Grundsicherung für Arbeitsuchende - Rückwirkung des Leistungsantrags auf den Monatsersten - Einkommens- und/oder Vermögensberücksichtigung - Beitragsrückerstattung der privaten Krankenversicherung - vor Antragstellung zugeflossener Rückkaufswert einer Lebensversicherung - Schuldentilgung - Monatserster als Stichtag für die Vermögensbewertung - Berücksichtigung einer wesentlichen Änderung des Vermögens im Laufe des Kalendermonats
1. Der für die Vermögensbewertung maßgebliche Zeitpunkt der Antragstellung ist im Fall der Rückwirkung des Leistungsantrags der Monatserste.
2. Eine wesentliche Änderung von Vermögen im Laufe eines Kalendermonats ist zu berücksichtigen.
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. November 2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Umstritten ist die Bewilligung von Alg II für September und Oktober 2013.
Der am 1.9.1969 geborene Kläger lebte von seiner Ehefrau getrennt. Für die beiden gemeinsamen Töchter zahlte er auf der Grundlage eines Unterhaltstitels 582 Euro im Monat. Der Kläger war selbstständig tätig und privat krankenversichert. Im streitgegenständlichen Zeitraum erzielte der Kläger aus seiner Erwerbstätigkeit eine Einnahme iHv 598,97 Euro; er hatte Ausgaben von zusammen 220 Euro. Aufwendungen für die Unterkunft hatte er nicht, da er kostenfrei bei einem Bekannten lebte.
Am 4.9.2013 wurde auf einem Girokonto des Klägers ein Betrag iHv 12 171,23 Euro aus einer gekündigten Lebensversicherung gutgeschrieben, der einen Saldo iHv 5531,37 Euro ausglich. Am 5.9.2013 überwies ihm sein Krankenversicherer eine Beitragsrückerstattung iHv 1001,79 Euro.
Der Kläger stellte beim beklagten Jobcenter am 19.9.2013 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Zu diesem Zeitpunkt verfügte er noch über Guthaben auf verschiedenen Konten iHv insgesamt 4636,94 Euro. Der Beklagte lehnte den Antrag wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab (Bescheid vom 9.10.2013, Widerspruchsbescheid vom 22.11.2013). Im November 2013 zog der Kläger in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Jobcenters und erhielt dort Leistungen nach dem SGB II.
Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Kläger beantragt, ihm unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide für die beiden streitgegenständlichen Monate jeweils 382 Euro Regelbedarf sowie 324,74 Euro als Beitrag zur privaten Krankenversicherung zu zahlen. Das SG hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger für die beiden Monate 382 Euro als Regelbedarf zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 1.2.2017). Die Berufung des Beklagten hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 15.11.2018). Der Kläger sei hilfebedürftig und habe Anspruch auf Leistungen iHv 382 Euro. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 19.9.2013 habe er nicht über Vermögen verfügt, das seinen Vermögensfreibetrag übersteige. Nach § 12 Abs 4 Satz 2 SGB II sei allein dieser Zeitpunkt maßgeblich. Der Kläger habe im Antragsmonat auch nicht über Einkommen verfügt, das seinen Leistungsanspruch mindere. Die Beitragsrückerstattung sei auf sechs Monate aufzuteilen.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 9 Abs 1, § 12 Abs 4 und § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II. Da der Leistungsantrag auf den Monatsersten zurückwirke, sei für die Beurteilung der Vermögenslage auf den 1.9.2013 abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger nicht hilfebedürftig gewesen. Der später erfolgte Ausgleich des Kontosaldos sei als bloße Schuldentilgung unerheblich.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. November 2018 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. Februar 2017 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend darüber entscheiden, ab wann dem Kläger ein Anspruch auf Alg II zustand.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben dem Urteil des LSG das des SG, soweit dieses der Klage stattgegeben hat, und der Bescheid vom 9.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2013, sowie die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iHv maximal 382 Euro jeweils für die Monate September und Oktober 2013. Bei dem vom Kläger ursprünglich geltend gemachten Zuschuss zur Krankenversicherung nach § 26 SGB II handelt es sich nicht um einen eigenständigen, abtrennbaren Streitgegenstand (BSG vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1, RdNr 13; BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 8/14 R - BSGE 119, 7 = SozR 4-4200 § 21 Nr 22, RdNr 12). Höhere Leistungen als 382 Euro kann der Kläger aber nicht verlangen, weil die Klageabweisung durch das SG insoweit rechtskräftig geworden ist.
2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Die von dem Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) ist statthaft. Die Berufung des Beklagten war zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 750 Euro überstieg (vgl § 144 SGG; 382 x 2 = 764 Euro).
3. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs sind §§ 19 ff und §§ 7 ff SGB II in der Fassung, die das SGB II für die streitbefangenen Monate zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 7.5.2013 (BGBl I 1167) erhalten hat (Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f).
4. Der Kläger war leistungsberechtigt nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 2 und 4 SGB II und ein Ausschlusstatbestand lag nicht vor. Inwieweit er in den Monaten September und Oktober 2013 hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 SGB II war, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Hilfebedürftig im Sinne der genannten Vorschriften ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Der Bedarf des Klägers nach dem SGB II (hierzu 5) wurde durch zu berücksichtigendes Einkommen nur teilweise gedeckt (hierzu 6). Nicht abschließend entschieden werden kann, ob der Kläger deshalb jedenfalls für einen Teil des streitgegenständlichen Zeitraums nicht hilfebedürftig war, weil er über zu berücksichtigendes Vermögen verfügte (hierzu 7).
5. Der Bedarf des Klägers betrug insgesamt 687,16 Euro im Monat. Er setzt sich zusammen zunächst aus dem ab 1.1.2013 geltenden Regelbedarf für Alleinstehende nach § 20 Abs 2 Satz 1 iVm § 20 Abs 5 SGB II (vgl Bekanntmachung vom 18.10.2012, BGBl I 2175). Bedarfe für Unterkunft und Heizung fielen nach dem festgestellten Sachverhalt nicht an. Aufgrund seiner fehlenden Abtrennbarkeit als eigenständiger Streitgegenstand (vgl 1) auf der Bedarfsseite weiter zu berücksichtigen ist der Beitragszuschuss nach § 26 SGB II (vgl BSG vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R - SozR 4-4200 § 26 Nr 3 RdNr 18 ff), der nach § 26 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II (idF des Gesetzes vom 22.12.2011, BGBl I 3057) und der Rechtsprechung des BSG (BSG vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R - SozR 4-4200 § 26 Nr 3 RdNr 22 mwN) begrenzt war auf die Hälfte des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung, also den halben Basistarif (für 2013 iHv 305,16 Euro: 3937,50 Euro/Monat Beitragsbemessungsgrenze x 15,5 % allgemeiner Beitragssatz = 610,31 Euro : 2).
6. Zu berücksichtigendes Einkommen bestand auf der Grundlage der Feststellungen des LSG allein für September 2013. Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II alle Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen.
Der Kläger verfügte im September 2013 über zu berücksichtigendes Einkommen iHv 491,38 Euro (71,59 + 419,79). Er erzielte in den beiden Monaten - in Anwendung von § 3 Alg II-V (idF der 5. Alg II-ÄndV vom 21.6.2011, BGBl I 1175) - Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit iHv 189,49 Euro monatlich (598,97 - 220 = 378,97 : 2), das unter Anwendung der Freibetragsregelungen nach § 11b Abs 2 Satz 1, § 11b Abs 3 Satz 1 und 2 Nr 1 SGB II (idF des Gesetzes vom 21.3.2013, BGBl I 556) iHv 71,59 Euro zu berücksichtigen war.
Hinzu kam am 5.9.2013 eine Beitragsrückerstattung der privaten Krankenversicherung des Klägers iHv 1001,79 Euro, bei der es sich - vergleichbar einer Steuererstattung (vgl hierzu BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4- 4200 § 11 Nr 15 RdNr 17 ff) und unter Anwendung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II (hierzu ausführlich unter 7) - um eine einmalige Einnahme handelte, die in dem Monat, in dem sie zufloss, zu berücksichtigen war (§ 11 Abs 3 Satz 1 SGB II idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850). Anzurechnen war sie nur iHv 419,79 Euro, weil die Unterhaltszahlung iHv 582 Euro gemäß § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 7 SGB II abzusetzen war. Mit der Unterhaltszahlung erfüllte der Kläger eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung in der Höhe, wie sie in der vollstreckbaren Unterhaltsurkunde des Jugendamts (§ 59 Abs 1 Satz 1 Nr 3, § 60 SGB VIII) festgelegt war.
Entgegen der Ansicht des LSG war die Beitragsrückerstattung nicht gemäß § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II (idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850) gleichmäßig auf einen Zeitraum von sechs Monaten aufzuteilen und mit einem monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen, da bei einem Gesamtbedarf von 687,16 Euro (vgl unter 5) das zu berücksichtigende Einkommen iHv 491,38 Euro nicht dazu führt, dass der Leistungsanspruch entfällt. Es verbleibt ein ungedeckter Bedarf iHv 195,78 Euro.
Im Oktober 2013 war bei Abzug der Unterhaltszahlung kein Einkommen zu berücksichtigen, denn der Kläger verfügte nur über Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit iHv 189,49 Euro.
7. Ob und für welchen Zeitraum zu berücksichtigendes Vermögen Hilfebedürftigkeit ausschloss, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Der Kläger verfügte mit seiner Kapitallebensversicherung, die er sich Anfang September 2013 auszahlen ließ, über Vermögen, das seinen Vermögensfreibetrag überstieg (a). Maßgeblicher Stichtag für die Bewertung des Vermögens ist zunächst der 1.9.2013 als erster Tag des Antragsmonats (b). Allerdings hat sich die Vermögenslage des Klägers im Verlauf des September 2013 durch den Ausgleich des Kontosolls seitens der Bank wesentlich geändert (c). Entgegen der Ansicht der Revision bleibt der Verbrauch des Vermögens im laufenden Monat nicht unberücksichtigt; ein Monatsprinzip gilt bei der Berücksichtigung von Vermögen insoweit nicht (d). Ab wann der Kläger hiernach hilfebedürftig war und ihm Leistungen nach dem SGB II zustanden, kann auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entschieden werden (e).
a) Dem Kläger, der am 1.9.2013 sein 44. Lebensjahr vollendete, stand im streitgegenständlichen Zeitraum ein Vermögensfreibetrag iHv 7350 Euro zu (§ 12 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850: 44 x 150 Euro; § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II: 750 Euro).
Der Kläger verfügte am 1.9.2013 über eine gekündigte Kapitallebensversicherung, die am 4.9.2013 iHv 12 171,23 Euro an ihn ausgezahlt wurde. Der Auszahlungsanspruch war Vermögen, weil der Kläger es vor der Antragstellung bereits hatte (zur Abgrenzung Einkommen/Vermögen stRspr seit BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; zuletzt BSG vom 8.5.2019 - B 14 AS 15/18 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 86 RdNr 14), ohne dass dieses Vermögen nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 2 oder 3 SGB II geschützt war. An der Einordnung als Vermögen und nicht als Einkommen ändert die mit dem tatsächlichen Mittelzufluss verbundene Auszahlung des Guthabens auf eines der klägerischen Girokonten nichts (vgl BSG vom 10.8.2016 - B 14 AS 51/15 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 26 RdNr 26).
b) Entgegen der Ansicht des LSG ist für die Frage, in welcher Höhe der Kläger über Vermögen verfügte, das seine Hilfebedürftigkeit ausschloss, nicht auf den Tag des Antrags am 19.9.2013 abzustellen, als der Kläger insgesamt noch Vermögen iHv 4636,94 Euro hatte, sondern auf den 1.9.2013 als den ersten Tag des Antragsmonats.
Nach § 12 Abs 4 Satz 2 SGB II ist für die Bewertung des Vermögens der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird. Nach Satz 3 sind wesentliche Änderungen des Verkehrswertes zu berücksichtigen.
Der für die Vermögensbewertung maßgebliche Zeitpunkt der Antragstellung ist im Fall der Rückwirkung des Leistungsantrags (§ 37 Abs 2 Satz 2 SGB II) der Monatserste. Dies ergibt sich aus Wortlaut, systematischer Stellung, Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der beiden hier zusammenwirkenden gesetzlichen Regelungen.
Der Wortlaut ist nicht eindeutig. Er ist nicht in dem Sinne klar, dass der "Wertermittlungsstichtag" nach § 12 Abs 4 Satz 2 SGB II vom Leistungsbeginn nach § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II eindeutig zu unterscheiden sei (so aber Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 12 RdNr 571, Stand Januar 2016; ähnlich Lange in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 12 RdNr 125; Striebinger in Gagel, SGB II / SGB III, § 12 RdNr 117, Stand Oktober 2014; aA Geiger in LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 12 RdNr 95). § 12 Abs 4 Satz 2 SGB II stellt zwar auf den Zeitpunkt der Antragstellung ab, lässt aber offen, was gilt, wenn - wie hier nach § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II - der Zeitpunkt, zu dem der Antrag "wirkt" (vgl zu den Antragswirkungen zuletzt BSG vom 11.7.2019 - B 14 AS 51/18 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 9 RdNr 25 ff), gesetzlich festgelegt ist.
§ 12 Abs 4 SGB II ist seit Inkrafttreten des SGB II unverändert. Die Vorschrift ist dem Recht der Alhi entnommen (BT-Drucks 15/1516 S 53), das zuletzt in § 1 Abs 4 Satz 2 und 3 AlhiV 2002 vom 13.12.2001 (BGBl I 3734) eine entsprechende Regelung vorsah (ähnlich bereits § 8 AlhiV 1974, BGBl I 1929). Für ihre Auslegung ist vorliegend entscheidend, dass sie im SGB II seit dem 1.1.2011 in einem systematischen Zusammenhang mit § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II (idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch <RBEG / SGB II / SGB XII-ÄndGz> vom 24.3.2011, BGBl I 453) steht, wonach der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurückwirkt. Hierbei handelt es sich sowohl im Verhältnis zu § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II, wonach Leistungen nach dem SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden, als auch im Verhältnis zu § 12 Abs 4 Satz 2 SGB II um die speziellere (und spätere) Regelung (vgl zum Verhältnis zu § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II, BSG vom 28.10.2014 - B 14 AS 36/13 R - BSGE 117, 179 = SozR 4-4200 § 37 Nr 7, RdNr 24).
Der Sinn und Zweck des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte spricht dagegen, für die Wertermittlung allein auf den tatsächlichen Zeitpunkt der Antragstellung unabhängig von seiner rechtlichen Wirkung abzustellen. Mit der Neuregelung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II sollte dem Nachranggrundsatz stärker als zuvor Rechnung getragen werden, indem Einnahmen, die vor Antragstellung im Antragsmonat zufließen, als Einkommen zu berücksichtigen sind (BT-Drucks 17/3404 S 114). In diesem Sinne soll sie verhindern, dass durch die zeitliche Verschiebung des Antrags innerhalb eines Monats in diesem Monat zur Verfügung stehende Bedarfsdeckungsmöglichkeiten unberücksichtigt bleiben (BSG vom 28.10.2014 - B 14 AS 36/13 R - BSGE 117, 179 = SozR 4-4200 § 37 Nr 7, RdNr 26). Demgegenüber würde das Zusammenspiel von § 12 Abs 4 Satz 2 SGB II und § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, so wie vom LSG verstanden, dazu führen, dass der Kläger für einen Zeitraum als hilfebedürftig gelten würde, in dem ihm tatsächlich zu berücksichtigendes Vermögen zur Verfügung stand. Dem gesetzgeberischen Anliegen, den Nachranggrundsatz zu stärken, würde dies entgegenlaufen. Eine solche Fiktion der Hilfebedürftigkeit bezweckt die gesetzliche Regelung nicht.
c) Aus dem Abstellen auf den 1.9.2013 als Stichtag für die Vermögensbewertung folgt entgegen der Ansicht des Beklagten nicht, dass der Kläger im ganzen September 2013 oder sogar im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum, also auch im Oktober 2013, nicht hilfebedürftig war. Vielmehr bestimmt § 12 Abs 4 Satz 3 SGB II, dass wesentliche Änderungen des Verkehrswerts zu berücksichtigen sind. Bei dem Ausgleich des Kontosolls durch Verrechnung seitens der Bank handelt es sich um eine solche wesentliche Änderung des Verkehrswerts.
Der Verkehrswert von Vermögen iS des § 12 Abs 4 SGB II bestimmt sich nach dem erzielbaren Erlös im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (BSG vom 23.5.2012 - B 14 AS 100/11 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 19 RdNr 24 mwN; BSG vom 11.12.2012 - B 4 AS 29/12 R - RdNr 13). Bei Vermögen in Form von Bar- bzw Buchgeld entspricht der Verkehrswert dem Nennwert (Verkehrswert entspricht Geldbetrag, vgl nur Lange in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 12 RdNr 123), weshalb im Fall eines Girokontoguthabens dessen Höhe ab dem Zeitpunkt der Antragstellung und seine Entwicklung festzustellen ist (vgl BSG vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R - RdNr 27). Wesentlich ist eine Änderung der Geldbetragshöhe, wenn sie im Hinblick auf die Vermögensfreibeträge erheblich ist.
Die am 1.9.2013 bestehenden Schulden des Klägers mindern sein Vermögen zunächst nicht. Vermögen iS von § 12 SGB II ist nicht die Bilanz aus aktiven und passiven Vermögenswerten, sondern es sind die vorhandenen aktiven Vermögenswerte (BSG vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R - RdNr 22 mwN aus der Rechtsprechung zur Alhi und zum BSHG; BSG vom 11.12.2012 - B 4 AS 29/12 R - RdNr 31). Allein die Absicht, das Vermögen zur Schuldentilgung verwenden zu wollen, schließt dessen Berücksichtigung nicht aus (BSG vom 20.2.2014 - B 14 AS 10/13 R - BSGE 115, 148 = SozR 4-4200 § 12 Nr 23, RdNr 29).
Rechtlich erheblich als wesentliche Änderung des Vermögenswerts ist aber der Ausgleich des Kontosolls am 4.9.2013. Denn zu berücksichtigen ist allein das tatsächlich vorhandene Vermögen; fiktives Vermögen bleibt unberücksichtigt (so zur Alhi, BSG vom 24.5.2006 - B 11a AL 7/05 R - BSGE 96, 238 = SozR 4-4220 § 6 Nr 4 RdNr 25 mwN; zum SGB II: Bayerisches LSG vom 23.7.2015 - L 11 AS 681/14 - juris RdNr 19 ff; LSG Baden-Württemberg vom 22.9.2015 - L 9 AS 5084/13 - juris RdNr 27; Frank in GK-SGB II, K § 12 RdNr 8, Stand April 2016; Geiger in LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 12 RdNr 96; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 12 RdNr 218, Stand Januar 2016; Lange in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 12 RdNr 28; Radüge/Formann in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 12 RdNr 37; jeweils mwN). Hiermit korrespondiert, dass - in der Situation der Leistungsbewilligung - vorhandenes, zu verwertendes und verwertbares Vermögen so lange zu berücksichtigen ist, wie es tatsächlich vorhanden ist; ein "fiktiver Vermögensverbrauch" also ebenso wenig stattfindet (BSG vom 25.4.2018 - B 14 AS 15/17 R - BSGE 125, 301 = SozR 4-4200 § 40 Nr 14 RdNr 20 f mwN; vgl zum SGB XII BSG vom 20.9.2012 - B 8 SO 20/11 R - SozR 4-3500 § 19 Nr 4 RdNr 14). Solange Vermögen zu berücksichtigen ist, steht es dem Leistungsanspruch im Sinne eines "Alles-oder-nichts" entgegen.
Dem Kläger stand als aktiver - die Hilfebedürftigkeit ggf ausschließender - Vermögenswert nur das auf seinen Girokonten verfügbare Guthaben zur Verfügung. Soweit er bei seinen Girokonten über die Möglichkeit der Überziehung durch Einräumung eines Dispositionskredits verfügte, bestand bis zur Höhe dessen betragsmäßiger Begrenzung ("Dispolimit") kein aktiver Vermögenswert, der einer Hilfebedürftigkeit entgegenstand (vgl hierzu bei der Einkommensberücksichtigung BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 10/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 70 RdNr 34; LSG Nordrhein-Westfalen vom 12.9.2019 - L 19 AS 1034/18 - juris RdNr 40).
d) Es besteht keine gesetzliche Grundlage dafür, wesentliche Veränderungen im Hinblick auf die Höhe des vorhandenen Vermögens (jedenfalls) für den laufenden Kalendermonat unberücksichtigt zu lassen. Abweichend von der Einkommensberücksichtigung (vgl § 11 Abs 2, 3 SGB II; dazu sogleich) gibt es bei der Berücksichtigung von Vermögen im SGB II insoweit keine normative Grundlage für ein Monatsprinzip. Ob der Kläger über Vermögen verfügte, das seine Hilfebedürftigkeit ausschloss, bestimmt sich vielmehr bezogen auf den Tag als kleinste mögliche Bedarfszeit nach dem SGB II, weil der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für jeden Tag besteht, an dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (§ 41 Abs 1 Satz 1 SGB II; vgl hierzu BT-Drucks 15/1516 S 63; BSG vom 30.7.2008 - B 14/7b AS 12/07 R - RdNr 22) und Vermögen, das die Freibeträge übersteigt, einen Anspruch auf Leistungen unabhängig von dem im Kalendermonat bestehenden Bedarf entfallen lässt. Leistungen sind insoweit ggf anteilig zu erbringen (§ 41 Abs 1 Satz 3 SGB II).
§ 12 Abs 4 Satz 2 SGB II, wonach für die Bewertung der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend ist und bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs, spricht ebenfalls für eine taggenaue Betrachtung, ob zu berücksichtigendes Vermögen Hilfebedürftigkeit ausschließt, weil der Begriff des "Zeitpunkts" im SGB II grundsätzlich einem Kalendertag gleichgesetzt wird (BSG vom 14.2.2013 - B 14 AS 51/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 59 RdNr 16).
Gegen eine monatsweise Betrachtung bei der Vermögensberücksichtigung spricht zuletzt, dass sich zB der Grundfreibetrag nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II innerhalb eines Monats leistungserheblich verändern kann (BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R - BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr 5 RdNr 11). Darauf hinzuweisen ist, dass die taggenaue Bewertung des Vermögens auch dazu führen kann, dass innerhalb eines Kalendermonats der Leistungsanspruch entfällt, sollte sich der Wert des Vermögens entsprechend erhöhen.
Es besteht auch keine Regelung, wonach die Höhe des Vermögens stets ausschließlich am Monatsersten festzustellen ist. § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II in der hier verstandenen Auslegung (dazu oben b) regelt dies nicht, denn diese Vorschrift bestimmt nur den Ersten des Antragsmonats als maßgeblichen (Ausgangs-)Zeitpunkt für die Vermögensbewertung, verhält sich aber nicht zu Veränderungen in der Vermögenslage und regelt ohnehin keinen Bewertungszeitpunkt für Kalendermonate, soweit sie nicht Antragsmonat sind.
Die Berücksichtigung von Vermögen mit ihrer stichtagsbezogenen Bewertung der Vermögenshöhe unterscheidet sich insoweit strukturell von der Einkommensberücksichtigung im SGB II (vgl zur unterschiedlichen Behandlung von Einkommen und Vermögen im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG, BSG vom 7.5.2009 - B 14 AS 4/08 R - RdNr 19): Beim Vermögen knüpfen leistungsrechtliche Folgen an den (taggenauen) Bestand an, während bei dem im Bedarfszeitraum hinzutretenden und zu berücksichtigenden Einkommen allein maßgeblich ist, dass es in einem bestimmten Zeitraum zur Verwendung für den Lebensunterhalt zur Verfügung steht. Dies rechtfertigt sich dadurch, dass erst in der Bedarfszeit nach Antragstellung hinzukommende Mittel - von den Ausnahmen nach § 11a SGB II und den Absetzbeträgen nach § 11b SGB II abgesehen - grundsätzlich vollständig zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden sollen, während auf vorher Erlangtes nur zurückzugreifen ist, soweit es die Vermögensschongrenzen überschreitet (BSG vom 9.8.2018 - B 14 AS 20/17 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 85 RdNr 11) oder der Rückgriff auf grundsätzlich geschütztes Vermögen gesondert angeordnet ist (vgl zB § 42a Abs 1 Satz 1 SGB II). Dementsprechend sind Einnahmen grundsätzlich für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs 2 Satz 1, Abs 3 Satz 1 SGB II), und erfordert die Anrechnung auf den Bedarf einen tatsächlichen Zufluss bereiter Mittel (stRspr, vgl zuletzt nur BSG vom 8.5.2019 - B 14 AS 15/18 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 86 RdNr 16 mwN), die für den Lebensunterhalt eingesetzt werden können. Bestand diese Möglichkeit, ändert die Verwendung der Einnahme nicht für den Lebensunterhalt, sondern - als Folge der eigenverantwortlichen Verwendungsentscheidung (hierzu BSG vom 24.5.2017 - B 14 AS 32/16 R - BSGE 123, 199 = SozR 4-4200 § 11 Nr 80, RdNr 25) - zB zur Tilgung eines Dispositionskredits an der Berücksichtigung als Einkommen im jeweiligen Monat nichts (vgl ausführlich BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 10/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 70; vgl zuvor BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 25; BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 43/07 R - RdNr 28).
Dass der Verbrauch des Vermögens im Verlauf des September 2013 leistungsrechtlich erheblich ist, ändert nichts daran, dass der Kläger grundsätzlich gehalten war, die ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel in der Bedarfszeit nicht zur Schuldendeckung zu verwenden, sondern, soweit nötig, zur Sicherung seines Lebensunterhalts (BSG vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25 sowie BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 14 zum vorzeitigen Verbrauch einer einmaligen Einnahme; vgl zu den im Antragsmonat bestehenden Obliegenheiten BSG vom 24.4.2015 - B 4 AS 22/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 71 RdNr 23). Ob sein Verhalten insoweit (ursprünglich) einen Sanktionstatbestand nach § 31 Abs 2 Nr 1 SGB II begründet hat oder der Beklagte einen Ersatzanspruch nach § 34 Abs 1 SGB II (vgl hierzu zuletzt BSG vom 29.8.2019 - B 14 AS 50/18 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4) hätte geltend machen können, ist nicht streitgegenständlich. Eine spezielle Regelung wie § 24 Abs 4 Satz 2 SGB II (idF des 9. SGB II-ÄndG vom 26.7.2016, BGBl I 1824), die auf den vorzeitigen Verbrauch einer (einmaligen) Einnahme mit einer Darlehensleistung reagiert, besteht für den "vorzeitigen" Verbrauch von Vermögen nicht.
e) Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ab wann der Kläger hilfebedürftig war. Es ist zwar wahrscheinlich, dass - unter Berücksichtigung des § 41 Abs 1 SGB II - Hilfebedürftigkeit ab dem 4.9.2013 vorlag, weil das Guthaben auf dem bei der P-Bank unterhaltenen Girokonto nach Auszahlung der Lebensversicherung an diesem Tag noch 6639,86 Euro betrug, wodurch der Vermögensfreibetrag iHv 7350 Euro unterschritten war. Das LSG hat aber - nach seiner Rechtsansicht konsequent - keine Feststellungen getroffen zu (möglichen) Guthaben auf den weiteren vom Kläger unterhaltenen Giro- bzw Sparkonten im Zeitraum vor dem 19.9.2013. Der Senat hat im Sinne einer einheitlichen Regelung durch das LSG davon abgesehen, die Sache nur im Hinblick auf September 2013 zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.