Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 26.10.2023, B 10 EG 3/23 R

Elterngeld - COVID-19-Pandemie - Kurzarbeit - pandemiebedingte Einkommensminderung - Bemessungseinkommen - Ausklammerungstatbestand aus Anlass der COVID-19-Pandemie - keine Verkürzung des zwölfmonatigen Bemessungszeitraums - Verschiebung des Bemessungszeitraums in die Vergangenheit - geringes Einkommen in den neu einbezogenen Ersatzmonaten - kein vollständiger finanzieller Ausgleich der COVID-19-Folgen - Verfassungsrecht - Ungleichbehandlung gegenüber Elterngeldberechtigten ohne pandemiebedingte Einkommenseinbußen - einkommensabhängige Ausgestaltung der Elterngeldhöhe - sozialgerichtliches Verfahren - Klageänderung im Revisionsverfahren - Umstellung einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf eine Anfechtungs- und Leistungsklage - keine Zustimmungsbedürftigkeit seitens des Beklagten

Leitsätze

Bei der Berechnung des vorgeburtlichen Einkommens bewirkt die Nichtberücksichtigung von Kalendermonaten, in denen die berechtigte Person aufgrund der Covid-19-Pandemie ein geringeres Einkommen hatte, keine Verkürzung des Bemessungszeitraums, sondern dessen Verschiebung in die Vergangenheit.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. Mai 2022 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld für die Betreuung ihrer jüngeren Tochter durch Verkürzung des Bemessungszeitraums um zwei Monate, in denen sie aufgrund der COVID-19-Pandemie ein geringeres Einkommen hatte.

Die Klägerin ist Mutter zweier Töchter, die ältere geboren am …2018, die jüngere geboren am …11.2020. Nach der Geburt der älteren Tochter war die Klägerin erst ab September 2019 wieder erwerbstätig. Aufgrund der COVID-19-Pandemie ordnete ihr Arbeitgeber in den Monaten April und Mai 2020 Kurzarbeit an. Dadurch erhielt sie für diese Monate deutlich geringere lohnsteuerpflichtige Einkünfte als in den Monaten davor und danach. Ab dem ...9.2020 bezog sie Mutterschaftsgeld.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer jüngeren Tochter Elterngeld. Dessen Berechnung erfolgte auf Grundlage des im Bemessungszeitraum September 2019 bis August 2020 erzielten Einkommens. Zudem wurden in den ersten beiden Lebensmonaten das Mutterschaftsgeld und wegen der älteren Tochter ein Geschwisterbonus während der ersten sechs Lebensmonate berücksichtigt (Bescheid vom 18.2.2021; Widerspruchsbescheid vom 25.5.2021).

Die auf Zahlung eines höheren, unter Außerachtlassung der von pandemiebedingter Kurzarbeit betroffenen Monate April und Mai 2020 berechneten Elterngelds gerichtete Klage hat das SG abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 17.1.2022). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Sie habe keinen Anspruch auf höheres Elterngeld. Trotz der in den Monaten April und Mai 2020 pandemiebedingt verringerten Arbeitsentgelte, habe kein fiktiv erhöhtes Entgelt in Ansatz gebracht werden dürfen. Ebenso wenig könnten nur die zehn Monate von September 2019 bis März 2020 und von Juni bis August 2020 in die Berechnung eingestellt werden. Mit dem aus Anlass der COVID-19-Pandemie neu geschaffenen Ausklammerungstatbestand des § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG, wonach auf Antrag solche Kalendermonate unberücksichtigt blieben, in denen die berechtigte Person pandemiebedingt ein geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit gehabt habe, habe der Gesetzgeber an die bereits bestehenden Ausklammerungstatbestände in § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG angeknüpft. Dies führe nur zur Heranziehung weiter zurückliegender Kalendermonate, nicht aber zu einer Verkürzung des zwölfmonatigen Bemessungszeitraums. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestünden nicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes für Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID-19-Pandemie vom 20.5.2020 (BGBl I 1061; seit 1.9.2021 weitgehend inhaltsgleich § 2b Abs 1 Satz 4 BEEG). Nach dieser Vorschrift sei der Berechnungszeitraum für das ihr gewährte Elterngeld um die Monate ersatzlos zu kürzen, in denen sie pandemiebedingt ein geringeres Einkommen gehabt habe. Diese von den bestehenden Ausklammerungstatbeständen in § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG abweichende Auslegung sei durch den Wortlaut und das gesetzgeberische Ziel geboten, bei der Berechnung des Elterngelds keine Nachteile infolge der COVID-19-Pandemie entstehen zu lassen. Die Sonderstellung dieses zeitlich befristet geltenden Ausnahmetatbestands zeige sich zudem dadurch, dass er nicht in § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG aufgenommen, sondern als eigener Satz in § 2b Abs 1 BEEG eingefügt worden sei.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 2. Mai 2022 und den Gerichtsbescheid des SG Osnabrück vom 17. Januar 2022 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom 18. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Mai 2021 zu verurteilen, ihr ausgehend von einem monatlichen vorgeburtlichen Bruttoeinkommen in Höhe von 1775,90 Euro höheres Elterngeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Da die Klägerin von einer Rückverlagerung des Bemessungszeitraums nicht habe profitieren können, sei das Elterngeld auf Grundlage der Monate September 2019 bis August 2020 zu berechnen gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Elterngeld unter Verkürzung des Bemessungszeitraums.

A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG, mit dem es die Berufung gegen den die Klage auf höheres Elterngeld auf Grundlage eines monatlichen vorgeburtlichen Bruttoeinkommen iHv 1775,90 Euro abweisenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen hat. Diesen Anspruch verfolgt die Klägerin zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 und Abs 4, § 56 SGG), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils iS des § 130 Abs 1 SGG (vgl BSG Urteil vom 25.6.2020 - B 10 EG 2/19 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 8 RdNr 33; BSG Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 11/09 R - BSGE 107, 10 = SozR 4-6180 Art 13 Nr 1, RdNr 19). In der im Revisionsverfahren auf Anregung des Senats erfolgten Anpassung der Formulierung des Antrags der Klägerin an die von ihr erhobenen Ansprüche (§ 123 SGG) und dem der Formulierung nach vorgenommenen Übergang von der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zur Anfechtungs- und Leistungsklage liegt keine nach § 168 SGG im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (vgl BSG Urteil vom 10.8.2016 - B 14 AS 58/15 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 91 RdNr 13; BSG Urteil vom 20.9.1989 - 7 RAr 110/87 - BSGE 65, 272 = SozR 4100 § 78 Nr 8 - juris RdNr 32). Der Zustimmung der Beklagten bedurfte es hierfür nicht.

B. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf (Basis-)Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer jüngeren Tochter auf Grundlage eines höheren vorgeburtlichen Bruttoeinkommens als in dem angefochtenen Bescheid vom 18.2.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.5.2021 (§ 95 SGG) ausgewiesen. Die dem Grunde nach zum Bezug von Elterngeld berechtigte Klägerin ist durch dessen Berechnung auf Grundlage des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit in den Monaten September 2019 bis August 2020 nicht beschwert (dazu unter 1.). Verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Berechnung des Elterngelds ausgehend von einem zwölfmonatigen Bemessungszeitraum unter Einbeziehung zweier Monate, in denen das vorgeburtliche Einkommen der Klägerin durch Kurzarbeit infolge der COVID-19-Pandemie verringert war, bestehen nicht (dazu unter 2.).

1. Die Klägerin ist durch die Berechnung der Höhe des Elterngelds auf Grundlage des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit in den Monaten September 2019 bis August 2020 nicht beschwert. Diese Monate bilden den Ausgangspunkt für den Bemessungszeitraum (dazu unter a). Eine Verkürzung des Bemessungszeitraums um Monate, in denen sie aufgrund der COVID-19-Pandemie ein geringeres Einkommen durch Kurzarbeit hatte, kann die Klägerin nicht verlangen (dazu unter b). Durch den Verzicht der Beklagten auf eine weitere Vorverlegung des Bemessungszeitraums aufgrund der Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie ist die Klägerin nicht beschwert (dazu unter c). Ausgehend hiervon war kein höheres vorgeburtliches Bruttoeinkommen zu berücksichtigen, als die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden ausgewiesen hat (dazu unter d).

a) Ausgehend von der Grundregel nach § 2 Abs 1 Satz 1 und § 2b Abs 1 Satz 1 BEEG sowie den bereits vor der COVID-19-Pandemie geltenden Ausnahmeregelungen des § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG bilden die Monate September 2019 bis August 2020 den Bemessungszeitraum für die Berechnung des Elterngeldanspruchs der Klägerin.

Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG (idF des Gesetzes vom 18.12.2014, BGBl I 2325) grundsätzlich iHv 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2c BEEG vor der Geburt sind nach § 2b Abs 1 Satz 1 BEEG (§ 2b BEEG hier anzuwenden in der vom 1.3.2020 bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung des Gesetzes für Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID-19-Pandemie vom 20.5.2020, BGBl I 1061) die zwölf Kalendermonate vor dem Kalendermonat der Geburt des Kindes maßgeblich. Jedoch bleiben nach § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person 1. im Zeitraum nach § 4 Abs 1 Satz 1 BEEG (in der vor dem 1.9.2021 geltenden Fassung) Elterngeld für ein älteres Kind bezogen hat, 2. während der Schutzfristen nach § 3 Mutterschutzgesetz nicht beschäftigt werden durfte oder Mutterschaftsgeld nach dem SGB V oder nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat, 3. eine Krankheit hatte, die maßgeblich durch eine Schwangerschaft bedingt war, oder 4. Wehrdienst nach dem Wehrpflichtgesetz in der bis zum 31.5.2011 geltenden Fassung oder nach dem Vierten Abschnitt des Soldatengesetzes oder Zivildienst nach dem Zivildienstgesetz geleistet hat und in den Fällen der Nummern 3 und 4 dadurch ein geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit hatte.

Vor der Geburt ihrer jüngeren Tochter im November 2020 hatte die Klägerin nur Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iS des § 2c BEEG. Daher sind für die Bemessung des Elterngelds grundsätzlich die Monate November 2019 bis Oktober 2020 maßgeblich. Jedoch bleiben die Monate September und Oktober 2020 wegen des von der Klägerin ab ...9.2020 bezogenen Mutterschaftsgelds unberücksichtigt (§ 2b Abs 1 Satz 2 Nr 2 Alt 2 BEEG). Der Bemessungszeitraum war deshalb auf die Monate September 2019 bis August 2020 zu verschieben (vgl zu dieser Rechtsfolge BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10, RdNr 20). Einer der weiteren Ausklammerungstatbestände des § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG lag nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht vor und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Bemessungszeitraum nicht um die Monate zu verkürzen, in denen sie aufgrund der COVID-19-Pandemie ein geringeres Einkommen hatte.

Nach § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes für Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID-19-Pandemie (vom 20.5.2020, BGBl I 1061) bleiben auf Antrag abweichend von Satz 2 bei der Ermittlung des Einkommens für die Zeit vom 1.3.2020 bis zum 31.12.2020 auch solche Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person aufgrund der COVID-19-Pandemie ein geringeres Einkommen aus Erwerbstätigkeit hatte und dies glaubhaft machen kann (seit 1.9.2021 mit Ausnahme eines modifizierten zeitlichen Anwendungsbereichs für die Ermittlung des pandemiebedingt reduzierten Einkommens inhaltsgleich § 2b Abs 1 Satz 4 BEEG).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte die Klägerin in den Monaten April und Mai 2020 wegen Kurzarbeit aufgrund der COVID-19-Pandemie ein verringertes Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Dennoch kann die Klägerin nicht verlangen, dass diese Monate bei der Berechnung des vorgeburtlichen Einkommens gänzlich außer Acht gelassen werden und der Bemessungszeitraum hierdurch auf zehn Monate mit nicht verringertem Einkommen verkürzt wird. Vielmehr ist Rechtsfolge des § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG lediglich eine Modifizierung des Bemessungszeitraums dahingehend, dass an Stelle von Monaten mit pandemiebedingt verringertem Einkommen, die in den regulären Bemessungszeitraum fallen, weiter zurückliegende Kalendermonate in die Elterngeldberechnung einbezogen werden. Von der Länge des Bemessungszeitraums iS des § 2b Abs 1 Satz 1 BEEG von zwölf Kalendermonaten wird dabei nicht abgewichen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG zu den Ausklammerungstatbeständen nach § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG und dessen Vorgängernormen (dazu unter aa), an die § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG nach Wortlaut (dazu unter bb), Systematik (dazu unter cc) und Regelungszweck (dazu unter dd) gerade in Bezug auf die Rechtsfolge unmittelbar anknüpft.

aa) Das BSG hat bereits zu § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG idF des Gesetzes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) entschieden, dass diese Bestimmungen lediglich eine Modifizierung des Bemessungszeitraums dahingehend vorsahen, dass an Stelle von bestimmten Monaten, die in den regulären Bemessungszeitraum fallen, weiter zurückliegende Kalendermonate in die Elterngeldberechnung einbezogen werden. Von der Länge des Bemessungszeitraums iS des § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG von zwölf Kalendermonaten werde dabei nicht abgewichen (stRspr; zB BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10, RdNr 20 mwN). Für die im wesentlichen inhaltsgleichen Nachfolgeregelungen in § 2b Abs 1 Satz 2 Nr 1 bis 3 BEEG hat das BSG diese Rechtsprechung bestätigt. Danach umfasst der Bemessungszeitraum auch in diesen Fällen zwölf Monate, wird aber um die Anzahl der nicht zu berücksichtigenden Kalendermonate in die Vergangenheit hinein verschoben (BSG Urteil vom 16.3.2017 - B 10 EG 9/15 R - BSGE 123, 1 = SozR 4-7837 § 2b Nr 4, RdNr 17; vgl auch BSG Urteil vom 27.6.2019 - B 10 EG 1/18 R - BSGE 128, 235 = SozR 4-7837 § 2 Nr 33, RdNr 14; BSG Beschluss vom 5.3.2021 - B 10 EG 10/20 B - juris RdNr 11). Diese Auffassung wird im einschlägigen Schrifttum geteilt (zB Röhl in BeckOK ArbR, Stand 1.9.2023, § 2b BEEG RdNr 3; Grüner/Jung/Wiegand, BEEG, § 2b RdNr 9, Stand 24. Ergänzungslieferung <Februar 2023>; Schnell in Tillmanns/ Mutschler, MuSchG/BEEG, 3. Aufl 2021, § 2b BEEG RdNr 13; Gösslein-Weiß in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2. Aufl 2020, § 2b BEEG RdNr 27; Brose in Brose/Weth/Volk, MuSchG und BEEG, 9. Aufl 2020, § 2b BEEG RdNr 8; Lenz/Wagner in Rancke/Pepping, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, 6. Aufl 2022, § 2b BEEG RdNr 8). Sie entspricht der damaligen und heutigen Verwaltungspraxis (vgl Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend <BMFSFJ>, Richtlinien zum BEEG, Stand 9/2020, Teil I Ziff 2b.1.2.1; Richtlinien zum BEEG, Stand 8/2023, Teil I Ziff 2b.1.2) und war nicht zuletzt auch in jüngerer Zeit Anknüpfungspunkt der Gesetzgebung für Änderungen im Zusammenhang mit den Ausklammerungstatbeständen in § 2b Abs 1 BEEG (vgl zB Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 18.11.2020 eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des BEEG, BT-Drucks 19/24438, S 26 zu Art 1 Nr 3 Buchst a Doppelbuchst cc).

bb) An diese Rechtslage knüpft der durch das Gesetz für Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID-19-Pandemie (BGBl I 2020, 1061) mit Wirkung zum 1.3.2020 neu eingefügte und hier maßgebliche § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG schon dem Wortlaut nach erkennbar an. Wie § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG spricht auch Satz 3 davon, dass bestimmte "Kalendermonate unberücksichtigt" "bleiben". Aus dem Wortlaut ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass "unberücksichtigt bleiben" in Satz 3 eine andere Wortbedeutung zukommen sollte als in Satz 2. Soweit Satz 3 mit den Worten "Abweichend von Satz 2" eingeleitet wird, bezieht sich dies schon nach der Satzstellung auf die darauf folgenden Worte "bleiben auf Antrag". Dies unterstreicht zudem der Vergleich mit den Ausklammerungstatbeständen nach Satz 2, die damals wie heute kein Antragserfordernis enthalten. Im Gegenteil wird erst seit 1.9.2021 den Elterngeldberechtigten die Möglichkeit eingeräumt, durch einen Antrag die Anwendung der Ausklammerungstatbestände des § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG einzuschränken (§ 2b Abs 1 Satz 3 BEEG idF des Gesetzes vom 15.2.2021, BGBl I 239).

cc) Die inhaltliche Anknüpfung des neuen, aus Anlass der COVID-19-Pandemie geschaffenen Ausklammerungstatbestands in § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG an die in Satz 2 bereits bestehenden Tatbestände wird in systematischer Hinsicht durch dessen Einfügung im unmittelbaren Anschluss an diese bestätigt. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass bei einem vom Gesetzgeber beabsichtigten inhaltlichen Gleichlauf eine Einfügung als weitere Nummer in Satz 2 zu erwarten gewesen wäre. Denn abweichend von den Ausklammerungstatbeständen nach Satz 2 setzt der neue Tatbestand einen Antrag voraus. Daher ist es folgerichtig, dass der neue Ausklammerungstatbestand nach Satz 2 eingefügt wurde und mit den Worten "Abweichend von Satz 2 bleiben auf Antrag" beginnt.

dd) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus dem Regelungszweck herleiten, wie er sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt. Vielmehr wird die vorstehend dargestellte Auslegung hierdurch und durch die Regelungsgeschichte bestärkt.

Zwar wird in der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes für Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID-19-Pandemie (BT-Drucks 19/18698 <Fraktionsentwurf>) ausgeführt, dass während des Bezugs von Elterngeld Einkommensersatzleistungen, die Eltern aufgrund der COVID-19-Pandemie erhalten, die Höhe des Elterngelds nicht reduzieren sollen (BT-Drucks 19/18698, S 1) und dies ausdrücklich auch für pandemiebedingte Einkommensverluste durch Kurzarbeit gelten soll (BT-Drucks 19/18698, S 5). Während der Ausschussberatungen wurde von Seiten der Regierungsfraktionen zudem betont, dass "frisch gebackene und werdende Eltern" keine finanziellen Nachteile aus der Corona-Pandemie erleiden sollten (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 19/19038, S 11), und man sicherstellen wolle, dass Eltern keine Kürzungen des Elterngelds aufgrund coronabedingter Kurzarbeit oder eines Jobverlusts erfahren (aaO, S 12). Jedoch sollte dieses Ziel, wie der Fraktionsentwurf deutlich hervorhebt, mittels eines zusätzlichen Ausklammerungstatbestands erreicht werden (BT-Drucks 19/18698, S 7), der die nach § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG bereits bestehenden ergänzt.

Soweit im Fraktionsentwurf - worauf die Klägerin abstellt - von einem "atypischen Ausklammerungstatbestand" die Rede ist (BT-Drucks 19/18698, S 7), bezieht sich die Atypik auf den Ausklammerungsgrund und nicht auf die Rechtsfolge (ebenso von Koppenfels-Spies in Knickrehm/Roßbach/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Aufl 2023, § 2b BEEG RdNr 4a; Röhl in BeckOK ArbR, Stand 1.9.2023, § 2b BEEG RdNr 10a). Denn unmittelbar davor wird auf den Grundsatz verwiesen, wonach das BEEG eine Ausklammerung nur aus eng mit Schwangerschaft und Geburt verknüpften Gründen oder auf Grundlage besonderer staatlicher Pflichten erlaubt und Einkommenswegfälle aus anderen Gründen wie zB der Arbeitsmarktlage oder Krankheit bereits durch den vergleichsweise langen Bemessungszeitraum von zwölf Monaten aufgefangen werden (BT-Drucks 19/18698, S 7). Abweichend von dieser Typik sollte wegen der durch die COVID-19-Pandemie eingetretenen einzigartigen Situation ein weiterer Ausklammerungstatbestand geschaffen werden, der weder auf eng mit Schwangerschaft und Geburt verknüpften Gründen noch auf besonderen staatlichen Pflichten beruht (BT-Drucks 19/18698, S 7).

Das Regelungsziel der Vermeidung von Nachteilen beim Elterngeld durch Kurzarbeit und andere pandemiebedingte Einkommensverluste sollte ausweislich der Begründung des Fraktionsentwurfs dadurch erreicht werden, dass der Zeitraum vom 1.5.2020 bis zum 31.12.2020 auf Antrag ausgeklammert werden kann (BT-Drucks 19/18698, S 7). Die in dieser Passage des Fraktionsentwurfs in Wortwahl und Kontext vorliegende unmittelbare Bezugnahme auf die bereits bestehenden Ausklammerungstatbestände des § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG lässt - entgegen der Ansicht der Klägerin - nur den Schluss zu, dass diese "Ausklammerung" in derselben Weise erfolgen sollte wie in den Fällen des Satzes 2 (im Ergebnis ebenso von Koppenfels-Spies in Knickrehm/Roßbach/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Aufl 2023, § 2b BEEG RdNr 4a; Röhl in BeckOK ArbR, Stand 1.9.2023, § 2b BEEG RdNr 10a; Meßling in Schlegel/Meßling/Bockholdt, COVID-19-Corona-Gesetzgebung - Gesundheit und Soziales, 2. Aufl 2022, § 5 RdNr 18).

Die Funktionsweise der Ausklammerungstatbestände und die Tatsache, dass eine Verschiebung des Bemessungszeitraums in die Vergangenheit für Elterngeldberechtigte möglicherweise auch nachteilig sein kann, musste dem Gesetzgeber bei der Behandlung des Gesetzes für Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID-19-Pandemie bewusst gewesen sein. Die Rechtsprechung des BSG hatte mehrfach solch nachteilige Konstellationen zum Gegenstand (vgl zB BSG Urteil vom 16.3.2017 - B 10 EG 9/15 R - BSGE 123, 1 = SozR 4-7837 § 2b Nr 4; BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R = BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10). Der Gesetzgeber hat die Rechtsprechung des BSG zum BEEG stets intensiv beobachtet und wiederholt zum Anlass für gesetzliche "Klarstellungen" genommen. Ausweislich des Fraktionsentwurfs war dies gerade auch beim Gesetz für Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID-19-Pandemie der Fall (vgl BT-Drucks 19/18698, S 5, wo die Neuregelung der zeitlichen Zuordnung von Einnahmen aus nichtselbstständiger und selbstständiger Arbeit mit dem Urteil des BSG vom 27.6.2019 <B 10 EG 1/18 R - BSGE 128, 235 = SozR 4-7837 § 2 Nr 33> begründet wird). Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme fern, zur vollständigen Vermeidung von pandemiebedingten Nachteilen beim Elterngeld habe die Ausklammerung auf andere Weise stattfinden sollen als in den Fällen des § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG. Dies gilt umso mehr, als mit dem von Satz 2 abweichenden Antragserfordernis den Elterngeldberechtigten - schon vor der durch Gesetz vom 15.2.2021 (BGBl I 239) zum 1.9.2021 erfolgten Einfügung des neuen § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG - die Möglichkeit eingeräumt wurde, eine für sie trotz pandemiebedingter Einkommensverluste nachteilige Verschiebung des Bemessungszeitraums zu vermeiden.

c) Ob die Beklagte trotz der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Kurzarbeit und des Antrags der Klägerin nach § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG von einer Vorverlegung des Bemessungszeitraums um weitere zwei Monate absehen durfte, bedarf keiner Entscheidung. Denn die Klägerin ist hierdurch nicht in ihren Rechten beschwert.

Nach der zum Zeitpunkt der Geburt der jüngeren Tochter der Klägerin im November 2020 noch anwendbaren Rechtslage war jedenfalls die Regelung des § 2b Abs 1 Satz 2 Nr 2 Alt 2 BEEG, wonach Monate mit Bezug von Mutterschaftsgeld aus dem Bemessungszeitraum auszuklammern sind, zwingend. Der Elterngeldbehörde war es untersagt, nach eigenem Ermessen zugunsten des Elterngeldberechtigten von ihrer Anwendung abzusehen. Dies hatte das BSG mit Urteil vom 16.3.2017 (B 10 EG 9/15 R - BSGE 123, 1 = SozR 4-7837 § 2b Nr 4, RdNr 33 ff) unter Aufgabe seiner anderslautenden Rechtsprechung zur Vorgängervorschrift (BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R = BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10) entschieden. Ob diese erst durch Einfügung des neuen Satz 3 nach § 2b Abs 1 BEEG mit Wirkung ab 1.9.2021 (durch Gesetz vom 15.2.2021, BGBl I 239; vgl hierzu Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des BEEG, BT-Drucks 19/24438, S 26) geänderte Rechtslage auch auf § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG in der hier noch maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 20.5.2020 zutrifft, sofern wie im vorliegenden Fall ein Antrag auf eine solche Ausnahme gestellt worden ist (vgl zum Antragserfordernis auch BMFSFJ, Richtlinien zum BEEG, Stand 09/2020, Teil I Ziff 2b.1.2.2 und Ziff 2b.1.3) kann vorliegend dahinstehen. Die Klägerin ist durch die Entscheidung der Beklagten, von der Ausklammerung der Monate April und Mai 2020 und der Ergänzung des Bemessungszeitraums um die Monate Juli und August 2019 abzusehen, nicht beschwert. Denn anderenfalls wären bei der Ermittlung des vorgeburtlichen Einkommens anstelle von zwei Monate mit verringertem Entgelt zwei Monate ohne Entgelt berücksichtigt worden, wodurch der Elterngeldanspruch der Klägerin niedriger hätte festgesetzt werden müssen als erfolgt.

d) Ausgehend von dem die Klägerin jedenfalls nicht beschwerenden Bemessungszeitraum von September 2019 bis August 2020 hat sie keinen Anspruch auf Elterngeld, das auf Grundlage eines höheren vorgeburtlichen Bruttoeinkommens zu berechnen ist. Vielmehr bezog die Klägerin in diesem Zeitraum nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) sogar ein geringfügig niedrigeres vorgeburtliches monatliches Bruttoeinkommen, als es die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden berücksichtigt hat.

2. Verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Berechnung des Elterngelds der Klägerin ausgehend von einem zwölfmonatigen Bemessungszeitraum unter Einbeziehung zweier Monate, in denen ihr vorgeburtliches Einkommen durch Kurzarbeit infolge der COVID-19-Pandemie verringert war, bestehen nicht.

Zwar führt die dargestellte Rechtsfolge des § 2b Abs 1 Satz 3 BEEG zu einer Ungleichbehandlung von Personen wie der Klägerin, deren pandemiebedingt verringertes Einkommen wegen fehlender Erwerbstätigkeit in den von der Vorverlagerung des Bemessungszeitraums betroffenen Monaten unausgeglichen bleibt, gegenüber Personen, deren Einkommen während der Pandemie oder in den Vorverlagerungsmonaten nicht verringert war. Diese bereits in der einkommensabhängigen Ausgestaltung des Elterngelds angelegte Differenzierung der Höhe des Elterngelds und die damit einhergehende Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - BVerfGK 19, 186 - juris RdNr 9 ff; BSG Urteil vom 24.3.2022 - B 10 EG 1/20 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 34 RdNr 35 ff). Dies gilt auch im Hinblick auf die Verwirklichung des staatlichen Schutz- und Förderungsauftrags des Art 6 Abs 1 und 2 GG, wobei in Rechnung zu stellen ist, dass dem Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personengruppen und bei der Ausgestaltung der Familienförderung grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (BVerfG <Kammer>, aaO, juris RdNr 13 mwN). Dass bei einer Ausgestaltung des Elterngelds als Kompensationsleistung für geburtsbedingten Einkommensverlust Unterschiede der Förderung zwischen Familien je nach dem vorgeburtlichen Einkommen der Eltern entstehen, ist verfassungsrechtlich angesichts der gesetzlichen Zielsetzung, durch die Kompensation des Wegfalls individuellen Einkommens eine Hinauszögerung des Kinderwunschs verursachende finanzielle Unsicherheiten zu verhindern, hinzunehmen. Dies gilt umso mehr, als die Regelung sowohl Eltern wie die Klägerin, deren Einkommen während eines Teils des Bemessungszeitraums pandemiebedingt gemindert ist als auch Eltern ohne vorgeburtliches Einkommen nicht gänzlich ohne Förderung lässt (vgl BVerfG <Kammer>, aaO, juris RdNr 15, 17).

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Unterliegen der Klägerin als Revisionsführerin Rechnung.

Kaltenstein                     Othmer                      Ch. Mecke

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