1. Unabhängig von den räumlichen Umgebungsbedingungen liegen "extreme Einwirkungen" im Rahmen der Berufskrankheit "Siderofibrose" vor, sobald der Versicherte mindestens zehn Jahre bzw 15 000 Stunden einer Schweißrauchbelastung von mindestens 5,5 mg pro m³ Atemluft ausgesetzt ist.
2. Verneinen Unfallversicherungsträger in Formularbescheiden sowohl den Versicherungsfall als auch Ansprüche auf Leistungen, so verlautbart die pauschale Leistungsablehnung keine Verwaltungsakte.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der im August 2017 verstorbene W (W) an einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 4115 der Anl 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) gelitten hat (Lungenfibrose durch extreme und langjährige Einwirkung von Schweißrauchen und Schweißgasen - Siderofibrose; BK 4115).
W war von 1945 bis 1982 als Stahlbauschlosser 26,8 Jahre einer kumulativen Schweißrauchbelastung von insgesamt 258 mg pro m³ Atemluft x Jahre [mg/m³ x Jahre] ausgesetzt. Die Beklagte verneinte eine BK 4115 sowie Ansprüche auf Leistungen, weil keine "Schweißerlunge" bestehe (Bescheid vom 12.10.2011 und Widerspruchsbescheid vom 12.7.2012). Während des Klageverfahrens wurde im Juni 2013 eine Lungenfibrose nachgewiesen. Der Präventionsdienst der Beklagten stellte fest, W habe im schweren Stahlbau weitgehend in großen Werkhallen gearbeitet und nur etwa zwei bis drei Jahre arbeitstäglich in räumlich engen Kastenprofilen geschweißt. Auf die Klage hat das SG nach Beiziehung eines arbeitstechnischen und eines arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass bei W eine BK 4115 vorliege (Urteil vom 23.11.2016).
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum LSG eingelegt. Während des Berufungsverfahrens verstarb W. Nach seinem Tod haben die beiden Erben (die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2) den Rechtsstreit fortgeführt. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 17.5.2018). Die kumulative Schweißrauchbelastung von 258 mg/m³ x Jahre sei schon isoliert betrachtet als "extrem" iS des Tatbestands der BK 4115 einzustufen. Die Zahl der Erkrankten steige bereits im Bereich von etwa 100 bis 200 mg/m³ x Jahre bis zu einem Median-(50-Perzentil-)Wert von ca 220 mg/m³ x Jahre in einem kritischen Umfang an, wie sich aus dem Merkblatt zur BK 4115 (Bekanntmachung des BMAS vom 30.12.2009 - IVa 4-45222-4115 - GMBl 5/6/2010, S 108 ff) und der entsprechenden wissenschaftlichen Begründung (Bekanntmachung des BMAS vom 1.9.2006 - 4-45222-4113 - BArbBl 10/2006, S 35 ff) ergebe. Pathophysiologisch sei es nicht begründbar, den BK-Tatbestand auf langjährige Tätigkeiten unter ungünstigen Lüftungsverhältnissen in engen Räumen zu begrenzen. Hohe Partikelkonzentrationen entstünden auch unter anderen Gegebenheiten. Entscheidend sei die Schweißrauchkonzentration im Atembereich und die kumulative Schweißrauchexposition über das gesamte Erwerbsleben hinweg, wobei es nicht auf die räumlichen Umgebungsbedingungen ankomme. Früher sei der Arbeitsschutz häufig unzureichend gewesen, sodass auch in großen Hallen extreme Bedingungen geherrscht hätten. Soweit die wissenschaftliche Begründung zur BK 4115 "extreme" Einwirkungen "insbesondere" bei "eingeschränkten Belüftungsverhältnissen" bejahe, seien die dort angeführten Beispiele weder abschließend noch hinsichtlich ihres Hohlvolumens ausreichend konkret. Die mithin vorliegende extreme und mit 26,8 Jahren auch langjährige Einwirkung von Schweißrauchen und -gasen habe Ws Siderofibrose mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich verursacht.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 62, 128 Abs 1, 103, 116, 117, 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 404a, 407a Abs 3 ZPO und des § 9 Abs 1 SGB VII iVm BK 4115. Das LSG lege das Tatbestandsmerkmal "extreme Einwirkung" der BK 4115 fehlerhaft aus. Darunter sei nur die langjährige, dh mindestens etwa zehnjährige oder ca 15 000-stündige Exposition gegenüber Schweißrauchen und -gasen zu verstehen, die in Kellern, Tunneln, Behältern, Tanks, Waggons, Containern, in Schiffsräumen oder in vergleichbar räumlich beengten Verhältnissen bei arbeitshygienisch unzureichenden sicherheitstechnischen Vorkehrungen (dh fehlenden oder unzureichenden Absaugungen und/oder fehlendem persönlichen Körperschutz) auf den Versicherten eingewirkt hätten. Dies ergebe die Auslegung der BK 4115 nach dem Wortlaut, der Systematik, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Norm. Erfasse man dagegen auch Personen, die ausschließlich unter Normalbedingungen ohne Beeinträchtigung der Belüftung schweißten (sog "Normalschweißer") oder sogar bloße "Bystander", überschreite dies den äußersten Sinn, den der Superlativ "extrem" noch haben könne. Da "Normalschweißer", die an uneingeschränkt belüfteten Schweißerarbeitsplätzen tätig seien, eine kumulative Gesamtbelastungsdosis von ca 250 mg/m³ x Jahre "bereits" nach 15 Jahren und Bystander nach 24 Jahren erreichten, genügte schon das Tatbestandsmerkmal "langjährig", und das Merkmal "extrem" sei obsolet und laufe praktisch leer.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Mai 2018 und des Sozialgerichts Hannover vom 23. November 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger, die dem angefochtenen Urteil beipflichten, beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zu Recht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG zurückgewiesen. Die Kläger, die die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1, § 55 Abs 1 Nr 1, § 56 SGG) des Verstorbenen als dessen Erben fortführen, haben ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung der BK 4115 (dazu 1.) und einen entsprechenden Feststellungsanspruch (dazu 2.). Die gerügte Verletzung des § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII iVm Nr 4115 der Anl 1 zur BKV liegt nicht vor, weil W als beschäftigter Stahlbauschlosser 26,8 Jahre lang Schweißrauchen und -gasen in extremer Weise ausgesetzt war und diese Einwirkungen seine Lungenfibrose mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht haben (dazu 3.). Auch die Verfahrensrügen der Beklagten greifen nicht durch (dazu 4.).
1. Die Kläger konnten die Feststellungsklage anstelle des Verstorbenen im Berufungsverfahren als dessen Erben aufnehmen und fortführen, weil sie ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der BK 4115 haben (dazu a). Denn sie können auf der Grundlage der begehrten Feststellung Ansprüche auf Geldleistungen geltend machen, die mit Ws Tod nicht erloschen sind, weil über sie im Todeszeitpunkt noch Verwaltungsverfahren anhängig waren (dazu b). Diese Verwaltungsverfahren sind nicht durch bestandskräftige, ablehnende Verwaltungsakte beendet worden (dazu c).
a) Die Kläger konnten - als Streitgenossen (§ 74 SGG iVm § 59 Alt 1 ZPO) - das Berufungsverfahren anstelle des Versicherten als dessen Erben fortführen. Ausweislich des Erbscheins des AG Stadthagen vom 15.1.2018, der als öffentliche Urkunde iS des § 417 ZPO iVm § 118 Abs 1 Satz 1 SGG vollen Beweis für seinen Inhalt erbringt, sind die Kläger gemeinschaftliche Erben des Verstorbenen und in dessen verfahrensrechtliche Position eingetreten (§ 1922 BGB iVm § 58 Satz 1 SGB I), weil keine vorrangige Sonderrechtsnachfolge (vgl § 56 Abs 1 SGB I) vorlag (vgl dazu BSG Urteil vom 16.3.2021 - B 2 U 17/19 R - <SozR 4 vorgesehen>). Mit Ws Tod ist das für die Zulässigkeit der Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung (§ 55 Abs 1 Halbsatz 2 SGG) der BK nicht entfallen. Dies käme nur dann in Betracht, wenn die Kläger aus der Feststellung keine Rechte mehr herleiten könnten (BSG Urteile vom 30.3.2017 - B 2 U 15/15 R - NJW 2017, 2858 - "Barbesuch" und vom 12.1.2010 - B 2 U 21/08 R - SozR 4-2700 § 63 Nr 6 RdNr 14 ff). Davon ist indes nicht auszugehen. Zwar sind Ansprüche auf Dienst- oder Sachleistungen mit Ws Tod erloschen (§ 59 Satz 1 SGB I) und daher von vornherein nicht auf die Kläger übergegangen. Gleiches gilt für Ansprüche auf Geldleistungen aber nur, sofern sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten nicht bereits festgestellt waren oder ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig war (§ 59 Satz 2 SGB I).
b) Zwar waren Ansprüche auf Geldleistungen (zB Verletztengeld, Verletztenrente, Pflegegeld) im Todeszeitpunkt nicht (positiv) festgestellt. Es waren aber Verwaltungsverfahren über diese Ansprüche anhängig. Das Verwaltungsverfahren ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsakts oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages ein (§ 8 SGB X). Jedenfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung, in der Leistungen grundsätzlich von Amts wegen erbracht werden (§ 19 Satz 2 SGB IV), wird ein Verwaltungsverfahren - ähnlich wie im Prozessrecht die Klage - bereits "anhängig", sobald dem Unfallversicherungsträger durch Versicherte und Hinterbliebene, Unternehmer (§ 193 SGB VII), Ärzte (§§ 202, 34 Abs 3 SGB VII iVm Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger) oder auf andere Weise potentiell leistungsrelevante Umstände bekannt werden (BSG Urteile vom 23.6.2020 - B 2 U 5/19 R - vorgesehen BSGE = SozR 4-2700 § 202 Nr 1 RdNr 11 - "Mesotheliomregister" und vom 17.2.2009 - B 2 U 34/07 R - juris RdNr 12). Dies war hier der Fall.
c) Die anhängigen Verwaltungsverfahren (zB über Verletztengeld, Verletztenrente, Pflegegeld) hat die Beklagte zu Lebzeiten des Versicherten nicht durch Erlass entsprechender ablehnender Verwaltungsakte beendet, die bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden sein könnten. Zwar hat es ihr Rentenausschuss (§ 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV) im ersten Teil des angefochtenen Bescheids vom 12.10.2011 unter Ziffer 1 nicht nur abgelehnt, eine BK 4115 festzustellen, sondern unter Ziffer 2 ausdrücklich auch "Ansprüche auf Leistungen" verneint (Satz 1) und ergänzend ausgeführt, dies gelte auch für Leistungen und Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer BK entgegenzuwirken (Satz 2). Mit der pauschalen Leistungsablehnung sollten aber ersichtlich nur allgemein die Folgerungen beschrieben werden, die sich aus der Nichtanerkennung einer BK ergeben (BSG Urteil vom 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R - juris RdNr 17). Eine Entscheidung über einzelne konkrete Leistungsansprüche war damit nicht verbunden. Stattdessen handelt es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 des Bescheids um einen bloßen Textbaustein ohne Regelungsgehalt (dazu aa), wie die Auslegung des Formularbescheids ergibt (dazu bb), die auch dem Revisionsgericht obliegt (dazu cc).
aa) Mit der Ablehnung aller denkbar in Betracht kommenden Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung verlautbarte der Rentenausschuss keine unbestimmte Anzahl eigenständiger Regelungen in einer unbestimmten Vielzahl konkreter Verwaltungsakte iS des § 31 SGB X, die jeder für sich eigenständig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angreifbar wären und angefochten werden müssten, um den Eintritt der Bestandskraft (§ 77 SGG) für jede einzelne dieser Regelungen zu verhindern. Vielmehr handelt es sich - wie schon aus der Fußzeile des angefochtenen Bescheids zu schließen ist - um einen regelungslosen "Formtext", den der gleichnamige Arbeitskreis der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) unter der Formtext-Nr "V 6312" und der Formtext-Kurzbezeichnung "Ablehnung BK, keine listentypische Erkrankung, allgemein" im September 2001 ("0901") erstellt hat und den die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung seitdem in großer Zahl wortgleich verwenden. Diese pauschale Leistungsablehnung ist als bloße Annexfloskel (so Gekeler, NZS 2020, 727) aufzufassen, mit der die Beklagte den Betroffenen an prominenter Stelle lediglich auf die Folgen hinweisen will, die zukünftig eintreten werden, sollte die unter Ziffer 1 enthaltene Ablehnung des Versicherungsfalls unanfechtbar werden.
bb) Dies ergibt die Auslegung unter Berücksichtigung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches <BGB>). Den Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts hat das Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit festzustellen. Dabei ist Maßstab der Auslegung der "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat. Ausschlaggebend ist der objektive Sinngehalt der Erklärung nach dem objektivierten Empfängerverständnis. Zur Bestimmung des objektiven Regelungsgehalts eines Verwaltungsakts kommt es darauf an, wie Adressaten und Drittbetroffene ihn nach Treu und Glauben verstehen mussten oder durften. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde (BSG Urteile vom 17.12.2015 - B 2 U 2/14 R - SozR 4-2400 § 27 Nr 7 RdNr 12 und vom 3.4.2014 - B 2 U 25/12 R - BSGE 115, 256 = SozR 4-2700 § 136 Nr 6, RdNr 15 mwN; vgl auch BSG Urteile vom 4.12.2014 - B 5 RE 4/14 R - juris RdNr 12 und BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R - juris RdNr 13).
Der erste Teil des Bescheids vom 12.10.2011 enthält zwar neben der Ablehnung einer BK in Ziffer 1 auch die Aussage, dass keine "Ansprüche auf Leistungen bestehen" (Ziffer 2 Satz 1). Dieser Satz kann - isoliert betrachtet - auf mehrfache Weise ausgelegt werden. Aus der anschließenden Begründung wie auch aus den Begleitumständen und dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens ergibt sich jedoch, dass mit dieser allgemeinen Aussage nicht über konkrete Leistungsansprüche entschieden werden sollte. Denn der Renten- und der Widerspruchsausschuss führen in den angefochtenen Bescheiden lediglich aus, die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 4115 seien nicht erfüllt, weil keine Bindegewebsverdichtungen (Fibrosierungen) des Lungengewebes vorlägen.
Dagegen hat die Beklagte im gesamten Verwaltungsverfahren konkrete (Geld-)Leistungen, etwa Pflege- oder Verletztengeld bzw -rente, zu keinem Zeitpunkt geprüft oder auch nur erwähnt. Der Verstorbene hat seinerseits solche Ansprüche weder ausdrücklich erhoben noch sonst irgendwie thematisiert. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger des Bescheids kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte allein über das (Nicht-)Vorliegen einer BK entscheiden wollte und konkrete Leistungsansprüche im Einzelnen nicht erwogen hat. Dies wird auch daraus ersichtlich, dass die unter Ziffer 2 Satz 2 zugleich abgelehnten Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet sind, dem Entstehen einer BK entgegenzuwirken, gerade keinen "großen" Versicherungsfall der BK, sondern einen eigenen "kleinen" Versicherungsfall voraussetzen, der weitere und andere Feststellungen erfordert, zB hinsichtlich der vorliegenden wirtschaftlichen Nachteile. Dieses Verhältnis zwischen dem "großen" Versicherungsfall einer BK und dem für die Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 BKV erforderlichen "kleinen" Versicherungsfall spricht, wie der Senat bereits entschieden hat, gegen die Annahme, dass in einem Streit über die Feststellung des Versicherungsfalls einer BK gleichzeitig, ohne dass dies durch eine entsprechende Antragstellung bzw Bescheidbegründung deutlich wird, als "Minus" auch der Streit um die Gewährung von Übergangsleistungen enthalten ist (BSG vom 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R - juris RdNr 16).
Hinzu kommt, dass § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV dem Rentenausschuss keine Allzuständigkeit für die umfassende Ablehnung aller auch nur denkbar in Betracht kommenden Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung einräumt (s dazu bereits BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 2/18 R - BSGE <vorgesehen> = SozR 4-2700 § 8 Nr 70 - "Dritter Ort"), sodass ihm bei gesetzeskonformer Auslegung ein entsprechender globaler Ablehnungswille auch nicht unterstellt werden kann.
Darüber hinaus hat die Beklagte unter Ziffer 1 des Bescheids im Wege einer ausnahmsweise zulässigen Elementenfeststellung isoliert über den Versicherungsfall und damit über ein notwendiges Tatbestandsmerkmal aller Leistungsansprüche entschieden, die in Ziffer 2 Satz 1 verneint werden. Muss aber bei der Prüfung aller Leistungsansprüche über das Tatbestandsmerkmal "Versicherungsfall" implizit und ausnahmslos mitentschieden werden, kann die isolierte Nichtfeststellung des Versicherungsfalls in Ziffer 1 nur als vorgezogene Entscheidung verstanden werden, die künftige Entscheidungen über etwaige Leistungsansprüche erst vorbereiten soll. Zieht die Beklagte in dieser Weise die allgemeine Leistungsvoraussetzung "Versicherungsfall" gleichsam "vor die Klammer", um auf dieser Basis erst später über konkrete Leistungsfälle und -ansprüche zu entscheiden, verhielte sie sich selbstwidersprüchlich, wenn sie Leistungen wegen des Fehlens eines Versicherungsfalls bereits ablehnen wollte, bevor über das Nichtvorliegen des Versicherungsfalls bestandskräftig - ggf in einem anschließenden Klageverfahren - (§ 77 SGG) entschieden ist. Bei einem solchen Vorgehen könnten sich dann widersprüchliche Regelungen ergeben, wenn zB die isolierte Ablehnung des Versicherungsfalls erst bestandskräftig würde, nachdem sein Vorliegen bei der Prüfung einzelner Leistungsansprüche bereits inzident bejaht worden wäre. Ob die Unfallversicherungsträger zur Vermeidung divergierender Entscheidungen rechtlich gehindert wären, Leistungen beim Fehlen anderer leistungsspezifischer Tatbestandsvoraussetzungen (zB Verletztengeld mangels Arbeitsunfähigkeit, Verletztenrente mangels MdE, Pflegegeld wegen fehlender Pflegebedürftigkeit) abzulehnen, braucht hier nicht entschieden zu werden.
Wählt der Unfallversicherungsträger ein insofern "gestuftes Verfahren", indem er auf der ersten Stufe zunächst durch Verwaltungsakt über das Vorliegen des Versicherungsfalls und damit über die Eröffnung des unfallversicherungsrechtlichen Leistungsspektrums vorab entscheidet, um sich erst danach auf der zweiten Stufe von Amts wegen (§ 19 Satz 2 SGB IV) etwaigen Leistungsansprüchen zuzuwenden, so kann er bis zum Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage (§ 86a Abs 1 SGG) und bis zum Eintritt der Bestandskraft (§ 77 SGG) über die allgemeine (Vor-)Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt, Leistungen jedenfalls nicht mit der Begründung ablehnen, ein Versicherungsfall sei gar nicht eingetreten. Denn bis zum Eintritt der Bestandskraft steht diese allgemeine tatbestandliche Voraussetzung des materiellen Unfallversicherungsrechts noch nicht fest, sodass die Behörde über Leistungsansprüche noch nicht abschließend entscheiden und die entsprechenden Verwaltungsverfahren durch Verwaltungsakt beenden darf. Andernfalls verstieße sie gegen das verfahrensrechtliche Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses (dazu vgl BSG Urteile vom 9.10.2012 - B 5 R 8/12 R - BSGE 112, 74 = SozR 4-1300 § 45 Nr 10, RdNr 20 und vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 113 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2), was ihr bei rechtskonformer Auslegung nicht unterstellt werden kann.
Schließlich wirkt auf die Gestaltung und Effektuierung gerade des Sozialverwaltungsverfahrens das insbesondere in § 2 Abs 2 SGB I zum Ausdruck kommende "Gebot der Sozialrechtsoptimierung" (vgl Bürck, SGb 1984, 7; Bürck in FS 50 Jahre BSG, 2004, 139; Eichenhofer, SGb 2011, 301; Fichte, SGb 2011, 498; Frommann, VSSR 2010, 27 und 151; Heinz, ZfSH/SGB 2012, 9; Neumann, SGb 1983, 507; Rode, SGb 1977, 268; Schwerdtfeger in FS Wannagat, 1981, eingehend Spellbrink in Kasseler Kommentar, § 2 SGB I RdNr 9 ff mwN; Stand EL 114, § 14 SGB I RdNr 4) ein. Hiernach ist bei der Auslegung der Vorschriften auch des Verfahrensrechts sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Das BSG hat schon früh ausgeführt, dass § 2 Abs 2 SGB I seine Bedeutung vor allem im Rahmen des Verwaltungsverfahrens habe, denn die Verwirklichung sozialer Rechte geschehe weitgehend durch das Verwaltungsverfahren. Die bestehenden Vorschriften und Rechtsgrundsätze seien deshalb im Zweifel so anzuwenden, dass den Schwierigkeiten des Bürgers im Umgang mit dem Recht und der Verwaltung hinreichend Rechnung getragen werde (BSG Urteile vom 17.12.1980 - 12 RK 34/80 - BSGE 51, 89, 95 = SozR 2200 § 381 Nr 44 und vom 26.10.1982 - 12 RK 37/81 - SozR 1200 § 14 Nr 13; zustimmend insoweit auch Voelzke in juris-PK SGB I, 3. Aufl 2018, § 1 RdNr 27; zur Anwendung des § 2 Abs 2 SGB I vgl auch BSG Urteile vom 15.11.2012 - B 8 SO 3/11 R - SozR 4-3500 § 32 Nr 2 RdNr 22 und vom 6.10.2011 - B 9 V 3/10 R - BSGE 109, 138 = SozR 4-3100 § 18c Nr 3, RdNr 36).
Deshalb wirken auf das Sozialverwaltungsverfahren auch in besonderer Weise die Verfassungsgrundsätze ein (vgl auch Fichte in ders/Plagemann, Sozialverwaltungsverfahrensrecht, 2. Aufl 2016, § 1 RdNr 15 zur leistungsermöglichenden und damit grundrechtlichen Gewährfunktion des Sozialverwaltungsverfahrens; Diering in ders/Timme/Stähler, SGB X, 5. Aufl 2019; Einl RdNr 27; Fichte, aaO, § 1 RdNr 14; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, Vor § 60 RdNr 1a ff; Steiner, NZS 2002, 113, 114 f; Wallerath in Ruland/Becker/Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl 2018, § 11 RdNr 16; vgl auch Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl 2018, § 9 RdNr 46), denen auch der innerbehördliche Willensbildungsprozess unterliegt, der zum Erlass eines Verwaltungsakts führt (Reder, Auslegung von Verwaltungsakten, 2002, S 17). Zu den Verfassungsgrundsätzen zählen ua das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG; dazu Diering, aaO; Wallerath, aaO, RdNr 18), aus dem für das Verwaltungsverfahren die Forderung nach Unterstützung sozial Schutzbedürftiger in der Durchsetzung ihrer Rechte abzuleiten ist (Reder, aaO, S 25; Schmitz, aaO, § 9 RdNr 47), das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3, Art 28 Abs 1 Satz 1 GG; dazu Diering, aaO; Wallerath, aaO RdNr 17) sowie das Gebot effektiven Rechtschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG; Diering, aaO; Keller, aaO), das Vorwirkungen auf die Ausgestaltung und Handhabung des Verwaltungsverfahrens hat (BVerfG Urteil vom 24.4.1985 - 2 BvF 2/83 - BVerfGE 69, 1, 48 und Beschluss vom 8.7.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82, 110; Roller in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 8 RdNr 4, 7; vgl auch Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 3. Aufl 2013, Art 19 Abs 4 RdNr 87). Denn Verwaltungsverfahren und gerichtliche Kontrolle stehen in einem funktionalen Zusammenhang, wie der Senat im anderen Zusammenhang bereits betont hat (BSG Urteil vom 20.8.2019 - B 2 U 35/17 R - SozR 4-2700 § 121 Nr 2 RdNr 21 ff - "gestuftes Verwaltungsverfahren"). Das Verwaltungsverfahren darf nicht darauf angelegt sein, den gerichtlichen Rechtsschutz unzumutbar zu vereiteln oder zu erschweren. Daraus ergeben sich in erster Linie Anforderungen an das Verhalten der Verwaltungsbehörde im Verwaltungsverfahren selbst: Sie darf spätere gerichtliche Nachprüfungsmöglichkeiten nicht (faktisch) ausschalten (BVerfG Urteil vom 24.4.1985 - 2 BvF 2/83 - BVerfGE 69, 1, 48 und Beschluss vom 8.7.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82, 110; Schulze-Fielitz, aaO).
Würde man die von der Beklagten unter Ziffer 2 Satz 1 des Bescheids getroffene Aussage als pauschale Leistungsablehnung aller in Betracht kommenden Leistungsansprüche verstehen, so würde in der Folge eine (unbestimmte) Vielzahl leistungsablehnender Verwaltungsakte bestandskräftig, wenn diese nicht durch Widerspruch und danach mit einer Vielzahl, dann erforderlich werdender, kombinierter Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1 und Abs 4, § 56 SGG) angefochten werden. Im Rahmen dieser kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen müsste der Kläger sodann auch konkrete Leistungsansprüche geltend machen (dh zumindest angeben, welche Sach- und Dienstleitungen er zB konkret begehrt und ab wann zB welche Verletztenrentenart nach welcher MdE gewährt werden soll), weil § 130 Abs 1 Satz 1 SGG den Erlass eines allgemein auf Geldleistungen gerichteten Grundurteils nicht vorsieht und Sachleistungen überhaupt nicht durch Grundurteil zuerkannt werden können (BSG Urteil vom 7.9.2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 11 f).
Allein schon deshalb wird der effektive Rechtsschutz des Versicherten durch eine globale Leistungsverweigerung unzumutbar erschwert, zumal im Zeitpunkt der Pauschalablehnung in einem (Sammel-)Verfügungssatz weder für den Unfallversicherungsträger noch für den Versicherten feststeht, welche der in Frage kommenden Leistungen (Krankenbehandlung, Rehabilitation, Verletztengeld, Verletztenrente ua) im konkreten Fall tatsächlich beansprucht werden können und für welchen Zeitraum sie ggf zu erbringen wären. Der Versicherte wäre somit darauf angewiesen, dass die Beklagte seinen Widerspruch gegen die Ablehnung aller Leistungen ruhen ließe, bis über die (Nicht-)Anerkennung der BK bestandskräftig entschieden ist. Andernfalls drohten ihm und seinen Rechtsnachfolgern Rechtsverluste, die aus den Vorschriften über die Verjährung (§ 45 Abs 1 SGB I), die materiell-rechtliche Anspruchsbeschränkung (§ 44 Abs 4 SGB X) und das Erlöschen im Todesfall (§ 59 SGB I) resultieren können, wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt. Diese drohenden Rechtsverluste durch die Gestaltung von Ablehnungsbescheiden sind Versicherten in einem "sozialen Rechtsstaat" (Art 28 Abs 1 Satz 1 GG) mit der verfassungsrechtlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) unzumutbar (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl 2018, § 9 RdNr 46; dazu auch Diering in ders/Timme/Stähler, SGB X, 5. Aufl 2019; Einl RdNr 27; Fichte in ders/Plagemann, Sozialverwaltungsverfahrensrecht, 2. Aufl 2016, § 1 RdNr 14; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, Vor § 60 RdNr 1a ff; Wallerath in Ruland/Becker/Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl 2018, § 11 RdNr 16).
Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze war es hier folglich ausreichend, dass sich der Verstorbene zunächst nur gegen Ziffer 1 des Bescheids gewendet hat, um die Anerkennung der BK zu erreichen und um darauf aufbauend später uneingeschränkt Leistungen beanspruchen zu können. Über diese Leistungen waren dann insgesamt auch schon Verwaltungsverfahren anhängig, die aber noch nicht durch entsprechende Verwaltungsakte im Einzelnen abgeschlossen waren iS des § 8 Abs 1 SGB X. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 30.3.2017 (B 2 U 15/15 R - juris RdNr 13) demgegenüber - allerdings nicht tragend - die Möglichkeit der Bestandskraft einer umfassenden Leistungsablehnung erwogen hat, weil der dortige Verletzte im Klageverfahren nur noch die Feststellung des Versicherungsfalls begehrt hatte, hält der Senat an den dortigen Erwägungen ausdrücklich nicht mehr fest (vgl dazu auch BSG Urteil 16.3.2021 - B 2 U 17/19 R - <SozR 4 vorgesehen>).
Dagegen ist bei Hinterbliebenen die "isolierte" Frage, ob bei einem Verstorbenen ein Versicherungsfall vorgelegen hat, kein eigenständiger Verfahrensgegenstand, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung der im Einzelnen genannten Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen gemäß §§ 63 ff SGB VII (BSG Urteil vom 6.10.2020 - B 2 U 9/19 R - juris RdNr 14 <SozR 4 vorgesehen>). Wird ein Anspruch des Hinterbliebenen deshalb verneint, weil in einem negativ feststellenden Verwaltungsakt das Vorliegen eines Versicherungsfalls bei dem jeweiligen Verstorbenen verneint wurde, stellt die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall habe nicht vorgelegen, idR nur ein unselbstständiges Begründungselement des die Leistung gegenüber dem oder der Hinterbliebenen ablehnenden Verwaltungsakts dar (vgl BSG Urteil vom 6.10.2020 - B 2 U 9/19 R - juris RdNr 14 mwN <SozR 4 vorgesehen>). Folglich kann ein Hinterbliebener mangels eigenen Feststellungsinteresses nicht die isolierte Verpflichtung des Unfallversicherungsträgers zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls erreichen (vgl BSG Urteile vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412, juris RdNr 19 und vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 17 RdNr 26).
cc) Der Senat ist nicht durch § 163 SGG gehindert, den angefochtenen Bescheid und die darin verkörperten Verwaltungsakte vom 12.10.2011 selbst auszulegen. Der ungefilterte Zugriff des Revisionsgerichts auf den Klagegegenstand ist hier schon aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) geboten, weil das BSG das Klagebegehren andernfalls nicht sachgerecht erfassen könnte und ein Bedürfnis für einen spezifisch tatrichterlichen Würdigungsvorbehalt bei der Auslegung des angefochtenen Verwaltungsakts nicht erkennbar ist (Heinz in BeckOGK-SGG, Stand 1.1.2021, § 163 RdNr 7; Röhl in jurisPK-SGG, 2017, § 163 RdNr 16; Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl 2019, § 137 RdNr 54). Ob dies ausnahmslos gilt (BSG Urteile vom 4.12.2014 - B 5 RE 4/14 R - juris RdNr 12; vom 20.12.2012 - B 10 LW 1/12 R - SozR 4-5860 § 15 Nr 1 RdNr 23 und vom 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R - juris RdNr 13; BVerwG Urteile vom 25.8.2009 - 1 C 30/08 - BVerwGE 134, 335 RdNr 18 und vom 3.11.1998 - 9 C 51/97 - juris RdNr 12; BFH Urteile vom 18.11.2015 - XI R 32/14 - juris RdNr 35 und vom 11.11.2014 - VIII R 37/11 - juris RdNr 30) oder die Auslegung des angefochtenen Verwaltungsakts einem Rügevorbehalt (in diese Richtung: BSG Urteil vom 3.7.2020 - B 8 SO 5/19 R - SozR 4-1200 § 44 Nr 10 - juris RdNr 15; BVerwG Urteile vom 3.8.2016 - 4 C 3/15 - juris RdNr 21 und vom 22.10.2015 - 7 C 15/13 - juris RdNr 33) oder anderen Zugriffsbeschränkungen ausgesetzt sein kann (Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl 2019, § 137 RdNr 54), kann hier offenbleiben.
Denn das Revisionsgericht ist jedenfalls befugt, Formularbescheide uneingeschränkt zu überprüfen und auszulegen, die - wie hier - aus vorformulierten Texten bestehen und in einer Vielzahl von Fällen über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus im Wesentlichen wortgleich verwendet werden (BSG Urteile vom 13.12.2018 - B 5 RE 1/18 R - BSGE 127, 147 = SozR 4-2600 § 6 Nr 18 RdNr 38 ff und B 5 RE 3/18 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 19 RdNr 18 ff; BGH Urteil vom 19.9.1990 - VIII ZR 239/89 - BGHZ 112, 204, 210 zu Formularverträgen). Dies gebietet der Zweck der Revision, die Einheit des Rechts zu wahren und eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten. Die Frage nach dem Bedeutungsgehalt eines Formularbescheids stellt sich nicht nur in dem jeweiligen konkreten Einzelfall, sondern in allen Fällen, in denen der (Unfall-)Versicherungsträger einen derartigen Bescheid verwendet. Sie kann deshalb nicht von Fall zu Fall und von Gericht zu Gericht unterschiedlich beantwortet werden. Vielmehr ist es Aufgabe der Revisionsinstanz, einen Formularbescheid einheitlich auszulegen, was nur möglich ist, wenn das Revisionsgericht weder an das vom LSG vertretene Auslegungsergebnis noch an dessen Feststellungen zum Wortlaut des Bescheids gebunden ist, sondern diesen selbstständig ermitteln und feststellen kann (BSG Urteil vom 13.12.2018 - B 5 RE 1/18 R - BSGE 127, 147 = SozR 4-2600 § 6 Nr 18, RdNr 40 und B 5 RE 3/18 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 19 RdNr 20).
2. Die Kläger haben auch einen Anspruch auf Feststellung der BK 4115. Gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VII hat die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats durch Art 1 Nr 3 Buchst d der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.6.2009 (BGBl I 1273) mit Wirkung vom 1.7.2009 (Art 2 aaO) in der Anl 1 zur BKV unter Nr 4115 im Unterabschnitt 41 "Erkrankungen durch anorganische Stäube" des Abschnitts 4 "Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells und der Eierstöcke" bezeichnet: "Lungenfibrose durch extreme und langjährige Einwirkung von Schweißrauchen und Schweißgasen (Siderofibrose)". Diese Listen-BK ist festzustellen, wenn sie Versicherte infolge einer Tätigkeit erleiden, die Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründet (§ 9 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VII; § 1 BKV). Dafür muss die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen müssen die bezeichnete Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Unerheblich ist, ob die Erkrankung den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität). "Versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, aber nicht die bloße Möglichkeit (stRspr; zuletzt BSG Urteil vom 6.9.2018 - B 2 U 10/17 R - BSGE 126, 244 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 9, RdNr 13 mwN).
Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG war der Versicherte bei seinen "Verrichtungen" (ua Schweißen, Heften, Trennen, Schleifen, Richten, Montieren, Aufsicht führen) im Rahmen seiner "versicherten Tätigkeit" als beschäftigter (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII iVm § 7 Abs 1 SGB IV) Stahlbauschlosser 26,8 Jahre lang Schweißrauchen und -gasen ausgesetzt, und diese langjährigen "Einwirkungen" haben die "Krankheit" Lungenfibrose mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht (§ 9 Abs 3 SGB VII). Die Einwirkungen von Schweißrauchen und -gasen waren auch "extrem" iS des Normtextes der BK 4115.
Was unter extremer Einwirkung von Schweißrauchen und Schweißgasen zu verstehen ist, lässt sich anhand des Wortlauts - beim Fehlen skalierter Variablen - nicht exakt bestimmen. Mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Erfordernisse der Normenklarheit und der Bestimmtheit genügt es jedoch, wenn eine Präzisierung mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden möglich ist (BVerfG Urteil vom 4.7.1995 - 1 BvF 2/86 - BVerfGE 92, 365, 409 f = SozR 3-4100 § 116 Nr 3 und Beschlüsse vom 11.7.2013 - 2 BvR 2302/11 - BVerfGE 134, 33 RdNr 112 sowie vom 26.4.1995 - 1 BvL 19/94 - BVerfGE 92, 262, 272 f; BSG Urteil vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1 RdNr 16 zur BK 2108). Es ist daher Aufgabe der Unfallversicherungsträger (§ 114 Abs 1 SGB VII) und im Streitfall der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (§ 2 SGG), unter Berücksichtigung des Wortlauts (dazu a), des systematischen Zusammenhangs (dazu b), der Entstehungsgeschichte (dazu c) und des Normzwecks (dazu d) den vom Verordnungsgeber bewusst gewählten unbestimmten Rechtsbegriff der "extremen Einwirkung" näher zu konkretisieren (vgl zu den Auslegungsmethoden BVerfG Beschluss vom 17.5.1960 - 2 BvL 11/59 - BVerfGE 11, 126, 130) und letztlich operationalisierbar zu machen. Auch bei der hier vorzunehmenden Auslegung nach den klassischen Auslegungsregeln ist gemäß § 2 Abs 2 SGB I darauf zu achten, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, wenngleich § 2 Abs 2 SGB I keine weitere, zusätzliche Auslegungsmethode gerade für das Sozialrecht begründet (vgl hierzu Spellbrink in KassKomm, 114. EL, § 2 SGB I RdNr 9 ff mwN). Der Senat kommt zu der Überzeugung, dass anders als etwa bei der sog Wirbelsäulen-BK 2108 (vgl BSG Urteil vom 6.9.2018 - B 2 U 13/17 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 10) eine abschließende und bindende Auslegung des Begriffs "extrem" in der BK 4115, gerade auch im Lichte des aktuellen Stands wissenschaftlicher Erkenntnisse, möglich ist.
a) Das Adjektiv "extrem" bezeichnet in den Naturwissenschaften allgemein den größten oder kleinsten Wert einer Messreihe (absolutes Maximum/Minimum). Etymologisch entstammt das Wort dem Lateinischen "exter"," exterus" in der Bedeutung "außerhalb befindlich" und ist dessen Superlativ "extrēmus" iS von "der äußerste" entlehnt. Hiervon ausgehend wird das Wort "extrem" auch mit "äußerst" [hoch/niedrig], "außergewöhnlich", "radikal" umschrieben (vgl Duden, Das Fremdwörterbuch, 12. Aufl 2020; Wahrig, Wörterbuch der deutschen Sprache, 27. Aufl 2018; Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache unter https://www.dwds.de/wb/extrem, abgerufen am 15.3.2021).
Da die Entstehung einer Lungenfibrose umso wahrscheinlicher wird, je länger und je mehr Schweißrauche und -gase eingeatmet wurden, können mit dem Tatbestandsmerkmal "extrem" von vornherein nur äußerst hohe (und keinesfalls niedrige) Expositionen bezeichnet sein. Zugleich kann sich das Wort "extrem" in der BK 4115 nicht nur auf das absolute Maximum messbarer (quantifizierbarer) bzw tatsächlich gemessener Einwirkungen beziehen, weil im normativen Kontext abstrakt-genereller Regelungen, die für eine unbestimmte Zahl von Sachverhalten konzipiert und prinzipiell an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet sind, ein mehr- bzw vielfacher Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolge möglich sein muss. Deshalb muss - zumindest gedanklich - auf einer gleitenden Skala ein bestimmter Schwellenbereich existieren, ab dem "extreme", dh außergewöhnlich hohe Einwirkungen anzunehmen sind. Stellt man sich dafür eine Skala von 1 bis 100 vor, in der Messwerte von Schweißrauchkonzentrationen nach ihrer Größe bzw ihrem Rang (sog Prozentrang oder Perzentil) sortiert sind, so dürfte der Bereich extremer Einwirkungen beim 90-Perzentilwert für lungengängige (genauer: alveolengängige) Schweißrauche erreicht sein, wie dies in Abb 1 der wissenschaftlichen Begründung (Bekanntmachung des BMAS vom 1.9.2006, BArbBl 10/2006, S 46) auch angelegt ist.
Mithilfe von Perzentilen (Perzentil P [1 ≤ P ≤ 99] einer Verteilungsfunktion ist der Wert, für den P% aller anderen Werte gleich sind oder darunter fallen und [100-P]% aller Werte gleich sind oder darüber fallen) lässt sich abschätzen, ob Werte auf einer Skala von zB "extrem niedrig", "sehr niedrig", "niedrig", "niedrig-normal", "normal", "normal-hoch", "hoch", "sehr hoch" oder "extrem hoch" sind. Der 90-Perzentilwert mehrerer Messungen zeigt an, dass 90 % alle anderen (Mess-)Daten im Datenkollektiv gleich hoch oder niedriger sind bzw 10 % aller (Mess-)Daten gleich hoch oder höher sind, was - auch und gerade sprachlich-grammatikalisch - die Annahme "extrem" hoher Werte im Bereich des 90-Perzentilwerts rechtfertigt. Wo dieser Schwellenbereich auf welcher Skala verläuft, lässt sich dem Verordnungstext jedoch nicht entnehmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten bleibt indes festzuhalten, dass sich der Verordnungstext - trotz der erforderlichen Exposition gegenüber "Schweißrauchen und Schweißgasen" - nicht allein auf die Berufsgruppe der Schweißer bzw auf das Bedienpersonal von Schweißanlagen bezieht, sondern auch solche Personen erfasst, die in der Nachbarschaft schweißtechnischer Arbeiten als sog "Bystander" tätig sind.
b) Der systematische Zusammenhang mit der Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII legt es nahe, dass sich die Skala nur auf Personen bezieht, die selbst schweißen oder Schweißanlagen bedienen, verwandte Verfahren (zB thermisches Schneiden, Trennen) ausführen oder an benachbarten Arbeitsplätzen als Bystander tätig sind. Denn nur diese "bestimmten Personengruppen" sind "durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung" besonderen Einwirkungen von Schweißrauchen und -gasen "ausgesetzt" und damit gegenüber Schadstoffen exponiert, mit denen die Allgemeinbevölkerung typischerweise überhaupt nicht in Kontakt gerät. Quantitativ bewegen sich die zu skalierenden Einwirkungen deshalb von vornherein auf dem Expositionslevel, das in der Umgebung schweißtechnischer Arbeiten typischerweise herrscht. Hinzu kommt, dass die schädlichen Einflüsse "langjährig" sein müssen und kurzzeitige ungenügend sind. Daher müssen die Einwirkungen von Schweißrauchen und -gasen auch für langjährig tätige Schweißer, Bediener von Schweißanlagen und deren Bystander "extrem" sein, was nicht ausschließt, dass Betroffene aufgrund der langen Dauer der schädlichen Einwirkungen außergewöhnlich stark und gerade deshalb "extrem" exponiert sein können.
Eindeutig nicht extrem sind - aus systematischer Sicht - Schadstoffkonzentrationen, die die Arbeitsplatzgrenzwerte einhalten, wie sie in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) festgelegt sind. Gemäß Ziffer 1 Abs 1 Satz 2 der TRGS 900 (Arbeitsplatzgrenzwerte, BArbBl 1/2006 S 41 ff, zuletzt geändert und ergänzt: GMBl 2020, S 902 [Nr 42]) gibt der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) an, bei welcher Konzentration eines Stoffes akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen nicht zu erwarten sind (§ 2 Abs 8 Satz 2 GefStoffV). Es handelt sich um Schichtmittelwerte bei in der Regel täglich achtstündiger Exposition an fünf Tagen pro Woche während der Lebensarbeitszeit (Ziffer 1 Abs 2 Satz 1 TRGS 900). Von den Schwebstoffen, die im gesamten Atembereich vorhanden sind, kann indes nur ein Bruchteil die Lungenbläschen (Alveolen) erreichen, schädigen und zu einer Lungenfibrose führen. Für diesen alveolengängigen Anteil (sog A-Staub-Fraktion) galt bei Einführung der BK 4115 zum 1.7.2009 entstehungszeitlich ein Allgemeiner Staubgrenzwert (ASGW) von 3,0 mg/m³, der 2014 geltungszeitlich um 58 % auf 1,25 mg/m³ bei einer mittleren physikalischen Staubdichte von 2,5 g/cm³ herabgesetzt worden ist (Ziffer 2.4 Abs 7 Satz 2 TRGS 900). Zwar sind Schweißrauche definitionsgemäß (vgl Ziffer 1 Abs 4 TRGS 900) keine Stäube. Da es aber keinen spezifischen Grenzwert für Schweißrauch gibt, ist zu ihrer Gefährdungsbeurteilung der Grenzwert für alveolengängigen Staub als Obergrenze lückenfüllend heranzuziehen (Spiegel-Ciobanu, Schadstoffe beim Schweißen und bei verwandten Verfahren - Expositionen, Gefährdungen und Schutzmaßnahmenkonzept, 2020, S 4; dies, Metall aktuell 01/2017; dies BG 2006, 472, 473; Wahl, Gefährdungen durch Rauche am Arbeitsplatz, Betriebliche Prävention 2021, 118, 119). Dies ist auch deshalb gerechtfertigt, weil die BK 4115 im Unterabschnitt 41 "Erkrankungen durch anorganische Stäube" des Abschnitts 4 der Anl 1 zur BKV eingeordnet ist. Zudem ist das Gefährdungspotential der kleinen, sehr kleinen und sogar ultrafeinen (Staub-)Teilchen in Rauchen sehr hoch, weil sie überwiegend alveolengängig sind (Wahl, aaO). Aus den Werten der TRGS lässt sich aus systematischer Sicht zumindest folgern, dass extreme Einwirkungen erst erreicht werden, wenn der ASGW von 3,0 mg/m³ bzw 1,25 mg/m³ für lungengängigen Schweißrauch auf längere Dauer um ein Vielfaches überschritten wird. Allerdings lässt sich ein genauer Vervielfältigungsfaktor, mit dessen Hilfe ein Schwellenwert errechnet werden könnte, auch diesen systematischen Überlegungen nicht entnehmen.
c) Aus der wissenschaftlichen Begründung zur BK 4115 (BArbBl 10/2006, S 35 ff) und insbesondere aus ihrer Abbildung 1 (S 46 aaO) können jedoch klare Hinweise gewonnen werden, wo der Bereich extremer Einwirkungen nach der Vorstellung des Verordnungsgebers und des ihn beratenden Ärztlichen Sachverständigenbeirats beginnen soll. Die wissenschaftliche Begründung und das entsprechende Merkblatt sind bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe in BK-Tatbeständen heranzuziehen und zu berücksichtigen (vgl BSG Urteile vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr 26, RdNr 15 und vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - BSGE 118, 267 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8, RdNr 15), weil eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass sie Vorstellungen und die Entscheidung des (historischen) Verordnungsgebers wesentlich mitbestimmt haben (BSG Urteile vom 16.3.2021 - B 2 U 11/19 R - juris - BK 1317; vom 27.6.2017 - B 2 U 17/15 R - juris RdNr 19 - "Lyme-Borreliose" und vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr 26, RdNr 16). Sie sind aber weder verbindliche Konkretisierungen der Tatbestandsvoraussetzungen der BK noch antizipierte Sachverständigengutachten, sondern dienen lediglich als Interpretationshilfe und können Aufschluss über die Vorstellungen und den Willen des Normsetzers geben.
Die wissenschaftliche Begründung zur BK 4115 nimmt in ihrer Abbildung 1 (BArbBl 10/2006, S 46) auf sicherheitstechnische Messerfahrungen (Woitowitz, 15. Duisburger Gutachtenkolloquium 8.10.1998, 1999, S 89 ff; Sonnenschein/Krausche, Fachstelle gefährliche Arbeitsstoffe der Verwaltungsgemeinschaft Maschinenbau- und Metall-BG und Hütten- und Walzwerks-BG, Düsseldorf, Persönliche Mitteilung 1997, BG-Informationen 593 und 616) an optimal und eingeschränkt belüfteten Schweißerarbeitsplätzen Bezug. Danach waren Lichtbogenhand- und Schutzgasschweißer an optimal belüfteten Arbeitsplätzen Schweißrauchkonzentrationen mit einem Median-(50-Perzentil)Wert von 1,6 mg/m³ ausgesetzt. Diese Durchschnittsbelastung bewegte sich bereits um 0,35 mg/m³ über dem heute zulässigen ASGW von 1,25 mg/m³, aber noch nicht im Extrembereich. Dagegen lag nach Abbildung 1 der wissenschaftlichen Begründung zur BK 4115 der 90-Perzentil-Wert, der schon mit Blick auf den Median von 1,6 mg/m³ extreme Bedingungen anzeigt, für das Lichtbogenhand- und Schutzgasschweißen bei 5,5 mg/m³ und überstieg den heutigen ASGW damit um das 4,4fache. Es erscheint daher - jedenfalls aus heutiger Sicht - gerechtfertigt, ab einer Schweißrauchkonzentration von 5,5 mg/m³ von Extrembedingungen auszugehen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen sind somit erfüllt, sobald der Versicherte langjährig, dh etwa zehn Jahre bzw 15 000 Stunden lang, einer Schweißrauchbelastung von 5,5 mg/m³ oder mehr ausgesetzt gewesen ist. Für intensives Lichtbogenhandschweißen ist nach dem arbeitstechnischen Sachverständigengutachten eine vierstündige Lichtbogenbrenndauer pro Arbeitstag zu unterstellen, weil die Schweißkanten mittels Fase (Abkanten bzw Anschrägen durch Fräsen, Schleifen, Entgraten) vorbereitet werden müssen, um eine optimale Nahtverbindung beim Schweißen zu erreichen, und die Schweißnähte anschließend gereinigt, gerundet oder glatt geschliffen werden müssen. Folglich erfordert das Schweißen stets eine Schweißnahtvor- und -nachbearbeitung, die jeder Schweißer neben seiner eigentlichen Schweißtätigkeit ausübt, wodurch sich die arbeitstägliche Schweißdauer (Lichtbogenbrenndauer) verringert. Teilt man die erforderliche Anzahl von 15 000 Stunden durch ein vierstündiges Schweißen pro Arbeitstag, so müsste ein Versicherter insgesamt 3750 Stunden (: 220 Arbeitstage/pro Jahr = 17 Jahre) gegenüber Schweißrauchen im Umfang des 90-Perzentil-Werts von durchschnittlich 5,5 mg/m³ exponiert gewesen sein, um die arbeitstechnischen Voraussetzungen (extreme und langjährige Einwirkungen) zu erfüllen.
Hat er in engen Räumen (hier: Kastenprofilen) geschweißt, so ist nach dem arbeitstechnischen Sachverständigengutachten davon auszugehen, dass er dies pro Arbeitstag höchstens 2 Stunden lang tolerieren konnte, wobei noch eine Stunde für die Nahtvor- und -nachbearbeitung abzuziehen ist, sodass nur eine Stunde reine Schweißarbeit in engen Räumen berücksichtigt werden könnte. Die 15 000 Stundengrenze wäre danach erst nach 15 000 Tagen (: 220 Arbeitstage/pro Jahr = 68 Jahren) erreicht und von keinem Schweißer je zu erfüllen. Hieraus folgt für den Senat, dass auf die Zehnjahresgrenze jeder Tag anzurechnen ist, an dem der Betroffene - wenn auch nur kurzzeitig als Schweißer, Bystander oder Bediener schweißtechnischer Anlagen - einer extremen Schweißrauchbelastung von 5,5 mg/m³ oder mehr ausgesetzt war. Für die Frage, ob die Einwirkungen mit lungengängigen Schweißrauchen und -gasen "extrem" waren, sind also entgegen dem Revisionsvorbringen nicht die räumlichen Umgebungsbedingungen entscheidend, sondern es kommt auf die Höhe der Schweißrauchkonzentration in der Atemluft an, deren 90-Perzentil-Wert, der Extrembedingungen anzeigt, für das Lichtbogenhandschweißen mindestens 5,5 mg/m³ beträgt und an "uneingeschränkt" bzw "optimal belüfteten" Arbeitsplätzen ermittelt worden ist, dh gerade außerhalb beengter Räume. Für diesen Wert ist es - entgegen der Revision - auch nicht entscheidend, ob der Versicherte Schweißer oder sog "Bystander" war. Nach dem arbeitstechnischen Sachverständigengutachten ist der Versicherte gegenüber Schweißrauchen und -gasen unter Extrembedingungen in diesem Sinne insgesamt 170 Monate (= 14 Jahre) exponiert gewesen. Damit erfüllt er die aufgezeigten arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine extreme und langjährige Einwirkung iS der BK 4115 ohne Weiteres.
d) Schließlich besteht kein Zweifel, dass der Schutzbereich der BK 4115 den berufsbedingten Gesundheitsschaden des Versicherten erfasst und der Unfallversicherungsträger deshalb auch aus teleologischer Sicht einstandspflichtig ist.
3. Die Verfahrensrügen der Beklagten, die sich im Wesentlichen gegen die angeblich fehlerhafte Rezeption des medizinischen Sachverständigengutachtens, der wissenschaftlichen Begründung zur BK 4115 und bestimmter Literaturstellen (Verstöße gegen § 128 Abs 1 SGG), gegen die vorinstanzliche Beweisaufnahme (Verstöße gegen §§ 103, 116 SGG, § 404a ZPO), die Verwertung angeblich nicht verwertbarer Beweismittel (Verstöße gegen §§ 117, 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 407a Abs 3 ZPO), die Ablehnung eines Beweisantrags (Verstoß gegen § 103 SGG) und gegen die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 GG) durch das LSG richten, greifen nicht durch (§ 170 Abs 3 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183 Satz 2, § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 iVm § 154 Abs 2 VwGO.