Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 29.06.2021, B 12 KR 38/19 R

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Mai 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Mitgliedschaft der Klägerin bei der zu 1. beklagten Krankenkasse (im Folgenden: Beklagte) und der zu 2. beklagten Pflegekasse in den Zeiträumen vom 1.4.2007 bis zum 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis zum 31.1.2011 sowie insoweit zu entrichtende Beiträge und Säumniszuschläge.

Die Klägerin war (nur) bis Ende 2004 sowie im Jahr 2008 bei den Beklagten familienversichert (bestandskräftige Bescheide vom 29.11.2011 und 2.4.2014; Widerspruchsbescheid vom 17.12.2014; Teilanerkenntnis der Beklagten in der nichtöffentlichen Sitzung des SG Bayreuth vom 11.12.2014). Im Januar 2011 wählte sie die Mitgliedschaft bei der Techniker Krankenkasse (TK). Mit (weiterem) Bescheid vom 29.11.2011 teilte die Beklagte der Klägerin den Beginn ihrer (beitragspflichtigen) Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) zum 1.4.2007 sowie die für den zurückliegenden Zeitraum zu zahlenden Beiträge in Höhe von (iHv) 7407,39 Euro mit. Mit "Zahlungserinnerung/Leistungsbescheid" vom 23.1.2012 wurden ein "Saldo" iHv 6604,11 Euro sowie Säumniszuschläge von insgesamt 312,50 Euro festgesetzt. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 8.5.2012).

Das SG Bayreuth hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 25.1.2019). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen LSG am 27.5.2019 eine "Beitragsforderung einschließlich der Säumniszuschläge" von 4251,95 Euro festgestellt. Sodann hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin sei im streitigen Zeitraum nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 12 SGB XI in der GKV und sPV versicherungspflichtig gewesen, weil sie keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gehabt habe. Sie sei aufgrund der Familienversicherung zuletzt bei den Beklagten versichert gewesen und deshalb deren Mitglied geworden. Ein Krankenkassenwahlrecht habe ihr nicht zugestanden. Gegen die Festsetzung der Beitragshöhe und Säumniszuschläge beständen keine Bedenken (Urteil vom 27.5.2019).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 174 Abs 5 Halbsatz 2 SGB V (idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes <GKV-WSG> vom 26.3.2007, BGBl I 378) in Verbindung mit (iVm) § 173 Abs 1 SGB V. Danach werde sie Mitglied der von ihr gewählten Krankenkasse. Sie habe das mit Wegfall der Familienversicherung entstandene Krankenkassenwahlrecht nicht nur für die Zukunft, sondern auch für den Fall des Eintritts einer rückwirkenden Versicherungspflicht mit Wirkung für den zurückliegenden Zeitraum ausgeübt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Mai 2019 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25. Januar 2019 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. November 2011 und 23. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Mai 2012 sowie des Änderungsbescheids vom 27. Mai 2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Verweis auf das Krankenkassenwahlrecht in § 174 Abs 5 Halbsatz 2 SGB V beziehe sich lediglich auf Versicherungspflichtige, die zuvor nicht gesetzlich krankenversichert gewesen seien. Die frühere Rechtsprechung, nach der den Betroffenen bei Wegfall der Familienhilfe nach der Reichsversicherungsordnung ein Wahlrecht zwischen dem Abschluss einer privaten Krankenversicherung und dem freiwilligen Beitritt zur GKV zugestanden habe, sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). In der unterbliebenen Beiladung der TK liegt kein Verfahrensfehler (hierzu 1.). Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 29.11.2011 und 23.1.2012 in der Fassung (idF) des Widerspruchsbescheids vom 8.5.2012 sowie des Bescheids der Beklagten aus der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 27.5.2019 sind rechtmäßig, soweit ein beitragspflichtiges Mitgliedschaftsverhältnis der Klägerin zu den Beklagten für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis zum 31.1.2011 festgestellt worden ist (hierzu 2.). Ob die Beiträge der Höhe nach und daran anknüpfend Säumniszuschläge zu Recht erhoben worden sind, kann der Senat allerdings nicht abschließend entscheiden (hierzu 3.).

1. Die im Januar 2011 von der Klägerin gewählte TK war nicht notwendig beizuladen. Nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG sind Dritte beizuladen, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das setzt voraus, dass durch die begehrte Sachentscheidung oder durch deren Abweisung gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte oder Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet, bestätigt, festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 23.9.2020 - B 5 RE 2/20 B - SozR 4-1500 § 75 Nr 33 RdNr 7 mwN). Zwar beruft sich die Klägerin auf ihre rückwirkend begründete Mitgliedschaft bei der TK. Dem Rechtsstreit liegt aber eine reine Anfechtungsklage zugrunde, mit der allein die Aufhebung der Festsetzung von Beiträgen zur GKV und sPV sowie Säumniszuschlägen aufgrund einer Mitgliedschaft bei den Beklagten begehrt wird. Die Entscheidung darüber greift nicht unmittelbar in die Rechtssphäre der TK ein. Da eine Leistungspflicht nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist, kommt auch eine notwendige Beiladung nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG nicht in Betracht. Damit ist für eine Beiladung im wiedereröffneten Berufungsverfahren ebenfalls kein Raum.

2. In den Zeiträumen vom 1.4.2007 bis zum 31.12.2007 und vom 1.1.2009 bis zum 31.1.2011 war die Klägerin versicherungs- und beitragspflichtiges Mitglied der Beklagten. Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger (§ 5 SGB V) und Versicherungsberechtigter (§ 9 SGB V) wird in der GKV nach § 173 Abs 1 SGB V (idF des GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378; im Folgenden ist diese Fassung gemeint, soweit nichts anderes angegeben ist) in der Regel durch die von ihnen ausgeübte Wahl einer Krankenkasse bestimmt. Allerdings gilt die Wahlfreiheit nach dieser Vorschrift nur, soweit ua die nachfolgenden Vorschriften nichts Abweichendes bestimmen. Für Personen, die der Auffangversicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V unterliegen, enthält § 174 Abs 5 SGB V (seit 1.4.2020: § 174 Abs 3 SGB V) eine solche abweichende Bestimmung. Danach werden "abweichend von § 173 SGB V" Versicherungspflichtige nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V Mitglied der Krankenkasse oder des Rechtsnachfolgers der Krankenkasse, bei der sie zuletzt versichert waren (Halbsatz 1 Alt 1), andernfalls werden sie Mitglied der von ihnen nach § 173 Abs 1 SGB V gewählten Krankenkasse (Halbsatz 1 Alt 2); § 173 SGB V gilt (Halbsatz 2). Die Klägerin war in den streitigen Zeiträumen versicherungspflichtig nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V (hierzu a). Sie war zuletzt bei der Beklagten versichert und ist deshalb nach § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 SGB V Mitglied der Beklagten geworden (hierzu b), während § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 2 SGB V keine Anwendung findet (hierzu c). § 174 Abs 5 Halbsatz 2 SGB V führt zu keinem anderen Ergebnis (hierzu d). Frühere Rechtsprechung des BSG steht dem nicht entgegen (hierzu e). Die Beklagte zu 2. ist die zuständige Pflegekasse (hierzu f).

a) Die Klägerin unterlag in den streitigen Zeiträumen der Auffangversicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V. Seit deren Einführung zum 1.4.2007 (durch das GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) sind in der GKV Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 5 Abs 5 SGB V oder den in § 6 Abs 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Die Voraussetzungen von Buchst a) sind hier erfüllt.

Die Klägerin hatte in beiden streitigen Zeiträumen keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Sie war auch bis Ende 2004 sowie im Jahr 2008 familienversichert und damit vor dem 1.4.2007 sowie dem 1.1.2009 jeweils zuletzt gesetzlich krankenversichert. Dass die Familienversicherung nicht bis zum 31.3.2007 andauerte, ist ohne Bedeutung. Eine unmittelbar vorangehende Absicherung in der GKV ist für den Eintritt der Auffangversicherungspflicht nicht erforderlich. Es genügt, dass die letzte Absicherung im Krankheitsfall vor Beginn der Auffangversicherungspflicht eine solche in der GKV war (vgl Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, 02/21, § 5 RdNr 475a f; Felix in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 5, Stand 16.9.2020, RdNr 130). Entsprechend ihrem Zweck, Personen ohne anderweitigen Krankenversicherungsschutz entweder der gesetzlichen oder der privaten Krankenversicherung zuzuweisen, entsteht die Auffangversicherungspflicht kraft Gesetzes nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V grundsätzlich dann, wenn nicht zuletzt eine private Absicherung im Krankheitsfall bestanden hat (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 21.12.2011 - B 12 KR 13/10 R - SozR 4-2500 § 5 Nr 15 RdNr 16 ff; BSG Urteil vom 12.1.2011 - B 12 KR 11/09 R - BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13, RdNr 16).

b) Als Auffangpflichtversicherte ist die Klägerin nach § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 SGB V Mitglied der Beklagten geworden. Während die Versicherungspflicht die Systemzugehörigkeit zur GKV festlegt, bestimmt das Mitgliedschaftsverhältnis die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesetzlichen Krankenkasse. Dabei sind für Zeiten der Versicherungspflicht sowohl Doppelmitgliedschaften als auch Zeiten ohne zuständige Krankenkasse zu vermeiden (vgl Hupertz in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Band 4, 19. Aufl, Stand Oktober 2020, § 173 SGB V, RdNr 3). Deshalb entsprechen die Mitgliedschaftszeiten für Auffangpflichtversicherte grundsätzlich den Zeiten der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V. Die Mitgliedschaft der Klägerin aufgrund ihrer Auffangversicherungspflicht begann daher zunächst mit deren gesetzlichen Einführung zum 1.4.2007 (§ 186 Abs 11 Satz 3 SGB V) und endete mit Ablauf des 31.12.2007 aufgrund der zum 1.1.2008 erneut begründeten Familienversicherung (§ 190 Abs 13 Satz 1 Nr 1 SGB V). Diese endete mit Ablauf des 31.12.2008, sodass zum 1.1.2009 erneut die Mitgliedschaft der Klägerin in der GKV aufgrund Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V begann (§ 186 Abs 11 Satz 1 SGB V).

Die Mitgliedschaften als Auffangpflichtversicherte wurden bei der Beklagten und nicht der TK begründet. Für Versicherungspflichtige nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V regelt § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 SGB V eine gesetzliche Zuweisung zu der Krankenkasse oder zu dem Rechtsnachfolger der Krankenkasse, bei der sie "zuletzt versichert" waren. Damit knüpft der Wortlaut von § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 SGB V erkennbar an den Wortlaut von § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V an. Personen, die ohne Absicherung im Krankheitsfall sind, aber zuletzt gesetzlich krankenversichert waren, werden der Krankenkasse oder dem Rechtsnachfolger der Krankenkasse zugewiesen, bei der sie zuletzt krankenversichert waren. Da beide Vorschriften nicht auf eine frühere eigenständige Mitgliedschaft, sondern das letzte Versicherungsverhältnis abstellen, ist im Rahmen des § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 SGB V auch eine Familienversicherung ohne eine eigene Mitgliedschaft als das zuletzt bestandene Krankenversicherungsverhältnis ausreichend. Die Familienversicherung nach § 10 SGB V vermittelt einen umfassenden Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Darüber hinaus muss - ebenfalls in Übereinstimmung mit § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V - die zuletzt zuständige Krankenkasse nicht unmittelbar vorher zuständig gewesen sein (vgl Hupertz in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Band 4, 19. Aufl, Stand Oktober 2020, § 174 RdNr 11 f).

c) Die in § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 SGB V normierte gesetzliche Zuweisung zu der Krankenkasse oder zu dem Rechtsnachfolger der Krankenkasse, bei der Versicherungspflichtige nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V zuletzt versichert war, gilt ausdrücklich "abweichend" von den nach § 173 SGB V bestehenden allgemeinen Wahlrechten. Der betroffene Personenkreis wird deshalb nicht Mitglied der von ihnen gewählten Krankenkasse, sondern der normativ festgelegten Krankenkasse. § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 2 SGB V findet demgegenüber keine Anwendung. Danach werden Versicherungspflichtige gemäß § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V "andernfalls" Mitglied der von ihnen nach § 173 Abs 1 SGB V gewählten Krankenkasse, dh nur für den Fall, dass sie nicht zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. Die Vorschrift des § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 2 SGB V geht deshalb nicht ins Leere. Denn § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB V weist auch Personen, die bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, mit bestimmten Ausnahmen der Auffangpflichtversicherung in der GKV zu. Nur den Auffangversicherungspflichtigen, für die ein Versicherungsverhältnis in der GKV vor Beginn der Auffangpflichtversicherung nie bestanden hat, steht insoweit ein Wahlrecht nach § 173 Abs 1 SGB V zu (vgl BSG Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 10/18 R - BSGE 126, 286 = SozR 4-2500 § 175 Nr 5, RdNr 21).

d) Auch § 174 Abs 5 Halbsatz 2 SGB V, nach dem § 173 SGB V und damit das Wahlrecht gilt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Wahl einer Krankenkasse als versicherungsrechtliche Statusentscheidung kann grundsätzlich nur für die Zukunft wirken (zur notwendigen vorausschauenden Betrachtung von Statusentscheidungen im Versicherungsrecht vgl BSG Urteil vom 7.12.2000 - B 10 KR 3/99 R - SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 81 = juris RdNr 29). Die verschiedenen Regelungen des § 174 Abs 5 SGB V dienen der bestmöglichen Umsetzung dieses Grundsatzes.

Die durch § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 SGB V bewirkte Einschränkung des Krankenkassenwahlrechts bei Eintritt der Auffangpflichtversicherung dient dem Zweck, die zuständige Krankenkasse einfach sowie zeitnah feststellen zu können und damit den Krankenversicherungsschutz in der Praxis uneingeschränkt sicherzustellen. Die Leistungserbringung und -abrechnung durch Ärzte, Krankenhäuser und andere Leistungserbringer einerseits sowie die Beitragserhebung andererseits sind zuverlässig entsprechend den gesetzlichen Vorschriften nur gewährleistet, wenn die zuständige Krankenkasse zeitnah zu Beginn der Versicherungspflicht feststeht. Aus diesem Grund haben Versicherungspflichtige nach § 175 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB V der zur Meldung verpflichteten Stelle unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht eine Mitgliedsbescheinigung vorzulegen; bei Überschreiten dieser Frist hat die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen ab Eintritt der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse anzumelden, bei der zuletzt eine Versicherung bestand. Danach steht die Mitgliedschaft bei der zuständigen Krankenkasse zeitnah nach Eintritt der Versicherungspflicht fest. Um dies auch für nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V versicherungspflichtige Personen zu gewährleisten, für die es keine meldepflichtige Stelle gibt (§§ 198 ff SGB V), legt § 174 Abs 5 Halbsatz 1 Alt 1 SGB V die zu Beginn der Auffangversicherungspflicht zuständige Krankenkasse fest. Diese gesetzliche Zuweisung gilt erst recht bei rückwirkender Entstehung der Auffangversicherungspflicht. Bleibt - wie im Fall der Klägerin - nicht nur der Eintritt der Auffangversicherungspflicht längere Zeit unentdeckt, sondern auch das Ende der vorherigen Versicherung (hier der Familienversicherung), werden regelmäßig weiterhin Leistungen von der Krankenkasse erbracht, zu der zuletzt ein Versicherungsverhältnis bestand. Die Rückabwicklung von Versicherungsverhältnissen, in denen bereits Leistungen erbracht worden sind, sieht das Gesetz aber grundsätzlich nicht vor (vgl § 26 Abs 2 SGB IV). Mit Eintritt der Auffangpflichtversicherung wird daher die Mitgliedschaft vorrangig gesetzlich festgelegt und den Betroffenen die Krankenkasse zugewiesen, bei der sie zuletzt versichert waren.

Bei dieser Auslegung läuft die Regelung des § 174 Abs 5 Halbsatz 2 SGB V nicht leer. Vielmehr gilt das Krankenkassenwahlrecht nach § 173 SGB V auch für Versicherungspflichtige nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB V (vgl hierzu zB R Klein in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 174 SGB V, Stand 15.6.2020, RdNr 16). Es kann aber grundsätzlich nur Wirkungen für die Zukunft entfalten und ermöglicht regelmäßig nur einen Krankenkassenwechsel. Die erst im Januar 2011 von der Klägerin erklärte Wahl der TK konnte deshalb nicht vor Ablauf dieses Monats wirksam werden. Denn eine Kündigung der bisherigen Mitgliedschaft ist nach § 175 Abs 4 Satz 2 SGB V nur zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt.

e) Der Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten in der hier streitigen Zeit steht frühere Rechtsprechung des BSG nicht entgegen. Der 10. Senat des BSG hat zwar für den Fall der Rückabwicklung einer fehlerhaften Familienversicherung den rückwirkenden Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung für möglich erachtet (Urteil vom 7.12.2000 - B 10 KR 3/99 R - SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 83 = juris RdNr 37 ff). Zudem hat der 4. Senat des BSG Personen, für die der Anspruch auf Familienhilfe aufgrund einer Gesetzesänderung durch das Gesundheits-Reformgesetz vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) entfallen war, die Wahl eingeräumt, sich privat zu versichern oder freiwillig in der GKV zu verbleiben, um einen lückenlosen Versicherungsschutz zu gewährleisten (Urteil vom 16.11.1995 - 4 RK 1/94 - BSGE 77, 86, 89 ff = SozR 3-5405 Art 59 Nr 1 S 4 ff = juris RdNr 25 ff). Beide Entscheidungen betreffen aber die Rechtslage vor Einführung der Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V und sind insoweit überholt, als inzwischen ein lückenloser Krankenversicherungsschutz durch die Regelungen zur Auffangpflichtversicherung sichergestellt ist, auch wenn das Ende einer Familienversicherung rückwirkend festgestellt wird. Unabhängig davon geht es im Fall der Klägerin nicht um die Wahl zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung, sondern um die zuständige Krankenkasse innerhalb der GKV.

f) Die Beklagte zu 2. ist die zuständige Pflegekasse. Die Versicherungspflicht der Klägerin in der sPV ergibt sich für beide Zeiträume aus § 20 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 12 SGB XI (idF des GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378, und des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung vom 18.12.2007, BGBl I 2984); ihre Mitgliedschaft bei der zu 2. beklagten Pflegekasse folgt aus § 48 Abs 1 Satz 1 SGB XI. Danach ist für die Durchführung der sPV jeweils die Pflegekasse zuständig, die bei der Krankenkasse errichtet ist, bei der eine Pflichtmitgliedschaft oder freiwillige Mitgliedschaft besteht.

3. Nicht abschließend entscheiden kann der Senat über die Beitragshöhe und die Säumniszuschläge. Die Beklagte hat zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG erklärt, "dass aufgrund des von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisses bezüglich der Durchführung der Familienversicherung im Jahre 2008 die Beitragsforderung einschließlich der Säumniszuschläge 4.251,94 Euro betrage". Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung hierüber sowie über die Erhebung von Säumniszuschlägen allerdings verwehrt, weil es insoweit an Feststellungen des LSG zu den tatsächlichen Grundlagen der jeweiligen Festsetzung fehlt.

4. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Heinz                       Padé                       U. Waßer

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