Sozialversicherungspflicht beziehungsweise -freiheit - Tätigkeit als Augenärztin in einer Privatpraxis für Augenheilkunde auf der Basis eines Servicevertrages - Übernahme von Sprechstunden - Abtretung von 65 Prozent ihrer privatärztlichen Honorarforderungen an Praxisinhaberin als Nutzungsentgelt - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit
Eine versicherungspflichtige Beschäftigung einer Ärztin, die in einer fremden Praxis in arbeitsteiligem Zusammenwirken mit dem dort angestellten Praxispersonal tätig wird, ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil 65 vom Hundert der aus ihrer Tätigkeit vereinnahmten Patientenhonorare den Praxisinhabern für die Überlassung von Räumen, Betriebsmitteln und Personal zustehen.
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Mai 2021 und des Sozialgerichts Bremen vom 27. März 2019 geändert. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 3. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2016 und des Teilanerkenntnisses vom 12. Dezember 2023 sowie auf Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungspflicht wird abgewiesen.
Die Beklagte trägt ein Drittel, die Klägerin zwei Drittel der Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens noch über die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. (im Folgenden: Beigeladene) aufgrund Beschäftigung als Augenärztin in einer von der Klägerin betriebenen Praxis für die Zeit vom 1.12.2014 bis zum 31.1.2016 in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Die klagende GmbH, die sich inzwischen in Liquidation befindet, betrieb im streitigen Zeitraum eine Privatpraxis für Augenheilkunde. Hierzu hielt sie Räumlichkeiten, Personal und Ausstattung vor. Sie verfolgte eine eigene Werbe- und Marketingstrategie und bot im Rahmen des Unternehmenskonzepts augenärztliche Diagnostik, Beratung und Therapie an. Eine vertragsärztliche Zulassung hatte sie nicht.
Die Klägerin und die beigeladene Fachärztin für Augenheilkunde schlossen unter dem 14.12.2014 einen so genannten "Servicevertrag". Nach dessen Präambel sollte durch ein möglichst einheitliches Auftreten der mit der Klägerin zusammenarbeitenden Ärzte der Bekanntheitsgrad und Ruf des "Augenzentrum-M" erhalten und gefördert werden. In dem Vertrag verpflichtete sich die Beigeladene, ihre ärztliche Tätigkeit im eigenen Namen und auf eigene Rechnung auszuüben; Behandlungsverträge sollten zwischen den Patienten und der Beigeladenen geschlossen werden. Die Beigeladene legte ihre Arbeitszeit selbst fest und war allein verantwortlich für die "Abführung von gesetzlichen Abgaben wie Steuern usw" (Nr 1 des Vertrags). Die Klägerin verpflichtete sich, der Beigeladenen bei "deren privatärztlicher Berufsausübung" die "Infrastruktur einer augenärztlichen Praxis zur Verfügung" zu stellen und sie bei "der Durchführung und Abrechnung der privatärztlichen Tätigkeit gegenüber ihren Patienten" zu unterstützen (Nr 2 des Vertrags). Im Gegenzug sollte die Klägerin 65 Prozent aller von der Beigeladenen tatsächlich vereinnahmten Honorare (inkl gesetzlicher Mehrwertsteuer) erhalten. Hierzu sah der Vertrag vor, dass die Beigeladene alle Honorarforderungen gegen ihre Patienten und deren Versicherungsträger an die Klägerin abtritt, diese die Bearbeitung sowie Einziehung der Honorarforderungen treuhänderisch übernimmt und das verbleibende Honorar von 35 Prozent monatlich an die Beigeladene überweist. Bei säumigen, durch die Klägerin mindestens zweimal gemahnten Patienten stand es in deren Ermessen, ein gerichtliches Mahnverfahren einzuleiten. Tat sie dies nur auf Wunsch der Beigeladenen, hatte diese die entstehenden Kosten zu tragen (Nr 5 des Vertrags). Die Beigeladene hatte auf die Abgabe einer Einverständniserklärung der Patienten mit der Abrechnung durch die Klägerin hinzuwirken (Nr 6 des Vertrags). Bei ihren ärztlichen Entscheidungen war die Beigeladene an keine Weisungen gebunden (Nr 3 des Vertrags). Die Arbeitszeiten richteten sich nach den "persönlichen zeitlichen Möglichkeiten" der Beigeladenen; sie war nicht verpflichtet, Sprechstundenzeiten anzubieten oder eine Mindestarbeitszeit einzuhalten, hatte keinen Anspruch auf einen Mindestumsatz oder eine Mindestanzahl an Patienten. Während der von der Beigeladenen angezeigten Arbeitszeiten hatte sie sich in den Räumen des Augenzentrums auf- und Sprechstunden abzuhalten. Im Verhinderungsfall traf sie eine Mitteilungspflicht gegenüber der Klägerin, um einbestellte Patienten informieren zu können. Die Auswahl unter mehreren, gleichzeitig arbeitsbereiten Ärzten oblag der Klägerin (Nr 4 des Vertrags). Die Beigeladene war ferner verpflichtet, "unter Kenntlichmachung ihrer Stellung als selbstständiger und unabhängiger Vertragspartner des Patienten" die von der Klägerin entwickelten Formulare und Werbemittel zu verwenden (Nr 7 des Vertrags). Der Vertrag sah außerdem die Haftung der Beigeladenen gegenüber ihren Patienten für alle aus ihrer Tätigkeit entstehenden Schäden vor, auch soweit diese von Angestellten der Klägerin verschuldet wurden. Soweit die Beigeladene Angestellte der Klägerin einsetzte, sollten diese als Erfüllungsgehilfen der Beigeladenen gelten (Nr 8 des Vertrags). Die Beigeladene hatte für ihre Tätigkeit eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen (Nr 9 des Vertrags).
Die Beigeladene übernahm vom 1.12.2014 bis zum 31.1.2016 an ein bis zwei Tagen in der Woche Sprechstunden in einem Umfang von jeweils etwa fünf Stunden. Sie behandelte zum Teil Patienten, die sie aus anderer Tätigkeit an das Augenzentrum M verwiesen hatte, im Übrigen wies die Beklagte ihr im Rahmen ihrer Kapazitäten weitere Patienten zu. Den Patienten wurde dazu das Formular "Anmeldebogen und Behandlungsauftrag" mit dem Logo "Augenzentrum M" vorgelegt, in dem die Daten der Patienten und der Name der Ärztin oder des Arztes einzutragen waren. Es wurde eine Privatbehandlung vereinbart und die Zustimmung zur Abrechnung durch die Klägerin erteilt. Außerdem waren Felder für Datum sowie Unterschrift von Patient und Arzt oder Ärztin vorgesehen.
Die Beklagte stellte fest, dass die von der Beigeladenen verrichtete Tätigkeit für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und seit dem Tag der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses am 1.12.2014 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der sozialen Pflegeversicherung (sPV) und der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (Statusfeststellungsbescheid vom 3.9.2015, Widerspruchsbescheid vom 16.3.2016). Das SG hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Beigeladene nicht abhängig beschäftigt gewesen sei und keine Versicherungspflicht bestanden habe (Urteil vom 27.3.2019). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es sei vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Das vertraglich Vereinbarte sei von den Vertragsparteien auch in der Praxis "gelebt" worden. Der Vertrag weise überwiegend Vereinbarungen aus, die für eine Selbstständigkeit der Beigeladenen sprächen. Der Vertrag begründe kein Zeit, Dauer, Ort und Art der Tätigkeitsausführung umfassendes Weisungsrecht der Klägerin und lasse auch kein persönliches oder wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis erkennen. Die Beigeladene sei auch nicht in die Betriebsabläufe der Klägerin eingegliedert gewesen. Vielmehr habe sie ein relevantes Unternehmerrisiko getragen. Ein Unternehmerrisiko trage auch jemand, der zwar fremde Betriebsmittel einsetze, hierfür aber Nutzungsentgelte zu entrichten habe (Urteil vom 27.5.2021).
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Die getroffenen schriftlichen Vereinbarungen wichen wesentlich von den tatsächlichen Verhältnissen ab. Die Klägerin habe der Beigeladenen Patienten zugewiesen. Die Beigeladene habe bei den Patienten auf die Abgabe einer Einverständniserklärung zur Forderungsabtretung an die Klägerin hinwirken müssen. Den Behandlungsvertrag habe die Beigeladene als Erfüllungsgehilfin der Klägerin für das "Augenzentrum-M" unterzeichnet. Die Beigeladene sei vollumfänglich in die fremde Betriebsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen. Die Klägerin habe als Servicegesellschaft die sächliche Infrastruktur und Dienstleistungen nicht bloß vermietet, sondern vielmehr selbst eine privatärztliche Praxis mit sächlicher und personeller Infrastruktur betrieben. Insoweit sei auf die Entscheidungen des BSG zu den Honorarärzten und Honorarpflegefachkräften zu verweisen. Die Beigeladene sei auch den Werbe- und Marketingstrategien - also der "corporate identity" - der Klägerin unterworfen und verpflichtet gewesen, sich zu den angezeigten Arbeitszeiten in den Räumen der Klägerin aufzuhalten. Dies widerspreche der Einordnung des Servicevertrags als Mietverhältnis. Sie habe während der Öffnungszeiten der Praxis Sprechstunden abgehalten und Patienten der Klägerin behandelt. Das Forderungsmanagement habe die Klägerin durchgeführt. Die Beigeladene habe auch kein nennenswertes Unternehmerrisiko getragen. Es habe weder ein relevantes Verlustrisiko für die Beigeladene bestanden noch habe sie in relevantem Umfang eigene Betriebsmittel eingesetzt.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der GKV und sPV aufgehoben sowie die Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung auf die Einsatztage in den Praxisräumen während des Zeitraums 1.12.2014 bis 31.1.2016 beschränkt. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Mai 2021 und des Sozialgerichts Bremen vom 27. März 2019 zu ändern sowie die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie schließt sich den Ausführungen des LSG an.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Der angefochtene Bescheid vom 3.9.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.3.2016 und des Teilanerkenntnisses vom 12.12.2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat die - nach Annahme des Teilanerkenntnisses nur noch streitige - Versicherungspflicht der Beigeladenen in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Zeiten zutreffend festgestellt, in denen die Beigeladene vom 1.12.2014 bis 31.1.2016 in den Praxisräumen der Klägerin tätig war.
1. Rechtsgrundlage für den hier angefochtenen Statusfeststellungsbescheid ist § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV (idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009 BGBl I S 3710 - aF). Danach entscheidet die Beklagte auf Antrag über die Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung (vgl BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 R 1/21 R - BSGE 133, 57 = SozR 4-2400 § 7 Nr 60, RdNr 11). Gemessen daran sind die angefochtenen Bescheide hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X).
Ein Statusfeststellungsbescheid muss erkennen lassen, ob er sich auf die Durchführung von Einzelaufträgen zwischen den Beteiligten - beginnend mit dem ersten Tätigwerden - unter gleichbleibenden Bedingungen bezieht oder ein Dauerschuldverhältnis vorliegt (BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 R 1/21 R - BSGE 133, 57 = SozR 4-2400 § 7 Nr 60, RdNr 19). Dies ist schon deshalb erforderlich, weil die Entscheidungen der Versicherungsträger über das Bestehen oder Nichtbestehen von Versicherungspflicht im Falle ihrer Bestandskraft beitragsrechtlich verbindlich sind (BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 31/07 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 30) und durch die Einzugsstellen umsetzbar sein müssen. Dabei ist der Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) über die Statusfeststellung der Auslegung zugänglich (§§ 133, 157 BGB; vgl BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 KR 29/19 R - BSGE 133, 49 = SozR 4-2400 § 7 Nr 62, RdNr 18). Hier hat der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids die Versicherungspflicht der Beigeladenen in ihrer Tätigkeit für die Klägerin ab 1.12.2014 nach dem objektiven Empfängerhorizont als Dauerschuldverhältnis festgestellt. Dass die Beklagte dabei nicht hinreichend berücksichtigt hat, dass die Beigeladene hier nur an einzelnen Tagen für die Klägerin tätig war und jeder einzelne Tag gesondert vereinbart wurde, ist keine Frage der Bestimmtheit, sondern der materiellen Rechtmäßigkeit. Bei der rechtswidrigen Feststellung eines Dauerschuldverhältnisses ist eine nachträgliche Beschränkung des Zeitraums der Versicherungspflicht auf einzelne Tage innerhalb des festgestellten Zeitraums zugunsten des Betroffenen während des gerichtlichen Verfahrens möglich. Aufgrund des angenommenen Teilanerkenntnisses (§ 101 Abs 2 SGG) stellen die angefochtenen Bescheide daher nunmehr rechtmäßig die Versicherungspflicht nur in den Zeiten fest, in denen die Beigeladene in den Praxisräumen der Klägerin tätig war. Dadurch ist ihr zeitlicher Geltungsbereich wirksam auf die tatsächlich abgehaltenen Sprechstundenzeiten beschränkt worden. Die Begrenzung auf tatsächlich abgehaltene Sprechstunden ohne Benennung der konkreten Tage mit Datum genügt ihrerseits den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Statusfeststellungsbescheids (vgl BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 R 1/21 R - BSGE 133, 57 = SozR 4-2400 § 7 Nr 60, RdNr 19).
2. Die angefochtenen Bescheide sind auch im Übrigen rechtmäßig. Ausgehend von den die Statusabgrenzung prägenden Maßstäben (dazu a) war die Beigeladene bei der Klägerin während ihrer Sprechstunden abhängig beschäftigt und daher in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig (dazu b).
a) Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der GRV und ArbIV (§ 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006, BGBl I 926 und § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV (idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009, BGBl I 3710). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (zuletzt BSG Urteil vom 24.10.2023 - B 12 R 9/21 R - zur Veröffentlichung vorgesehen - mwN) setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit und keine abschließenden Bewertungskriterien (vgl hierzu und zur Abgrenzung zu § 611a BGB näher BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 29 f). Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (vgl BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 12 R 3/20 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 65 RdNr 11 mwN).
Dabei ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (stRspr; vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 7.6.2019 - B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44, RdNr 13 f mwN). Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie zB vereinbaren, eine selbstständige Tätigkeit zu wollen. Denn der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person - als selbstständig oder beschäftigt - allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an (vgl BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 R 10/20 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 59 RdNr 22 mwN).
b) Ausgehend von diesen Maßstäben und auf der Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG unterlag die Beigeladene in den Zeiten, in denen sie Sprechstunden in der Praxis der Klägerin durchführte, aufgrund abhängiger Beschäftigung der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Zwar gibt es auch Merkmale ihrer Tätigkeit, die für Selbstständigkeit sprechen. Das Gesamtbild der Tätigkeit wird aber durch typische, für abhängige Beschäftigung sprechende Merkmale geprägt. Die Beigeladene erbrachte ihre ärztliche Tätigkeit in den Praxisräumen der Klägerin unter Eingliederung in deren Arbeitsorganisation in "funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess" (hierzu aa). Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale treten dahinter deutlich zurück (hierzu bb). Auf eine darüber hinausgehende Weisungsgebundenheit der Beigeladenen kam es deshalb nicht an.
aa) Die Eingliederung in die Arbeitsabläufe einer ärztlichen Praxis setzt voraus, dass die Tätigkeit innerhalb der vorgegebenen Organisationsabläufe erbracht wird, also deren Einrichtungen sowie Betriebsmittel genutzt werden und arbeitsteilig mit dem Praxispersonal in vorhandenen Strukturen zusammengearbeitet wird (vgl BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 32; BSG Urteil vom 27.4.2021 - B 12 R 8/20 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 56 RdNr 24). Die Beigeladene nutzte nach Absprache die ihr zugeteilten Praxisräume und das ihr von der Klägerin überlassene Personal. Sie hatte bei Auswahl, Kosten und Wartung der Sachmittel, bei der Einstellung, Vergütung oder Qualifikation der Mitarbeiter der Klägerin sowie bei deren Arbeitsorganisation keine Mitsprachemöglichkeit. Ihre Tätigkeit erforderte aber ein erhebliches Maß an arbeitsteiligem Zusammenwirken mit dem Praxispersonal. Dieses übernahm nicht nur die Terminabsprachen mit den Patienten, sondern auch medizinische Unterstützungsleistungen zur augenärztlichen Behandlung, insbesondere bei der Bedienung der Untersuchungsgeräte. Zwar konnte die Beigeladene den Mitarbeitern der Klägerin insoweit fachliche Weisungen erteilen, umfassende - einer eigenen Eingliederung ggf widersprechende - Arbeitgeberfunktionen hatte sie aber nach der vertraglichen Ausgestaltung nicht inne (vgl BSG Urteil vom 27. Mai 1959 - 3 RK 18/55 - BSGE 10, 41, 45; BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 R 1/21 R - BSGE 133, 57 = SozR 4-2400 § 7 Nr 60, RdNr 25 mwN). Die Erteilung fachlicher Weisungen in Abhängigkeit von der fachlichen Qualifikation spricht nicht für Selbstständigkeit, sondern ist in hierarchisch organisierten Unternehmen Kennzeichen arbeitsteiliger Zusammenarbeit und auch unter Arbeitnehmern typisch (vgl BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 32). Der Beigeladenen waren auch nicht nur bestimmte Personen, Apparate oder Praxisräume vertraglich zugeordnet. Vielmehr war sie in die von der Klägerin vorgegebenen Arbeitsstrukturen eingebunden, was sich schon daran zeigt, dass das Personal ihr im Rahmen ihrer zeitlichen Kapazitäten weitere Patienten zuweisen konnte. Sie war außerdem an die von der Klägerin vorgegebenen Öffnungszeiten gebunden. Einfluss auf die Arbeitszeiten des Personals hatte sie nicht. Darüber hinaus war sie zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet und zwar grundsätzlich zu den Zeiten, die sie zugesagt und denen die Klägerin zugestimmt hatte. Die Auswahl unter mehreren arbeitsbereiten Ärzten oblag allein der Klägerin. Die Beigeladene war auch in die von der Klägerin vorgegebenen Strukturen der Honorarabrechnung eingebunden.
Die bei der Klägerin abhängig beschäftigten Mitarbeiter wurden der Beigeladenen auch nicht zur Arbeitsleistung überlassen. Die Klägerin war weder zur Arbeitnehmerüberlassung befugt noch war der mit der Beigeladenen geschlossene Vertrag hierauf gerichtet. Die Weisungsbefugnis ihnen gegenüber verblieb ausschließlich bei der Klägerin, soweit es nicht um die qualifikationsabhängigen fachlichen Weisungen im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung ging. Die Mitarbeiter der Klägerin erbrachten auch keine abgrenzbare Dienstleistung für die Beigeladene. Vielmehr arbeitete die Beigeladene jeweils mit dem allein von der Klägerin ausgewählten und konkret eingesetzten Personal zusammen und erbrachte unter deren Zuarbeit in arbeitsteiligem Zusammenwirken die Untersuchungs- und Behandlungsleistungen. Zwar sollte die Beigeladene nach den vertraglichen Regelungen die Haftung gegenüber ihren Patienten auch für von den Angestellten der Klägerin verschuldeten Schäden tragen, die "Erfüllungsgehilfe" der Beigeladenen seien (Nr 8 des Vertrags). Die Beigeladene wurde dadurch aber weder zur Arbeitgeberin des Praxispersonals noch zu deren Dienstherrin im Rahmen eines freien Dienstleistungsvertrags. Die Mitarbeiter blieben allein der Klägerin unterstellt, während die Beigeladene ihnen nicht einmal solche Anweisungen erteilen konnte, wie sie im Rahmen eines freien Dienstvertrags typisch sind.
Die Eingliederung der Beigeladenen in die Arbeitsorganisation der Klägerin zeigt sich daneben auch am einheitlichen Auftreten nach außen einschließlich der behandlungsvertraglichen Gestaltung gegenüber den Patienten. Ein "möglichst einheitliches Auftreten" wird in der Präambel des Vertrags ausdrücklich hervorgehoben. Die Beigeladene war vertraglich verpflichtet, zum Abschluss der Behandlungsverträge mit den Patienten und zur Einholung deren Einverständnisses mit der Abrechnung durch die Klägerin das allein von dieser entwickelte Formular "Anmeldebogen und Behandlungsauftrag" unter dem Briefkopf "Augenzentrum M" zu nutzen. Es kann dahinstehen, ob die beigeladene Ärztin die Verträge mit den Patienten bei einer Auslegung nach dem Empfängerhorizont zivilrechtlich - wie das LSG meint - im eigenen Namen schloss. Es kann auch offenbleiben, ob der Beigeladenen daraus eigene Honorarforderungen entstanden sind, die sie an die Klägerin abtreten konnte. Jedenfalls trat die Klägerin nicht nur als Abrechnungsstelle auf. Anders als bloße Abrechnungsstellen niedergelassener Ärzte hatte sie durch ihre Beteiligung am Honorar von 65 Prozent ein überwiegendes Eigeninteresse an der Eintreibung der Honorare.
Durch die Zuweisung zusätzlicher Patienten konnte die Klägerin das Honoraraufkommen auch im eigenen Interesse steigern. Sie entschied zudem, ob Rechnungen gerichtlich beigetrieben werden sollten. Die Beigeladene konnte dies nur gegen die ausdrückliche Übernahme des Kostenrisikos verlangen.
bb) Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale treten dahinter deutlich zurück. Ein substantiell eigenes Auftreten der Beigeladenen am Markt unter eigener Verantwortung wird nicht hinreichend deutlich. Dass die Beigeladene Patienten, die sie andernorts behandelte, zur Privatbehandlung in die Praxis der Klägerin vermittelte und diese dadurch in der Behandlung der Beigeladenen verbleiben konnten, genügt für eine selbstständige Tätigkeit nicht. Nach den Feststellungen des LSG wurden diese Patienten mit Methoden untersucht, die in der anderen Praxis nicht zur Verfügung standen. Die Patienten wählten die Praxis der Klägerin nicht nur wegen der persönlichen Behandlung durch die Beigeladene, sondern gezielt das Augenzentrum als Behandlungsort mit dort realisierbaren medizinischen Möglichkeiten. Sie begaben sich damit in die allein von der Klägerin vorgehaltene technische, sachliche und personelle Infrastruktur. Das gesamte Patienten-Management betrieb die Klägerin, die Beigeladene selbst vergab keine Termine oder sagte sie ab. Die Mitarbeiter traten nach den Vorgaben der Klägerin einheitlich nach außen auf. Das Qualitätsmanagement wurde durch die Klägerin sichergestellt und unterlag deren Anforderungen.
Die Beigeladene hatte in ihrer Tätigkeit in der Praxis der Klägerin auch nicht die unternehmerischen Chancen und Risiken eines Selbstständigen mit "eigenen Betriebsmitteln". Über den Einsatz ihrer Arbeitskraft hinausgehende Chancen bot ihr das Rechtsverhältnis zur Klägerin nicht. Sie trug lediglich insofern ein gewisses Einkommensausfallrisiko, als sie ihren Anteil am Honorar nur erhielt, soweit die Klägerin dieses von ihren Patienten tatsächlich vereinnahmte. Außer dem Risiko, wegen nicht realisierbarer Honorarforderungen ihre Arbeitskraft vergeblich eingesetzt zu haben, trug die Beigeladene demgegenüber kein Risiko für den Einsatz der sächlichen oder personellen Mittel der Praxis (vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 36 mwN). Dieses trug allein die Klägerin.
Ein Nutzungsentgelt war hier nicht vereinbart. Die Vereinbarung eines Entgelts für die Nutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln spricht zwar grundsätzlich gegen eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation (vgl BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 12 R 3/20 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 65 RdNr 21). Die Vertragsparteien teilten hier aber nur die von der Klägerin als Auftraggeberin tatsächlich vereinnahmten Honorare untereinander auf. Die Vereinbarung gleicht damit eher einem Beschäftigten gezahlten Entgelt mit Beteiligung am individuellen Umsatz als einem unternehmerischen Risiko. Durch Zuweisung zusätzlicher Patienten hatte nur die Klägerin die Möglichkeit, das Einkommensausfallrisiko zu steuern. Ein Ersatz für vergeblich reservierte oder ineffizient genutzte Sprechstundenzeiten oder ausfallende Honorarforderungen war ebenso wenig vorgesehen wie ein fester Betrag, der unabhängig von der tatsächlichen Nutzung zu zahlen gewesen wäre. Die Klägerin als Praxisinhaberin musste die Personal- und Sachmittel unabhängig von ihrer Nutzung, von der Anzahl der Patienten und der Realisierbarkeit der Honorarforderungen vorhalten und bezahlen. Nur sie trug damit das Risiko, dass Untersuchungsgeräte, Praxisräume und Personal bei weiterlaufenden Kosten ungenutzt oder untätig blieben. Auch das Risiko, dass das Personal der Praxis durch Krankheit, Urlaub oder Fortbildung ausfiel, trug die Klägerin allein. Mit dem zu ihren Gunsten vereinbarten Anteil von 65 Prozent der Honorarforderungen trug diese zudem den größeren Teil des Zahlungsausfallrisikos.
3. Eine Versicherungsfreiheit aufgrund geringfügiger (§ 8 Abs 1 SGB IV idF des Gesetzes zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 5.12.2012, BGBl I 2474 - aF) oder wegen unständiger (§ 27 Abs 3 Nr 1 SGB III) Beschäftigung kommt nicht in Betracht. Weder haben die Beteiligten eine zeitgeringfügige Tätigkeit von längstens zwei Monaten oder 50 Tagen im Jahr vereinbart noch war die Tätigkeit ihrer Eigenart nach darauf begrenzt (§ 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV aF). Dass die Einkünfte der Beigeladenen aus der Tätigkeit bei der Klägerin regelmäßig die Geringfügigkeitsgrenze (§ 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV aF) nicht überschritten, ist nicht ersichtlich. Auch für die Vereinbarung einer Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche beschränkt ist, oder die der Natur der Sache nach darauf beschränkt zu sein pflegt (§ 27 Abs 3 Nr 1 Satz 2 SGB III), fehlen Anhaltspunkte.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2, § 162 Abs 3 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 Satz 1 iVm § 63 Abs 2 Satz 1 GKG und bestimmt sich nach dem Auffangstreitwert in Höhe von 5000 Euro, weil Gegenstand des Rechtsstreits nicht (auch) eine Beitragsforderung war (BSG Beschluss vom 20.2.2017 - B 12 KR 95/16 B - juris RdNr 17).
Heinz Waßer Padé