Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 13.12.2023, B 7 AS 24/22 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - abschließende Entscheidung nach vorläufiger Leistungsbewilligung - Nullfestsetzung - Pflicht zum Nachweis leistungserheblicher Tatsachen - gescheiterte Bedarfsgemeinschaft - Trennung der Eheleute - Einnahmen eines Ehegatten aus selbstständiger Tätigkeit - Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten - persönliche Zuordnung - Amtsermittlungspflicht - Erkenntnisausfall - Fiktionswirkung

Leitsätze

1. Bei abschließender Festsetzung von SGB II-Leistungen nach vorläufiger Bewilligung gilt hinsichtlich der persönlichen Zuordnung von Mitwirkungsobliegenheiten und den Rechtsfolgen ihrer Verletzung nichts anderes als nach den für alle Sozialleistungen geltenden Regelungen.

2. Zur Amtsermittlungspflicht im Verfahren der abschließenden Leistungsbewilligung.

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Februar 2022 wird auf die Revision der Klägerin geändert und auf die Revision des Klägers aufgehoben.

Der Tenor des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Februar 2021 wird in Bezug auf das Begehren des Klägers klarstellend neugefasst, indem nur der Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2020 aufgehoben wird. Die Berufung des Beklagten gegen den vorbenannten Gerichtsbescheid wird insoweit zurückgewiesen. 

Der Beklagte wird verpflichtet, für die Zeit vom 1. November 2018 bis 30. April 2019 den Leistungsanspruch der Klägerin unter Berücksichtigung eines monatlichen Durchschnittseinkommens des früheren Ehemannes von 173,33 Euro abschließend festzusetzen. Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen. 

Der Beklagte hat den Klägern auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

Im Streit ist die abschließende Entscheidung über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.11.2018 bis 30.4.2019 sowie die Erstattung vorläufig gezahlter Leistungen. 

Die Klägerin lebte im genannten Zeitraum mit ihrem Ehemann (künftig: E) und dem 2016 geborenen Sohn, dem Kläger, in einem Haushalt. Ab Mai 2019 waren die Eheleute getrennt. E war im Leistungszeitraum, wie auch davor, mit einem Autoreparaturservice selbständig tätig. Die Kläger und E standen fortlaufend im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Wegen des Einkommens des E aus selbständiger Tätigkeit wurden Leistungen nur vorläufig bewilligt, so auch für den Zeitraum vom 1.11.2018 bis 30.4.2019 (Bescheid vom 19.11.2018). Im Weiterbewilligungsantrag von Oktober 2018 waren für November 2018 bis April 2019 erwartete monatliche Gewinne von durchschnittlich 163,33 Euro angegeben. 

Dem von der Klägerin für sich und ihren Sohn gestellten Weiterbewilligungsantrag (vom 30.4.2019) war beigefügt die von E unterschriebene Anlage EKS mit abschließenden Angaben für die Zeit vom 1.11.2018 bis 30.4.2019. Danach erzielte er Betriebseinnahmen im November 2018 von 180 Euro, im Dezember 2018 von 150 Euro, im Januar 2019 von 160 Euro, im Februar 2019 von 150 Euro, im März 2019 von 180 Euro und im April 2019 von 220 Euro. Weitere Angaben oder Anlagen enthielt das ausgefüllte Formular nicht.  

Das beklagte Jobcenter forderte in an E und die Klägerin gerichteten Schreiben (vom 10.5.2019) unter Fristsetzung bis 5.6.2019 auf, Nachweise über die Einnahmen im Rahmen der Selbständigkeit vorzulegen ("… soweit vorhanden: Ausgangsrechnungen, Kontoauszüge, Quittungen, Kassenbuch etc., sonst fortlaufende Auflistung über die Einnahmen entsprechend meiner Aufforderung aus dem Bewilligungsbescheid vom 19.11.2018 …"). An die Erledigung wurden beide unter Fristsetzung bis 26.6.2019 erinnert (ein Schreiben an beide vom 7.6.2019). Daraufhin teilte E mit (Schreiben vom 24.6.2019), er besitze keine Quittungen bzw habe keine ausgestellt. In der Vergangenheit habe es bei der Einreichung seiner Papiere keine Beanstandungen gegeben. 

Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten abschließenden Entscheidung, wonach im Leistungszeitraum ein Anspruch nicht bestehe und Leistungen zu erstatten seien, teilte die Klägerin im Juli 2019 mit, sie lebe seit Mai 2019 von E getrennt und sei nicht in der Lage, Nachweise über dessen Einnahmen vorzulegen. Sie habe zu keinem Zeitpunkt Einblick in den Geschäftsbetrieb gehabt. 

Der Beklagte stellte sodann fest, dass ein Leistungsanspruch von November 2018 bis April 2019 nicht bestanden habe (sog Nullfeststellung) und gezahlte Leistungen iH von 4263,64 Euro zu erstatten seien (Bescheid vom 21.8.2019; Widerspruchsbescheid vom 28.7.2020). Auch gegenüber E erfolgte eine entsprechende Feststellung; er habe zudem 3082,40 Euro zu erstatten (Bescheid ebenfalls vom 21.8.2019)

Die Klagen, gerichtet allein auf die Aufhebung des Bescheids vom 21.8.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.7.2020, haben vor dem SG Erfolg gehabt (Gerichtsbescheid vom 18.2.2021). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Bescheide seien aufzuheben, weil es an einer ordnungsgemäßen schriftlichen Belehrung über die Rechtsfolgen fehle. Die Klägerin sei insbesondere nicht darüber belehrt worden, dass nach der Rechtsprechung des BSG auch noch im Widerspruchsverfahren vorgelegte Unterlagen zum Nachweis leistungserheblicher Tatsachen zu berücksichtigen seien. Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage(n) abgewiesen (Urteil vom 17.2.2022). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Rechtsfolgenbelehrung sei zwar teilweise unrichtig, denn es widerspreche sowohl dem Gesetzeswortlaut als auch der Rechtsprechung des BSG, dass nach Ablauf des 5.6.2019 eingereichte Unterlagen nicht mehr berücksichtigt würden. Dieser Fehler wirke sich aber nicht auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids aus, da E ohnehin erklärt habe, keine Belege vorlegen zu können. Auf die Richtigkeit der Belehrung hinsichtlich der Frist komme es daher nicht an. Zudem habe der Beklagte selbst nach Fristablauf sowohl die Klägerin als auch E zur Vorlage von Belegen ergebnislos aufgefordert. Die fehlende Mitwirkung des E sei den Klägern zuzurechnen, denn sie hätten mit diesem im Leistungszeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft gelebt. 

Mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung des § 41a Abs 3 SGB II. Sie seien im Zeitpunkt der Aufforderung, Nachweise vorzulegen, nicht mehr Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft mit E und auch tatsächlich nicht in der Lage gewesen, entsprechende Unterlagen, die sich auf dessen selbständige Tätigkeit bezogen hätten, beizubringen. Zudem sei die Rechtsfolgenbelehrung inhaltlich objektiv unrichtig und die gesetzte Frist zu kurz bemessen. 

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Februar 2022 aufzuheben, die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Februar 2021 zurückzuweisen und den Beklagten zu verpflichten, für die Zeit vom 1. November 2018 bis 30. April 2019 abschließend Leistungen in Höhe der vorläufig bewilligten festzusetzen. 

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Revisionen der Kläger sind überwiegend begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und aufzuheben. Die Voraussetzungen für die Feststellung, dass ein Leistungsanspruch nicht bestanden hat, lagen nicht vor.

1. Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid vom 21.8.2019 und der Widerspruchsbescheid vom 28.7.2020, mit dem der Beklagte festgestellt hat, dass für die Zeit vom 1.11.2018 bis 30.4.2019 Leistungsansprüche nicht bestehen.

2. Die Kläger verfolgen ihr Begehren, den Bescheid vom 21.8.2019 über die sog "Nullfeststellung" aufzuheben und die Verpflichtung des Beklagten, abschließend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der vorläufig festgestellten und ausgezahlten Leistungen zu bewilligen, zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG; BSG vom 8.2.2017 - B 14 AS 22/16 R - juris RdNr 10 mwN; zuletzt BSG vom 29.11.2022 - B 4 AS 64/21 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 7 RdNr 12 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), gerichtet auf ein Grundurteil im Höhenstreit (BSG vom 11.11.2021 - B 14 AS 41/20 R - SozR 4-4200 § 11b Nr 14 RdNr 12). Einer isolierten Anfechtung der abschließenden Entscheidung mit dem Ziel, die vorläufig bewilligten Leistungen weiter behalten zu dürfen, fehlt im Grundsatz (zur Ausnahme für den Fall, dass die Fiktionswirkung eingetreten ist, vgl BSG vom 27.9.2023 - B 7 AS 17/22 R - RdNr 13 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) das Rechtsschutzbedürfnis, weil das Verfahren zur abschließenden Feststellung der Leistungshöhe nach vorläufiger Bewilligung durch einen entsprechenden Leistungsbescheid abzuschließen ist. Allein die Aufhebung eines abschließenden Bescheids beendet das Verfahren nicht dauerhaft. Auch wenn die Behörde bis zum Ablauf eines Jahres nach Ende des Bewilligungszeitraums einen abschließenden Bescheid erlassen hat, tritt die Fiktionswirkung (als weitere gesetzlich vorgesehene Option des Verfahrensabschlusses) selbst dann nicht (wieder) ein, wenn dieser Bescheid im Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren aufgehoben oder geändert wird. Es fehlte also an einer abschließenden Entscheidung (BSG vom 12.9.2018 - B 4 AS 39/17 R - BSGE 126, 294 = SozR 4-4200 § 41a Nr 1, RdNr 11, 33 f mwN). In der deshalb gebotenen, wenn auch erst im Revisionsverfahren erfolgten Erweiterung der Klage um die Verpflichtung, die Leistungen in der bisher gezahlten Höhe festzusetzen und infolgedessen die bereits gezahlten Leistungen behalten zu dürfen, liegt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG; § 168 SGG). Höhere Leistungen als vorläufig bewilligt haben die Kläger im gesamten Klageverfahren nicht geltend gemacht.

3. Der Beklagte hat zu Unrecht festgestellt, dass ein Leistungsanspruch der Kläger für die Zeit von November 2018 bis April 2019 nicht besteht.

a) Rechtsgrundlage für die abschließende Feststellung des Leistungsanspruchs bildet § 41a Abs 3 SGB II und für die geltend gemachte Erstattung § 41a Abs 6 Satz 3 SGB II (in der bis 31.3.2021 maßgeblichen Normfassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016, BGBl I 1824). Nach § 41a Abs 3 Satz 1 SGB II entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a SGB I gelten entsprechend (Satz 2). Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen nach § 41a Abs 3 Satz 3 SGB II die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand (Satz 4). Nach § 41a Abs 6 Satz 3 SGB II sind Überzahlungen, die nach der Anrechnung fortbestehen, zu erstatten.

b) Materiell-rechtlich beurteilt sich der Anspruch der Kläger nach §§ 19 ff iVm §§ 7 ff , §§ 20 ff SGB II in der Fassung, die das SGB II durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG vom 23.12.2016, BGBl I 3234) ab 1.1.2018 bzw ab 1.1.2019 durch das Teilhabechancengesetz (10. SGB II-ÄndG vom 17.12.2018, BGBl I 2583) und das Qualifizierungschancengesetz (QualChancenG vom 18.12.2018, BGBl I 2651) erhalten hat (Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 15 mwN). 

Die Kläger erfüllten nach den Feststellungen des LSG die Grundvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg II (Klägerin) bzw Sozialgeld (Kläger) nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (in der Normfassung des BTHG), bezogen auf den Kläger iVm § 23 SGB II; ein Ausschlusstatbestand lag nicht vor.

c) Der Kläger hat mit seinem Anfechtungsbegehren schon deshalb Erfolg, weil ihm gegenüber die Voraussetzungen des § 41a Abs 3 Satz 1 SGB II nicht vorgelegen haben. Der Beklagte hat nicht binnen eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums über seinen Leistungsanspruch abschließend entschieden.

§ 41a Abs 3 Satz 1 SGB II setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung noch eine vorläufige Bewilligung besteht, die ersetzt werden kann (BSG vom 27.9.2023 - B 7 AS 17/22 R - RdNr 15, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Gegenüber dem Kläger ist erstmals im Widerspruchsbescheid vom 28.7.2020 eine abschließende Festsetzung des Leistungsanspruchs für die Zeit von November 2018 bis April 2019 erfolgt und nicht bereits, wovon die Beteiligten bislang ausgegangen waren, mit dem innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums erlassenen Bescheid vom 21.8.2019. Inhaltsadressatin dieses Bescheids, dem kein Berechnungsbogen beigefügt war, war nur die Klägerin. Davon, dass in diesem Bescheid eine abschließende Entscheidung und Verfügung über die Erstattung von Leistungen auch gegenüber dem minderjährigen Kläger erfolgen sollte, kann nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizonts nicht ausgegangen werden. Weder wird die Klägerin - auch - in ihrer Funktion als (eine) gesetzliche Vertreterin des Klägers adressiert, noch die Erstattungsforderung näher spezifiziert bzw nach individuellen Ansprüchen gegliedert dargestellt. Eine Regelung gegenüber dem Kläger enthält der Bescheid folglich nicht. 

Da die Jahresfrist des § 41a Abs 5 Satz 1 SGB II bereits am 30.4.2020 geendet hatte (§ 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 26 SGB X), galten die vorläufig bewilligten Leistungen im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 28.7.2020 daher bereits als abschließend festgesetzt (§ 41a Abs 5 Satz 1 SGB II). Weder liegen Anhaltspunkte für eine der gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen vom Eintritt der Fiktionswirkung (§ 41a Abs 5 Satz 2 Nr 1 oder 2 SGB II) vor noch kann der Widerspruchsbescheid nach seinem Inhalt im vorliegenden Fall als Aufhebungsentscheidung (§§ 45, 48 SGB X) ausgelegt oder generell in eine solche umgedeutet werden (vgl zum Ganzen nur BSG vom 27.9.2023 - B 7 AS 17/22 R - RdNr 26 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Schon aus diesem Grund kann der Beklagte keine Erstattung der Leistungen von dem Kläger nach § 41a Abs 6 Satz 3 SGB II verlangen. 

Einer Verurteilung des Beklagten zur abschließenden Festsetzung von Leistungen in Höhe der dem Kläger vorläufig bewilligten bedurfte es nach Eintritt der Fiktionswirkung nicht. Die als abschließend festgestellt geltende Bewilligung bildet den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der zunächst nur vorläufig bewilligten Leistungen; ein Verfahrensabschluss ist damit auch ohne gesonderte bescheidmäßige Feststellung erfolgt (vgl zum Ganzen BSG vom 27.9.2023 - B 7 AS 17/22 R - RdNr 13 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

d) Gegenüber der Klägerin lagen die Voraussetzungen für die sog Nullfeststellung nicht vor. Sie hat keine Mitwirkungsobliegenheit verletzt (dazu 1). Im Anwendungsbereich des § 41a SGB II gilt hinsichtlich der persönlichen Zuordnung der Mitwirkungsobliegenheiten und den Rechtsfolgen ihrer Verletzung nichts anderes als nach den allgemeinen Regelungen der §§ 60 ff SGB I (dazu 2). Zugleich ist die Pflicht zur Amtsermittlung nicht suspendiert (dazu 3). Da im Zeitpunkt der abschließenden Festsetzung die Bedarfsgemeinschaft aus den Klägern und E nicht mehr bestand, rechtfertigt eine ggf erfolgte Obliegenheitsverletzung des E keine Nullfeststellung gegenüber der Klägerin (dazu 4). Ob die zur Mitwirkung gesetzte Frist angemessen und die Rechtsfolgenbelehrung im Bescheid vom 19.11.2018 im Einzelnen zutreffend war, kann daher unentschieden bleiben (dazu 5)

 (1) Nach § 41a Abs 3 Satz 2 SGB II sind die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die vom Grundsicherungsträger zum Erlass der abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a SGB I gelten entsprechend. 

Danach war der Beklagte zwar nach § 41a Abs 3 Satz 2 SGB II iVm § 60 Abs 1 und 2, § 65 Abs 1 Nr 1 SGB I im Grundsatz berechtigt, die Vorlage einer vollständig ausgefüllten, abschließenden Anlage EKS und, wie im Bewilligungsbescheid vom 19.11.2018 aufgeführt, einer Liste mit näheren Angaben zu den im einzelnen erledigten Arbeiten, dem Tag der Auftragsausführung sowie den Einzeleinnahmen zu verlangen (vgl dazu auch BSG vom 29.11.2022 - B 4 AS 64/21 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 7 RdNr 18, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Es handelt sich um Angaben, die für die Höhe der Leistung erheblich sind; auf die bloße summenmäßige Mitteilung der Einkünfte - wie hier erfolgt - musste sich der Beklagte nicht verweisen lassen. 

Die Klägerin hat ihre Mitwirkungsobliegenheiten erfüllt; sie hat mit dem Weiterbewilligungsantrag die von E ausgefüllte Anlage EKS eingereicht. Das weitere Verlangen des Beklagten richtete sich der Sache nach auf Angaben, die nicht die Sphäre der Klägerin betrafen, sondern die des E, nämlich nähere Angaben zu der von ihm ausgeübten selbständigen Tätigkeit und dem Zustandekommen des daraus erzielten Einkommens. Die Mitwirkungsobliegenheit des § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm Abs 2 SGB I besteht aber - auch in einer Partnerschaft - nur in Bezug auf leistungserhebliche Tatsachen, die dem zur Mitwirkung Verpflichteten selbst bekannt sind oder die er sich in zumutbarer Weise beschaffen kann (vgl nur Spellbrink in BeckOGK, SGB I, § 60 RdNr 13, Stand 1.8.2019; BSG vom 10.3.1993 - 14b/4 REg 1/91 - BSGE 72, 118 = SozR 3-7833 § 6 Nr 2, juris RdNr 15) und umfasst zwar insoweit ggf auch das Einkommen und Vermögen des Partners. Nach den Feststellungen des LSG hatte die Klägerin allerdings - über die Angaben in der EKS - keine weiteren Kenntnisse über das Einkommen des E und dessen Geschäftsbetrieb. 

 (2) Im Anwendungsbereich des § 41a Abs 3 Satz 2 SGB II gilt hinsichtlich der persönlichen Zuordnung der dort in Bezug genommenen Mitwirkungsobliegenheiten nach den §§ 60 ff SGB I - unabhängig davon, ob in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung - nichts anderes (so auch Hengelhaupt in Hauck/Noftz SGB II, § 41a RdNr 339, 10. Ergänzungslieferung 2023; Kallert in BeckOGK, SGB II, § 41a RdNr 172, Stand 1.3.2022; Kemper in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl 2021, § 41a RdNr 46; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, § 41a RdNr 78, Stand November 2017; Formann, SGb 2016, 615, 617). Dies macht bereits der Wortlaut der Regelung deutlich, der zwischen Mitwirkungsobliegenheiten der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen differenziert. Trotz der besonderen Konstellation der Bedarfsgemeinschaft im SGB II und der Auswirkungen, die infolge der horizontalen Einkommensberücksichtigung (§ 9 Abs 2 Satz 3 SGB II) das Einkommen eines Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft auf die Ansprüche auch der übrigen Mitglieder haben kann, handelt es sich auch im Verfahren der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs um individuelle Mitwirkungsobliegenheiten des jeweiligen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft, bezogen auf die jeweils seiner Sphäre zuzuordnenden Pflichten. Der Umstand, dass zunächst nur vorläufig Leistungen bewilligt werden und diese erst in einem zweiten Schritt abschließend festzustellen sind, ist für die Frage der Zuordnung von Mitwirkungsobliegenheiten ohne Belang. Davon zu trennen sind materiell-rechtlich zu beurteilende Rechtsfolgen im Fall unterbliebener Mitwirkung eines Bedarfsgemeinschaftsmitglieds auf die Leistungsansprüche der übrigen (dazu gleich; zur Versagung von Leistungen vgl nur BSG vom 14.2.2018 - B 14 AS 17/17 R - BSGE 125, 146 = SozR 4-4200 § 22 Nr 94, RdNr 20 ff für Ansprüche nach § 22 SGB II)

 (3) Zugleich aber ist die Pflicht der Behörde zur Amtsermittlung nicht durch § 41a Abs 3 Satz 3 und 4 SGB II suspendiert (so im Ergebnis auch Hengelhaupt in Hauck/Noftz SGB II, § 41a RdNr 358 ff, 361, 10. Ergänzungslieferung 2023; Grote-Seifert in jurisPK-SGB II, § 41a RdNr 48, Stand 13.1.2023; Kallert in BeckOGK, SGB II, § 41a RdNr 136, 189, Stand 1.3.2022; O. Loose in Hohm GK-SGB II, § 41a RdNr 76, 85 f, Stand November 2017; aA Formann, SGb 2016, 615, 618).

aa) Der Wortlaut des § 41a Abs 3 SGB II ist nicht eindeutig. Er ermöglicht ein Normverständnis, wonach die Jobcenter bei Nichterfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten im Rahmen einer gebundenen Entscheidung ohne weitere Ermittlungen von Amts wegen eine abschließende Entscheidung zuungunsten der leistungsberechtigten Person zu treffen haben. Zugleich macht § 41a Abs 3 Satz 3 SGB II die abschließende Festsetzung des Leistungsanspruchs nicht nur von der Nichterfüllung von Nachweisobliegenheiten, sondern auch von Auskunftspflichten abhängig. Auskunftspflichten insbesondere von Dritten sehen beispielsweise die §§ 57 ff SGB II vor. Vorausgesetzt wird insoweit aber jeweils ein Auskunftsverlangen, also ein Ermittlungsschritt des Jobcenters im Rahmen des § 20 SGB X.

bb) Unter systematischen Gesichtspunkten ist der allgemeine Normzweck der von § 41a Abs 3 Satz 2 SGB II in Bezug genommenen §§ 60 ff SGB I zu berücksichtigen, der darin liegt, die Amtsermittlung nach § 20 SGB X durch die Mitteilung leistungserheblicher Tatsachen zu unterstützen (Spellbrink in BeckOGK, SGB I, Vorbemerkungen zu §§ 60-67 RdNr 1 f, Stand 1.7.2020). Zudem bestehen nach § 65 Abs 1 Nr 3 SGB I keine Mitwirkungsobliegenheiten, soweit sich der Leistungsträger die erforderlichen Kenntnisse mit geringerem Aufwand als der Leistungsbegehrende selbst verschaffen kann. Die Regelung setzt mithin eigene Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde (mit "geringerem Aufwand") voraus. Der Verweis auf diese Regelung liefe leer, wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, Ermittlungspflichten bestünden im Verwaltungsverfahren der abschließenden Entscheidung nach vorläufiger Bewilligung nicht. Nicht zuletzt verweist auch die Begründung zu § 41a Abs 3 SGB II (vgl BT-Drucks 18/8041 S 53 zu Abs 3) darauf, § 20 Abs 1 Satz 1 SGB X habe nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II weiterhin zur Anwendung zu kommen.

cc) Ein solches Verständnis steht nicht in Widerspruch zu den Ausführungen in der Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 12.9.2018 (B 4 AS 39/17 R - BSGE 126, 294 = SozR 4-4200 § 41a Nr 1, RdNr 42). Dort wird im Zusammenhang mit der Frage der Berücksichtigung von erst im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen bei der abschließenden Entscheidung ausgeführt, lägen die Voraussetzungen des § 41a Abs 3 Satz 4 SGB II vor, könnten die Jobcenter abschließende Entscheidungen ohne jeden weiteren Ermittlungs- und Begründungsaufwand treffen, was den Anreiz zur Mitwirkung erheblich verstärke. Zum einen geben die Ausführungen nur wieder, welchen Spielraum - wie dargelegt - der offene Wortlaut der Regelung zulässt und (neben dem genannten Verweis auf § 20 SGB X) auch in den Materialien zum Ausdruck kommt. Zum Verhältnis des sich ebenfalls in den Materialien zu findenden Verweises auf § 20 SGB X musste sich der Senat zum anderen nicht verhalten.

dd) Unter Berücksichtigung der Feststellungen des LSG, E habe sich geweigert, die vom Beklagten geforderten Nachweise zur Aufzeichnung von Einnahmen und Ausgaben zu führen, ist von einem Erkenntnisausfall auszugehen, der - weitere - Versuche, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, entbehrlich machte. Insbesondere scheidet ein verwaltungsvollstreckungsrechtliches Vorgehen gegen E aus (vgl dazu nur BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 30/14 R - SozR 4-4200 § 60 Nr 3 RdNr 21 mwN), weil die Bedarfsgemeinschaft im Zeitpunkt der Mitwirkungsaufforderung nicht mehr bestand (zu den Fällen der "gescheiterten" Bedarfsgemeinschaft vgl nur BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 87/09 R - BSGE 107, 255 = SozR 4-4200 § 60 Nr 1, RdNr 14). 

 (4) Die Obliegenheitsverletzung des am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten E berechtigte den Beklagten nicht zur sog Nullfeststellung gegenüber der Klägerin, die weder im Zeitpunkt der Aufforderung zur Mitwirkung noch der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs in einer Bedarfsgemeinschaft mit E lebte.

aa) Dass die Bedarfsgemeinschaft mit den Klägern im Verwaltungsverfahren zur abschließenden Festsetzung des Leistungsanspruchs nicht mehr bestand, ist für die Mitwirkungsobliegenheiten der früheren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder im Grundsatz unerheblich. Mitwirkungsobliegenheiten im Verfahren der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs sind nicht durch den Fortbestand der Bedarfsgemeinschaft über den Bewilligungszeitraum "auflösend bedingt". Strukturell ist die Bewilligung vorläufiger Leistungen von vornherein auf eine abschließende Entscheidung über die Höhe der Leistungen angelegt (BSG vom 27.9.2023 - B 7 AS 17/22 R - zur Veröffentlichung in BSG und SozR vorgesehen), die Höhe der abschließend festzustellenden Leistungen hängt von dem tatsächlich erzielten Einkommen im Bewilligungszeitraum ab. Damit findet das Verwaltungsverfahren - liegt kein Fall des § 41a Abs 5 SGB II vor - sein Ende erst mit der abschließenden Entscheidung über den Leistungsanspruch (§ 8 SGB X) und nicht schon mit dem Ende des Leistungszeitraums. Dies hat der Gesetzgeber in § 41a Abs 3 Satz 2 SGB II durch die Anordnung der entsprechenden Anwendung der §§ 60, 61, 65 und 65a SGB I zum Ausdruck gebracht (kritisch zu dem der Anordnung der entsprechenden Anwendung der genannten Regelungen zugrundeliegenden Verständnis des Gesetzgebers zB Hengelhaupt in Hauck/Noftz SGB II, § 41a RdNr 328, 10. Ergänzungslieferung 2023; Kallert in BeckOGK, SGB II, § 41a RdNr 177, Stand 1.3.2022; Kemper in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl 2021, § 41a RdNr 45). Die Mitglieder der im Leistungszeitraum bestandenen Bedarfsgemeinschaft bleiben mithin zu Angaben über die Tatsachen verpflichtet, die für die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch erheblich sind.

bb) Besteht eine Bedarfsgemeinschaft im Zeitpunkt der verlangten Mitwirkung aber nicht mehr, scheidet die durch § 41a Abs 3 Satz 3 und 4 SGB II vorgegebene abschließende Festsetzung eines nur teilweise oder nicht bestehenden Anspruchs wegen Nichterfüllung von Mitwirkungs- oder Auskunftspflichten gegenüber anderen als der Person, der die Obliegenheitsverletzung vorgehalten wird oder die mit dieser in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, bereits nach dem Wortlaut der Regelungen aus. Beide Sätze setzen bei einer Mehrheit von Leistungsberechtigten voraus, dass entweder die leistungsberechtigte Person oder "mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebende" weitere Personen Mitwirkungs- und Auskunftspflichten nicht erfüllt haben, mithin - bei einer Mehrheit von Personen - eine bestehende Bedarfsgemeinschaft im Zeitraum des Verfahrens zur abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs. Angeknüpft werden Mitwirkungs- und Auskunftspflichten also nicht an eine im Leistungszeitraum bestandene Bedarfsgemeinschaft, auch wenn für diese Zeit Leistungen abschließend festzusetzen sind.

cc) Dieses Wortlautverständnis wird durch systematische Gesichtspunkte bestätigt. Nach Auflösung einer Bedarfsgemeinschaft ist den rechtlichen Erwartungen die Grundlage entzogen, die an diese Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft typisierend geknüpften werden (dazu BSG vom 14.2.2018 - B 14 AS 17/17 R - BSGE 125, 146 = SozR 4-4200 § 22 Nr 94, RdNr 22 mwN zum Fall der Versagung von Leistungen gegenüber einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft; vgl insoweit - klarstellend auch § 41a Abs 1 Satz 2 SGB II), wonach in einer häuslichen familiären Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft deren Mitglieder in besonderer Weise füreinander einstehen. Deshalb rechtfertigt die Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten anderer als der leistungsberechtigten Person und/oder mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebender Personen ein Vorgehen nach § 41a Abs 3 Satz 3 und 4 SGB II nicht. Es ist vielmehr anzuknüpfen an die sich neu ergebende Situation - E als Einzelperson und die Klägerin und der Kläger als Bedarfsgemeinschaft. Verletzen Letztere ihre Mitwirkungsobliegenheiten nicht, fehlt es an einer Ermächtigung des Jobcenters, ihnen gegenüber nach § 41a Abs 3 Satz 3 und 4 SGB II vorzugehen.

dd) Da die Klägerin ihren Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist und auch ggf darüber hinaus gebotene Ermittlungen von Amts wegen nicht zu gesicherten Erkenntnissen über ein Einkommen führen, das von dem für die vorläufige Leistungsbewilligung prognostizierten abweicht, ist diesem Erkenntnisausfall dadurch Rechnung zu tragen, dass im Grundsatz abschließend Leistungen in Höhe der vorläufig bewilligten festzusetzen sind, es sei denn, es steht ein höheres Einkommen - hier durchschnittlich 173,33 Euro monatlich - fest. 

Dieses Ergebnis trägt der Risikoverteilung, die in dem zeitlich gestreckten Verfahren nach § 41a SGB II angelegt ist, hinreichend Rechnung. § 41a Abs 3 SGB II ist einerseits systematisch auf eine abschließende Leistungsfeststellung angelegt, die wegen des ihr innewohnenden rückwirkenden Ausgleichs an die tatsächliche Lebenssituation im Leistungszeitraum anzuknüpfen hat. Kann aber nicht mehr durch eigenes Zutun der leistungsberechtigten Person und nach entsprechenden Ermittlungen seitens des Jobcenters ein Einkommen festgestellt werden, das von dem der vorläufig bewilligten Leistung zugrunde gelegten abweicht, ist unter bedarfsbezogenen Gesichtspunkten eine Entscheidung nicht zu rechtfertigen, die von einem anderen (bedarfsdeckenden) Einkommen ausgeht. Ein solches Ergebnis ist im System des § 41a SGB II zudem angelegt. Gerade die Fiktionswirkung des § 41a Abs 5 SGB II zeigt, dass in Fällen, in denen die leistungsberechtigte Person oder ein Jobcenter keinen Anlass sieht, die Leistung abschließend festzustellen oder eine solche Feststellung aus anderen Gründen nicht erfolgt bzw erfolgen kann, Leistungen in Höhe des vorläufig Bewilligten behalten werden dürfen, ohne Rücksicht darauf, ob das tatsächlich erzielte Einkommen von dem abweicht, was der vorläufigen Bewilligung prognostisch zugrunde gelegt worden ist. 

Der Umstand, dass die Klägerin bereits vorläufig Leistungen erhalten hat, ihre Existenz im Leistungszeitraum also gesichert war, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Auch das Risiko, wegen einer sog "Nullfeststellung" einer Erstattungsforderung ausgesetzt zu sein, ohne selbst Obliegenheiten verletzt zu haben oder aus systematischen und in der Struktur des SGB II angelegten Gründen die Folgen der Obliegenheitsverletzung weiterer Bedarfsgemeinschaftsmitglieder mit tragen zu müssen, ist insbesondere unter Berücksichtigung der Aufrechnungsregelungen in § 43 SGB II von erheblichem Gewicht. 

 (5) Vor diesem Hintergrund und weil der gegenüber E erlassene Bescheid vom 21.8.2019 nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, kann offenbleiben, ob die zur Mitwirkung gesetzte Frist angemessen und die Rechtsfolgenbelehrung im Bescheid vom 19.11.2018 im Einzelnen zutreffend war. Dass es keiner Belehrung dahingehend bedurfte, dass Unterlagen noch im Widerspruchs- und Klageverfahren vorgelegt werden können und dann zu berücksichtigen sind, ist mittlerweile durch die Rechtsprechung des BSG geklärt (BSG vom 29.11.2022 - B 4 AS 64/21 R - SozR 4-4200 § 41a Nr 7 RdNr 22, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Das Fehlen eines entsprechenden Hinweises machte die Belehrung nicht unrichtig. Ohne Bedeutung für die Richtigkeit einer Belehrung ist jedoch, anders als dies das LSG gesehen hat, ob sich ihre Fehlerhaftigkeit im konkreten Fall tatsächlich ausgewirkt hat (vgl nur BSG vom 1.6.2006 - B 7a AL 26/05 R - juris RdNr 15).

 4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG. Angesichts des geringfügigen Unterliegens im Revisionsverfahren war von einer Quotelung der außergerichtlichen Kosten abzusehen.

S. Knickrehm                                  Harich                              Siefert

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