Ein Bescheid über die Herabsetzung des Grads der Behinderung ist auch dann hinreichend bestimmt, wenn er kein konkretes Datum für den Beginn der Herabsetzung enthält, sondern diese ausdrücklich ab dem Zeitpunkt seiner Bekanntgabe anordnet.
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2021 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung seines Grads der Behinderung (GdB) von 80 auf weniger als 50.
Mit Bescheid vom 21.3.2011 stellte der Beklagte bei dem Kläger nach einer Krebserkrankung einen GdB von 80 fest. Nach Überprüfung von Amts wegen hob er diesen Bescheid mit Wirkung "ab Bekanntgabe" auf und reduzierte den GdB auf 20 (Bescheid vom 19.6.2017). An welchem Tag der Herabsetzungsbescheid zur Post aufgegeben wurde, lässt sich den Behördenakten nicht entnehmen; an den Tag seines Zugangs vermag sich der Kläger nicht zu erinnern. Den auf den 14.7.2017 datierten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 8.11.2017).
Die hiergegen erhobene Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 10.9.2019). Auf die Berufung des Klägers hat das LSG - wie vom ihm beantragt - das erstinstanzliche Urteil geändert und den Herabsetzungsbescheid aufgehoben, soweit darin unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 21.3.2011 ein GdB von weniger als 50 festgestellt worden ist (Urteil vom 25.11.2021). Der Herabsetzungsbescheid sei mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig. Unverzichtbarer Bestandteil der Feststellung eines GdB sei der Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit, weil dieser im Rechtsverkehr eine Dokumentationsfunktion gegenüber Dritten zukomme. Für den Adressaten und für Dritte müsse erkennbar sein, ab wann die Feststellung wirke. Nichts anderes gelte, wenn die Behörde die Rechtswirkungen entsprechender Feststellungen beseitigen wolle. Soweit der Beklagte angeordnet habe, die Herabsetzung gelte "ab Bekanntgabe", genüge der Bescheid diesen Anforderungen nicht. Der Zeitpunkt, ab dem die Herabsetzung gelten solle, sei ungewiss. Er könne weder anhand der Vorschrift des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X noch durch Auslegung ermittelt werden. Unabhängig davon erweise sich der streitgegenständliche Bescheid bereits deshalb als zu unbestimmt, weil es dem Beklagte nicht gelungen sei, den Zeitpunkt der Bekanntgabe, an den er die materielle Herabsetzungsentscheidung geknüpft habe, nachzuweisen. Vor diesem Hintergrund könne es dahingestellt bleiben, ob die medizinischen Voraussetzungen für eine Herabsetzung des GdB vorgelegen hätten.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 33 Abs 1 SGB X. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Herabsetzung lasse sich eindeutig durch Auslegung feststellen. Ein verständiger Empfänger müsse die Formulierung "ab Bekanntgabe" so verstehen, dass diese mit dem Zeitpunkt des Zugangs des Bescheids wirksam werden solle. Dieser Zeitpunkt sei für den Empfänger bestimmbar. Die Rechtsbehelfsbelehrung zur Berechnung der Widerspruchsfrist stelle darauf in gleicher Weise ab, ohne dass ein konkretes Datum benannt werden müsse. Wie der fristgemäß eingelegte Widerspruch belege, sei dem Kläger der Bescheid zugegangen; damit habe für ihn ein hinreichend bestimmter Zeitpunkt der Wirksamkeit festgestanden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2021 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. September 2019 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die seiner Ansicht nach zutreffenden Gründe des angefochtenen LSG-Urteils.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Beklagten ist iS der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG, mit dem es auf die isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG) des Klägers das Urteil des SG geändert und den Herabsetzungsbescheid des Beklagten vom 19.6.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.11.2017 (§ 95 SGG) aufgehoben hat, soweit darin unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 21.3.2011 bei dem Kläger ein GdB von weniger als 50 festgestellt worden ist. Der Senat kann mangels tatsächlicher Feststellungen des LSG zu den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers nicht abschließend entscheiden, ob dies zu Recht erfolgt ist.
Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des GdB ist § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand eines behinderten Menschen ist ua dann auszugehen, wenn diese einen um wenigstens 10 veränderten Gesamt-GdB rechtfertigt (vgl BSG Urteil vom 11.11.2004 - B 9 SB 1/03 R - juris RdNr 12; vgl auch Teil A Nr 7 Buchst a der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung "Versorgungsmedizinische Grundsätze").
Der Bescheid vom 21.3.2011, mit dem der Beklagte den GdB des Klägers auf 80 festgesetzt hatte, ist ein Dauerverwaltungsakt (stRspr; zB BSG Urteil vom 11.8.2015 - B 9 SB 2/15 R - SozR 4-1300 § 48 Nr 31 RdNr 13 mwN). Diesen hat er nach Ablauf der Heilungsbewährung mit Bescheid vom 19.6.2017 wegen Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers für die Zukunft mit Wirkung "ab Bekanntgabe" aufgehoben. Der Herabsetzungsbescheid ist zwar gegenüber dem Kläger wirksam bekannt gegeben worden (dazu unter 1.). Ob die Herabsetzung des GdB mit Wirkung ab Bekanntgabe des Bescheids auch materiell rechtmäßig ist, kann der Senat aber nicht abschließend beurteilen (dazu unter 2.).
1. Die im Bescheid vom 19.6.2017 verfügte Herabsetzung des GdB ist gemäß § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X durch Bekanntgabe iS von § 37 Abs 1 Satz 1 SGB X gegenüber dem Kläger spätestens am 14.7.2017 wirksam geworden.
Nach § 37 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt oder der von ihm betroffen wird. Ein Verwaltungsakt wird gemäß § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB X mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird. Mit der Bekanntgabe wird der Verwaltungsakt sowohl für den Adressaten als auch für die erlassende Behörde bindend (vgl BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 7/12 R - BSGE 114, 180 = SozR 4-1300 § 31 Nr 8, RdNr 24; Roos/Blüggel in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 39 RdNr 4 und 8).
Der Begriff der "Bekanntgabe" ist gesetzlich nicht definiert. Dennoch ist er im Sozialverwaltungsrecht ein feststehender Rechtsbegriff, der jedenfalls heute nicht mehr ungenau oder missverständlich (so bereits BSG Urteil vom 9.4.2014 - B 14 AS 46/13 R - BSGE 115, 288 = SozR 4-1500 § 87 Nr 2, RdNr 21; anders noch BSG Urteil vom 27.9.1983 - 12 RK 75/82 - juris RdNr 14), sondern in Rechtsprechung und Schrifttum geklärt ist.
Danach ist die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts die zielgerichtete (willentliche) Mitteilung des Inhalts eines Verwaltungsakts durch die Behörde an den Adressaten (BSG Urteil vom 15.11.2016 - B 2 U 19/15 R - SozR 4-2700 § 131 Nr 2 RdNr 15; BSG Urteil vom 9.4.2014 - B 14 AS 46/13 R - BSGE 115, 288 = SozR 4-1500 § 87 Nr 2, RdNr 12; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 22; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 7/12 R - BSGE 114, 180 = SozR 4-1300 § 31 Nr 8, RdNr 26; Siewert in Diering/Timme/Stähler, SGB X, 6. Aufl 2022, § 37 RdNr 3; Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 37 RdNr 6, jeweils mwN; ebenso zur Parallelbestimmung in § 41 Verwaltungsverfahrensgesetz <VwVfG> Baer in Schoch/Schneider, VwVfG, § 41 RdNr 14, Stand August 2022, mwN).
Die Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsakts erfolgt mit dessen Zugang. Unter Anwesenden ist dies die Übergabe des Verwaltungsakts an den Adressaten. Unter Abwesenden ist ein Verwaltungsakt nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung (zB BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 7/12 R - BSGE 114, 180 = SozR 4-1300 § 31 Nr 8, RdNr 26; BSG Urteil vom 3.6.2004 - B 11 AL 71/03 R - juris RdNr 24; ebenso BVerwG Beschluss vom 22.2.1994 - 4 B 212.93 - juris RdNr 3 zur Parallelbestimmung in § 41 VwVfG; BFH Urteil vom 9.12.1999 - III R 37/97 - BFHE 190, 292 - juris RdNr 19 zur Parallelbestimmung in § 122 Abgabenordnung <AO>, jeweils mwN) und Schrifttum (zB Siewert in Diering/Timme/Stähler, SGB X, 6. Aufl 2022, § 37 RdNr 4; Pattar in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand 21.12.2020, § 37 RdNr 34 f; Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 37 RdNr 8; ebenso Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl 2023, § 41 RdNr 62; Ratschow in Klein, AO, 16. Aufl 2022, § 122 RdNr 5 und 10, jeweils mwN) zugegangen, wenn er so in den Bereich des Adressaten (Empfängers) gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat. Auf dessen tatsächliche Kenntnisnahme kommt es für den Zugang und damit die Bekanntgabe nicht an (BSG Urteil vom 9.4.2014 - B 14 AS 46/13 R - BSGE 115, 288 = SozR 4-1500 § 87 Nr 2, RdNr 12; Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 37 RdNr 8).
Erfolgt die Bekanntgabe des Verwaltungsakts wie hier mit einfachem Brief, so gilt ein Verwaltungsakt gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 37 Abs 2 Satz 3 SGB X). Diese der Verwaltungsvereinfachung (vgl hierzu BSG Urteil vom 10.3.2022 - B 1 KR 6/21 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 56 RdNr 23 mwN; vgl auch bereits BSG Urteil vom 19.3.1957 - 10 RV 609/56 - BSGE 5, 53 - juris RdNr 15) dienende Bekanntgabe- oder Zugangsfiktion (beide Begriffe werden synonym verwendet s zB einerseits BSG Urteil vom 10.3.2022 - B 1 KR 6/21 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 56 RdNr 21 und andererseits BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 12/09 R - SozR 4-1300 § 37 Nr 1 RdNr 10) greift aber nur, wenn der Tag der Aufgabe zur Post in den Behördenakten vermerkt wurde (vgl BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 15 RdNr 17; BSG Urteil vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr 2, RdNr 15; Siewert in Diering/Timme/Stähler, SGB X, 6. Aufl 2022, § 37 RdNr 11; Pattar in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand 21.12.2020, § 37 RdNr 97; Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 37 RdNr 29). Dies ist hier nach den Feststellungen des LSG nicht geschehen. Deshalb gelten im Fall des Klägers für die Bekanntgabe des Herabsetzungsbescheids die vorgenannten allgemeinen Maßstäbe.
Danach ist auf Grundlage der für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) der Herabsetzungsbescheid vom 19.6.2017 spätestens am 14.7.2017 dem Kläger iS des § 37 Abs 1 Satz 1 SGB X bekannt gegeben und damit nach § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X wirksam geworden. Denn spätestens an diesem Tag muss der Herabsetzungsbescheid in seinen tatsächlichen Verfügungsbereich gelangt sein, weil der Kläger unter diesem Datum Widerspruch eingereicht hat.
2. Ob der Herabsetzungsbescheid des Beklagten vom 19.6.2017 materiell rechtmäßig ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.
Zwar genügt er entgegen der Ansicht des LSG hinsichtlich des verfügten Wirksamkeitszeitpunkts den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten (dazu unter a). Ob die Herabsetzung des GdB im Übrigen materiell rechtmäßig ist, kann der Senat aber mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG zu den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers nicht entscheiden (dazu unter b).
a) Der Bescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X (dazu allgemein unter aa), obwohl er kein konkretes Datum des Beginns seiner Wirksamkeit benennt, sondern insoweit lediglich auf seine Bekanntgabe verweist (dazu unter bb).
aa) Nach § 33 Abs 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitserfordernis als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Verwaltungsakts (BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, RdNr 15; BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26) verlangt, dass dessen Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und sich aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers in der Position des Betroffenen (objektiver Empfängerhorizont) vollständig, klar und eindeutig ergeben muss, was die Behörde in welchem Umfang und für welchen Zeitraum will (stRspr; zB BSG Urteil vom 25. 10. 2017 - B 14 AS 9/17 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 19 RdNr 17; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13; BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104 = SozR 3-1300 § 32 - juris RdNr 31). Unklarheiten gehen insoweit zu Lasten der Behörde (BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 2 U 25/12 R - BSGE 115, 256 = SozR 4-2700 § 136 Nr 6, RdNr 15; BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 - juris RdNr 31).
Die Anforderungen an die notwendige inhaltliche Bestimmtheit des Verwaltungsakts richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (stRspr; zB BSG Urteil vom 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R - BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 17 mwN). Unschädlich ist, wenn der Regelungsgehalt des Verfügungssatzes anhand der Begründung des Verwaltungsakts einschließlich seiner Anlagen, unter Rückgriff auf frühere Bescheide oder auf allgemein zugängliche Unterlagen durch Auslegung ermittelt werden muss (stRspr; zB BSG Beschluss vom 6.3.2020 - B 9 SB 86/19 B - juris RdNr 6; BSG Urteil vom 25.10.2017 - B 14 AS 9/17 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 19 RdNr 17). Diese Auslegungsmöglichkeiten finden ihre Grenze allerdings dort, wo auch nach methodengerechter Auslegung mehrere Deutungsmöglichkeiten verbleiben und es allein dem Adressaten überlassen bleibt, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang einer Regelung zu bestimmen. Denn die in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Behörde ist verpflichtet, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 2 RdNr 16 mwN; s auch BSG Urteil vom 25.10.2017 - B 14 AS 9/17 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 19 RdNr 23 mwN).
Zur Auslegung von Verwaltungsakten ist auch das BSG als Revisionsgericht berufen; es ist befugt, den Inhalt von Verwaltungsakten selbstständig und damit gegebenenfalls sogar abweichend von den Vorinstanzen auszulegen (stRspr; zB BSG Urteil vom 25.8.2022 - B 9 V 2/21 R - SozR 4-3100 § 18a Nr 1 <vorgesehen> - juris RdNr 20; BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 2 U 9/20 R - juris RdNr 15; BSG Urteil vom 25.10.2017 - B 14 AS 9/17 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 19 RdNr 24).
bb) Gemessen an diesen Vorgaben genügt der Herabsetzungsbescheid des Beklagten vom 19.6.2017 auch hinsichtlich seines Wirksamkeitszeitpunkts den Anforderungen des § 33 Abs 1 SGB X an die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Der Kläger konnte bei verständiger Würdigung des Bescheids erkennen und feststellen, ab wann die darin verfügte Herabsetzung des GdB wirksam werden sollte.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist ein Herabsetzungsbescheid nicht deshalb zu unbestimmt, weil er für den Beginn der Herabsetzung des GdB kein konkretes Datum benennt, sondern vielmehr festlegt, dass diese ab Bekanntgabe des Bescheids wirksam sein soll. Denn der Beklagte hat damit gegenüber dem Kläger lediglich iS von § 31 Satz 1 SGB X für dessen Einzelfall geregelt, was von Gesetzes wegen ohnehin nach der Grundregel des § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X gegolten hätte.
(1) Der Senat hat bereits in seinen Entscheidungen zur zeitlichen Teilbarkeit eines Verwaltungsakts (Urteil vom 21.12.2022 - B 9 SB 3/20 R - juris RdNr 15; Urteil vom 16.12.2021 - B 9 SB 6/19 R - SozR 4-1300 § 48 Nr 40 RdNr 19, 31; Urteil vom 16.12.2021 - B 9 SB 7/19 R - juris RdNr 17, 21 ff, 29) eine Herabsetzung des GdB für die Zukunft "ab Bekanntgabe" iS von § 37 Abs 1 Satz 1 SGB X für zulässig erachtet. Zur Frage der Wirksamkeit der Herabsetzung mit der Bekanntgabe des Bescheids nach § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X hat er ausgeführt, dass dieser Zeitpunkt - soweit notwendig - von den Gerichten zu ermitteln und festzustellen ist (vgl BSG Urteil vom 21.12.2022 - B 9 SB 3/20 R - juris RdNr 21). Im Übrigen zeigt auch schon der Rechtsgedanke des § 32 Abs 2 Nr 2 SGB X, dass der Inhalt eines Verwaltungsakts bei Erlass von dem "ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses" abhängen kann, ohne zu unbestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X zu sein.
(2) Der Bedeutungsgehalt des Begriffs "Bekanntgabe" ist für einen verständigen Bescheidempfänger zu erkennen. Dieser Begriff ist - wie oben unter 1. aufgezeigt - in Rechtsprechung und Schrifttum zu §§ 37 Abs 1 Satz 1, 39 Abs 1 SGB X geklärt. Die Annahme, der Beklagte wolle diesen Begriff im Verfügungssatz des Herabsetzungsbescheids anders verstanden wissen, ist daher fernliegend. Vielmehr ist die Bekanntgabe - wie oben unter 1. ebenfalls ausgeführt - mit dem Zugang des Verwaltungsakts vollzogen. Bei schriftlichen Verwaltungsakten wird der Zugang durch die Verschaffung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über das den Verwaltungsakt verkörpernde Schriftstück bewirkt, sobald unter normalen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Diesen Zeitpunkt kann ein verständiger Empfänger regelmäßig ohne Weiteres erkennen oder sich diese Kenntnis jedenfalls mit zumutbarem Aufwand verschaffen.
Die Verknüpfung der Wirksamkeit des Herabsetzungsbescheids mit dessen Bekanntgabe stellt diese auch keineswegs zur Disposition des Adressaten. Als tatsächliches Ereignis steht die Bekanntgabe nicht in dessen Belieben. Er kann den Zugang insbesondere nicht dadurch vereiteln, dass er die Kenntnisnahme des in seinen Machtbereich gelangten Verwaltungsakts verweigert oder unterlässt. Zudem besteht grundsätzlich eine Obliegenheit, Bescheide zu lesen und deren Inhalt zur Kenntnis zu nehmen (BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 7/12 R - BSGE 114, 180 = SozR 4-1300 § 31 Nr 8, RdNr 26).
(3) Die fehlende Erkennbarkeit des genauen Zeitpunkts der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts für Dritte, der - wie hier - die Herabsetzung des GdB mit seiner Bekanntgabe wirksam werden lässt, hat keine Auswirkungen auf dessen hinreichende inhaltliche Bestimmtheit. Denn der Adressat kann den Bekanntgabe- und Wirksamkeitszeitpunkt des an ihn gerichteten Bescheids bei Erhalt - wie oben ausgeführt - im Regelfall ohne Weiteres feststellen und deshalb auch Dritten mitteilen.
Das zugrunde liegende materielle Recht verlangt nach § 69 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX in seiner hier noch maßgeblichen bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des Gesetzes vom 19.6.2001 (BGBl I 1046; seit 1.1.2018 § 152 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.2016, BGBl I 3234), dass die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB "zum Zeitpunkt der Antragstellung" oder "zu einem früheren Zeitpunkt" feststellen. Denn diese Feststellungen dienen der Inanspruchnahme einer Vielzahl von konkreten Leistungsansprüchen und Vergünstigungen aus zahlreichen unterschiedlichen Vorschriften auch außerhalb des Schwerbehindertenrechts. Ohne eine echte Drittwirkung zu entfalten, binden sie zu diesem Zweck ua auch andere Behörden, etwa Finanzämter bei der Gewährung des Pauschbetrags für behinderte Menschen nach § 33b Einkommensteuergesetz oder Jobcenter bei der Anerkennung von Mehrbedarfen nach § 21 Abs 4, § 23 Nr 2 SGB II (vgl BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 9 SB 3/13 R - SozR 4-1200 § 66 Nr 7 RdNr 21; BVerwG Urteil vom 12.7.2012 - 5 C 16.11 - BVerwGE 143, 325 - juris RdNr 21).
Im Fall einer Herabsetzung wegen einer Änderung der Verhältnisse iS von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, insbesondere wenn der GdB auf weniger als 50 absinkt und damit die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX entfallen, obliegt es dem Adressaten eines Herabsetzungsbescheids im Rahmen seiner jeweiligen Mitwirkungspflichten - etwa nach § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB I oder nach § 90 Abs 1 AO - diesen Behörden den Zeitpunkt der Wirksamkeit der im Bescheid verfügten Herabsetzung des GdB mitzuteilen. Entsprechendes kann zB auch gegenüber einem Arbeitgeber gelten. Denn hat der Arbeitnehmer bei Einstellung dem Arbeitgeber seine Schwerbehinderung mitgeteilt, so trifft ihn die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, den Arbeitgeber zu informieren, wenn sich der GdB so ändert, dass der Status als schwerbehinderter Mensch entfällt (Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil vom 8.8.2018 - 13 Sa 1237/17 - juris RdNr 56). Mit dem Verlust des Status als schwerbehinderter Mensch verliert der Betroffene nämlich alle daraus folgenden Rechte und Vergünstigungen. Der Status des Schwerbehinderten beginnt grundsätzlich mit dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX (vgl stRspr; zB BSG Urteil vom 7.11.2001 - B 9 SB 3/01 R - BSGE 89, 79 = SozR 3-3870 § 59 Nr 1 - juris RdNr 15; BVerwG Urteil vom 12.7.2012 - 5 C 16.11 - BVerwGE 143, 325 - juris RdNr 20; BAG Urteil vom 13.2.2008 - 2 AZR 864/06 - BAGE 125, 345 - juris RdNr 16); er endet aber trotz Wegfalls dieser Voraussetzungen erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des entsprechenden Bescheids (§ 199 Abs 1 SGB IX; sog Schon-, Auslauf- oder Nachfrist; vgl hierzu Dau in Dau/Düwell/Joussen/Luik, SGB IX, 6. Aufl 2022, § 199 RdNr 6; Koch in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Aufl 2021, § 178 RdNr 28).
(4) Unbeachtlich für die Beurteilung der Bestimmtheit des Herabsetzungsbescheids des Beklagten vom 19.6.2017 ist auch, dass der genaue Zeitpunkt seiner Bekanntgabe gegenüber dem Kläger nicht mehr rekonstruiert werden kann, weil dieser sich nicht mehr an den Tag des Zugangs erinnern und der Beklagte ihn nicht nachweisen kann. Dies hat lediglich zur Folge, dass der Zeitpunkt der tatsächlichen und der Zeitpunkt der beweisbaren Bekanntgabe auseinanderfallen.
Zwar wirft eine solche Konstellation Fragen nach den an den Wirksamkeitszeitpunkt anknüpfenden Rechtsfolgen im Verhältnis zwischen dem Adressaten, der den Bescheid ausstellenden Behörde und den auf die Information über diesen Zeitpunkt angewiesenen Dritten auf. Die damit zusammenhängenden Fragen betreffen aber lediglich die Beweisebene und sind von derjenigen nach der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit des Herabsetzungsbescheids zu trennen. Die Folgen der Beweislosigkeit des Zugangszeitpunkts trägt derjenige, der sich auf einen bestimmten Zeitpunkt beruft (vgl BSG Urteil vom 26.7.2007 - B 13 R 4/06 R - SozR 4-2600 § 115 Nr 2 RdNr 20; Pattar in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand 21.12.2020, § 37 RdNr 97). Steht - wie hier - lediglich fest, dass der Bescheid dem Adressaten zu einem bestimmten Zeitpunkt zugegangen und damit iS des § 37 Abs 1 Satz 1, § 39 Abs 1 SGB X bekannt gegeben sein muss, so entsteht dem Betroffenen hieraus kein Nachteil. Vielmehr verringert sich ihm gegenüber die Eingriffsintensität des Verwaltungsakts, weil er die ursprüngliche Feststellung eines höheren GdB und die davon (insbesondere vom Status als schwerbehinderter Mensch) abhängige Leistungsgewährung durch Dritte möglicherweise für einen - regelmäßig allerdings nur geringfügig - längeren Zeitraum beanspruchen kann.
(5) Schließlich stellt auch die Bekanntgabefiktion des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X, die im Fall des Klägers ohnehin nicht greift (s oben unter 1.), die inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nicht infrage, dessen Wirksamkeitsbeginn an die Bekanntgabe geknüpft ist. Die diese Fiktion auslösenden äußeren Umstände, insbesondere der notwendige Vermerk der Aufgabe des den Verwaltungsakt verkörpernden Schriftstücks zur Post in den Behördenakten, lassen sich im Zweifelsfall eindeutig feststellen. Dies macht den Tag der Bekanntgabe ("dritter Tag" nach der Aufgabe zur Post) hinreichend bestimmbar. Ohnehin bleibt es dem Bescheid-Adressaten nach § 37 Abs 2 Satz 3 SGB X unbenommen, die Bekanntgabefiktion durch substantiierten Vortrag zur Möglichkeit eines späteren Zugangs zu erschüttern (vgl Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 37 RdNr 33).
b) Ob die Herabsetzung des GdB des Klägers mit Wirkung ab Bekanntgabe des Bescheids vom 19.6.2017 im Übrigen materiell rechtmäßig ist, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen zu den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers nicht entscheiden. Zu solchen Feststellungen hatte das LSG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - auch keinen Anlass. Es wird diese im wieder eröffneten Berufungsverfahren nunmehr nachholen müssen.
B. Das LSG wird zudem über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Kaltenstein Othmer Röhl