Können Krankenkassen an Krankenhäuser gezahlte Aufwandspauschalen zurückfordern?
Ausgabejahr 2020
Nummer 15
Datum 09.07.2020
Wenn Krankenkassen die Abrechnung von Krankenhäusern prüfen und die Prüfung ergibt, dass nichts zu beanstanden ist, müssen die Krankenkassen den Krankenhäusern eine Aufwandspauschale zahlen. Im Jahr 2014 hat das Bundessozialgericht entschieden, dass das nur für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung (Erforderlichkeit und Dauer) gilt, nicht jedoch für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung. Dadurch wird die Frage aufgeworfen, ob eine Krankenkasse bereits geleistete Aufwandspauschalen, die dem Krankenhaus nach dieser Rechtsprechung nicht zugestanden hätten, zurückverlangen kann. Darüber wird der 1. Senat des Bundessozialgerichts am 16. Juli 2020 um 11.30 Uhr entscheiden (Aktenzeichen B 1 KR 15/19 R). Die Entscheidung hat für eine Vielzahl weiterer Verfahren Bedeutung, die bei den Sozialgerichten und Landessozialgerichten anhängig sind.
Die klagende Krankenkasse führte von 2009 bis 2015 in 71 Fällen eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Rechnungen der beklagten Krankenhausträgerin durch. In keinem der Fälle kam es zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags. Die Krankenkasse zahlte der Krankenhausträgerin entsprechend langjähriger allgemeiner Praxis dafür eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro je geprüfter Krankenhausrechnung. Sie forderte diese im August 2015 aber mit Hinweis auf Urteile des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2014 wieder zurück. Das Sozialgericht hat die im Dezember 2015 erhobene Klage auf Erstattung von geleisteten Aufwandspauschalen abgewiesen, weil der Krankenhausträgerin auch für Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit die Aufwandspauschale zustehe. Die Differenzierung seitens des Bundessozialgerichts zwischen sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung und Wirtschaftlichkeitsprüfung sei unzutreffend und rechtlich unhaltbar. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts geändert und die Beklagte zur Zahlung von 21 300 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die Beklagte habe in den 71 Abrechnungsfällen keinen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale gehabt. Der Erstattungsanspruch sei weder durch das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot noch nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Mit ihrer Revision macht die beklagte Krankenhausträgerin geltend, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2014 unzutreffend sei und beruft sich außerdem auf Vertrauensschutz.
Hinweis zum Wortlaut § 275 SGB V
§ 275 Absatz 1 und Absatz 1 c in der vorliegend anwendbaren, am 25.3.2003 in Kraft getretenen Fassung des Art 3 Nr 8a des Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 (Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - KHRG) vom 17.3.2009 (BGBl I 534) hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:
(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,
1. bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2. ….
3. ….
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) einzuholen.
(1c) Bei Krankenhausbehandlung nach § 39 ist eine Prüfung nach Absatz 1 Nr. 1 zeitnah durchzuführen. Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst dem Krankenhaus anzuzeigen. Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zu entrichten.