Bundessozialgericht

Klagewelle vor den Sozialgerichten
Gemeinsame Empfehlung

Datum 07.12.2018

Anfang November 2018 wurden die Sozialgerichte innerhalb kürzester Zeit mit zehntausenden von Klagen der gesetzlichen Krankenkassen auf Rückzahlung angeblich zu Unrecht abgerechneter Krankenhauskosten konfrontiert. Auslöser dieser Klagewelle ist eine durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz beabsichtigte Einführung einer gesetzlichen Ausschlussfrist. Danach sind vor dem 1. Januar 2017 entstandene Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht von den Krankenkassen an die Krankenhäuser geleisteten Zahlungen ausgeschlossen, wenn sie nicht bis zum 9. November 2018 gerichtlich geltend gemacht wurden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Verbände der Kassenarten auf Bundesebene haben sich am 6. Dezember 2018 unter Vermittlung des Bundesgesundheitsministers auf eine gemeinsame Empfehlung für alle Klagefälle und Aufrechnungen geeinigt.

Presseerklärung

Bundesministerium für Gesundheit

Berlin, 6. Dezember 2018

Krankenkassen und Kliniken einig

"Der Streit um Krankenhausrechnungen zwischen Kliniken und Krankenkassen ist auf Bundesebene beigelegt." Unter Vermittlung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn haben sich die Vertreterinnen und Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und des Spitzenverbandes der Krankenkassen (GKV-SV) sowie der Verbände der Kassenarten auf Bundesebene heute auf eine gemeinsame Empfehlung für alle Klagefälle und Aufrechnungen geeinigt.

Danach sollten die Konfliktparteien prüfen, vor Ort die Klagen und Aufrechnungen fallen zu lassen, sofern die neu definierten Kriterien zur Behandlung von Schlaganfall- und Geriatrie-Patienten erfüllt sind. Im Streit um die Abrechnung der Mehrwertsteuer bei Krebsmedikamenten empfehlen DKG und GKV-SV, die Klagen und Aufrechnungen ruhen zu lassen, bis das Bundessozialgericht dazu Anfang kommenden Jahres eine Entscheidung gefällt hat.

Dazu erklärt

  • Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: „Gut, dass sich Krankenkassen und Krankenhäuser geeinigt haben. Für diese Bereitschaft zum Kompromiss bin ich sehr dankbar. So können lebensnotwendige Strukturen zum Beispiel in der Schlaganfall-Versorgung vor Ort erhalten bleiben. Das ist im Sinne beider Seiten, aber vor allem im Sinne der Patientinnen und Patienten.“
  • Johann-Magnus v. Stackelberg, Vize-Vorstandsvorsitzender der GKV-Spitzenverbandes: „Gemeinsam haben wir eine tragfähige Lösung gefunden, die die gute Versorgung der Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt stellt, ohne gleichzeitig deren Interessen als Beitragszahlende zu vernachlässigen.“
  • Dr. Gerald Gaß, Präsident der DKG: „Für uns ist das gemeinsame Bekenntnis zu unbestrittenen Qualität der Versorgung von Schlaganfall- und geriatrischen Patienten von allerhöchster Bedeutung. Die gemeinsame Erklärung unterstreicht, dass die Krankenhäuser korrekt abgerechnet haben.“

Gemeinsame Empfehlung

Berlin, den 6. Dezember 2018

Gemeinsame Empfehlung von

  • Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
  • GKV-Spitzenverband
  • AOK-Bundesverband GbR
  • Verband der Ersatzkassen e.V.
  • BKK Dachverband e.V.
  • IKK e.V.
  • KNAPPSCHAFT
  • Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau und
  • Deutscher Krankenhausgesellschaft

zum Umgang mit den vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals (PpSG) und vor dem Hintergrund der Übergangsregelung des § 325 SGB V und den Regelungen in den §§ 109, 295 und 301 SGB V in der Fassung des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestages vom 9. November 2018 (BR-Drs. 560/18) vor den Sozialgerichten anhängig gemachten Klagen wegen Rückzahlung von geleisteten Vergütungen beziehungsweise mit entsprechenden Aufrechnungen.

Eingedenk ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Sicherstellung einer dauerhaft gesicherten, wirtschaftlichen und qualitativ hochwertigen Patientenversorgung stellen die Empfehlungspartner fest,

  • dass die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Versicherten bei der Behandlung des akuten Schlaganfalls sowie bei der stationären geriatrischen Behandlung im Ergebnis nicht gefährdet werden darf,
  • dass es Aufgabe der dem Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichteten Krankenkassen ist, Rechtsansprüche der Versichertengemeinschaft gegenüber Vertragspartnern und Dritten auf der Grundlage einer angemessenen Abwägung wirksam und rechtzeitig geltend zu machen,
  • dass zugleich großer Wert darauf zu legen ist, dass alle Qualitätsanforderungen, die mit der Verschlüsselung und Abrechnung erbrachter Leistungen einhergehen, im Interesse der Patientinnen und Patienten eingehalten werden und ihre Einhaltung entsprechend auch überprüft und korrigiert werden kann,
  • dass in der Vergangenheit die betroffenen Leistungen überwiegend einvernehmlich zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen erbracht und abgerechnet wurden.

Die Empfehlungspartner stimmen darin überein,

  • dass die nachfolgende Empfehlung allein auf diejenigen Klagen beziehungsweise Aufrechnungen von Krankenkassen abstellt, die auf die Rückzahlung geleisteter Vergütungen beziehungsweise Aufrechnungen von Krankenkassen gerichtet sind, die sich unmittelbar auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Auslegung der Operationen- und Prozedurenschlüssel OPS 8-98b bei akutem Schlaganfall (Stichwort "Transportzeit") oder OPS 8-550.l bei geriatrischen Erkrankungen (Stichwort "wöchentliche Teambesprechung") stützen. Für die finanziellen Belastungen der Krankenhäuser ist es dabei unerheblich, ob diese durch Klageerhebung oder durch Aufrechnungserklärungen herbeigeführt worden sind. Daher gilt es für diese Sachverhalte eine einheitliche und gesamthafte Lösung zu finden,
  • dass diese Empfehlung den Vertragspartnern vor Ort (Krankenhaus und Krankenkasse) Orientierung dabei geben soll, wie im Interesse aller Beteiligten und der Versorgungslage vor Ort Konfliktfälle gelöst werden können, zugleich
  • dass die rechtswirksame Entscheidung allein vor Ort von den Vertragspartnern selbst getroffen werden kann.

Zur Herstellung von Rechtsfrieden und Planungssicherheit sowie zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit empfehlen die oben genannten Parteien als Kompromiss gemeinsam den Krankenkassen zu prüfen, ob bis zum 9. November 2018 eingeleitete Klageverfahren auf Rückzahlung von an Krankenhäuser geleisteten Vergütungen bei Abrechnung der Komplexkodes OPS 8-98b (Schlaganfall) und OPS 8-550.1 (Geriatrische Erkrankungen) beendet, beziehungsweise Forderungen, gegen die aufgerechnet worden ist, anerkannt werden können. Dies sollte der Fall sein, wenn die Qualitätsanforderungen bei Zugrundelegung der am 3. Dezember 2018 veröffentlichten Klarstellungen des DIMDI zu den genannten Komplexkodes erfüllt wurden. Die Beendigung eines Klageverfahrens sollte dabei grundsätzlich durch Klagerücknahme erfolgen.

Die DKG empfiehlt den Krankenhäusern, ab sofort keine weiteren kostenwirksamen Maß­ nahmen zur Bearbeitung der Klagen und Aufrechnungen zu veranlassen.

Auf die Geltendmachung eigener Kosten zur Bearbeitung der Klagen und Aufrechnungen sollten die Vertragspartner vor Ort (Krankenhaus und Krankenkasse) verzichten.

Das BMG teilt den Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder zeitnah mit, dass die Rücknahme von Klagen im Sinne der vorliegenden Empfehlung beziehungsweise die Anerkennung der Forderungen, gegen die aufgerechnet worden ist, nach seiner Auffassung aufsichtsrechtlich nicht zu beanstanden ist und wird sie bitten, diese Auffassung ihrer Aufsichtsführung zu Grunde zu legen.

Bezüglich der Klagen zur Rückforderung von Mehrwertsteuerzahlungen nach Zytostatikabehandlung wird empfohlen, dass die Vertragspartner vor Ort (Krankenhaus und Krankenkasse) die Verfahren unter Berücksichtigung der prozessrechtlichen Rahmenbedingungen und im Interesse einer prozessökonomischen Verfahrensführung insbesondere im Hinblick auf die Verjährung bis zu einer höchstrichterlichen Klärung ruhend stellen.

Bei Klagen wegen sonstiger Forderungen verhandeln die Vertragspartner vor Ort (Krankenhaus und Krankenkasse) individuell die Beilegung der Streitigkeiten.

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