Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 08.12.2022, B 2 U 14/20 R

Gesetzliche Unfallversicherung - Unfallversicherungsschutz gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 12 SGB VII - Betriebsweg - unentgeltliche Tätigkeit - ehrenamtliche Tätigkeit - Beschäftigung - vereinsrechtliche Pflichten - Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen - Hilfeleistungsunternehmen - Interesse der Allgemeinheit - Unglücksfall - Deutsches Rotes Kreuz - Ortsverein - Bundesverband - Vorsitzender - Mitglied - innerer Zusammenhang - Kernbereich - wesentlich dienende Tätigkeit - Generalversammlung - Teilnahme - Beziehungspflege - gegenseitiger Austausch - Grußwort - Handlungstendenz - Typusmerkmale

Leitsätze

1. Angehörige des Deutschen Roten Kreuzes stehen bei einer unentgeltlichen Tätigkeit, die den Zwecken dieses Unternehmens wesentlich dient, kraft Gesetzes unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, auch wenn die Tätigkeit nicht ehrenamtlich verrichtet wird.

2. Eine wesentlich dienende Tätigkeit kann auch die Teilnahme an Veranstaltungen eines anderen Unternehmens zur Hilfe bei Unglücksfällen sein.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. April 2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Mitglied des Deutschen Roten Kreuzes eV (DRK) auf dem Weg zu der Generalversammlung eines befreundeten Ortsverbandes einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Der Kläger ist ehrenamtlicher Vorsitzender des DRK-Ortsvereins T eV (Ortsverein T), der seit 25 Jahren eine Freundschaft mit dem DRK-Ortsverein B eV (Ortsverein B) pflegt. Die Mitglieder der Ortsvereine besuchen sich regelmäßig wechselseitig zu ihren Generalversammlungen und führen gemeinsame Veranstaltungen durch. Auf Einladung fuhren der Kläger und fünf weitere Mitglieder seines Ortsvereins am Abend des 18.3.2017 im Mannschaftsbus zu der Generalversammlung des befreundeten Ortsvereins. Auf der Autobahn kollidierte der Mannschaftsbus mit einem anderen Fahrzeug. Ein Vereinsmitglied wurde getötet, die anderen Insassen wurden zum Teil schwer verletzt. Der Kläger erlitt ein Hochrasanztrauma mit Schädelprellung und Schulterprellung links.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil die Teilnahme an der Generalversammlung des befreundeten Ortsvereins nicht den wesentlichen Zwecken des DRK gedient habe (Bescheid vom 7.6.2017; Widerspruchsbescheid vom 13.9.2017). Die dagegen gerichtete Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg (Urteil des SG vom 20.11.2018; Urteil des LSG vom 30.4.2020). Zur Begründung haben die Vorinstanzen im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe in seiner Funktion als Vorsitzender ein Grußwort halten und gegebenenfalls Absprachen über weitere gemeinsame Termine treffen wollen und so mit der geplanten Teilnahme sowohl repräsentative als auch organisatorische Belange des DRK verfolgt. Zudem sei er der satzungsgemäßen Verpflichtung nach enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit allen Verbänden des DRK und deren Mitgliedern nachgekommen.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung insbesondere materiellen Rechts (§ 8 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Nr 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII). Bei der Teilnahme an der Generalversammlung sei von einem unversicherten, rein gesellschaftlichen Anlass beziehungsweise der Pflege rein freundschaftlicher Beziehungen auszugehen.

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. April 2020 sowie des Sozialgerichts Freiburg vom 20. November 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat zu Recht die Berufung der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1 und 3, § 56 SGG) ist zulässig und begründet, denn die Ablehnungsentscheidung in dem Bescheid vom 7.6.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.9.2017 (§ 95 SGG) ist rechtswidrig und beschwert den Kläger (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte ist verpflichtet, das Ereignis vom 18.3.2017 als Arbeitsunfall anzuerkennen. 

A. Der Anspruch richtet sich hier unabhängig davon, ob der Kläger nur für seinen Ortsverein oder möglicherweise auch für den Ortsverein B jeweils als Unternehmen iS von § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII hat tätig werden wollen, gegen die für beide Unternehmen sachlich zuständige Beklagte. Nach § 125 Abs 1 Nr 5 SGB VII ist die beklagte Unfallversicherung Bund und Bahn zuständig für die in den Gemeinschaften des DRK ehrenamtlich Tätigen sowie für sonstige beim DRK mit Ausnahme der Unternehmen des Gesundheitswesens und der Wohlfahrtspflege Tätige (s auch § 3 Abs 1 Nr 4 der Satzung der Beklagten vom 25.3.2015, zuletzt idF des 6. genehmigten Nachtrags vom 23.11.2021). Dafür ist es nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger für eine "Gemeinschaft" des DRK und "ehrenamtlich" tätig war. Denn die Mitglieder der Ortsvereine sind jedenfalls sonstige beim DRK Tätige iS von § 125 Abs 1 Nr 5 SGB VII (vgl zum Streitstand Triebel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, § 125, RdNr 39 mwN, Stand 15.1.2022; allg Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, § 125 RdNr 25 f, Stand Januar 2017). Eine Tätigkeit für ein Unternehmen des Gesundheitswesens oder der Wohlfahrtspflege (dazu § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII) war demgegenüber hier nicht gegeben. Auch kommt es grundsätzlich nicht darauf an, welchem Orts- oder Landesverband die Mitglieder konkret angehören. Die Landesverbände vermitteln als Mitgliedsverbände des DRK ihren und den Mitgliedern der nachgeordneten Kreis- und Ortsvereine im DRK (Bundesverband) die Mitgliedschaft (s Präambel Abs 6 sowie § 3 Abs 2, 3 der Bundessatzung des DRK vom 20.3.2009, zuletzt idF vom 20.11.2021). Die damit grundsätzlich - mit Ausnahme der Unternehmen des Gesundheitswesens und der Wohlfahrtspflege - bundesweite Zuständigkeit der beklagten Unfallversicherung Bund und Bahn für die für das DRK Tätigen steht im Kontext des umfassenden beitragsfreien Versicherungsschutzes auf Kosten des Bundes (§ 186 Abs 3 Satz 3 iVm § 125 Abs 1 Nr 5 SGB VII; zur Sonderstellung des Bayerischen Roten Kreuzes Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, § 125 RdNr 22, Stand Januar 2017).

B. Der Kläger hat als Mitglied eines DRK-Ortsvereins in Verrichtung einer Tätigkeit für diesen als ein Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen (Hilfeleistungsunternehmen) einen Arbeitsunfall erlitten, als er auf der Fahrt zu der Generalversammlung des befreundeten DRK-Ortsvereins verunglückt ist.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlichen begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; stRspr, zB BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 2 U 16/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 8 Nr 82 vorgesehen; BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 2 U 8/20 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 58 vorgesehen; BSG Urteil vom 31.3.2022 - B 2 U 13/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE 134, 109 und SozR 4-2700 § 3 Nr 3 vorgesehen; BSG Urteil vom 8.12.2021 - B 2 U 4/21 R - BSGE 133, 180 = SozR 4-2700 § 8 Nr 78, RdNr 12; BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 20; jeweils mwN).

Diese Voraussetzungen sind auf Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG erfüllt. Der Kläger ist infolge einer nach § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII versicherten Tätigkeit verunglückt, weil er sich im Zeitpunkt des Unfalls auf einem Betriebsweg (§ 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII) befand, den er mit der objektivierten Handlungstendenz zurücklegte, für ein Hilfeleistungsunternehmen tätig zu werden. Durch den Unfall hat der Kläger einen Gesundheitsschaden in Form eines Hochrasanztraumas mit Schädelprellung und Schulterprellung links erlitten.

Nach § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII (in der rückwirkend mWv 1.1.1997 geltenden Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze <5. SGB IV-ÄndG> vom 15.4.2015, BGBl I 583; Berichtigung vom 25.6.2015, BGBl I 1008) sind Personen kraft Gesetzes versichert, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen.

Als Mitglied des Ortsvereins T war der Kläger dem Grunde nach versichert, weil er für ein Hilfeleistungsunternehmen (dazu 1.) unentgeltlich tätig war (dazu 2.). Der Kläger war insbesondere ehrenamtlich für das Hilfeleistungsunternehmen tätig (dazu 3.). Im Zeitpunkt des Unfalls war die objektivierte Handlungstendenz des Klägers auf die Verrichtung einer den Zwecken des Hilfeleistungsunternehmens wesentlich dienenden Tätigkeit gerichtet, die daher im inneren Zusammenhang zu der versicherten Tätigkeit stand (dazu 4.). Dass der Kläger zugleich auch den Zwecken des Ortsvereins B gedient hätte, ist für den Versicherungsschutz hier unerheblich (dazu 5.).

1. Hilfeleistungsunternehmen sind solche Unternehmen, die der Abwendung drohender Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit oder der Beseitigung von Unfallfolgen, der Bergung von Toten und Verletzten, dem Transport von Verletzten in ärztliche Behandlung uä dienen (BSG Urteil vom 30.10.1980 - 8a RU 74/78 - SozR 2200 § 653 Nr 4 S 10 = juris RdNr 50). Erfasst werden alle Einrichtungen, deren Zweck es ist, bei Unglücksfällen Dritter aktive Hilfe zu leisten und ihre personellen und sachlichen Mittel gerade zu diesem Zweck einzusetzen (vgl Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaftlich Engagierter und weiterer Personen - UVSchVerbG - vom 29.6.2004, BT-Drucks 15/3439 S 6). Unerheblich ist, in welcher Rechtsform das Hilfeleistungsunternehmen betrieben wird. Auch ist der Unternehmensbegriff weit zu verstehen, erfasst werden alle Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten (vgl § 121 Abs 1 SGB VII; s auch Schwerdtfeger in Lauterbach, SGB VII, § 2 RdNr 397 f, Stand Juli 2015).

Unglücksfälle sind plötzlich eintretende Ereignisse, die Gefahren für Menschen oder Sachen oder beides mit sich bringen. Erfasst sind Unglücksfälle jeder Art, auch Katastrophen und eingetretene Personen- oder Sachschäden (vgl BSG Urteil vom 15.6.2010 - B 2 U 12/09 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 15 RdNr 19; BSG Urteil vom 25.1.1973 - 2 RU 55/71 - BSGE 35, 140, 141 = SozR Nr 39 zu § 539 RVO S  Aa 61 = juris RdNr 17; BSG Urteil vom 20.5.1976 - 8 RU 134/75 - SozR 2200 § 539 Nr 21 S 52 = juris RdNr 15).

Auf der Grundlage dieser Grundsätze sind das DRK (Bundesverband) sowie die in ihm organisierten Landes-, Kreis- und Ortsvereine seit jeher in ihrem Kernbereich typische Hilfeleistungsunternehmen (vgl BSG Urteil vom 11.2.1981 - 2 RU 35/78 - BSGE 51, 176, 177 = SozR 2200 § 653 Nr 5 S 14 = juris RdNr 19; BSG Urteil vom 18.12.1979 - 2 RU 67/77 - BSGE 49, 222, 225 = SozR 2200 § 653 Nr 3 S 7 f = juris RdNr 22; s auch BSG Urteil vom 18.12.1980 - 8a RU 92/79 - SozR 2200 § 539 Nr 75 S 208 f = juris RdNr 16).

2. Der Kläger war als Vorsitzender seines Ortsvereins für den DRK unentgeltlich tätig. § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII schützt umfassend die unentgeltliche Tätigkeit in einem Hilfeleistungsunternehmen, die dem öffentlichen Interesse und Wohl dient.

Unentgeltlich ist eine Leistung, der keine echte Gegenleistung gegenübersteht (vgl BSG Urteil vom 7.9.2004 - B 2 U 45/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 2 RdNr 16) und die "vergütungsfrei" oder "zum Nulltarif", "für Gotteslohn" (Duden, Das Synonymwörterbuch, 6. Aufl 2014) erbracht wird, ohne dass Aufwandsentschädigungen und ein Auslagenersatz dadurch ausgeschlossen würden. Denn letztere stellen keine echte Vergütung dar, sondern führen zu einer im Ergebnis aufkommensneutralen Leistung. So gelten auch steuerfreie Aufwandsentschädigungen und Pauschalen (vgl § 3 Nr 12, 26, 26a EStG) im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht als Arbeitsentgelt (§ 14 Abs 1 Satz 1, § 17 Abs 1 SGB IV iVm § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 16 SvEV; zur Zulässigkeit von Aufwandsentschädigungen und Auslagenersatz vgl BSG Urteil vom 18.12.1974 - 2/8 RU 34/73 - BSGE 39, 24, 29 = SozR 2200 § 539 Nr 4 S 8 = juris RdNr 29; BSG Urteil vom 26.10.1983 - 9b RU 16/82 - SozR 2200 § 539 Nr 95 S 257 = juris RdNr 12). Bei unentgeltlichen Tätigkeiten steht eine Erwerbsabsicht nicht im Vordergrund (BSG Urteil vom 27.4.2021 - B 12 KR 25/19 R - BSGE 132, 97 = SozR 4-2400 § 7 Nr 55, RdNr 28).

Seinem Sinn und Zweck nach führt der Begriff der Unentgeltlichkeit zu dem gewollten weiten Anwendungsbereich der Vorschrift. Im Vordergrund des § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII steht der Schutz von Personen, die nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes tätig werden, sondern sich im Interesse der Allgemeinheit aus ideellen Gründen heraus zum Schutz Einzelner oder der Allgemeinheit einsetzen, ohne eine Gegenleistung dafür zu bekommen. Sie erbringen ihre Tätigkeit nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses iS von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII, sondern freiwillig und gemeinwohlorientiert und verrichten eine gesellschaftlich nützliche und wichtige Arbeit. Die aufopferungsgleiche Tätigkeit, die ansonsten von staatlichen Organen erfüllt werden müsste, ist mehr als nur fremdnützige Freizeitaktivität und Erfüllung von - gesetzlich nicht versicherten - rein mitgliedschaftlichen Pflichten in einem privaten Verein, selbst wenn sich die Art der Tätigkeit nach außen hin nicht oder kaum unterscheidet (zB BSG Urteil vom 23.4.2015 - B 2 U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 33 RdNr 17 mwN). Der umfassende Schutz führt insoweit nicht zu einer zweckwidrigen Versicherung kraft Gesetzes.

Ausgehend von diesem weiten Anwendungsbereich ist der Kläger als Vorsitzender des Ortsvereins T hier unentgeltlich tätig gewesen. Das LSG hat zwar zu der Unentgeltlichkeit keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Es hat aber festgestellt, dass der Kläger ehrenamtlicher Vorsitzender war. Dem Ehrenamt ist die Unentgeltlichkeit immanent (s dazu 3.). Durch die entsprechende Feststellung der ehrenamtlichen Tätigkeit steht daher zugleich die für § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII maßgebliche Unentgeltlichkeit fest. Die unentgeltliche Tätigkeit des Klägers folgt hier ferner der Regelung des § 27 Abs 3 Satz 2 BGB (idF des Gesetzes zur Stärkung des Ehrenamts - Ehrenamtsstärkungsgesetz - vom 21.3.2013 mWv 1.1.2015, BGBl I 556). Danach sind die Mitglieder des Vorstands unentgeltlich tätig (zur klarstellenden Funktion der Einfügung von § 27 Abs 3 Satz 2 BGB vgl BT-Drucks 17/11316 S 16; s auch Westermann in Ermann, BGB, 16. Aufl 2020, § 27 RdNr 6; Plagemann/Hesse, NJW 2015, 439, 440). Entsprechend den Feststellungen des LSG zur Ehrenamtlichkeit der Tätigkeit hat der Ortsverein T ebenso wie der Bundesverband des DRK das gesetzliche Leitbild in seine Satzung übernommen (s zur Ehrenamtlichkeit sowie Nebenamtlichkeit von Organen des Vereins vgl § 18 Abs 2, § 22 Abs 5 der Satzung des Ortsvereins; § 4 Abs 2 der Bundessatzung, aaO) und von der Abweichungsmöglichkeit nach § 40 Satz 1 BGB keinen Gebrauch gemacht.

3. Der Kläger war insbesondere ehrenamtlicher Vorsitzender des Ortsvereins T. Durch die ausdrückliche Aufnahme der ehrenamtlichen Tätigkeit im Hilfeleistungsunternehmen in den Gesetzestext (§ 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII) werden zuverlässig auch die unentgeltlich einmalig tätigen, freiwilligen Helfer erfasst und ungewollte Versicherungslücken mangels ehren-"amtlicher" Tätigkeit verhindert (vgl Schlegel in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 17 RdNr 37 mit Hinweis auf BSG Urteil vom 26.3.1986 - 2 RU 77/84 - juris RdNr 17; vgl zum Wandel im Erscheinungsbild ehren-"amtlicher" Tätigkeiten Butzer in Göcken/Remmers/Vorwerk/Wolf, Festschrift für Ulrich Scharf zum 70. Geburtstag, 2008, 119, 134 f; zu der früher strittigen Einordnung einmaliger oder gelegentlicher Tätigkeiten als "ehrenamtlich" vgl BSG Urteil vom 27.6.1991 - 2 RU 26/90 - SozR 3-2200 § 539 Nr 11 S 43 = juris RdNr 22; BSG Urteil vom 26.10.1983 - 9b RU 16/82 - SozR 2200 § 539 Nr 95 S 258 = juris RdNr 13 ff; s auch BSG Urteil vom 8.12.2022 - B 2 U 19/20 R - juris RdNr mwN - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Durch die beispielhafte Aufnahme in den Gesetzestext wird darüber hinaus die besondere Schutzwürdigkeit dieses Typus (dazu Schlegel in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 13 RdNr 4 ff) hervorgehoben, ohne dadurch den weit gefassten Anwendungsbereich der Norm einzuschränken. Die ausdrückliche Nennung der ehrenamtlich Tätigen stellt die Beachtung des erfassten Personenkreises neben weiteren ehrenamtlich tätigen und kraft Gesetzes versicherten Personen (zB § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst d und e, Nr 10 SGB VII) sicher.

Dieses Normverständnis ergibt sich bereits aus dem Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang der Vorschrift (dazu insbesondere a und b), wird aber vornehmlich durch ihre Entstehungsgeschichte und Zielsetzung (dazu insbesondere c und d) deutlich.

a) Dem Satzbau der Norm, wonach Personen, die "unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich" für ein Hilfeleistungsunternehmen tätig werden, versichert sind, lässt sich bereits entnehmen, dass die ehrenamtliche nur ein Sonderfall der unentgeltlichen Tätigkeit ist. Die ehrenamtliche Tätigkeit ist zwingend unentgeltlich zu erbringen, denn ihre Bezeichnung impliziert bereits, dass sie "der Ehre wegen" und damit ohne Gegenleistung verrichtet wird. Dagegen ist nicht jede unentgeltliche Tätigkeit eine ehrenamtliche (vgl BSG Urteil vom 8.12.2022 - B 2 U 19/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 7.9.2004 - B 2 U 45/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 2 RdNr 16; BSG Urteil vom 10.10.2002 - B 2 U 14/02 R - juris RdNr 23; s auch BSG Urteil vom 27.4.2021 - B 12 KR 25/19 R - BSGE 132, 97 = SozR 4-2400 § 7 Nr 55, RdNr 27 ff; Butzer in Göcken/Remmers/Vorwerk/Wolf, Festschrift für Ulrich Scharf zum 70. Geburtstag, 2008, 119, 131 f).

b) Auch bei systematischer Betrachtung ist die Benennung der insbesondere ehrenamtlichen Tätigkeit rein beispielhaft. Soll der Eigenschaft als unentgeltliche oder als ehrenamtliche Tätigkeit eine eigenständige Bedeutung zugeschrieben werden, kommt dies im Wortlaut entsprechend zum Ausdruck. So knüpfen andere Vorschriften des SGB VII entweder allein an die "Unentgeltlichkeit" (§ 2 Abs 1a, § 4 Abs 2 Nr 2, Abs 4, Abs 5, § 93 Abs 4 SGB VII) oder die "Ehrenamtlichkeit" an (§ 2 Abs 1 Nr 5 Buchst d und e, Nr 10, § 3 Abs 1 Nr 4, § 4 Abs 1 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 4, 5, § 125 Abs 1 Nr 5, § 136 Abs 3 Nr 5 SGB VII). Gleichlautend zu § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII formuliert ist dagegen die auch historisch (dazu c) mit dieser Norm verwandte Regelung des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII für die Versicherung von Personen, die selbständig oder "unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich" im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind. Weitere Regelungen in § 94 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VII und § 152 Abs 3 SGB VII geben unter Bezugnahme auf § 2 Abs 1 Nr 9 bzw 12 SGB VII den entsprechenden Gesetzeswortlaut insoweit (unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich) wieder. Eine systematisch gesonderte Kategorie bilden kraft Satzung oder freiwilliger Versicherung im Einzelfall versicherte "Ehrenbeamte" (§ 4 Abs 1 Nr 1 SGB VII) oder "Ehrenamtsträger" (§ 6 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VII).

c) Der Regelung in § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII liegt entstehungsgeschichtlich das Verständnis eines weiten Anwendungsbereiches zugrunde, der durch den Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit keine Einschränkung erfahren soll.

Versicherungsschutz für Betriebe zur Hilfeleistung in Unglücksfällen sah schon § 537 Abs 1 Nr 4a RVO idF des Dritten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung (3. UVÄndG) vom 20.12.1928 (RGBl I 405) vor. Hatte ein Verein einen Betrieb zur Hilfe bei Feuersnot oder anderen Unglücksfällen, galten die in diesem Betrieb tätigen Mitglieder zudem gemäß § 544a RVO als im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer oder Angestellte ohne Rücksicht darauf, ob der Verein rechtsfähig war oder nicht. Weitere Anforderungen an die Art der Tätigkeit oder die Mitgliedschaft stellte das Gesetz nicht. § 537 Abs 1 Nr 3 RVO idF des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung (6. UVÄndG) vom 9.3.1942 (RGBl I 107) regelte Schutz vor Arbeitsunfällen für die "Angehörigen" der konkret benannten Unternehmen (ua das DRK) sowie für Personen, die in einem Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen "tätig" waren. Weitere Anforderungen stellte das Gesetz auch hier nicht. Durch § 539 Abs 1 Nr 13 RVO erstreckte das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz <UVNG> vom 30.4.1963, BGBl I 241) einerseits unter bestimmten Voraussetzungen den Versicherungsschutz auf die Personen, die sich im Interesse der Allgemeinheit ehrenamtlich engagierten (s dazu BSG Urteil vom 8.12.2022 - B 2 U 19/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Andererseits blieb § 539 Abs 1 Nr 8 RVO bzgl der alleinigen Anforderung der Eigenschaft als "Tätiger" für ein Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen unverändert. Die Norm erhielt im Gesetzgebungsverfahren insoweit eine wiederum erweiternde Ausgestaltung, als sie die Teilnehmer an Ausbildungsveranstaltungen einschließlich der Lehrenden einbezog (BT-Drucks IV/120 S 5, 51; BT-Drucks IV/938 S 4). Eine ehrenamtliche Tätigkeit war auch danach nicht erforderlich.

Diese seit jeher bestehende Versicherung kraft Gesetzes für die in einem Hilfeleistungsunternehmen "Tätigen" übernahm das Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz <UVEG> vom 7.8.1996, BGBl I 1254) mWv 1.1.1997 in § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII unter Eingliederung des Bereiches des Zivilschutzes nun in einen Versicherungsschutz für Personen, die "unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich" tätig sind. Eine parallele Ausgestaltung erfuhr die dem Grunde nach übernommene Regelung des § 539 Abs 1 Nr 7 RVO in § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII. Eine Einschränkung des traditionell weiten Anwendungsbereiches auf nur ehrenamtlich Tätige war damit nicht verbunden. Der Gesetzgeber folgte iR des UVEG dem Verständnis der Unentgeltlichkeit als entscheidende Voraussetzung für eine ehrenamtliche Tätigkeit, die damit weiterhin nur eine Kategorie der unentgeltlichen Tätigkeit mit Zusatzmerkmalen ist (vgl zu § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII BT-Drucks 13/2204 S 75). Sinn und Zweck der sprachlichen Neuregelung war eine rechtssystematische Ordnung der Versicherungstatbestände (BT-Drucks 13/2204 S 73), wenngleich es zu Überschneidungen kommen kann.

Um das auch im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zunehmend an Bedeutung gewinnende ehrenamtliche Engagement zu honorieren und die mit dessen Wahrnehmung verbundenen Gefährdungsrisiken auszugleichen, weitete das UVSchVerbG vom 9.12.2004 (BGBl I 3299, BT-Drucks 15/3439 S 1) den Versicherungsschutz für ehrenamtliche Tätigkeiten in verschiedenen Bereichen aus, ua in § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII (vgl dazu BSG Urteil vom 8.12.2022 - B 2 U 19/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII blieb im Rahmen dieses gesetzgeberischen Projekts einer Ausdehnung des Versicherungsschutzes aufgrund einer übergeordneten Kollektivverantwortung (BT-Drucks 15/3439 S 1) demgegenüber unverändert. Für eine Änderung bestand wegen des bereits umfassenden Geltungsbereichs kein Bedürfnis. Der mögliche Verzicht auf die beispielhafte Erwähnung der ehrenamtlichen Tätigkeit wäre insoweit dem Anliegen des UVSchVerbG nach Ausdehnung des Versicherungsschutzes nicht förderlich gewesen. Stattdessen wurde die besondere Bedeutung gerade auch der ehrenamtlichen Tätigkeit in Hilfeleistungsunternehmen zusätzlich dadurch hervorgehoben, dass das UVSchVerbG in Erweiterung des § 13 SGB VII den Ersatz von Sachschäden für die nach § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII Versicherten einführte (BT-Drucks 15/3439 S 3, 6; s zB den Bericht der Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements", BT-Drucks 14/8900 S 317).

Die generelle Wertschätzung der unentgeltlichen, insbesondere ehrenamtlichen Tätigkeit in Hilfeleistungsunternehmen bekräftigte das 5. SGB IV-ÄndG vom 15.4.2015. Im Hinblick auf die langjährige Praxis erfolgte lediglich klarstellend (BT-Drucks 18/3699 S 40 f) - und deswegen auch rückwirkend zum 1.1.1997 (vgl Art 15 Abs 2 des Gesetzes) - die Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf Personen, die an satzungsmäßigen Veranstaltungen der Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen. Die Begründung führte aus, dass hiervon auch Aktivitäten zur Pflege des Gemeinschaftslebens (zB Wanderungen, Jugendtreffen, Zeltlager, Musikumzüge etc) erfasst sind. Denn auch diese stärken die Identifikation mit den Hilfeleistungsunternehmen und sind daher eine wichtige Handlungsform, um Verantwortung zu übertragen und zu übernehmen (BT-Drucks 18/3699 S 16, 40 f).

d) Dieses Verständnis der nur beispielhaften, nicht einschränkend wirkenden Erwähnung der ehrenamtlichen Tätigkeit entspricht Sinn und Zweck des § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII. Die Erwähnung der ehrenamtlichen Tätigkeit verhindert ungewollte Versicherungslücken. Sie hebt schließlich die hohe Relevanz für diesen Bereich in der Praxis hervor und erhält dadurch auch eine deutliche Wertschätzung dieser Tätigkeiten, wie sie der Gesetzgeber im Weiteren ausdrücklich durch das UVSchVerbG bezweckt hatte (BT-Drucks 15/3439 S 1). Die Erwähnung der ehrenamtlichen Tätigkeit auch in Bereichen des § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII stellt damit ihre Beachtung und Berücksichtigung generell im Kontext mit anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten sicher (vgl zB die Gesamtschau der Felder ehrenamtlicher Tätigkeiten im Bericht der Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements", BT-Drucks 14/8900 S 317). Von den Aufwendungen für die im DRK - mit Ausnahme der Unternehmen des Gesundheitswesens und der Wohlfahrtspflege - Tätigen wird die Beklagte schließlich unabhängig davon, ob die Tätigkeit ehrenamtlich ausgeübt wird, durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales freigestellt (§ 186 Abs 3 Satz 3 SGB VII iVm § 125 Abs 1 Nr 5 SGB VII; s auch BSG Urteil vom 29.1.2019 - B 2 U 21/17 R - BSGE 127, 203 = SozR 4-2700 § 185 Nr 2, RdNr 18). § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII schützt auf diese Weise umfassend unentgeltliche, insbesondere ehrenamtliche Tätigkeiten, die dem öffentlichen Interesse sowie Wohl und damit dem Interesse der Allgemeinheit dienen (s dazu auch Ricke in BeckOGK, SGB VII, Stand 1.12.2017, Vorbemerkungen zum SGB VII RdNr 3b).

Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war der Kläger als ehrenamtlicher Vorsitzender des Ortsvereins T unentgeltlich tätig. Dass die Stellung als Vorsitzender zugleich ein Ehrenamt beinhaltet, ist für die Einordnung nicht relevant (vgl zum Begriff des Ehrenamts BSG Urteil vom 8.12.2022 - B 2 U 19/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

4. Zwischen dieser Tätigkeit und der Fahrt des Klägers zu der Generalversammlung des Ortsvereins B bestand ein innerer Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 2 U 8/20 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 58 vorgesehen - juris RdNr 13 mwN). Maßgebende Zurechnungsgesichtspunkte sind die objektivierte Handlungstendenz (BSG Urteil vom 23.6.2020 - B 2 U 12/18 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 54 RdNr 21; BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 - SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 29), der Schutzzweck der Norm (BSG Urteil vom 31.3.2022 - B 2 U 5/20 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 79 RdNr 18; BSG Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 8/16 R - BSGE 125, 129 = SozR 4-2700 § 2 Nr 38, RdNr 10 und 22 f), deren Einbettung in die Gesamtrechtsordnung (BSG Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 8/16 R - BSGE 125, 129 = SozR 4-2700 § 2 Nr 38, RdNr 20) sowie die Grundprinzipien der Unfallversicherung (dazu BSG Urteil vom 31.3.2022 - B 2 U 5/20 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 79 RdNr 18), insbesondere die Regelungen über die Haftungsbeschränkung für Unternehmer, Unternehmensangehörige und andere Personen (§§ 104 ff SGB VII). Darüber hinaus können in die Wertung auch kausale Kriterien (BT-Drucks 13/2204 S 77: "ursächlicher innerer Zusammenhang"; BSG Urteil vom 6.10.2020 - B 2 U 13/19 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 76 RdNr 19; Spellbrink/Karmanski, SGb 2021, 461, 468) sowie gesellschaftliche (Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, § 8 RdNr 3 Stand Februar 2022: "gesellschaftlich akzeptierte sozialpolitische Leitlinien") und gesellschaftspolitische Aspekte einfließen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, GUV, § 8 SGB VII Anm 6, Stand Januar 2022; Wagner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 30, Stand 15.1.2022).

Zwar verunglückte der Kläger nicht bei einer dem Kernbereich des Ortsvereins T als Hilfeleistungsunternehmen zugehörigen Tätigkeit (zB BSG Urteil vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31 RdNr 10). Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII ist hierauf aber nicht begrenzt. Erfasst sind darüber hinaus sonstige Tätigkeiten, die den Zwecken des Hilfsdienstes wesentlich dienen oder dessen Angelegenheiten wesentlich fördern (vgl noch zur RVO BSG Urteil vom 4.8.1992 - 2 RU 39/91 - juris RdNr 21; BSG Urteil vom 29.11.1990 - 2 RU 27/90 - juris RdNr 25 ff; BSG Urteil vom 27.2.1985 - 2 RU 10/84 - juris RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 15.6.1983 - 9b/8 RU 36/81 - SozR 2200 § 539 Nr 92 S 249 f = juris RdNr 10).

Den Zwecken des Unternehmens wesentlich dienen kann auch die Pflege und Stärkung bestehender oder der Aufbau neuer Beziehungen einzelner Untergliederungen des Hilfeleistungsunternehmens untereinander, unabhängig davon, ob sie unmittelbar organisatorisch miteinander verbunden sind. Die Pflege der Beziehungen kann auch in der reinen Teilnahme an einer Veranstaltung liegen, ohne dabei in einer bestimmten Funktion aufzutreten bzw eine mit einem Amt verbundene Repräsentationsfunktion wahrzunehmen. Dies folgt aus dem weiten Versicherungsschutz, den § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII gewährt. Die letzte normative Erweiterung durch das 5. SGB IV-ÄndG mit Rückwirkung zum 1.1.1997 bestätigte klarstellend, dass sich der Versicherungsschutz auf Aktivitäten zur Pflege des Gemeinschaftslebens sowie andere offizielle Veranstaltungen der Hilfeleistungsorganisationen erstreckt, die die Identifikation mit den Hilfeleistungsunternehmen stärken (BT-Drucks 18/3699 S 40 f). Der Schutz identitätsstärkender Veranstaltungen ist nach dem Sinn und Zweck von § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII nicht auf Veranstaltungen der Nachwuchsförderung begrenzt. Erfasst ist der gesamte Aufgabenbereich des jeweiligen Unternehmens einschließlich der organisatorischen, administrativen und sozialen bzw vereinsrechtlichen Belange sowie die Jugendarbeit (vgl BSG Urteil vom 27.2.1985 - 2 RU 10/84 - juris RdNr 15; Schlegel in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 17 RdNr 36; Vollmar, ZfS 1978, 156). Dies steht im Einklang mit dem weiteren Zweck des Gesetzes, den im Rahmen eines Hilfeleistungsunternehmens unentgeltlich und in dessen Sinne Tätigen als Ausgleich für ihren Einsatz zum Wohl der Allgemeinheit als Anerkennung zumindest gesetzlichen Versicherungsschutz zu gewähren.

Nicht erforderlich ist, dass die Beziehungen von Hilfeleistungsunternehmen oder ihrer Untergliederungen in eine Zusammenarbeit münden. Ausreichend kann bereits der gegenseitige Austausch sein, denn das Interesse daran liegt in der Natur der Sache eines Hilfeleistungsunternehmens und dient damit zugleich wesentlich dem Interesse der Allgemeinheit. Der gegenseitige Austausch kann eine mögliche Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen oder weiteren Untergliederungen des eigenen Hilfeleistungsunternehmens im Ernstfall vorbereiten, ua fachliche und verwaltungsorganisatorische Vorteile bringen und eine kritische Sicht auf eigene Abläufe ermöglichen. Er bietet zudem die Möglichkeit, dabei die Identifikation mit dem eigenen Hilfeleistungsunternehmen, sei es die konkrete organisatorische Einheit (hier Ortsverband) oder das Unternehmen als Ganzes (hier DRK im Sinne des Bundesverbands), und den Zusammenhalt in dem Unternehmen sowie die Einsatzbereitschaft für dessen Ziele zu stärken. Dieser Zweck kann unabhängig von der räumlichen Entfernung der den Austausch vornehmenden Unternehmen oder Unternehmensteile und auch unabhängig von der organisatorischen Stellung (zB Orts-, Kreis- oder Landesverband, zB verschiedenen Landesverbänden zugehörige Orts- oder Kreisverbände) innerhalb eines gemeinsamen Bundesverbands erreicht werden, dessen Ziele sich die weiteren Verbände gemeinsam verschrieben haben. Zur Begründung des inneren Zusammenhangs kommt es deshalb nicht darauf an, dass der DRK als Bundesverband in seiner Satzung die Förderung der Tätigkeit und Zusammenarbeit seiner Mitgliedsverbände als Aufgabe zur Erreichung seines Satzungszweckes auch noch ausdrücklich aufgenommen hat (§ 2 Abs 2 der Bundessatzung, aaO) oder eine entsprechende Satzungsbestimmung auf Ortsebene die dem Unternehmen dienliche Zielrichtung eines gegenseitigen Austausches unterstreicht (s § 11 Abs 1 der Satzung des Ortsvereins T). Erst recht ohne Belang ist es, ob die Ortsvereine T und B eine nach den Satzungsbestimmungen dem Genehmigungsvorbehalt unterstehende Partnerschaft führen (s § 12 Abs 3 der Satzung des Ortsvereins T). Die Verfahrensrügen der Beklagten sind insoweit gegenstandslos.

Ausgehend von diesen Grundsätzen und den nicht durchgreifend angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) zur gelebten und gängigen Praxis der gegenseitigen Besuche gerade auch zu Generalversammlungen ist dessen Würdigung nicht zu beanstanden, dass die Fahrt des Klägers zu der Generalversammlung des Ortsvereins B eine versicherte Tätigkeit war. Der Ortsverein T und der Ortsverein B pflegen eine mehr als 25-jährige Freundschaft. Es entspricht der gängigen Übung, dass sich ihre Mitglieder über die Arbeit des DRK austauschen und sich circa drei- bis viermal im Jahr treffen, in der Regel zu gemeinsamen Übungen oder Fortbildungen. Sie nehmen auch gegenseitig an ihren Generalversammlungen teil, wobei der Kläger als Vorsitzender diese Versammlung stets besucht. Einer ausdrücklichen Einladung bedurfte es dafür nicht. Es ist mithin nichts dafür ersichtlich, dass - wie von der Beklagten angeführt - die Fahrt zu der Generalversammlung nur für gesellige Zwecke stattgefunden haben könnte.

Die hier gegenständliche Generalversammlung diente ihrem Inhalt nach nicht allein einem gesellschaftlichen Anlass oder der Pflege rein freundschaftlicher Beziehungen. Die Tagesordnung enthielt unternehmens- und vereinsbezogene Berichte, Wünsche und Anträge sowie Grußworte der Gäste. Ein allein oder wesentlich geselliger Veranstaltungscharakter bzw ein sonst privatwirtschaftlicher Charakter stand nicht im Vordergrund (vgl zB BSG Urteil vom 4.8.1992 - 2 RU 39/91 - juris RdNr 22; BSG Urteil vom 27.2.1985 - 2 RU 10/84 - juris RdNr 17; BSG Urteil vom 28.10.1966 - 2 RU 92/63 - juris RdNr 18 f), auch wenn die Generalversammlung mit einem "gemütlichen Beisammensein" ausklingen sollte. Im Gegenteil wollte sich der Kläger im Anschluss an die Versammlung nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) mit den Verantwortlichen des Ortsvereins B ggf sogar zur Terminabklärung zusammensetzen. Die verbleibende Tatsache, dass der Kläger freiwillig an der Generalversammlung teilnehmen wollte, ist der nach § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII versicherten Tätigkeit immanent. Dass ehrenamtliche Tätigkeit überdies auch aus persönlichen Motiven (Freude, Leidenschaft, Hobby, Gewinn von Erfahrungen, Entwicklung neuer Fähigkeiten, Darstellung des eigenen Engagements) wahrgenommen wird, ist Grundlage jeder ehrenamtlichen Tätigkeit und steht dem Versicherungsschutz nicht entgegen (vgl BSG Urteil vom 8.12.2022 - B 2 U 19/20 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

Der Kläger hat die Fahrt in der objektivierten Handlungstendenz vorgenommen, am offiziellen Teil der Generalversammlung teilzunehmen und in seiner Funktion als Vorsitzender seines Ortsvereins dort entsprechend jahrelanger Übung ein Grußwort zu halten. Unerheblich für den Versicherungsschutz ist deshalb, ob (nur) er von seinem Standpunkt aus der Auffassung war, mit der Teilnahme an der Generalversammlung und dem Grußwort eine den Interessen seines DRK-Ortsvereins dienende Tätigkeit vorzunehmen (vgl hierzu BSG Urteil vom 4.8.1992 - 2 RU 39/91 - juris RdNr 24; BSG Urteil vom 29.11.1990 - 2 RU 16/90 - SozR 3-2200 § 539 Nr 5 S 16 = juris RdNr 18). Keiner Entscheidung bedurfte es ferner, ob die Grundsätze der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nach heutigem Verständnis auch im Bereich ehrenamtlicher Tätigkeiten Anwendung finden können (offengelassen in BSG Urteil vom 8.12.1998 - B 2 U 37/97 R - SozR 3-2200 § 539 Nr 45 S 188 = juris RdNr 23; BSG Urteil vom 18.10.1994 - 2 RU 15/94 - SozR 3-2200 § 539 Nr 31 S 114 = juris RdNr 30).

Der Kläger hat zum Unfallzeitpunkt einen versicherten Betriebsweg zurückgelegt (§ 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 12 SGB VII). Betriebswege sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, die Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen. Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse wahrgenommen und unterscheiden sich von Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen. Sie sind nicht auf das Betriebsgelände beschränkt, sondern können auch außerhalb der Betriebsstätte anfallen (BSG Urteil vom 8.12.2021 - B 2 U 4/21 R - BSGE 133, 180 = SozR 4-2700 § 8 Nr 78, RdNr 17 mwN). Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, ob also der Versicherte eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (vgl BSG Urteil vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 19 RdNr 14). Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggf das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden (BSG Urteil vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 48 RdNr 13; BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 20; zum betrieblich organisierten Transport vgl BSG Urteil vom 10.8.2021 - B 2 U 2/20 R - juris RdNr 13; s auch BSG Urteil vom 28.10.1966 - 2 RU 92/63 - juris RdNr 20).

Hiervon ausgehend hat das LSG noch ausreichend festgestellt (§ 163 SGG), dass der Kläger zusammen mit anderen Vereinsmitgliedern im DRK-Mannschaftsbus zu der Generalversammlung des einladenden Ortsvereins gefahren ist und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Fahrt mit privatwirtschaftlicher Handlungstendenz erfolgte.

5. Dass der Kläger auch im Interesse des Ortsvereins B als weiteres Hilfeleistungsunternehmen tätig geworden ist, bleibt für den Versicherungsschutz ohne eigenständige Relevanz. Die mit der Abhaltung eines Grußwortes verbundene Förderung der Identifikation mit den Mitgliedern des einladenden Ortsvereins tritt im Verhältnis zur Tätigkeit des Klägers als Vorsitzender des Ortsvereins T zurück.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG

Roos                      Karmanski                    Karl

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK