantiierter Einwendungen innerhalb bestimmter Fristen (vgl BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13 RdNr 26; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 5 RdNr 17). Während etwa § 7 Abs 2 Satz 3 und 4 der zwischen dem GKV-Spitzenverband und der DKG geschlossenen, am 1.9.2014 in Kraft getretenen Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV 2014) aufgrund hinreichender Ermächtigung (vgl § 17c Abs 2 KHG; rechtsähnlich zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 15 ff mwN) mit der Vergütungsbegrenzung auf das Unstreitige eine wirksame, verhältnismäßige und spezielle materiell-rechtliche Ausschlussregelung enthält (zutreffend etwa LSG Baden Württemberg Urteil vom 17.4.2018 - L 11 KR 936/17 - juris RdNr 53 = KHE 2018/10), existiert für den betroffenen Behandlungsfall keine gesetzliche oder vertragliche Grundlage, nach der das Krankenhaus im Rechtsstreit über eine weder verjährte noch verwirkte Vergütungsforderung mit tatsächlichem Vorbringen nach Ablauf bestimmter Fristen ausgeschlossen wäre.
Folgerichtig gilt für Unterlagen, die das Krankenhaus im Rahmen vorprozessualer Korrespondenz über den Vergütungsanspruch vorlegt, bei Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung kein Verwertungsverbot (vgl BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 5 RdNr 17). Die Verpflichtung der Krankenhäuser zu wahrheitsgemäßer und hinreichend vollständiger Information über das Behandlungsgeschehen (vgl hierzu BSG SozR
4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 31; BSGE 122, 87 = SozR 4-2500 § 301 Nr 7, RdNr 25) dient gerade der Gewährleistung und Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnungen. Ua dieser Zweck liegt auch der sozialrechtlichen Dokumentationspflicht zugrunde. Die Leistungserbringer wie Krankenhäuser sind verpflichtet, die ua für die Erfüllung der Aufgaben der KKn notwendigen Angaben, die aus ua der Erbringung von Versicherungsleistungen entstehen, aufzuzeichnen und gemäß den nachfolgenden Vorschriften ua den KKn mitzuteilen (vgl § 294 SGB V). Diese Angaben dienen der internen und externen Prüfung und Ausführung der Abrechnung, der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der Qualitätssicherung.
Die sozialrechtliche Dokumentationspflicht der Krankenhäuser steht nicht in Widerspruch zur Dokumentationspflicht aus oder entsprechend den Grundsätzen des Behandlungsvertrags, verfolgt aber eigene Zwecke. Die Dokumentationspflicht folgt im Verhältnis zum Patienten aus oder entsprechend dem Behandlungsvertrag (vgl BGHZ 99, 391, 397 = NJW 1987, 1482, 1483; BGHZ 72, 132, 137 f = NJW 1978, 2337, 2338 f und nunmehr § 630f BGB). Sie dient vor allem der Therapiesicherung, zudem aber auch der Beweissicherung (vgl zB Glanzmann in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl 2018, § 630f BGB RdNr 3 f; Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl 2018, § 630f BGB RdNr 1). Die Patientenakte ist zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung zu führen (vgl § 630f Abs 1 Satz 1 BGB). Die nachträgliche Änderung und Ergänzung einer Dokumentation - etwa, wie hier, eines Operationsberichts - ist nicht generell ausgeschlossen, muss aber den ursprünglichen Inhalt und den Änderungszeitpunkt erkennen lassen (vgl § 630f Abs 1 Satz 2 BGB). Eine ähnliche Verpflichtung zur Dokumentation enthält das ärztliche Berufsrecht (vgl zum aktuellen Recht etwa § 10 der Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte <MBO-Ä> idF der Beschlüsse des 121. Deutschen Ärztetages 2018 in Erfurt sowie des Beschlusses des Vorstandes der Bundesärztekammer vom 14.12.2018, DÄ 2019, A 230).
Die Dokumentation des Krankenhauses darf in Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit in die Feststellung des Sachverhalts im Wege der Amtsermittlung einfließen (vgl zB BSGE 125, 91 = SozR 4-1500 § 120 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 18.12.2018 - B 1 KR 40/17 R - juris RdNr 22, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Ihr Beweiswert ist hierbei jeweils im Einzelfall tatrichterlich zu bewerten, eine kritische Sicht liegt insbesondere bei nachträglichen Änderungen oder Ergänzungen ohne plausiblen Kontext nahe. Hat das Tatsachengericht bei vorgelegter Dokumentation Zweifel an Rechtserheblichem, muss es den Sachverhalt ergänzend aufklären, etwa durch Vernehmung der behandelnden Ärzte und der behandelten Versicherten. Lässt sich nach Ausschöpfen der gebotenen Aufklärung nicht feststellen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der abgerechneten Fallpauschale erfüllt gewesen sind, trägt das Krankenhaus die objektive Beweislast für das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzungen (vgl dazu zB BSGE 117, 82 = SozR 4-2500 § 109 Nr 40, RdNr 18; Hauck in Zeihe/Hauck, SGG, Stand März 2019, Vor § 103 Anm 3 mwN).
dd) Die von der Beklagten geleistete Vergütung war auch nicht in Höhe von 867,77 Euro verwirkt (vgl zB zur Zulässigkeit von Nachforderungen BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 62 RdNr 8 ff mwN). Die Beklagte leistete zeitnah. Die Beteiligten streiten zudem seit der MDK-Begutachtung über die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Kodierung von OPS 5-903.5e. Ein Vertrauen der Beklagten, dass die Klägerin im Rahmen dieses Streits keine weiteren Tatsachen mehr vortragen werde, konnte nicht entstehen.
3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm §§ 291, 288 Abs 1 Satz 2 BGB und § 13 Abs 7 des Vertrags nach § 112 SGB V zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassenverbänden. Danach beträgt die Zahlungsfrist für Krankenhausrechnungen 21 Tage. Ab Überschreitung der Zahlungsfrist sind Verzugszinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie 47 Abs 1 GKG.