Nach welchen Kriterien bestimmt sich der Zuschlag für in ambulant betreuten Wohngruppen lebende pflegebedürftige Menschen?
Ausgabejahr 2020
Nummer 18
Datum 31.08.2020
Der 3. Senat des Bundessozialgerichts beabsichtigt, über diesen Fragenkreis am 10. September 2020 ab 10.00 Uhr in drei Revisionsverfahren mündlich zu verhandeln und zu entscheiden (Aktenzeichen: B 3 P 2/19 R, B 3 P 3/19 R und B 3 P 1/20 R).
Pflegebedürftige, die in einer ambulant betreuten Wohngruppe leben, haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag (derzeit 214 Euro monatlich). Dieser Wohngruppenzuschlag dient dazu, zusätzliche Aufwendungen in einer (drei- bis zwölfköpfigen) Wohngruppe zu finanzieren. Die Leistungsgewährung erfordert unter anderem, dass deren Mitglieder gemeinschaftlich eine Person damit beauftragen, für sie allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder sie bei der Haushaltsführung zu unterstützen.
In allen zu entscheidenden Fällen haben die beklagten Leistungsträger und die vorinstanzlich befassten Gerichte die Gewährung von Wohngruppenzuschlägen abgelehnt. Die Anspruchsvoraussetzungen wurden zum Teil verneint, weil es nach den räumlichen Verhältnissen schon an einer "gemeinsamen Wohnung" fehle oder das Merkmal "gemeinschaftliche Beauftragung" einer die genannten Tätigkeiten verrichtenden Person nicht erfüllt sei. Im Streit sind ferner die Anforderungen an den Willensbildungsprozess für die Beauftragung, eine eventuell nötige Mindestanzahl der Beauftragenden sowie die Frage, ob der Anspruch auch bei Beauftragung einer juristischen Person oder mehrerer natürlicher Personen besteht. Zudem sind die Prozessbeteiligten uneins, ob sich die von den Beauftragten erbrachten Tätigkeiten von der individuellen pflegerischen Versorgung unterscheiden und im Kern nicht vielmehr eine den Leistungsanspruch ausschließende stationäre Versorgungsform vorliegt.
Die Kläger rügen mit ihren Revisionen, dass aufgrund des Ziels des Wohngruppenzuschlags, die Rahmenbedingungen für neue Wohn- und Betreuungsformen - auch in finanzieller Hinsicht - deutlich zu verbessern, kein enger Maßstab an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 38a SGB XI anzulegen sei.
Hinweis auf Rechtsvorschriften:
§ 38a SGB XI (in der ab 1.1.2020 geltenden Fassung von Art 10 des Gesetzes vom 14.12.2019 <BGBl I 2789>; in den Revisionsverfahren sind Gesetzesfassungen für Zeiten ab 2015 maßgebend; seither hat sich im Wesentlichen nur die Höhe des Zuschlags geändert)
Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen
(1) Pflegebedürftige haben Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 214 Euro monatlich, wenn
1. sie mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung leben und davon mindestens zwei weitere Personen pflegebedürftig im Sinne der §§ 14, 15 sind,
2. sie Leistungen nach den §§ 36, 37, 38, 45a oder § 45b beziehen,
3. eine Person durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder die Wohngruppenmitglieder bei der Haushaltsführung zu unterstützen, und
4. keine Versorgungsform einschließlich teilstationärer Pflege vorliegt, in der ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Absatz 1 für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen; der Anbieter einer ambulant betreuten Wohngruppe hat die Pflegebedürftigen vor deren Einzug in die Wohngruppe in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass dieser Leistungsumfang von ihm oder einem Dritten nicht erbracht wird, sondern die Versorgung in der Wohngruppe auch durch die aktive Einbindung ihrer eigenen Ressourcen und ihres sozialen Umfelds sichergestellt werden kann.
Leistungen der Tages- und Nachtpflege gemäß § 41 können neben den Leistungen nach dieser Vorschrift nur in Anspruch genommen werden, wenn gegenüber der zuständigen Pflegekasse durch eine Prüfung des Medizinischen Dienstes nachgewiesen ist, dass die Pflege in der ambulant betreuten Wohngruppe ohne teilstationäre Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt ist; dies gilt entsprechend für die Versicherten der privaten Pflege-Pflichtversicherung.
(2) Die Pflegekassen sind berechtigt, zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen bei dem Antragsteller folgende Daten zu verarbeiten und folgende Unterlagen anzufordern:
1. eine formlose Bestätigung des Antragstellers, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 Nummer 1 erfüllt sind,
2. die Adresse und das Gründungsdatum der Wohngruppe,
3. den Mietvertrag einschließlich eines Grundrisses der Wohnung und den Pflegevertrag nach § 120,
4. Vorname, Name, Anschrift und Telefonnummer sowie Unterschrift der Person nach Absatz 1 Nummer 3 und
5. die vereinbarten Aufgaben der Person nach Absatz 1 Nummer 3.