Betriebsprüfung - Vertrauensschutz gegenüber Beitragsnachforderungen?
Ausgabejahr 2019
Nummer 38
Datum 11.09.2019
Kann rückwirkenden Beitragsforderungen entgegen gehalten werden, man habe darauf vertraut, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen kein Beschäftigungsverhältnis vorliege und auch frühere Betriebsprüfungen beanstandungsfrei verlaufen seien? Darüber wird der 12. Senat des Bundessozialgerichts am 19. September 2019 in vier Revisionsverfahren mündlich verhandeln und voraussichtlich Entscheidungen verkünden (Aktenzeichen B 12 R 25/18 R und weitere).
Alle Revisionsverfahren betreffen mittelständische Familienunternehmen (Handwerksbetriebe, Autohaus), die zunächst als Einzelunternehmen, in den streitigen Zeiträumen dann als GmbH geführt wurden. Geschäftsführer waren nahe Angehörige oder Ehegatten der Allein- beziehungsweise Mehrheitsgesellschafter. Die Unternehmen meldeten ihre Geschäftsführer nicht zur Sozialversicherung, weil sie annahmen, es bestehe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Nach neuerlichen Betriebsprüfungen forderten die Rentenversicherungsträger demgegenüber Sozialversicherungsbeiträge wegen Beschäftigung in erheblicher Höhe nach.
Die Betroffenen berufen sich auf Vertrauensschutz. Das Bundessozialgericht habe früher in vergleichbaren Fällen entschieden, dass kein Beschäftigungsverhältnis vorliege und daher keine Beiträge abzuführen seien, wenn der Betroffene - wie die jeweiligen Geschäftsführer - als "Kopf-und-Seele" des Unternehmens dessen Geschicke maßgeblich in der Hand gehabt hätte.
In den Vorinstanzen haben die Betroffenen keinen Erfolg gehabt. Eine "Kopf-und-Seele"-Rechtsprechung habe es allenfalls im Leistungsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung gegeben, nicht aber im Versicherungs- und Beitragsrecht. Zudem habe es sich stets um Einzelfallentscheidungen gehandelt. Auch sei anerkannt, dass beanstandungsfrei verlaufene Betriebsprüfungen keinen Vertrauensschutz vermittelten. Schließlich hätten sich die Betroffenen Klarheit durch Anfrage- oder Einzugsstellenverfahren verschaffen müssen.
Dagegen wenden sich die betroffenen Unternehmen mit ihren Revisionen.
Hinweise zur Medienöffentlichkeit:
Der Senat hat in allen vier Revisionsverfahren die Medienöffentlichkeit der Entscheidungsverkündung durch Beschluss nach § 169 Absatz 3 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz unter Auflagen zugelassen. Soweit Pressevertreter hiervon Gebrauch machen wollen, werden sie um vorherige Meldung bei der Pressestelle des Bundessozialgerichts gebeten.
Hinweise zur Rechtslage:
§ 7 Absatz 1 SGB IV Beschäftigung
1Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. 2Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
§ 28p Absatz 1 Satz 1 und Satz 5 SGB IV Prüfung bei den Arbeitgebern
1Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a) mindestens alle vier Jahre. (…) 5Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken , Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; (…)
§ 7 Absatz 4 Satz 1 bis Satz 3 Beitragsverfahrensordnung
1Das Ergebnis der Prüfung ist dem Arbeitgeber innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Prüfung mitzuteilen; auf Wunsch des Arbeitgebers kann dies durch Datenübertragung erfolgen. 2Der Arbeitgeber soll durch den Prüfbescheid oder das Abschlussgespräch zur Prüfung Hinweise zu den festgestellten Sachverhalten erhalten, um in den weiteren Verfahren fehlerhafte Angaben zu vermeiden. 3Die Mitteilung ist vom Arbeitgeber bis zur nächsten Prüfung aufzubewahren. (…)
§ 11 Absatz 1 Satz 1 Beitragsverfahrensverordnung
1Die Prüfung der Aufzeichnungen nach den §§ 8 und 9 kann auf Stichproben beschränkt werden. (…)