Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Einkommenseinsatz - Einkommensgrenze - Berechnung - Berücksichtigung von Heizkosten
Auch ab dem 1.1.2016 sind bei der Bestimmung der besonderen Einkommensgrenze die Heizkosten als Aufwendungen für die Unterkunft in die Berechnung weiterhin einzustellen.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. März 2019 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Im Streit sind um 44 Euro höhere Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) im Zeitraum vom 1.1.2016 bis zum 31.5.2016.
Der 1960 geborene Kläger bezieht neben einer Rente wegen voller Erwerbsminderung eine Betriebsrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (monatliche Zahlbeträge im streitigen Zeitraum 1234,22 Euro und 285,53 Euro). Der Kläger lebte ab November 2014 bis zum 31.5.2016 in einer therapeutisch betreuten Wohngemeinschaft für seelisch behinderte Menschen; mit dem Träger der Einrichtung hatte er einen Betreuungsvertrag und einen gesonderten Mietvertrag über einen möblierten Wohnplatz geschlossen (monatliche Kosten ab März 2015 insgesamt 420 Euro: Nettokaltmiete 235 Euro, Heizung/Warmwasser 55 Euro, Strom 30 Euro, Möbelpauschale 25 Euro, weitere sonstige Betriebskosten 75 Euro). Vom Beklagten erhielt er ab November 2014 Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für die Betreuung in der Wohngemeinschaft unter anteiliger Berücksichtigung seines Renteneinkommens (zuletzt bis zum 31.10.2015 mit Bescheid vom 8.6.2015).
Für die Zeit ab dem 1.11.2015 berücksichtigte der Beklagte bei der Berechnung der Einkommensgrenze für die Ermittlung des einzusetzenden Einkommens zunächst Aufwendungen für die Unterkunft in Höhe von 365 Euro (Bescheid vom 11.12.2015; Summe aus Nettokaltmiete, Kosten für Heizung/Warmwasser und sonstige Betriebskosten ohne Möbelpauschale; einzusetzendes Einkommen 273,40 Euro). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Für die vorliegend streitige Zeit ab dem 1.1.2016 legte der Beklagte sodann unter Hinweis auf die Neufassung des § 85 Abs 1 Nr 2 SGB XII ein (höheres) einzusetzendes Einkommen von 317,40 Euro zugrunde, weil als Aufwendungen für die Unterkunft Kosten für Heizung und Warmwasser zur Berechnung der Einkommensgrenze nicht mehr berücksichtigungsfähig seien (Bescheid vom 17.12.2015), und half schließlich dem Widerspruch des Klägers teilweise ab, weil eine monatliche Möbelpauschale berücksichtigt und das zu berücksichtigende Einkommen auf 297,40 Euro festgesetzt wurde (Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 2.8.2016).
Die Klage, gerichtet auf höhere Eingliederungshilfeleistungen in Höhe von monatlich 44 Euro für die Zeit ab dem 1.1.2016, mit der der Kläger geltend gemacht hat, dass bei der Berechnung der maßgeblichen Einkommensgrenze die Heizkosten weiterhin zu berücksichtigen seien, hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts <SG> Berlin vom 7.3.2018; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Berlin-Brandenburg vom 7.3.2019). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, aufgrund der Neufassung des § 85 Abs 1 Nr 2 SGB XII mit Wirkung vom 1.1.2016 durch das Gesetz zur Änderung des SGB XII und weiterer Vorschriften seien Heizkosten bei der Berechnung der Einkommensgrenze nicht mehr berücksichtigungsfähig. Die Festsetzung eines höheren "Kostenbeitrags" im Widerspruchsverfahren sei ebenso zulässig wie der Erlass des Bescheids vom 17.12.2015 bereits vor Verkündung und In-Kraft-Treten des ändernden Gesetzes vom 21.12.2015.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) und des § 85 Abs 1 Nr 2 SGB XII. § 48 SGB X scheide als Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 17.12.2015 aus, da die Bewilligung vom 11.12.2015 als Dauerverwaltungsakt einen vor dem 1.1.2016 eingetretenen Leistungsfall betreffe. Zudem sei bei Erlass des Bescheids vom 17.12.2015 das in Bezug genommene Gesetz noch nicht verkündet gewesen. Die Neufassung von § 85 Abs 1 Nr 2 SGB XII habe in der Sache nichts geändert, da Systematik sowie Sinn und Zweck der Norm weiterhin eine Berücksichtigung der Heizkosten geböten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. März 2019 und des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2018 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2016 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Mai 2016 eine monatlich um 44 Euro höhere Eingliederungshilfe zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Ob und in welcher Höhe dem Kläger höhere Leistungen der Eingliederungshilfe zustehen, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Das LSG hat schon nicht die notwendigen Feststellungen zu der Frage getroffen, ob es sich um eine ambulante oder stationäre Maßnahme der Eingliederungshilfe gehandelt hat, für die jeweils unterschiedliche Regelungen für die Bewilligung von Eingliederungshilfe mit Auswirkungen auf die Einkommensberücksichtigung gelten; auch die örtliche Zuständigkeit des Beklagten ist insoweit unklar. Aufgrund der fehlenden Feststellungen zur Ausgangslage kann auch die Frage einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 SGB X ab 1.1.2016 nicht abschließend entschieden werden.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid des Beklagten vom 17.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.8.2016 (§ 95 SGG), gegen den sich der Kläger entgegen der Auffassung des LSG nicht lediglich mit einer (isolierten) Anfechtungsklage, sondern zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage wendet (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 iVm § 56 SGG). Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Beklagte während des laufenden Widerspruchsverfahrens, gerichtet auf höhere Leistungen für die Zeit ab 1.11.2015, den Bescheid vom 11.12.2015 für den Zeitraum ab 1.1.2016 zu Lasten des Klägers geändert (dazu später). Im Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 2.8.2016 hat der Beklagte zwar im Ergebnis für die Zeit vom 1.11.2015 bis 31.12.2015 dem Begehren des Klägers entsprochen. Ziel der Klage ist aber, dass auch für die Zeit ab dem 1.1.2016 Leistungen in der sich daraus ergebenden Höhe bewilligt werden; insoweit hat der Kläger auch erstinstanzlich den Klagantrag mit 44 Euro pro Monat beziffert. Der damit erhobenen Leistungsklage für die Zeit ab dem 1.1.2016 fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis; denn jedenfalls vorliegend könnte der Kläger sein Ziel (höhere Leistungen) nicht ohne Weiteres allein mit der Anfechtungsklage verwirklichen. Bei bloßer Aufhebung des Ausgangsbescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids für die Zeit ab dem 1.1.2016 bleibt unklar, welche Leistungshöhe zutreffend wäre, weil der (wenig übersichtlich gestaltete) Widerspruchsbescheid in dem den Kläger begünstigenden Teil nicht selbst festlegt, welche Höhe die Einkommensgrenze bei Berücksichtigung der Möbelpauschale, nicht aber der Stromkosten bei den Kosten der Unterkunft hat, und wie hoch die Leistung der Eingliederungshilfe unter Berücksichtigung der Regelung des § 87 Abs 1 Satz 1 SGB XII (Zumutbarkeit der Aufbringung der Mittel in "angemessenem Umfang") für die Zeit vom 1.11.2015 bis 31.12.2015 ist (ähnlich bereits Bundessozialgericht <BSG> vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 16 f). Das notwendige Vorverfahren ist durchgeführt, weil der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 2.8.2016 auch über den Bescheid vom 17.12.2015 entschieden hat; darauf, dass er den Widerspruch insoweit unzutreffend als unzulässig angesehen hat, kommt es nicht an.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Ob der angefochtene Bescheid formell rechtmäßig ergangen ist, kann der Senat auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht beurteilen. Die Zuständigkeit für den Erlass des Änderungsbescheids folgt der Zuständigkeit für die Leistung (§ 48 Abs 4 Satz 1, § 44 Abs 3 SGB X). Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten für die erbrachte Leistung kann der Senat indes nicht überprüfen; denn das LSG hat nicht festgestellt, ob es sich bei den in einer "therapeutischen Wohngemeinschaft" erbrachten Leistungen der Eingliederungshilfe um eine ambulant erbrachte oder eine stationäre Leistung in einer Einrichtung iS des § 13 Abs 2 SGB XII handelt; allein die vertragliche Gestaltung mit zwei gesondert abgeschlossenen Verträgen führt nicht zwingend zu einer ambulanten Leistungserbringung, wie das LSG offenbar meint (zum Begriff der Einrichtung vgl nur BSG vom 5.7.2018 - B 8 SO 32/16 R - BSGE 126, 174 = SozR 4-3500 § 98 Nr 5, RdNr 16 f mwN). Bei Erbringung einer stationären Leistung (vgl § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII) bzw einer Leistung in einer ambulant betreuten Wohnmöglichkeit (vgl § 98 Abs 5 Satz 1 SGB XII) käme es aber darauf an, wo sich der Kläger vor der Aufnahme in die Einrichtung bzw vor dem (ersten) Eintritt in eine ambulant betreute Wohnform gewöhnlich bzw tatsächlich aufgehalten hat, wozu Feststellungen ebenfalls fehlen. Lediglich die sachliche Zuständigkeit des Beklagten besteht sowohl für ambulant betreute Wohnmöglichkeiten als auch für stationäre Leistungen der Eingliederungshilfe (§ 97 Abs 1 SGB XII; § 1 Abs 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch <AG-SGB XII> des Landes Berlin vom 7.9.2005, GVBl 2005, 467).
Der Ausgangsbescheid vom 17.12.2015 ist allerdings entgegen der Auffassung des Klägers nicht schon deshalb formell rechtswidrig, weil das für die wesentliche Änderung in Bezug genommene Gesetz zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids noch nicht existierte. Die vom Beklagten als wesentlich angesehene Norm des § 85 Abs 1 Nr 2 SGB XII ist durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften vom 21.12.2015 (BGBl I 2557) verkündet, dh rechtlich existent geworden (vgl BSG vom 4.9.2013 - B 10 EG 6/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 24 RdNr 46). Der Bescheid vom 17.12.2015 ist erst mit der Bekanntgabe an den Kläger erlassen (§§ 37 Abs 1 Satz 1, 39 Abs 1 Satz 1 SGB X), die nach Lage des Falles - Sonntags wird nicht zugestellt - nicht vor dem 21.12.2015 (einem Montag) erfolgt ist; auf die Zugangsfiktion des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X kommt es dabei nicht an.
Dem angefochtenen Bescheid steht das Verbot der Verböserung im Widerspruchsverfahren (sog reformatio in peius) nicht entgegen. In einem laufenden Widerspruchsverfahren über die Höhe der Eingliederungshilfe ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 SGB X die in der Gewährung geringerer Eingliederungshilfe (nach Festsetzung eines höheren Kostenbeitrags) liegende Verböserung zulässig. Auch zugunsten des Betroffenen bindende Verwaltungsakte können unter den dort genannten Voraussetzungen für die Zukunft aufgehoben werden; der Verwaltung sind die Gestaltungsrechte der §§ 45 ff SGB X damit erst recht in einem nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren und also auch im Widerspruchsverfahren eröffnet (vgl etwa BSG vom 5.5.1993 - 9/9a RVs 2/92 - SozR 3-3870 § 4 Nr 5 S 23 f). Ein etwaiger Anhörungsmangel (§ 24 SGB X) ist jedenfalls im Widerspruchsverfahren geheilt worden.
Ob der angefochtene Bescheid vom 17.12.2015 materiell rechtmäßig ist, hängt davon ab, ob eine rechtlich relevante wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X eingetreten ist. Auch dies kann der Senat nicht abschließend entscheiden, bevor nicht die notwendigen Feststellungen zu der Frage getroffen worden sind, ob die Leistungen zu Recht als Leistungen der ambulanten Eingliederungshilfe bewilligt worden sind.
Handelte es sich um eine ambulante Leistung, wäre allerdings mit der Änderung des § 85 Abs 1 Nr 2 SGB X entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und des Beklagten eine rechtlich wesentliche Änderung zum 1.1.2016 nicht eingetreten. Die Vorschrift des § 48 Abs 1 SGB X schafft zwar die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen dafür, bei einer Umgestaltung des Rechts durch den Gesetzgeber auch laufende Fälle einzubeziehen, wenn und soweit der Gesetzgeber die Rechtslage neu gestaltet (vgl BSG vom 29.10.1992 - 9b RAr 7/92 - BSGE 71, 202 = SozR 3-4100 § 45 Nr 3; vgl auch BSGE 65, 185 = SozR 1300 § 48 Nr 57). Dies ist aber vorliegend durch die Neufassung des § 85 Abs 1 Nr 2 SGB XII mit Wirkung vom 1.1.2016 nicht geschehen.
Zwar ist der Wortlaut des § 85 Abs 1 Nr 2 SGB XII an den Wortlaut des § 35 Abs 2 Satz 1 SGB XII (insoweit in der Fassung, die die Norm mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 < BGBl I 453> erhalten hat; im Folgenden neue Fassung <nF>) angeglichen, insoweit hat der Gesetzgeber auch aus seiner Sicht aber lediglich eine redaktionelle Anpassung und sprachliche Vereinfachung vorgenommen (vgl ausdrücklich BT-Drucks 18/6284 S 31), indem er die Wörter "Kosten der" durch "Aufwendungen für die" Unterkunft ersetzt hat. Schon die Ausführungen in der Begründung des Gesetzes deuten darauf hin, dass eine inhaltliche Änderung nicht beabsichtigt war. Jedenfalls folgt aus dem Sinn und Zweck der Norm weiterhin, dass bei der Berechnung des Kostenbeitrags als Aufwendungen für die Unterkunft auch die Heizkosten weiterhin in die Berechnung einzustellen sind.
Ob zu den Kosten der Unterkunft nach § 85 Abs 1 SGB XII auch die Heizkosten gehören, war schon nach der bis 31.12.2015 geltenden Rechtslage umstritten. Der Senat hat insoweit entschieden, dass auch die Kosten für Heizung bei der Bestimmung der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII zu berücksichtigen sind (BSG vom 25.4.2013 - B 8 SO 8/12 R - BSGE 113, 221 = SozR 4-3500 § 87 Nr 1; so auch Wolf in Fichtner/Wenzel, SGB XII mit AsylbLG, 4. Aufl 2009, § 85 SGB XII RdNr 9; Conradis in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, LPK-SGB XII, 10. Aufl 2015, § 85 RdNr 5; anders dagegen etwa Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl 2012, § 85 SGB XII RdNr 19; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 85 RdNr 21.3). Er hat seine Auslegung nicht lediglich auf den von § 35 SGB XII nF abweichenden Wortlaut, sondern vor allem auf den Sinn und Zweck der Regelung gestützt (BSG vom 25.4.2013 - B 8 SO 8/12 R - BSGE 113, 221 = SozR 4-3500 § 87 Nr 1, RdNr 25; in diesem Sinne bereits BSG vom 28.2.2013 - B 8 SO 1/12 R - BSGE 113, 92 = SozR 4-3500 § 65 Nr 4, RdNr 22). Normzweck des § 85 SGB XII ist danach, durch Festlegung einer Einkommensgrenze, bei deren Unterschreiten eine Eigenbeteiligung des Leistungsberechtigten regelmäßig bei der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII nicht erforderlich ist (zu den Ausnahmen aber § 88 SGB XII), dem Leistungsberechtigten einen Lebensstandard oberhalb der Bedürftigkeit für Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 19 Abs 1 SGB XII) zu sichern; dies umfasst auch angemessene Heizkosten, die normativ und auch tatsächlich notwendigerweise für den allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehen müssen.
An diesem Normzweck hat sich durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften vom 21.12.2015 nichts geändert. Nach wie vor ist davon auszugehen, dass die Unterkunftskosten iS des § 85 Abs 1 Nr 2 SGB XII auch Heizkosten umfassen (so auch Pattar in Berlit/Conradis/Pattar, Existenzsicherungsrecht, 3. Aufl 2019, S 419 RdNr 270; Ehmann in Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar SRB, 2. Aufl 2018, §§ 85 - 89 SGB XII RdNr 15; ders in Plagemann Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, 5. Aufl 2018, § 35 <Sozialhilfe> RdNr 180; Karmanski in Jahn, SGB für die Praxis, § 85 SGB XII RdNr 10). Diese Auslegung trägt der herausgehobenen Stellung des Wohnens als wesentlichem Teil des physischen Existenzminimums Rechnung (dazu nur Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 135 mwN); denn ohne angemessene Beheizung ist eine Wohnung nicht bewohnbar. Die Frage der "angemessenen Beheizung einer Wohnung" hat mithin zentrale Bedeutung für das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums; sie ist nicht zuletzt deshalb einer der Parameter des "Indikators zur materiellen Deprivation oder materiellen Entbehrung" (vgl Lebenslagen in Deutschland. Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2017, S 573 f, abgedruckt auch in BT-Drucks 18/11980 S 401 f).
Allein der Hinweis in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 18/6284 S 32), mit der Neufassung würden Mehrkosten der Träger vermieden, die infolge der anderslautenden Rechtsprechung des BSG bei den Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII entstünden und es seien künftig Aufwendungen für Heizung nicht mehr bei der Ermittlung der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII zu berücksichtigen, genügt zur Begründung eines abweichenden Verständnisses von Sinn und Zweck der Norm nicht (zu Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten in der Gesetzesbegründung auch die Stellungnahme des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, NDV 2015, 571 <572>; Siefert, jurisPR-SozR 4/2016 Anm 1 sub II.4). Die bloße Änderung der Begrifflichkeit von "Kosten der" in "Aufwendungen für die" Unterkunft lässt die in der Gesetzesbegründung gezogenen Schlussfolgerungen nicht zu; denn schon vom Wortlaut her lässt sich dem neuen Begriff der "Aufwendungen" statt bislang "Kosten" keine Einengung oder Begrenzung auf nur "bruttokalte" Wohnkosten entnehmen (anders unter Hinweis allein auf die Gesetzesbegründung Kiss in Mergler/Zink, SGB XII, § 85 RdNr 23, Stand 5/2017; Lücking in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 85 RdNr 37 Stand 08/2017; von Koppenfels-Spies in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl 2019, § 85 SGB XII RdNr 9; Giere in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl 2018, § 85 RdNr 21; Decker in Oestreicher, SGB XII § 85 RdNr 19a, Stand 7/2017; BeckOK-SozR/Siebel-Huffmann SGB XII § 85 RdNr 6 Stand 1.12.2019; Rein, ZFSH/SGB 2016, 353, 361). Es zeigt sich schließlich bei vergleichender Betrachtung, dass der Gesetzgeber bei Wohnkosten an anderer Stelle durchaus zwischen Miete, Heizung, Energie- und anderen Kosten differenziert (vgl etwa § 9 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Wohngeldgesetz <WoGG>, § 6 WoGV, vgl BT-Drucks 18/4897 S 83 zu § 9 Abs 2 Satz 1 Nr 1 WoGG-E). Angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Ermittlung der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII hätte eine entsprechend klare Formulierung nahe gelegen. Mit der "redaktionellen Änderung" hat der Gesetzgeber indes lediglich das von der Rechtsprechung ergänzend hinzugezogene Wortlautargument entkräftet.
Im Fall der Gewährung von ambulanten Leistungen wäre damit über den 1.1.2016 hinaus weiterhin ein Betrag von monatlich 55 Euro für Heizung und Warmwasser in die Berechnung der Einkommensgrenze einzustellen. Ob die vom Beklagten vorgenommene Einkommensanrechnung im Übrigen zutreffend ist, wird das LSG in diesem Fall zu prüfen haben. Insbesondere fehlen bislang Feststellungen dazu, inwieweit die Aufbringung der Mittel aus dem die Einkommensgrenze übersteigenden Einkommen zugemutet werden kann (vgl § 87 Abs 1 Satz 1 SGB XII). Das LSG wird schließlich zu beachten haben, dass der Kläger seinen Leistungsantrag im Klageverfahren auf 44 Euro pro Monat begrenzt hat und eine Verurteilung des Beklagten über diesen Betrag hinaus nicht in Betracht kommt (vgl § 123 SGG, "ne ultra petita", vgl zuletzt BSG vom 27.5.2014 - B 5 RE 6/14 R - SozR 4-2600 § 106 Nr 4 RdNr 19).
Ob die Entscheidungen des Beklagten überhaupt eine Heranziehung zu einem Kostenbeitrag auf Grundlage von § 92 SGB XII ermöglichen, wenn es sich bei der therapeutisch betreuten Wohngemeinschaft für seelisch behinderte Menschen um eine stationäre Einrichtung gehandelt hat, kann beim derzeitigen Verfahrensstand offenbleiben. Auch insoweit wäre der Streitgegenstand aber auf die Zahlung von 44 Euro beschränkt.
Das LSG wird auch ggf über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.