1. Das im SGB IV geregelte Selbsteintrittsrecht der Aufsichtsbehörde bei Verhinderung von Selbstverwaltungsorganen besteht nur bei genereller Verweigerung der Führung eines oder mehrerer Geschäfte, nicht dagegen, wenn Selbstverwaltungsorgane sich weigern, ein Geschäft in einem bestimmten, von der Aufsichtsbehörde geforderten Sinn zu führen.
2. Die gesetzlichen Regelungen über die Beauftragung und Vergütung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Rahmen der Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten verstoßen gegen Regelungen des Grundgesetzes zu Verwaltungskompetenzen des Bundes.
3. Sozialversicherungsträger sind befugt, gesetzliche Regelungen, die gegen die Sozialversicherung betreffende Kompetenznormen des Grundgesetzes verstoßen, unangewendet zu lassen, um eine verfassungsrechtliche Überprüfung durch die Gerichte herbeizuführen.
Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Januar 2020 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 6. Januar 2016 rechtswidrig war.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2,5 Millionen Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Aufsichtsmaßnahme der beklagten Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
Mit dem Präventionsgesetz vom 17.7.2015 (BGBl I 1368 mWv 25.7.2015) wurde ua § 20a SGB V neu gefasst. In den Absätzen 3 und 4 der Vorschrift finden sich Regelungen über die Beauftragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) durch den klagenden Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) zur Unterstützung der Krankenkassen (KKn) bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten für in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Versicherte.
§ 20a Abs 3 Sätze 4 bis 6 SGB V regeln:
"Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erhält für die Ausführung des Auftrags nach Satz 1 vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen eine pauschale Vergütung in Höhe von mindestens 0,45 Euro aus dem Betrag, den die Krankenkassen nach § 20 Absatz 6 Satz 2 für Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten aufzuwenden haben. Die Vergütung nach Satz 4 erfolgt quartalsweise und ist am ersten Tag des jeweiligen Quartals zu leisten. Sie ist nach Maßgabe von § 20 Absatz 6 Satz 5 jährlich anzupassen."
Der Verwaltungsrat des Klägers sperrte mit Beschluss vom 2.12.2015 den im Haushaltsplan vorgesehenen Beitrag zur BZgA in Höhe von 0,45 Euro je Versicherten.
Nach erfolgloser aufsichtsrechtlicher Beratung forderte die Beklagte den Kläger auf, durch einen Beschluss den Sperrvermerk spätestens bis zum 30.12.2015 aufzuheben. Sie kündigte an, anderenfalls den Sperrvermerk im Wege des Selbsteintrittsrechts nach § 37 SGB IV selbst aufzuheben (Schreiben vom 17.12.2015). Der Kläger teilte mit, der Verwaltungsrat habe sich im schriftlichen Abstimmungsverfahren gegen die Aufhebung des Sperrvermerks ausgesprochen (Schreiben vom 29.12.2015). Daraufhin verfügte die Beklagte die Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsrates des Klägers zur Ausbringung eines Sperrvermerks zu dem Beitrag zur BZgA in Höhe von 0,45 Euro je Versicherten. Der Sperrvermerk sei rechtswidrig, weil er dazu führe, dass der Vorstand des Klägers seiner gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 20a Abs 3 SGB V nicht nachkommen könne (Ersatzvornahmebescheid vom 6.1.2016). Der Kläger zahlte daraufhin - auch in den Folgejahren - die entsprechenden Beträge an die BZgA. Am 8.6.2016 schloss er zudem mit der BZgA eine Vereinbarung zur Unterstützung der KKn bei der Erbringung von Leistungen der Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten nach § 20a Abs 3 und 4 SGB V.
Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 6.1.2016 gerichtete Klage hat das LSG abgewiesen. Die Klage sei mit ihrem Hauptantrag als Anfechtungsklage unzulässig, weil sich der angefochtene Ersatzvornahmebescheid mit der Erfüllung der gesetzlichen Zahlungspflicht und dem Abschluss der nach § 20a Abs 4 Satz 1 SGB V geforderten Vereinbarung zwischen dem Kläger und der BZgA erledigt habe. Die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig aber unbegründet. § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV (iVm § 217b Abs 1 Satz 3 SGB V aF) sei hinreichende Rechtsgrundlage für den Ersatzvornahmebescheid gewesen. Der Kläger habe sich mit der Anbringung des Sperrvermerks durch den Verwaltungsrat geweigert, seine Geschäfte entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung nach § 20a Abs 3 und 4 SGB V zu führen. Der angefochtene Bescheid sei formell und materiell rechtmäßig gewesen. Im Kern berufe sich der Kläger bei sachgerechter Auslegung seines Vorbringens auf die Verletzung seines Rechts auf Selbstverwaltung. Ein konkreter Bestand von Selbstverwaltungsaufgaben sei aber verfassungsrechtlich nicht vorgesehen. Dem Gesetzgeber komme hinsichtlich der Überlassung von Selbstverwaltungsspielräumen oder der Rücknahme bereits übertragener Aufgaben ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu. Der Kernbereich der Selbstverwaltungskompetenz sei durch § 20a Abs 3 und 4 SGB V nicht verletzt. Der Kläger könne im Übrigen die Handlungsfelder und Kriterien der Leistung zur Prävention und Gesundheit, die der Beauftragung der BZgA zugrunde liegen, selbst festlegen. Er habe insoweit maßgeblichen Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung des Auftragsverhältnisses. Der angegriffene Ersatzvornahmebescheid sei auch verhältnismäßig gewesen, nachdem der Kläger zuvor deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er seinen gesetzlichen Verpflichtungen nach § 20a Abs 3 und 4 SGB V nicht nachkommen werde.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 37 Abs 1 SGB IV sowie Art 87 Abs 2 und 3, Art 74, Art 105 GG. Die Voraussetzungen eines Selbsteintritts der Aufsichtsbehörde gemäß § 37 Abs 1 SGB IV hätten nicht vorgelegen. Die Maßnahme sei auch nicht verhältnismäßig gewesen. Die in § 20a Abs 3 Satz 1 SGB V geregelte gesetzliche Beauftragung der BZgA verstoße gegen Art 87 Abs 2 und 3 GG. Der Gesetzgeber weise die dort geregelten Präventionsaufgaben zunächst einem Sozialversicherungsträger zu und delegiere sie sodann auf eine Bundesoberbehörde. Damit überschreite er sein "Organisationserfindungsrecht". Für die durch § 20a Abs 3 Satz 4 bis 6 SGB V erfolgte gesetzliche Finanzzuweisung fehle es an einer Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers. Die Norm könne auch nicht verfassungskonform ausgelegt werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Januar 2020 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 6. Januar 2016 rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des klagenden GKV-Spitzenverbandes ist zulässig und begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Das LSG hat die im dortigen Hilfsantrag erhobene und im revisionsgerichtlichen Verfahren allein noch geltend gemachte Fortsetzungsfeststellungsklage zu Unrecht abgewiesen. Diese ist zulässig (dazu 1.) und auch begründet. Für die Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsrates des GKV-Spitzenverbandes im Wege eines Ersatzvornahmebescheides fehlte es an der erforderlichen Rechtsgrundlage (dazu 2. a). Der Beschluss war rechtlich auch nicht zu beanstanden. Der GKV-Spitzenverband durfte die Auszahlung der Vergütung an die BZgA wegen der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen in § 20a Abs 3 Satz 4 und 5 SGB V verweigern (dazu 2. b). Eine Vorlage an das BVerfG kommt wegen des fehlenden Selbsteintrittsrechts der Aufsichtsbehörde jedoch nicht in Betracht (dazu 3.).
1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 131 Abs 1 Satz 3 SGG zulässig.
Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist nach Eintritt eines erledigenden Ereignisses zulässig, wenn die ursprüngliche Anfechtungsklage zulässig gewesen ist, ein klärungsfähiges Rechtsverhältnis besteht und ein Feststellungsinteresse vorliegt (vgl BSG vom 8.3.2016 - B 1 KR 19/15 R - BSGE 121, 32 = SozR 4-3250 § 17 Nr 4, RdNr 28 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a) Die vom Kläger zunächst erhobene Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 6.1.2016 war als Aufsichtsklage gemäß § 54 Abs 3 SGG zulässig. Die Aufsichtsklage ist eine besondere Form der Anfechtungsklage, soweit sie - wie hier - auf Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde gerichtet ist. Die Aufhebung des Sperrvermerks vom 2.12.2015 durch die Beklagte erfolgte in der Form eines Verwaltungsaktes gemäß § 31 Satz 1 SGB X, der die Rechtswirkungen eines Verwaltungsratsbeschlusses des Klägers entfaltet hat (vgl - für die Einsetzung eines Staatsbeauftragten - BSG vom 27.6.2001 - B 6 KA 7/00 R - BSGE 88, 193 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1, SozR 3-2400 § 89 Nr 7, juris RdNr 21; zu § 78a Abs 2 Satz 2 und Abs 3 Satz 4 SGB V vgl Hamdorf in Hauck/Noftz, SGB V, K § 78a RdNr 10, 12, Stand Dezember 2018). Die Aufsichtsklage war auch im Übrigen zulässig. Der als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 217a Abs 2 SGB V) mit Selbstverwaltung ausgestattete Kläger (vgl Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 217a RdNr 8, Stand Juli 2014) konnte sie zulässigerweise erheben, weil er schlüssig dargelegt hat, die Beklagte habe mit ihrer Anordnung das Aufsichtsrecht überschritten (vgl BSG vom 21.3.2018 - B 6 KA 59/17 R - BSGE 125, 233 = SozR 4-2400 § 89 Nr 7, RdNr 32 mwN). Der Durchführung eines Vorverfahrens vor Klageerhebung bedurfte es nicht (§ 78 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und 3 SGG).
b) Die Aufsichtsverfügung hat sich mit der Zahlung der Vergütung durch den Kläger an die BZgA gemäß § 20a Abs 3 Satz 4 bis 6 SGB V erledigt (zu der mit § 131 Abs 1 Satz 3 SGG übereinstimmenden Erledigung "auf andere Weise" iS des § 39 Abs 2 SGB X vgl BSG vom 8.10.2019 - B 1 A 1/19 R - BSGE 129, 135 = SozR 4-2400 § 89 Nr 9, RdNr 16 mwN). Der Kläger hat schon mit Blick auf den Gegenstand des angefochtenen Verwaltungsaktes (Aufhebung des Sperrvermerks, nicht: Anordnung der Auszahlung) diesen nicht lediglich befolgt, sondern ihm mit der Auszahlung die Grundlage entzogen. Er hat überdies am 8.6.2016 mit der BZgA die von § 20a Abs 4 Satz 1 SGB V geforderte Vereinbarung geschlossen, die die Zahlungspflicht vorbehaltlos regelt.
c) Das für die Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse ergibt sich vorliegend unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr, weil sich die insoweit relevanten Rechtsfragen künftig erneut stellen können (vgl BSG vom 27.6.2001 - B 6 KA 7/00 R - BSGE 88, 193 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1, SozR 3-2400 § 89 Nr 7, juris RdNr 21; allgemein zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse vgl BSG vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 16/06 R - SozR 4-1500 § 131 Nr 3 RdNr 11 mwN). Dies betrifft zwar nicht die Frage nach der Reichweite des Selbsteintrittsrechts gemäß § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Diese hat sich für den Kläger mit den seit dem 1.3.2017 geltenden Neuregelungen des § 217g Abs 2 Satz 2 und Abs 3 Satz 4 SGB V erledigt (s Art 1 Nr 12 GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz vom 21.2.2017, BGBl I 265). Ein Selbsteintrittsrecht ist dort nunmehr ausdrücklich geregelt. Erneut stellen kann sich aber die Frage, ob der Kläger berechtigt ist, die Auszahlung der Vergütung gemäß § 20a Abs 3 Satz 4 bis 6 SGB V an die BZgA zu verweigern. Denkbar erscheint dies insbesondere dann, wenn die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der BZgA nach Ablauf der Mindestlaufzeit (bis zum 31.12.2021) von einem der Beteiligten gekündigt werden und nachfolgend trotz des in der Vereinbarung geregelten Schlichtungsverfahrens keine Anschlussvereinbarung zustande kommen sollte. Der Kläger kann diese Frage auch vor Gericht klären lassen. Ihm ist aufgrund der Zuweisung eines geschützten Kompetenzbereichs und der Funktion als Sachwalter der Mitgliederinteressen eine verfassungsrechtliche Prüfungs- und Verwerfungskompetenz zugewiesen (s dazu eingehend unten 2. b bb).
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 6.1.2016 war rechtswidrig. Für die Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsrates des Klägers vom 2.12.2015 zur Ausbringung eines Sperrvermerks zu dem Beitrag zur BZgA in Höhe von 0,45 Euro je Versicherten fehlte es bereits an einer rechtlichen Grundlage (dazu a). Zudem war der Beschluss rechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Kläger durfte die Auszahlung der Vergütung an die BZgA wegen der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen in § 20a Abs 3 Satz 4 und 5 SGB V verweigern (dazu b).
a) Für die Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsrates des Klägers vom 2.12.2015 durch die Beklagte fehlte es an einer rechtlichen Grundlage.
aa) Die Vorschrift des § 217g Abs 3 Satz 4 SGB V, welche die Aufhebung von Verwaltungsratsbeschlüssen durch die Aufsichtsbehörde speziell in Bezug auf den Kläger regelt, ist erst zum 1.3.2017 in Kraft getreten (s und scheidet deshalb als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid vom 6.1.2016 aus.
bb) Die allgemeinen aufsichtsrechtlichen Vorschriften der §§ 87 bis 89 SGB IV enthalten keine Regelung über die Ersetzung von Beschlüssen der Selbstverwaltungsorgane. § 89 Abs 1 Satz 2 SGB IV ermächtigt die Aufsichtsbehörde lediglich, den Versicherungsträger zu verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben. Die Verpflichtung kann gemäß § 89 Abs 1 Satz 3 SGB IV mit den Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden, wenn ihre sofortige Vollziehung angeordnet worden oder sie unanfechtbar geworden ist.
Das VwVG ordnet eine Ersatzvornahme nur für vertretbare Handlungen und nur durch beauftragte Dritte (§ 10 VwVG; vgl Schnapp in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1, 1994, § 52 RdNr 88; zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Ersatzvornahme im Aufsichtsrecht vgl Engelhard in jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 85 ff). Für unvertretbare Handlungen, zu denen auch Beschlüsse von Selbstverwaltungsorganen gehören, sieht § 11 VwVG lediglich die Verhängung eines Zwangsgeldes von bis zu 25 000 Euro vor (vgl Schirmer/Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung, Ziff 525 S 13, Stand August 2019; Schütte-Geffers in Kreikebohm, SGB IV, 3. Aufl 2018, § 89 RdNr 16; zur Unzulässigkeit unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung einer Aufsichtsverfügung vgl Engelhard in jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 97 mwN; zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Abgabe von Willenserklärungen vgl Deusch/Burr, BeckOK-VwVfG, § 12 VwVG RdNr 4, Stand 1.1.2021; Mosbacher in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG VwZG, 11. Aufl 2017, Vor §§ 6-18 RdNr 6; Lentfer, WuW 1998, 227, 229). Ein Selbstvornahme- bzw Selbsteintrittsrecht der Aufsichtsbehörde ist insofern nicht vorgesehen (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil 1/2, § 89 SGB IV RdNr 18, Stand September 1993; zur begrifflichen Abgrenzung von Selbstvornahme und Selbsteintritt vgl Engelhard, aaO, RdNr 95).
cc) Die Beklagte konnte die Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsrates des Klägers schließlich auch nicht auf § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV iVm § 217b Abs 1 Satz 3 SGB V (in der hier noch maßgeblichen Fassung durch Art 1 Nr 3 Buchst a des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010, BGBl I 983) stützen. Die Voraussetzungen dieses speziellen Selbsteintrittsrechts lagen entgegen der Ansicht der Beklagten und des LSG nicht vor.
§ 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV bestimmt: Solange und soweit die Wahl zu Selbstverwaltungsorganen nicht zustande kommt oder Selbstverwaltungsorgane sich weigern, ihre Geschäfte zu führen, werden sie auf Kosten des Versicherungsträgers durch die Aufsichtsbehörde selbst oder durch Beauftragte geführt.
Der Verwaltungsrat des Klägers hat sich jedoch nicht geweigert, seine Geschäfte zu führen. Er hat vielmehr im Rahmen seiner Zuständigkeit (vgl § 10 Abs 2 Satz 2 der Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung <SVHV>) über die Ausgaben für die Vergütung der BZgA gemäß § 20a Abs 3 Satz 4 bis 6 SGB V und damit auch im Rahmen seiner Geschäfte eine Entscheidung getroffen und die dafür vorgesehenen Mittel im Haushaltsplan gesperrt.
§ 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV bezieht sich nur auf die generelle Verweigerung der Führung eines oder mehrerer Geschäfte. Die Vorschrift findet dagegen keine Anwendung, wenn Selbstverwaltungsorgane sich lediglich weigern, ein Geschäft in einem bestimmten - von der Aufsichtsbehörde geforderten - Sinne zu führen (vgl Engelhard in: jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 95 f; M. Krasney in Kasseler Kommentar, SGB V, § 217g RdNr 4, Stand September 2017; Löcher in Eichenhofer/Wenner, SGB IV, 2. Aufl 2017, § 37 RdNr 5; in der Sache auch Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil 1/2, § 89 SGB IV RdNr 18, Stand September 1993; vgl auch Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, I/18, E § 37 Ziff 1.1; Breitkreuz in Winkler, SGB IV, 3. Aufl 2020, § 89 RdNr 8; Marschner in Eichenhofer/Wenner, SGB IV, 2. Aufl 2017, § 89 RdNr 11; Maier in Kasseler Kommentar, SGB IV, § 37 RdNr 2, Stand 1.12.2000; Schütte-Geffers in Kreikebohm, SGB IV, 3. Aufl 2018, § 89 RdNr 17; aA neben dem LSG in der angefochtenen Entscheidung <juris RdNr 25 f> Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, SGB IV, § 37 RdNr 5, Stand Mai 2006 und § 89 RdNr 17, Stand November 2008; Bünnemann, BeckOK-SozR, SGB IV, § 37 RdNr 6, Stand 1.12.2020; Schirmer/Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung, Ziff 525 S 15, Stand August 2019). Dafür sprechen Wortlaut (dazu <1>), Systematik (dazu <2>), Sinn und Zweck (dazu <4>) sowie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und insbesondere diejenige des § 89 SGB IV (dazu <3>).
(1) Der Wortlaut des § 37 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB IV verlangt für den Selbsteintritt der Aufsichtsbehörde, dass Selbstverwaltungsorgane "sich weigern, ihre Geschäfte zu führen". Die Verwendung des Plurals ("ihre Geschäfte") sowie der Umstand, dass das Selbsteintrittsrecht an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft ist, wie etwa die Rechtswidrigkeit der Weigerung oder eine vollziehbare aufsichtsbehördliche Verpflichtung, sprechen dafür, dass die Vorschrift nur die allgemeine Verweigerung der Geschäftsführung erfasst und nicht auch den Fall, dass sich das Selbstverwaltungsorgan lediglich weigert, ein Geschäft in einem bestimmten Sinne zu führen. Entscheidet sich das Selbstverwaltungsorgan bewusst dafür, eine bestimmte Maßnahme entgegen der Ansicht und/oder Anordnung der Aufsichtsbehörde zu beschließen oder gerade nicht zu beschließen, dann führt es seine Geschäfte, nur eben nicht in dem von der Aufsichtsbehörde geforderten Sinne (vgl Löcher in Eichenhofer/Wenner, SGB IV, 2. Aufl 2017, § 37 RdNr 5; M. Krasney in Kasseler Kommentar, SGB V, § 217g RdNr 4, Stand September 2017). Aus dem Wort "soweit" in § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV lässt sich lediglich ableiten, dass sich die Verhinderung oder Verweigerung der Geschäftsführungen auch auf einzelne Geschäfte oder Geschäftsbereiche beschränken kann, etwa weil sich die Mitglieder des Selbstverwaltungsorgans in einer zwingend zu entscheidenden Frage auf keine Lösung einigen können (vgl Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, I/18, E § 37 Ziff 1.1).
(2) Systematisch findet sich § 37 SGB IV im Regelungsabschnitt zur Verfassung der Sozialversicherungsträger (Vierter Abschnitt, Erster Titel) und trägt die amtliche Überschrift "Verhinderung von Organen".
Die Regelungen zur Aufsicht über die Sozialversicherungsträger finden sich demgegenüber in einem eigenen Titel des SGB IV (Fünfter Titel) in den §§ 87 ff SGB IV. Hier findet sich wiederum in § 89 SGB IV eine spezielle Vorschrift über die Aufsichtsmittel. Diese sieht ein zeitlich und in seiner Intensität abgestuftes Verfahren vor, das dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt (vgl BT-Drucks 7/4122 S 39 zu § 90; BSG vom 8.10.2019 - B 1 A 3/19 R - BSGE 129, 156 = SozR 4-2500 § 11 Nr 6, RdNr 11 mwN; Engelhard in jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 11 f; Schnapp in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1, 1994, § 52 RdNr 79). Auf der ersten Stufe steht eine Beratung des Versicherungsträgers, verbunden mit einer Fristsetzung zur Behebung der Rechtsverletzung. Erfolgt diese nicht, schließt sich daran der Erlass eines Verpflichtungsbescheides an. Dieser wird - auf der dritten Stufe - ggf mit Maßnahmen des Vollstreckungsrechts durchgesetzt. Das insofern vorliegend zur Anwendung kommende VwVG sieht als Zwangsmittel die Ersatzvornahme, das Zwangsgeld und den unmittelbaren Zwang vor (§ 9 VwVG), die Ersatzvornahme jedoch nur für vertretbare Handlungen in der Form der Fremdvornahme. Eine Selbstvornahme oder ein Selbsteintritt ist insofern nicht vorgesehen (s oben 2. b).
Diese gestufte Regelung der zulässigen Aufsichtsmittel ist grundsätzlich abschließend, soweit nicht das SGB IV selbst oder die anderen Sozialgesetzbücher spezielle bzw weitergehende Aufsichtsmittel vorsehen (vgl BSG vom 27.11.2014 - B 3 KR 6/13 R - BSGE 117, 288 = SozR 4-2500 § 132a Nr 7, RdNr 13; Engelhard in jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 89 RdNr 13; Kluth, GewArch 2006, 446, 449; Schnapp in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1, 1994, § 52 RdNr 76 mwN). § 37 Abs 1 SGB IV stellt zwar eine solche spezielle Regelung dar (vgl BSG aaO), aber nur für die dort geregelten speziellen Fälle der Verhinderung von Organen. Hier wären die in § 89 SGB IV geregelten Aufsichtsmittel oftmals nicht ausreichend, um die Funktions- und Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltungsorgane zu gewährleisten.
Hätte der Gesetzgeber der Aufsichtsbehörde neben den in §§ 9 ff VwVG iVm § 89 Abs 1 Satz 3 SGB IV geregelten Zwangsmitteln ein weiteres Zwangsmittel zur Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Verpflichtungen in der Form eines Selbsteintrittsrechts zur Verfügung stellen wollen, hätte es nahe gelegen, dies unter Eingliederung in die Stufenfolge der Aufsichtsmittel in § 89 SGB IV selbst zu regeln, wie dies auch für die Teilnahme an Sitzungen in § 89 Abs 3 SGB IV geschehen ist. Das gilt umso mehr, als der Selbsteintritt der Aufsichtsbehörde einen besonders schwerwiegenden Eingriff in das durch § 29 Abs 1 SGB IV gewährleistete Selbstverwaltungsrecht der Versicherungsträger darstellt. Denn er geht über die Verpflichtung zum Handeln hinaus und ersetzt das eigene Handeln des Versicherungsträgers (vgl Köster in Kreikebohm, SGB IV, 3. Aufl 2018, § 37 RdNr 3; Löcher in Eichenhofer/Wenner, SGB IV, 2. Aufl 2017, § 37 RdNr 4; Marschner in Wannagat, SGB, 2007, § 37 SGB IV RdNr 4 f; vgl auch Krebs in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd V, 3. Aufl 2007, § 108 RdNr 51; Wolf/Bachhof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl 2010, § 83 RdNr 46, jeweils mwN). Es erschiene schwerlich nachvollziehbar, wenn der Gesetzgeber einerseits die zur Behebung von Rechtsverstößen zur Verfügung stehenden Aufsichtsmittel systematisch und abgestuft in § 89 SGB IV regelt, andererseits aber das einschneidendste und wirkungsvollste Aufsichtsmittel losgelöst von dieser Stufenfolge an einer ganz anderen Stelle.
Versteht man demgegenüber § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV nicht als spezielles (zusätzliches) Zwangsmittel der Aufsicht, sondern nur als eine besondere Regelung des Selbstverwaltungsrechts zur Verhinderung oder Behebung eines Handlungsvakuums (vgl Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, I/18, § 37 Ziff 1.1), erklärt sich sowohl die systematische Stellung im Regelungsabschnitt zur Verfassung der Sozialversicherungsträger als auch das Fehlen weiterer Voraussetzungen des Selbsteintrittsrechts. Zwar wird auch die Verhinderung oder die Verweigerung der Geschäftsführung oftmals einen Rechtsverstoß darstellen, sodass die in § 89 SGB IV geregelten Aufsichtsmittel nicht von vornherein ausscheiden und zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit auch vorrangig zu prüfen und ggf einzusetzen sind (vgl Köster, aaO; Löcher, aaO). Grundsätzlich stellen aber die Verhinderung von Selbstverwaltungsorganen und die allgemeine Verweigerung der Geschäftsführung Umstände dar, die die Funktionsfähigkeit des Versicherungsträgers gefährden und deshalb auch ohne weitere Voraussetzungen ein vertretendes Tätigwerden der Aufsichtsbehörde rechtfertigen (s dazu auch noch unten dd).
Für dieses Verständnis des § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV sprechen auch die mit dem Selbstverwaltungsstärkungsgesetz zum 1.3.2017 eingefügten Regelungen in § 78a Abs 2 Satz 2 und Abs 3 Satz 4 SGB V sowie § 217g Abs 2 Satz 2 und Abs 3 Satz 4 SGB V. Diese regeln nunmehr für den hier vorliegenden Fall, dass zur Umsetzung gesetzlicher Vorschriften oder aufsichtsbehördlicher Verfügungen ein Beschluss der Vertreterversammlung erforderlich ist, ein spezielles Ersetzungsrecht der Aufsichtsbehörde. Ergäbe sich ein solches Recht bereits aus § 37 Abs 1 SGB IV, hätte es dieser Vorschriften nicht bedurft. Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 78a SGB V auch (Regierungsentwurf zum GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz, BT-Drucks 18/10605 S 28):
"In der Praxis hat sich die Durchsetzung von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen bei unvertretbaren Handlungen insbesondere dann als ineffizient erwiesen, wenn zur Behebung der Rechtsverletzung ein Beschluss des Selbstverwaltungsorgans erforderlich ist. Die Durchsetzung von Verpflichtungsbescheiden gemäß § 89 SGB IV durch Anordnung eines Zwangsgeldes ist in diesen Fällen wenig zielführend."
Auch der Gesetzgeber geht hier erkennbar davon aus, dass nach der vor Einführung der Neuregelungen geltenden und hier noch maßgeblichen Rechtslage Beschlüsse von Selbstverwaltungsorganen von der Aufsichtsbehörde nur durch Verhängung eines Zwangsgeldes durchgesetzt werden konnten und ihr kein Selbsteintrittsrecht zustand.
Dasselbe gilt im Übrigen auch schon für die mit dem Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 eingefügte Regelung für die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen in § 79a Abs 1 SGB V (BGBl I 2266). Während Satz 1 dieser Vorschrift weitgehend wörtlich § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV entspricht, erstreckt Satz 2 das Recht der Aufsichtsbehörde zum Selbsteintritt oder zur Einsetzung eines Staatsbeauftragten auch auf den Fall, dass die Vertreterversammlung oder der Vorstand die Funktionsfähigkeit der Körperschaft dadurch gefährden, dass sie die Körperschaft nicht mehr im Einklang mit den Gesetzen und der Satzung verwalten (vgl dazu auch BSG vom 27.6.2001 - B 6 KA 7/00 R - BSGE 88, 193 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 = SozR 3-2400 § 89 Nr 7). Auch hier zeigt sich, dass der Gesetzgeber zwischen der Verweigerung der Geschäftsführung im Allgemeinen und der Führung der Geschäfte unter Verstoß gegen Gesetz und Recht differenziert. Der besonders einschneidende Selbsteintritt der Aufsichtsbehörde wird dabei auch im zweiten Fall davon abhängig gemacht, dass durch das Handeln der Vertreterversammlung die Funktionsfähigkeit der Körperschaft gefährdet ist (vgl dazu BT-Drucks 12/3608 S 84).
(3) Für eine enge Auslegung des § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV (dazu <a>) und insbesondere diejenige des § 89 SGB IV (dazu <b>).
(a) § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV übernimmt im Wesentlichen unverändert die frühere Regelung in § 7a Selbstverwaltungsgesetz (s BT-Drucks 7/4122 S 36 zu §§ 38 bis 67). Soweit hier von Belang, war der Wortlaut identisch ("Solange und soweit […] Organe sich weigern, ihre Geschäfte zu führen, […]"). § 7a Selbstverwaltungsgesetz entsprach wiederum der früheren Regelung zur gesetzlichen Unfallversicherung in § 675 RVO und traf nach der Gesetzesbegründung für alle Versicherungsträger einheitlich eine Regelung für die Fälle, "in denen Organe eines Versicherungsträgers handlungsunfähig oder handlungsunwillig sind" (s BT-Drucks 7/288 S 12).
Die in der vorgenannten Gesetzesbegründung ebenfalls erwähnte Vorschrift des § 379 RVO für die GKV formulierte demgegenüber abweichend: "Solange der Vorstand oder sein Vorsitzender oder der Ausschuß sich weigern, die ihnen obliegenden Geschäfte auszuführen, nimmt sie das Versicherungsamt selbst oder durch Beauftragte auf Kosten der Kasse wahr." Mit der von der ursprünglichen Entwurfsfassung ("die Geschäfte zu führen", vgl Entwurf einer Reichsversicherungsordnung nebst Begründung, Reichstagsvorlage 1910, S 72, § 410) abweichenden Formulierung "die ihnen obliegenden Geschäfte zu führen" war in der Tat beabsichtigt, dass die Aufsichtsbehörde auch dann eingreifen konnte, wenn die pflichtgemäße Führung eines einzelnen Geschäfts verweigert wird (s den Bericht der 16. Kommission über den Entwurf einer Reichsversicherungsordnung, Reichstags-Drucks Nr 340, 2. Teil, S 260, 356; vgl auch Hahn/Kühne, Handbuch der Krankenversicherung, 10. und 11. Aufl 1929, S 625; Hoffmann, RVO, Zweites Buch - Krankenversicherung, 8. Aufl 1929, S 522 ff; Stier-Somlo, RVO, 1915, Bd I, § 379 unter 3. c aa). Diese Formulierung wurde in § 7a Selbstverwaltungsgesetz aber gerade nicht übernommen, sondern die des § 675 RVO (vormals § 689 RVO), die kein Selbsteintrittsrecht zur Behebung konkreter Rechtsverletzungen vorsah (vgl Göbelsmann in Dersch, Gesamtkommentar zur RVO, S 296 zu § 675 Anm 2, Stand Dezember 1971; Stier-Somlo, RVO, 1916, Bd 2, § 689 unter 1).
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass es in der RVO eine dem § 89 Abs 1 SGB IV entsprechende spezielle Regelung der Aufsichtsmittel nicht gab (vgl Fattler in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 89 RdNr 2, Stand Oktober 2009; Schirmer, BlBst Soz ArbR 1977, 105 und 107; vgl auch Stößner, Die Staatsaufsicht in der Sozialversicherung, 2. Aufl 1978, S 93). Insofern lässt sich die zu den Vorgängervorschriften des § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV geführte Diskussion ohnehin nicht oder nur eingeschränkt auf die heutige Rechtslage übertragen, weil und soweit es nunmehr eine eigene Regelung über die Aufsichtsmittel in § 89 SGB IV gibt und in diesem Zusammenhang ein Selbsteintrittsrecht vom Gesetzgeber bewusst nicht geregelt wurde (dazu sogleich unter <b>).
(b) Der Regierungsentwurf zum SGB IV sah hinsichtlich des heutigen § 89 SGB IV noch vor, dass im Falle einer Rechtsverletzung des Versicherungsträgers die Aufsichtsbehörde nach erfolgloser Beratung "die Maßnahmen treffen kann, die zur Behebung der Rechtsverletzung erforderlich sind" (BT-Drucks 7/4122 S 22 § 90). Diese Formulierung hätte zumindest dem reinen Wortlaut nach die Ersatzvornahme als originäres Aufsichtsmittel mit umfasst (vgl Stößner, Die Staatsaufsicht in der Sozialversicherung, 2. Aufl 1978, S 93; Fattler in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 89 RdNr 1a, Stand Oktober 2009). Auf Vorschlag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hat der Deutsche Bundestag dann allerdings die jetzige Gesetzesfassung des § 89 Abs 1 SGB IV beschlossen, die die Aufsichtsbehörde ermächtigt, den Versicherungsträger zu verpflichten, die Rechtsverletzung (selbst) zu beheben, und die hinsichtlich der Durchsetzung der Verpflichtung auf die Mittel des Vollstreckungsrechts verweist, die schon seinerzeit für die Bundesaufsicht in den §§ 9 ff VwVG keine Ermächtigung zum Selbsteintritt vorsahen (vgl BT-Drucks 7/5457 S 46). In der Begründung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung heißt es dazu: "Die Änderung zu Absatz 1 regelt in Verbindung mit der Änderung zu Artikel II § 10 b die Befugnisse der Aufsicht in einer ausgewogenen, die Bedürfnisse der Selbstverwaltung einerseits und der Aufsichtsbehörde andererseits berücksichtigenden Weise." (aaO S 6 zu § 90). Der Bundesrat hat hiergegen den Vermittlungsausschuss angerufen mit dem Begehren, die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Fassung wiederherzustellen. Zur Begründung hat er ausgeführt (BT-Drucks 7/5612 S 2):
"Die vom Bundestag beschlossene Regelung hätte zur Folge, daß künftig rechtswidrige Beschlüsse der Versicherungsträger durch die Aufsichtsbehörde nicht mehr aufgehoben werden können. Die Aufsichtsbehörde wäre darauf beschränkt, die Versicherungsträger zu verpflichten, Rechtsverletzungen zu beheben. […] Diese Reduzierung der Aufsichtsmittel, die im gesamten Selbstverwaltungsbereich ohne Beispiel wäre, würde zu einer Lähmung der Staatsaufsicht führen. Sie liefe der Verpflichtung des Staates, die Rechtsstaatlichkeit auch im Bereich der sozialen Sicherung zu gewährleisten, zuwider. Aus diesen Gründen ist die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Fassung des § 90 (jetzt § 89) Abs. 1 Satz 2 und 3 wiederherzustellen."
Der Vermittlungsausschuss hat jedoch hierzu keinen Änderungsantrag beschlossen (BT-Drucks 7/5652 S 2), sodass die Vorschrift danach auch den Bundesrat passierte (vgl zum Vorstehenden auch Fattler, aaO; Stößner, aaO; Schirmer, BlBst Soz ArbR 1977, 105, 107).
Die Frage, ob der Aufsichtsbehörde hinsichtlich der Aufhebung rechtswidriger Beschlüsse der Versicherungsträger ein Selbsteintrittsrecht zustehen soll, wurde mithin im Gesetzgebungsverfahren gesehen und diskutiert. Das Ergebnis kann nur dahingehend interpretiert werden, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen ein solches Selbsteintrittsrecht entschieden hat. Eine extensive Auslegung des § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV in dem von der Beklagten und dem LSG befürworteten Sinne widerspräche dieser Intention (vgl auch Bull, VSSR 1977, 113, 139).
(4) Für eine enge Auslegung des § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV spricht schließlich auch der Sinn und Zweck der Vorschrift.
§ 29 SGB IV gewährleistet einfachrechtlich das Recht der Sozialversicherungsträger zur Selbstverwaltung (vgl zB BSG vom 17.7.1985 - 1 RS 6/83 - BSGE 58, 247, 249 = SozR 1500 § 51 Nr 38 S 59, juris RdNr 13; BSG vom 8.4.1987 - 1 RR 4/86 - BSGE 61, 254, 261 = SozR 7223 Art 8 § 2 Nr 3 S 8, juris RdNr 35 mwN). Dem Selbstverwaltungsgrundsatz kommt als tragendem Organisationsprinzip der Sozialversicherung besondere Bedeutung zu. Da Selbstverwaltung und staatlich-administrative Leitung einander prinzipiell ausschließen, spricht die Vermutung im Zweifel gegen die zentrale staatliche Steuerung des Verwaltungsträgers (vgl BSG vom 24.4.2002 - B 7 A 1/01 R - BSGE 89, 235 = SozR 3-2400 § 87 Nr 1 = SozR 3-2400 § 89 Nr 8 = SozR 3-1100 Art 86 Nr 1, juris RdNr 25 mwN).
Das Recht zur Selbstverwaltung ist - wie § 37 SGB IV zeigt - zugleich auch mit einer Pflicht zu deren Ausübung verknüpft (vgl Schneider-Danwitz in jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 31 RdNr 43 und § 37 RdNr 15; Maier in Kasseler Kommentar, SGB IV, § 37 RdNr 1, Stand November 1997). § 37 Abs 1 SGB IV regelt hierbei den Fall, dass Selbstverwaltungsorgane dieser Pflicht nicht nachkommen, weil sie entweder verhindert sind oder sich weigern, ihre Aufgaben wahrzunehmen. Die Vorschrift verfolgt insofern das Ziel, im Interesse der Versicherten die durch Störungen bedrohte Funktionsfähigkeit des Sozialversicherungsträgers sicherzustellen (vgl Schneider-Danwitz, aaO, § 37 RdNr 23; Maier, aaO; Schnapp in Schulin, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, Bd 1, 1994, § 52 RdNr 94). Es soll die Entstehung eines Handlungsvakuums vermieden werden (vgl Bünnemann in BeckOK-SozR, SGB IV, § 37 RdNr 4, Stand 1.12.2020). Dieses besonders wichtige Ziel rechtfertigt grundsätzlich auch den mit dem Selbsteintrittsrecht verbundenen schwerwiegenden staatlichen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht (vgl Maier, aaO), zumal die in § 89 SGB IV geregelten Aufsichtsmittel hier oftmals nicht zielführend wären (s oben <2>).
Demgegenüber dient die in §§ 87 ff SGB IV geregelte Rechtsaufsicht der Durchsetzung der sich aus Art 20 Abs 3 GG und § 29 Abs 3 SGB IV ergebenden Verpflichtung des Sozialversicherungsträgers zur Beachtung von Gesetz und (sonstigem) Recht und damit dem Schutz der Rechtsordnung gegen rechtswidrige Maßnahmen (vgl BSG vom 12.11.2003 - B 8 KN 1/02 U R - BSGE 91, 269 = SozR 4-2400 § 89 Nr 1, RdNr 15; BSG vom 22.3.2005 - B 1 A 1/03 R - BSGE 94, 221 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3, RdNr 33; Schirmer/Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung, Stand August 2019, Ziff 220 S 2 f; Stößner, Die Staatsaufsicht in der Sozialversicherung, 2. Aufl 1978, S 38; vgl auch BT-Drucks 7/5457 S 4 zu § 30 Ziff 2).
Mit anderen Worten: § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV betrifft das "Ob" und die §§ 87 ff SGB IV betreffen das "Wie" der Aufgabenerfüllung durch den Sozialversicherungsträger. Dabei wird die allgemeine Verweigerung der Aufgabenerfüllung durch ein Selbstverwaltungsorgan regelmäßig auch eine den Einsatz der Aufsichtsmittel des § 89 SGB IV rechtfertigende Rechtsverletzung darstellen (s oben <2>); dies gilt aber nicht umgekehrt. Zwischen der generellen Verhinderung oder Weigerung eines Selbstverwaltungsorgans, die ihm obliegenden Geschäfte zu führen, sowie dem dadurch drohenden Handlungsvakuum und der Weigerung, ein Geschäft in einem bestimmten - von der Aufsicht geforderten - Sinne zu führen, besteht ein qualitativer Unterschied. Dieser rechtfertigt es sowohl mit Blick auf den Zweck der Aufsicht als auch mit Blick auf die Effektivität der Aufsichtsmittel, die Befugnisse der Aufsichtsbehörde unterschiedlich auszugestalten.
dd) Für eine analoge Anwendung des § 37 Abs 1 Satz 1 SGB IV auf die vorliegende Fallgestaltung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke (vgl zu den Voraussetzungen einer Gesetzesanalogie in Abgrenzung zu der dem Gesetzgeber vorbehaltenen Gesetzeskorrektur BSG vom 4.5.1999 - B 4 RA 55/98 R - SozR 3-2600 § 34 Nr 1 S 12 f, juris RdNr 37 f; BSG vom 18.9.2012 - B 2 U 11/11 R - BSGE 112, 43 = SozR 4-2700 § 90 Nr 2, RdNr 38 mwN). Denn für unvertretbare Handlungen, zu denen auch Beschlüsse von Selbstverwaltungsorganen gehören, kommt als Zwangsmittel nach § 11 VwVG die Verhängung eines Zwangsgeldes in Betracht. Dass dieses Zwangsmittel in Fällen wie dem vorliegenden auch in Anbetracht der verhältnismäßig geringen Höhe des maximal zulässigen Zwangsgeldes (bis zu 25 000 Euro, § 11 Abs 3 VwVG) nicht ausreichend effizient ist, um die aufsichtsrechtliche Anordnung durchzusetzen, rechtfertigt möglicherweise einen rechtspolitischen Handlungsbedarf, dem der Gesetzgeber mit den Neuregelungen in § 217g Abs 2 Satz 2 und Abs 3 Satz 4 SGB V zwischenzeitlich bereits Rechnung getragen hat (vgl BT-Drucks 18/10605 S 28 zu § 78a), nicht aber die Annahme einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke. Vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte des § 89 SGB IV (s dazu oben cc <2>) könnte eine etwaige Gesetzeslücke zudem jedenfalls nicht als planwidrig angesehen werden. Gegen eine analoge Anwendung spricht überdies, dass das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip im Aufsichtsrecht eine klare Zuordnung der Verwaltungskompetenzen durch hinreichend deutliche und bestimmte gesetzliche Regelungen erfordern (vgl Axer, VSSAR 2019, 129, 147; Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S 504).
b) Die Voraussetzungen für ein aufsichtsbehördliches Einschreiten lagen auch in der Sache nicht vor. Der Beschluss des Verwaltungsrates des Klägers vom 2.12.2015 zur Ausbringung eines Sperrvermerks zu dem Beitrag zur BZgA in Höhe von 0,45 Euro je Versicherten war rechtlich nicht zu beanstanden. Die gesetzlichen Regelungen in § 20a Abs 3 und 4 SGB V über die Beauftragung und Vergütung der BZgA verstoßen gegen Art 87 Abs 2 GG (dazu aa). Der Kläger durfte deshalb die Auszahlung der gesetzlich geregelten Vergütung an die BZgA verweigern (dazu bb).
aa) Die Regelungen über die Beauftragung der BZgA durch den klagenden GKV-Spitzenverband sind verfassungswidrig. Denn sie verstoßen gegen Art 87 Abs 2 GG (vgl auch Schmidt am Busch in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, Rechtswissenschaftliche Fragen an das neue Präventionsgesetz, 2016, S 35 ff; Schuler-Harms in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 13, 28 ff; dies, SDSRV 67 (2018), S 27, 42; Kemmler in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 61, 74 ff; Kiefer SDSRV 67 (2018), S 45, 56; Wallrabenstein, Einbindung der Gesetzlichen Krankenversicherung in die Aufgaben- und Ausgabenzuweisung des Präventionsgesetzes, Gutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes GbR vom 14.4.2015, Bl 113 ff der Gerichtsakten des LSG; wohl auch Pitschas VSSR 2018, 235, 247; Wenner in Prütting, Medizinrecht, 5. Aufl 2019, § 20a SGB V RdNr 2; aA Gutachten WD 9-128/14 der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags 2015, abrufbar unter www.bundestag.de; Axer, KrV 2015, 221, 225 f; ders in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 43 ff; Luik in Krauskopf, SozKV/PV, § 20a SGB V RdNr 17 f, Stand März 2020; Schifferdecker in Kasseler Kommentar, SGB V, § 20a RdNr 8, Stand September 2020; Welti in Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl 2020, § 20a RdNr 12; differenzierend Schütze in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 20a RdNr 34 f).
(1) Nach Art 87 Abs 2 GG werden als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes diejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt (Satz 1). Davon abweichend werden soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hinaus erstreckt, als landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes geführt, wenn das aufsichtsführende Land durch die beteiligten Länder bestimmt ist (Satz 2).
Als Kompetenznorm enthält Art 87 Abs 2 GG zwar keine der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art 28 Abs 2 Satz 1 GG vergleichbare Garantie der sozialen Selbstverwaltung (vgl BVerfG vom 9.4.1975 - 2 BvR 879/73 - BVerfGE 39, 302, 314 f, juris RdNr 71; BVerfG vom 1.9.2000 - 1 BvR 178/00 - SozR 3-2700 § 147 Nr 1, juris RdNr 11) und auch keine Bestandsgarantie für einzelne Sozialversicherungsträger und für das bestehende gegliederte System der GKV (vgl BVerfG vom 18.7.2005 - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167, 223 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8, juris RdNr 147). Allerdings bildet Art 87 Abs 2 GG gemeinsam mit Art 74 Abs 1 Nr 12 und Art 120 Abs 1 Satz 4 GG ein in sich geschlossenes verfassungsrechtliches Regelungssystem für die Sozialversicherung und deren Finanzierung (vgl BVerfG, aaO, S 200, juris RdNr 93). Diesem liegt eine Systementscheidung für die Sozialversicherung mittels verselbstständigter Verwaltungseinheiten zugrunde (vgl Axer, NZS 2017, 601, 606).
Art 87 Abs 2 GG schreibt für den Bereich der Sozialversicherung eine mittelbare Verwaltung vor; eine unmittelbare Verwaltung durch Bundesbehörden ist nicht zulässig (vgl BVerfG vom 12.1.1983 - 2 BvL 23/81 - BVerfGE 63, 1, 36, juris RdNr 117 f). Dies folgt aus der inhaltlichen Bestimmung des "Trägers" der Sozialversicherung und der Beschränkung auf "Körperschaften" (vgl Burgi in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl 2018, Art 87 RdNr 79; Ibler in Maunz/Dürig, GG, Art 87 RdNr 194, Stand Januar 2012, mwN). Der Bund darf sich nicht selbst zum sozialen Versicherungsträger machen und er darf seinen eigenen (bundesunmittelbaren) Behörden auch über Art 87 Abs 3 GG keine Aufgaben der Sozialversicherung übertragen (vgl Ibler, aaO, mwN; ferner Schlegel, SozSich 2006, 378, 379). Erforderlich ist zudem eine organisatorische und finanzielle Selbstständigkeit der Träger der Sozialversicherung im Sinne einer Verwaltungs- und Ertragskompetenz (vgl BVerfG vom 18.7.2005 - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167, 200 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8, juris RdNr 94; F. Kirchhof in Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd V, 3. Aufl 2007, § 125 RdNr 6; Axer in Hoffmann/Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, Mehrwert der Selbstverwaltung, 2020, S 85 f).
Die verfassungsrechtlich vorgegebene organisatorische Selbstständigkeit der Sozialversicherung setzt auch der Verwendung und dem Transfer von Mitteln der Sozialversicherung Grenzen. Die Legitimation der Beitragsbelastung beschränkt sich auf die Finanzierung im Binnensystem der Sozialversicherung. Sie erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die Finanzierung von Leistungen an Dritte außerhalb der Sozialversicherung (BVerfG vom 22.5.2018 - 1 BvR 1728/12 - BVerfGE 149, 50, 78, RdNr 77). Auch ein Transfer von Mitteln der Sozialversicherung setzt voraus, dass sie für Zwecke im Binnensystem der Sozialversicherung verwendet werden (BVerfG, aaO, RdNr 78). Die erhobenen Geldmittel dürfen allein zur Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung eingesetzt werden; zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats und seiner sonstigen Glieder stehen sie nicht zur Verfügung (vgl BVerfG, aaO, mwN). Die Finanzmasse der Sozialversicherung ist tatsächlich und rechtlich von den allgemeinen Staatsfinanzen getrennt (vgl BVerfG vom 8.4.1987 - 2 BvR 909/82 ua - BVerfGE 75, 108, 148 = SozR 5425 § 1 Nr 1, juris RdNr 99; BVerfG vom 18.7.2005 - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167, 205 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8, juris RdNr 101). Die Sozialversicherungsbeiträge sollen wegen ihrer strengen Zweckbindung weder den Bund oder die Länder noch sonstige staatliche Aufgabenträger zu eigenverantwortlichen finanziellen Entscheidungen befähigen. Sie eröffnen keine haushaltspolitischen Entscheidungsspielräume. Es handelt sich für Bund und Länder vielmehr um Fremdgelder, die der eigenen Haushaltsgewalt entzogen sind. Ein Transfer von Sozialversicherungsbeiträgen zwischen einer KK und der unmittelbaren Staatsverwaltung kommt nicht in Betracht (vgl BVerfG vom 18.7.2005, aaO).
Bei dem Begriff der Sozialversicherung, wie ihn Art 74 Abs 1 Nr 12 und Art 120 Abs 1 Satz 4 GG verwenden und er auch Art 87 Abs 2 GG zugrunde liegt, handelt es sich um einen weit gefassten verfassungsrechtlichen Gattungsbegriff, der alles umfasst, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt (vgl BVerfG vom 8.4.1987 - 2 BvR 909/82 ua - BVerfGE 75, 108, 146 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 3, juris RdNr 95; BVerfG vom 28.5.1993 - 2 BvF 2/90 - BVerfGE 88, 203, 313, juris RdNr 316; BVerfG vom 22.5.2018 - 1 BvR 1728/12 - BVerfGE 149, 50, 78 RdNr 79). Andererseits genügt es nicht, dass eine Regelung in irgendeiner Weise allgemein der "sozialen Sicherheit" zugeordnet werden kann; vielmehr muss geprüft werden, ob dieses Ziel gerade auf dem spezifischen Weg der Sozialversicherung erreicht werden soll. Kennzeichnend sind insbesondere die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit, die organisatorische Durchführung durch selbstständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die abzudeckenden Risiken und die Mittelaufbringung durch Beiträge der Beteiligten (stRspr, vgl BVerfG vom 22.5.2018, aaO, mwN).
Die Abgrenzung zwischen den Aufgaben der Sozialversicherung und den Aufgaben der Gesamtgesellschaft ist verfassungsrechtlich nicht im Einzelnen vorgegeben, sondern politischer Natur und vom Gesetzgeber zu treffen (vgl BSG vom 29.1.1998 - B 12 KR 35/95 R - BSGE 81, 276= SozR 3-2600 § 158 Nr 1, juris RdNr 29, 31). Dieser ist auch nicht verpflichtet, die Systeme sozialer Sicherheit in Selbstverwaltung auszugestalten (vgl BVerfG vom 9.4.1975 - 2 BvR 879/73 - BVerfGE 39, 302, 315, juris RdNr 71). Er kann soziale Sicherheit auch in unmittelbarer Staatsverwaltung organisieren. Allerdings kann er sich dann nicht auf den Kompetenztitel des Art 74 Abs 1 Nr 12 GG stützen, sondern es bedarf anderer Kompetenztitel, etwa dem der öffentlichen Fürsorge (Art 74 Abs 1 Nr 7 GG; vgl Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S 253 f). Und er darf sich auch nicht der organisatorischen und finanziellen Mittel der Sozialversicherung bedienen.
(2) Diesen Kompetenzrahmen unterläuft die in § 20a Abs 3 und 4 SGB V geregelte Konstruktion einer gesetzlichen Beauftragung der BZgA durch den GKV-Spitzenverband.
(a) Mit den durch das Präventionsgesetz neu gefassten Regelungen des § 20a SGB V zur Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten geht der Gesetzgeber über die klassischen Maßnahmen zur Krankheitsfrüherkennung, die aufgrund ihres engen Bezugs zum Versicherungsfall Krankheit von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Sozialversicherung in jedem Fall umfasst sind, hinaus (vgl Axer, KrV 2015, 221, 224). Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten sind auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers "Querschnittsaufgaben einer Vielzahl von Akteuren auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene und nicht allein Aufgabe der Krankenkassen" (so der Regierungsentwurf zum Präventionsgesetz, BT-Drucks 18/4282 S 35 zu Nr 5 und S 64 zu Nr 7; vgl dazu auch Köpke, SozSich 2014, 352).
Als Begründung für die Regelungen in § 20a Abs 3 und 4 SGB V zur Beauftragung der BZgA wird in der Gesetzesbegründung angeführt, dass die Leistungen Wirkung entfalten sollen und dass die BZgA über langjährige Erfahrung und besondere Expertise verfüge (s BT-Drucks 18/5261 S 54; zu möglichen Hintergründen vgl Welti in Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl 2020, § 20a RdNr 10). Die BZgA soll die KKn bei der Erbringung kassenübergreifender Leistungen zur Prävention in Lebenswelten unterstützen. Damit sollen insbesondere Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen erreicht werden. Einzelmaßnahmen der KKn sollen gebündelt werden, um Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen effektiver erreichen zu können. Hiervon sollen insbesondere sozial benachteiligte Gruppen profitieren (s BT-Drucks 18/4282 S 23).
(b) Für die vor diesem Hintergrund nahe liegende Zuweisung der konzeptionellen Prävention und Gesundheitsförderung als originäre (Querschnitts-)Aufgabe der BZgA würde dem Bund allerdings die Gesetzgebungskompetenz und in der Folge auch die Verwaltungskompetenz fehlen. Auf Art 74 Abs 1 Nr 12 GG könnte er sich mangels eines hinreichenden Bezuges zur Sozialversicherung nicht berufen, Art 74 Abs 1 Nr 19 GG betrifft nur gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten und Art 74 Abs 1 Nr 7 GG (öffentliche Fürsorge) tritt für den Bereich des Gesundheitswesens hinter Art 74 Abs 1 Nr 19 und 19a GG zurück (vgl BVerfG vom 28.5.1993 - 2 BvF 2/90 ua - BVerfGE 88, 203, 329 f, juris RdNr 359; vgl zum Vorstehenden insgesamt Axer in Bonner Kommentar zum GG, Art 74 Abs 1 Nr 19 RdNr 16, Stand April 2011; Schmidt am Busch, Gesundheitssicherung im Mehrebenensystem, 2007, S 24 f; dies in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 35, 36; eingehend Gebert, Verhaltens- und verhältnisbezogene Primärprävention und Gesundheitsförderung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, Diss 2020, S 110 ff).
Ob die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine konzeptionelle Präventionspolitik dadurch "konstruiert" werden kann, dass die Leistungen formal auf "in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte" beschränkt werden, kann vorliegend dahingestellt bleiben (vgl § 20 Abs 4 Nr 2, § 20a Abs 3 Satz 1 SGB V; bejahend Luik in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 20a SGB V RdNr 18, Stand März 2020; Gutachten WD 9-128/14 der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags 2015, S 17; Gebert, aaO, S 102 ff). Dafür sprechen zwar der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Sozialversicherung (vgl BSG vom 29.1.1998 - B 12 KR 35/95 R - BSGE 81, 276 = SozR 3-2600 § 158 Nr 1, juris RdNr 26 mwN) und der sachlich-gegenständliche Bezug zu einem typischen, von der GKV umfassten Risiko (Gesundheitsbezug; vgl Axer, KrV 2012, 221, 224; ders in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 43, 51; zur Gesundheitsprävention als Aufgabe der Sozialversicherung vgl Rink, Der Präventionsauftrag der gesetzlichen Unfallversicherung, Diss 2010, S 234 mwN). Dass die Leistungen reflexhaft auch Nichtversicherten zugutekommen (sog Overspill-Effekt), steht einer Zuordnung zur Sozialversicherung grundsätzlich nicht entgegen (vgl Schuler-Harms in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 13, 23 f; Gebert, aaO, S 108 ff). Andererseits steht die formale Beschränkung der Gesundheitsförderung und Prävention insbesondere in Lebenswelten (sog Verhältnisprävention) auf Versicherte der GKV im Widerspruch dazu, dass diese Leistungen konzeptionell-inhaltlich nach wie vor als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe ausgestaltet sind, an der neben den KKn auch andere Akteure auf Bundes,- Länder- und kommunaler Ebene sowie Unternehmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung beteiligt sind (vgl §§ 20d f SGB V; s dazu Schmidt am Busch in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 35, 36 ff; Kemmler in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 61, 73 f; Schuler-Harms, aaO, S 13, 16, 25 ff; vgl auch Wenner in Prütting, Medizinrecht, 5. Aufl 2019, § 20a SGB V RdNr 2).
(c) Selbst wenn sich der Bund insoweit auf den Kompetenztitel des Art 74 Abs 1 Nr 12 GG berufen könnte, fehlte es für eine originäre Zuweisung der Aufgaben an die BZgA aber an der entsprechenden Verwaltungskompetenz.
Die BZgA ist eine durch Erlass errichtete Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), die ua Sorge tragen soll für die Erarbeitung von Grundsätzen und Richtlinien für Inhalte und Methoden der praktischen Gesundheitserziehung, die Ausbildung und Fortbildung der auf dem Gebiet der Gesundheitserziehung und -aufklärung tätigen Personen sowie die Koordinierung und Verstärkung der gesundheitlichen Aufklärung und Gesundheitserziehung im Bundesgebiet (vgl Errichtungserlass des BMG vom 20.7.1967, GMBl 1967 S 374 f; vgl auch die Stellungnahme des Wissenschaftsrates vom Mai 2008, Drucks 8480-08, abrufbar unter http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/8480-08.pdf, aufgerufen am 19.5.2021). Eine unmittelbare Verwaltung durch Bundesbehörden schließt Art 87 Abs 2 GG für den Bereich der Sozialversicherung jedoch aus (s oben <1>). Für die Zuweisung rein koordinierender Aufgaben ohne Trägerfunktion an die BZgA könnte sich der Gesetzgeber allenfalls auf Art 87 Abs 3 GG stützen, nicht aber auf Art 87 Abs 2 GG (vgl Schlegel, SozSich 2006, 378, 379; kritisch gegen die Herleitung einer Verwaltungskompetenz aus Art 87 Abs 3 GG für die BZgA allerdings Schmidt am Busch, Die Gesundheitssicherung im Mehrebenensystem, 2007, S 28 f). Dafür bedürfte es aber wiederum einer entsprechenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes außerhalb von Art 74 Abs 1 Nr 12 GG (vgl Art 87 Abs 3 Satz 1 GG), an der es gerade fehlt.
(d) Schließlich wäre auch ein (isolierter) Finanztransfer von Beitragsmitteln in den Haushalt der BZgA zur Finanzierung der konzeptionellen Präventionsaufgaben verfassungsrechtlich nicht zulässig. Denn die Mittel würden dann nicht für Zwecke im Binnensystem der Sozialversicherung verwendet werden (s oben <1>; vgl auch BT-Drucks 18/4282 S 35).
(e) Das Fehlen einer Verwaltungskompetenz des Bundes für eine konzeptionelle Präventionspolitik als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe durch die BZgA und für einen Transfer von Beitragsmitteln in den Haushalt der BZgA zur Finanzierung dieser Aufgabe kann nicht dadurch umgangen werden, dass das Gesetz diese zunächst der Sozialversicherung zuweist, indem er sie (lediglich) formal auf Versicherte der GKV bezieht und primär die Verwaltungszuständigkeit der KKn und des GKV-Spitzenverbandes anordnet, sie dann aber im Wege eines gesetzlichen Auftragsverhältnisses mit einem feststehenden Finanzvolumen aus Beitragsmitteln sogleich auf die BZgA überträgt. Anderenfalls könnte auf diese Weise die vom Grundgesetz vorgegebene Trennung zwischen sozialversicherungsrechtlicher Selbstverwaltung und unmittelbarer Staatsverwaltung letztlich nach Belieben unterlaufen werden.
Genau dies regeln aber § 20a Abs 3 und 4 SGB V (vgl Wallrabenstein, Einbindung der Gesetzlichen Krankenversicherung in die Aufgaben- und Ausgabenzuweisung des Präventionsgesetzes, Gutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes GbR vom 14.4.2015, S 16 = Bl 129 der Gerichtsakten des LSG; Kemmler in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 61, 75). Die Aufgaben im Zusammenhang mit den Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten werden zunächst für eine "juristische Sekunde" den KKn als eigene Zuständigkeiten zugewiesen (vgl § 20a Abs 1 Satz 2 bis 5, Abs 2 SGB V) und dann sogleich im Rahmen eines gesetzlichen Auftragsverhältnisses dauerhaft der BZgA übertragen (vgl Wallrabenstein, aaO; Schuler-Harms in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 13, 33; zu der explizit beabsichtigten Regelung eines gesetzlichen Auftragsverhältnisses vgl BT-Drucks 18/4282 S 35). Der genaue Inhalt des Auftragsverhältnisses wird dabei im Gesetz nur vage formuliert und nicht näher präzisiert (vgl § 20a Abs 3 Satz 1 SGB V; vgl dazu Kemmler in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 61, 75; allgemein zur erforderlichen inhaltlichen Bestimmung gesetzlicher Auftragsverhältnisse durch die gesetzliche Regelung selbst vgl Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 93 RdNr 5). Gleichwohl erhält die BZgA eine vom konkreten Umfang ihres Tätigwerdens losgelöste pauschale Mindestvergütung (vgl § 20a Abs 3 Satz 4 und 5 SGB V). Schon die Höhe dieser Vergütung, die annähernd ein Viertel der Gesamtausgaben der KKn für die Leistungen nach den §§ 20a und 20b SGB V ausmacht (vgl § 20 Abs 6 Satz 2 SGB V in der hier noch maßgeblichen Fassung des Präventionsgesetzes vom 17.7.2015, BGBl I 1368) spricht hierbei dagegen, dass die BZgA als bloße Hilfsbehörde den Trägern der Sozialversicherung untergeordnet ist (zutreffend Kemmler, aaO; vgl auch Schütze in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 20a RdNr 35). Die gewählte Konstruktion eines gesetzlichen Auftrages dient letztlich allein dazu, das grundgesetzliche Verbot der Direktfinanzierung von Staatsaufgaben aus Beitragsmitteln zu umgehen (vgl Wenner in Prütting, Medizinrecht, 5. Aufl 2019, § 20a SGB V RdNr 2).
Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass in § 93 SGB X gesetzliche Auftragsverhältnisse ausdrücklich vorgesehen sind. Denn diese Regelung bezieht sich ausweislich ihres Wortlauts und ihrer systematischen Stellung allein auf Auftragsverhältnisse zwischen Leistungsträgern innerhalb der Sozialversicherung, dh den in §§ 18 bis 29 SGB I genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden, zu denen die BZgA nicht gehört (vgl § 12 SGB I; vgl dazu Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 93 RdNr 6; Hochheim in Hauck/Noftz, SGB X, § 93 RdNr 5, Stand November 2020, mwN auch zur Gegenansicht).
(f) Eine verfassungskonforme Auslegung des § 20a Abs 3 und 4 SGB V ist nicht möglich (vgl auch Kemmler, aaO, S 76 f; aA Axer, KrV 2015, 221, 225 f; ders in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 43, 55 f; dem folgend Luik in Krauskopf, SozKV/PV, § 20a SGB V RdNr 17, Stand März 2020; Schifferdecker in Kasseler Kommentar, SGB V, § 20a RdNr 8, Stand September 2020; Welti in Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl 2020, § 20a RdNr 12; einschränkend Schütze in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 20a RdNr 34 f).
Grundsätzlich könnte das gesetzliche Auftragsverhältnis zwischen dem GKV-Spitzenverband und der BZgA im Rahmen der hierüber zu schließenden Vereinbarung (§ 20a Abs 4 Satz 1 SGB V) entsprechend dem Rechtsgedanken des § 88 Abs 2 Satz 2 SGB X so ausgestaltet werden, dass die Tätigkeit der BZgA auf intern unterstützende Zuarbeiten (zB Backoffice-Aufgaben, Entwicklung von Konzepten und Qualitätssicherungsmaßnahmen sowie die Evaluierung einzelner Maßnahmen) unter Aufsicht des beauftragenden GKV-Spitzenverbandes beschränkt ist und die Leistungsverantwortung der KKn und des GKV-Spitzenverbandes gegenüber den Versicherten erhalten bleibt (vgl Axer, aaO; Schütze, aaO, RdNr 34). Allerdings wäre dann die der BZgA zustehende Mindestvergütung jedenfalls auf Dauer nicht zu rechtfertigen (vgl Schütze, aaO, RdNr 35). Es würde sich der Sache nach um einen verfassungsrechtlich unzulässigen Transfer von Beitragsmitteln in den Bundeshaushalt ohne adäquate Gegenleistung handeln.
Zwar sind die Mittel zweckgebunden und ist die BZgA über die Ausführung des Auftrags rechenschaftspflichtig (vgl § 20a Abs 3 Satz 7 und Abs 4 Satz 4 SGB V iVm § 89 Abs 3 und 4 SGB X; vgl dazu BT-Drucks 18/4282 S 36; Axer, KrV 2015, 221, 227; ders in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 43, 58). Allerdings werden der BZgA nicht nur - wie etwa der Bundesvereinigung für Prävention und Gesundheitsförderung eV durch die Nationale Präventionskonferenz nach § 20e Abs 2 Satz 3 SGB V - die notwendigen Aufwendungen erstattet, sondern sie erhält eine vom konkreten Umfang ihrer Tätigkeit und den tatsächlich entstandenen Aufwendungen unabhängige jährliche Mindestvergütung. Eine Erstattungspflicht für nicht (zweckentsprechend) eingesetzte bzw nicht erforderliche Vergütungsanteile besteht gerade nicht (vgl dazu auch den Bericht des Bundesrechnungshofes vom 11.9.2020, abrufbar unter https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/beratungsberichte/2020/leistungen-der-bundeszentrale-fuer-gesundheitliche-aufklaerung-zur-praevention-in-lebenswelten-im-auftrag-der-krankenkassen, zuletzt aufgerufen am 19.5.2021, wonach von den bis zum 31.12.2019 geflossenen 133,6 Mio Euro an Beitragsmitteln bis dahin nur 39,2 Mio Euro verausgabt wurden). Diese verbleiben folglich dauerhaft im Bundeshaushalt und damit dem Zugriff der Sozialversicherung entzogen. Die Zahlungspflicht des Klägers ist insofern - worauf dieser zutreffend hinweist - von der Aufgabenerfüllung durch die BZgA abgekoppelt. Dieser Umstand wiegt umso schwerer, als die BZgA Leistungen auch dann erbringt, wenn die Vereinbarung nach § 20a Abs 4 Satz 1 SGB V nicht (rechtzeitig) zustande kommt (§ 20a Abs 4 Satz 2 SGB V). Sie hat dann lediglich die vom GKV-Spitzenverband festgelegten Handlungsfelder und Kriterien nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB V, die Rahmenvereinbarungen nach § 20f SGB V sowie das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V zu beachten. Der GKV-Spitzenverband hat in diesem Fall keine weitergehende Möglichkeit, Inhalt und Umfang des Auftragsverhältnisses konkret zu bestimmen. Das wiederum ist problematisch, weil auch das Gesetz in § 20a Abs 3 und 4 SGB V Inhalt und Umfang der Aufgaben der BZgA nur vage umreißt (s oben <d>).
Die BZgA hat damit hinsichtlich der Vereinbarung nach § 20a Abs 4 Satz 1 SGB V eine ganz erhebliche Verhandlungsmacht, die es ihr ermöglicht, Inhalt und Umfang des Auftragsverhältnisses weitgehend mitzubestimmen. Denn sie ist für ihr Tätigwerden und den Vergütungsanspruch auf die Vereinbarung nicht angewiesen und könnte auch bei einem Scheitern der Verhandlungen Inhalt und Umfang ihrer Tätigkeit weitgehend frei bestimmen (vgl Kemmler in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 61, 76). Ein gesetzliches Auftragsverhältnis, dessen Inhalt und Umfang der Auftragnehmer weitgehend mitbestimmen oder gar diktieren kann und für das er eine hiervon unabhängige jährliche Vergütung erhält, ist letztlich aber nichts anderes als die Einräumung einer originären gesetzlichen Zuständigkeit, für die es vorliegend im Rahmen der Sozialversicherung gerade keine Kompetenzgrundlage gäbe (s oben <1>; vgl in diesem Sinne auch Schuler-Harms in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein, aaO, S 13, 31).
Die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen des § 20a Abs 3 und 4 SGB V kann auch nicht allein davon abhängen, ob eine Vereinbarung nach § 20a Abs 4 Satz 1 SGB V tatsächlich zustande kommt und wie diese inhaltlich ausgestaltet ist. Sie wäre dann vorliegend allein an das Verhalten der BZgA gebunden.
Dass der Kernbereich der Selbstverwaltungskompetenz der KKn erhalten bleibt, weil der GKV-Spitzenverband die Handlungsfelder und Kriterien der Leistungen zur Prävention und Gesundheitsförderung, die der Beauftragung der BZgA zugrunde liegen, gemäß § 20 Abs 2 SGB V selbst festlegt (vgl Gutachten WD 9-128/14 der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags 2015, S 11; Luik in Krauskopf, SozKV/PV, § 20a SGB V RdNr 17, Stand März 2020), ändert nichts daran, dass sich auch im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung nicht ausreichend sicherstellen lässt, dass die BZgA tatsächlich nur intern unterstützende Aufgaben unter Aufsicht des GKV-Spitzenverbandes übernimmt und dass die Vergütung auch tatsächlich für die Erfüllung des Auftrages eingesetzt wird und nicht dauerhaft bei der BZgA verbleibt. Allein darauf kommt es aber für die Verfassungsmäßigkeit an.
bb) Die Verfassungswidrigkeit von § 20a Abs 3 und 4 SGB V berechtigte den Kläger, die Auszahlung der gesetzlich festgelegten Vergütung an die BZgA zu verweigern.
(1) Ob die an "Gesetz und Recht" gebundenen Verwaltungsorgane (vgl Art 20 Abs 3 GG; § 29 Abs 3 SGB IV) für verfassungswidrig gehaltene einfachgesetzliche Normen unangewendet lassen dürfen, ist allgemein umstritten (offengelassen in BVerfG vom 10.12.2009 - 1 BvR 3151/07 - BVerfGK 16, 418, 442, juris RdNr 79; BVerwG vom 31.1.2001 - 6 CN 2/00 - juris RdNr 23; für eine Verwerfungskompetenz Sachs in Sachs, GG, 8. Aufl 2018, Art 20 RdNr 97; Horn, Die Grundrechtsbindung der Verwaltung, in Festschrift Stern, 2012, 353 ff; ausführlich Hutka, Gemeinschaftsrechtsbezogene Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der deutschen Verwaltung gegenüber Rechtsnormen nach europäischem Gemeinschaftsrecht und nach deutschem Recht, 1997, S 129 ff; gegen eine Verwerfungskompetenz BGH vom 16.4.2015 - III ZR 333/13 - BGHZ 205, 63, juris RdNr 40; BFH vom 12.5.2009 - IX R 45/08 - BFHE 225, 299, juris RdNr 8; Gärditz in Friauf/Höfling, GG, Art 20 (6. Teil) (2011) RdNr 108 ff; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl 2020, Art 20 RdNr 50a; Gril, JuS 2000, 1080 ff; Ossenbühl, Handbuch Staatsrecht, 3. Aufl 2007, § 101 RdNr 5; Sommermann in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl 2018, Art 20 RdNr 257; ausführlich Wehr, Inzidente Normverwerfung durch die Exekutive, 1998, S 107 ff, 180 ff; speziell für die Sozialversicherungsträger und die Aufsichtsbehörden auch Stößner, Die Staatsaufsicht in der Sozialversicherung, 2. Aufl 1978, S 58; differenzierend Schultze-Fielitz in Dreier, GG, 3. Aufl 2015, Art 20 (Rechtsstaat) RdNr 98; Grzeszick in Maunz/Dürig, GG, Art 20 RdNr 51, Stand Dezember 2007).
(2) Ungeachtet dieses allgemeinen Meinungsstreits folgt die Prüfungs- und Nichtanwendungskompetenz des Klägers in dem vorliegenden Zusammenhang aus der (einfachrechtlichen) Zuweisung eines gegen kompetenzwidrige Übergriffe der unmittelbaren Staatsverwaltung geschützten Kompetenzbereichs im Rahmen der Sozialversicherung.
Zwar sind öffentlich-rechtliche Körperschaften im Allgemeinen und Sozialversicherungsträger und gesetzliche KKn im Besonderen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht grundrechtsfähig (vgl BVerfG vom 9.4.1975 - 2 BvR 879/73 - BVerfGE 39, 302, 312 ff, juris RdNr 65 ff; BVerfG vom 9.6.2004 - 2 BvR 1248/03 - SozR 4-2500 § 266 Nr 7, juris RdNr 25 ff; BVerfG vom 31.1.2008 - 1 BvR 2156/02 - BVerfGK 13, 276 = SozR 4-2500 § 4 Nr 1, juris RdNr 3; BVerfG vom 11.12.2008 - 1 BvR 1665/08 - juris RdNr 4 ff; vgl auch BSG vom 30.10.2019 - B 6 KA 9/18 R - BSGE 129, 220 = SozR 4-2500 § 106a Nr 25, RdNr 24). Sie sind nur organisatorisch verselbstständigte Teile der Staatsgewalt und üben der Sache nach mittelbare Staatsverwaltung aus. Es fehlt ihnen eine besondere Zuordnung zu dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich, wie das etwa bei Universitäten und Rundfunkanstalten der Fall ist (vgl BVerfG vom 9.4.1975, aaO, S 314, juris RdNr 70; BVerfG vom 9.6.2004, aaO, RdNr 37). Auch gewährleistet Art 87 Abs 2 GG keine der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie vergleichbare Garantie der sozialen Selbstverwaltung (s oben aa <1>). Das Recht zur Selbstverwaltung wird den Trägern der Sozialversicherung vielmehr durch § 29 SGB IV nur einfachgesetzlich eingeräumt und besteht gemäß § 29 Abs 3 SGB IV nur im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen für den Versicherungsträger maßgebenden Rechts, kann also auch durch Gesetz eingeschränkt werden (vgl BVerfG vom 1.9.2000, aaO, RdNr 12; BSG vom 15.6.1983 - 9b/8 RU 46/81 - SozR 2200 § 690 Nr 6, juris RdNr 14; BSG vom 13.7.1999 - B 1 A 2/97 R - SozR 3-2700 § 144 Nr 1 = SozR 3-7223 Art 8 § 1 Nr 1, juris RdNr 16 mwN).
Allerdings ist den KKn als Sozialversicherungsträgern mit der gesetzlichen Zuerkennung des Körperschaftsstatus und der Zuweisung von Selbstverwaltung (§ 29 Abs 1 SGB IV, § 4 Abs 1 SGB V) einfachrechtlich eine rechtlich geschützte Kompetenzsphäre zugewiesen, die verfassungsrechtlich durch Art 87 Abs 2 GG gebilligt und anerkannt wird (vgl Axer, NZS 2017, 601, 605 f; Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S 503 f; s dazu auch oben bb <1>). Ausfluss dessen sind unter anderem die grundsätzliche Beschränkung der Aufsicht über die Sozialversicherungsträger auf eine Rechtsaufsicht (§ 87 Abs 1 SGB IV) und der Grundsatz der maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht (vgl Axer, aaO; zum Grundsatz der maßvollen Aufsicht vgl BSG vom 26.8.1983 - 8 RK 29/82 - BSGE 55, 277, 280 = SozR 2100 § 69 Nr 3 S 4, juris RdNr 17; BSG vom 11.8.1992 - 1 RR 7/91 - BSGE 71, 108, 110 = SozR 3-2400 § 69 Nr 1 S 3, juris RdNr 12 f; BSG vom 20.3.2018 - B 1 A 1/17 R - BSGE 125, 207 = SozR 4-2400 § 35a Nr 5, RdNr 16). Gegen Verstöße hiergegen können sich Selbstverwaltungskörperschaften mit der Aufsichtsklage gemäß § 54 Abs 3 SGG gerichtlich zur Wehr setzen. Ihre Rechtsposition ist insofern gegenüber Kompetenzübergriffen der unmittelbaren Staatsverwaltung einfachrechtlich wehrfähig ausgestaltet (allgemein zur "Wehrfähigkeit" verselbstständigter Rechtspositionen gegenüber anderen Hoheitsträgern mit Blick auf das einer Verwaltungseinheit zugewiesene gemeinwohlorientierte Sachinteresse vgl BSG vom 16.7.2019 - B 12 KR 6/18 R - BSGE 128, 277 = SozR 4-2400 § 7a Nr 12, RdNr 50; BVerwG vom 27.9.2018 - 7 C 23/16 - juris RdNr 14 mwN).
Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig, ihnen auch im Hinblick auf die Überschreitung der dem Gesetzgeber durch Art 74 Abs 1 Nr 12 GG und Art 87 Abs 2 GG gesetzten Kompetenzgrenzen eine eigene Prüfungs- und ggf Nichtanwendungskompetenz zuzugestehen, um auf diese Weise zumindest mittelbar - etwa wie vorliegend im Rahmen eines Aufsichtsverfahrens - eine gerichtliche Überprüfung des anzuwendenden Rechts am Maßstab des Grundgesetzes und ggf eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs 1 GG erwirken zu können (vgl auch BSG vom 13.7.1999 - B 1 A 2/97 R - SozR 3-2700 § 144 Nr 1 = SozR 3-7223 Art 8 § 1 Nr 1, juris RdNr 14 ff; ferner Hoehl, jurisPR-SozR 22/2007 Anm 1).
Dafür spricht auch, dass anderenfalls Kompetenzüberschreitungen des Gesetzgebers im Bereich der Sozialversicherung unterhalb der Beitragssatzrelevanz regelmäßig folgenlos blieben (vgl eingehend dazu mit Kritik an der Rspr des BVerfG und des BSG Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S 655 ff; speziell zu § 20a SGB V vgl Wenner in Prütting, Medizinrecht, 5. Aufl 2019, § 20a SGB V RdNr 2). Die Mitglieder der Sozialversicherung haben nach der Rechtsprechung des BVerfG nur dann einen Anspruch auf eine verfassungsgerichtliche Überprüfung einer bestimmten Mittelverwendung, wenn sich diese in rechtlich erheblicher Weise (und nicht nur reflexhaft) auf ihre Beitragspflicht, dh die Höhe des konkreten Beitragssatzes, auswirkt (vgl BVerfG vom 22.5.2018 - 1 BvR 1728/12 - BVerfGE 149, 50 RdNr 68 ff, 88; zur Klagebefugnis vor den Sozialgerichten in diesen Fällen vgl BSG vom 29.2.2012 - B 12 KR 10/11 R - BSGE 110, 161 = SozR 4-4200 § 46 Nr 3, RdNr 13 f mwN). Insofern besteht auch kein Bedürfnis für die Herleitung der Grundrechtsfähigkeit der KKn aus deren Funktion als Sachwalter des einzelnen Mitglieds bei der Wahrnehmung dessen Grundrechte (vgl BVerfG vom 9.6.2004, aaO, RdNr 36 mwN). Allerdings greift diese Argumentation unterhalb einer Beitragssatz- und damit auch der Grundrechtsrelevanz nicht. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen es um die Zweckentfremdung von Beitragsmitteln in Höhe von über 30 Millionen Euro geht, die sich aber gleichwohl bei einem Betrag von 45 Cent pro Versichertem noch nicht nachweisbar auf den Beitragssatz auswirkt, hat der einzelne Versicherte keine Möglichkeit, die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung gerichtlich überprüfen zu lassen. Insofern besteht ein auch im Rechtsstaatsprinzip begründetes Bedürfnis, den Sozialversicherungsträgern ungeachtet ihrer fehlenden eigenen Grundrechtsfähigkeit die Möglichkeit einzuräumen, im Interesse der Gesamtheit ihrer Mitglieder eine gerichtliche Prüfung gesetzlicher Regelungen auf ihre Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Sozialversicherung herbeizuführen. Denn die Mitglieder der Sozialversicherungsträger unterliegen in aller Regel der Versicherungs- und Beitragspflicht, die schon für sich betrachtet einen erheblichen Eingriff in das durch Art 2 Abs 1 GG gewährleistete Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit begründet und deshalb - anders als im Bereich steuerfinanzierter unmittelbarer Sozialstaatsverwaltung - erhöhte Anforderungen an die Ausgestaltung des Beitragsrechts sowie die Mittelverwendung stellt (vgl auch BVerfG vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25, 42 f = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, juris RdNr 50 f).
3. An der Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist der Senat gehindert. Die Voraussetzungen einer konkreten Normenkontrolle nach Art 100 Abs 1 GG liegen nicht vor. Da es für die Aufsichtsmaßnahme der Beklagten auch an einer Rechtsgrundlage fehlt, ist die Entscheidung des Senats von der Verfassungsmäßigkeit des § 20a Abs 3 und 4 SGB V nicht abhängig (vgl BVerfG vom 29.10.2020 - 1 BvL 7/17 - juris RdNr 9).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1, § 161 Abs 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und Abs 4 Nr 2 sowie § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 GKG.