Rentenversicherung versus Krankenkasse -
Darf Clearingstelle Bescheide der Einzugsstelle anfechten?
Ausgabejahr 2019
Nummer 27
Datum 11.07.2019
Ist die Deutsche Rentenversicherung Bund berechtigt, Statusfeststellungsbescheide der als Einzugsstelle handelnden gesetzlichen Krankenkasse BKK24 mit dem Argument anzufechten, ihre Alleinzuständigkeit im obligatorischen Clearingstellenverfahren sei verletzt? Darüber wird der 12. Senat am 16. Juli 2019 in sieben Verfahren mündlich verhandeln und voraussichtlich eine Entscheidung verkünden (Aktenzeichen B 12 KR 1/18 R und weitere).
Den Revisionsverfahren sowie über einhundert weiteren Verfahren, die noch bei den Instanzgerichten anhängig sind, liegt im Wesentlichen ein Konzept zugrunde, das zwischenzeitlich auch Gegenstand eines umfangreichen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sowie eines aufsichtsrechtlichen Verfahrens geworden ist:
Die zu den Verfahren beigeladenen Versicherten sind Kinder oder Ehegatten ihres Arbeitgebers und waren zunächst aufgrund angenommener Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig. Nach Einschaltung einer Beratungsagentur, die sich auf die Konzeption privater Altersvorsorge spezialisiert hat, wechselten sie als versicherungspflichtig Beschäftigte zur beklagten BKK24. Dadurch wurde sie zur zuständigen Einzugsstelle. In dieser Funktion stellte sie durch den einzigen für diese Fälle zuständigen Mitarbeiter nach Vorlage neuer, gleichartig formulierter "Arbeitsverträge" zeitnah fest, dass die Kinder beziehungsweise Ehegatten selbstständig tätig seien und daher künftig nicht mehr der Sozialversicherungspflicht unterlägen. Die Kinder beziehungsweise Ehegatten blieben als freiwillige Mitglieder bei der beklagten Krankenkasse krankenversichert. Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung wurden für sie nicht mehr entrichtet. Die freien Mittel konnten zur Finanzierung einer privaten Altersvorsorge verwendet werden.
Nachdem die BKK24 einer Sonderprüfung unterzogen wurde, hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in über einhundert Fällen Klagen gegen deren Bescheide erhoben. Sie argumentiert, dass gemäß § 7a Absatz 1 Satz 2 und 3 SGB IV ausschließlich sie in ihrer Funktion als Clearingstelle berechtigt sei, Bescheide zum versicherungsrechtlichen Status - abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig - zu erlassen, weil die Betroffenen Kinder oder Ehegatten des Arbeitgebers seien. Die Klagen haben in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Das Sozialgericht Berlin hat die Statusbescheide wegen Kompetenzwidrigkeit aufgehoben. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat dies bestätigt. Dagegen wendet sich die beklagte BKK24 mit ihren Revisionen. Sie argumentiert unter anderem, die Klagen seien bereits mangels Klagebefugnis unzulässig.
Hinweise zur Medienöffentlichkeit:
Der Senat hat in allen sieben Revisionsverfahren die Medienöffentlichkeit der Entscheidungsverkündung durch Beschluss nach § 169 Absatz 3 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz unter Auflagen zugelassen. Soweit Pressevertreter hiervon Gebrauch machen wollen, werden sie um vorherige Meldung bei der Pressestelle des Bundessozialgerichts gebeten.
Hinweise zur Rechtslage:
§ 7a SGB IV Anfrageverfahren
(1) 1Die Beteiligten können schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. 2Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. 3Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Absatz 2 die Deutsche Rentenversicherung Bund. (…)
§ 54 Absatz 1 SGG
1Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. 2Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.