Weniger Opferentschädigung bei Zahlung einer privaten Unfallrente?
Ausgabejahr 2021
Nummer 13
Datum 07.06.2021
Kann eine private Unfallrente den schädigungsbedingten Einkommensverlust nach einem tätlichen Angriff und damit die Opferentschädigung mindern? Diese Frage beantwortet der 9. Senat des Bundessozialgerichts in seiner Sitzung am 10. Juni 2021 um 10.00 Uhr im Elisabeth-Selbert-Saal (Aktenzeichen B 9 V 1/20 R).
Die Klägerin war als kaufmännische Sachbearbeiterin in Vollzeit beschäftigt. Am Neujahrsmorgen 2010 wurde sie Opfer einer Gewalttat durch einen alkoholisierten Angreifer. Wegen bleibender Kopfverletzungen nach Schädel-Hirn-Trauma gewährte der Beklagte ihr Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) und dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 50. Für den schädigungsbedingten Einkommensverlust erhielt die Klägerin zudem Berufsschadensausgleich. Ab Mai 2013 berücksichtigte der Beklagte beim Berufsschadensausgleich als anzurechnendes Einkommen eine Unfallrente aus einer privaten Unfallversicherung. Diese hatte der Ehemann als Versicherungsnehmer für die Klägerin als Versicherte abgeschlossen. Anders als das Sozialgericht hat das Landessozialgericht der dagegen gerichteten Klage stattgegeben. Die private Unfallrente in Höhe von monatlich 990 Euro sei kein anrechnungsfähiges Einkommen.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 30 BVG in Verbindung mit § 8 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV). Die private Unfallrente sei eine anrechnungsfähige Einnahme der Klägerin aus Vermögen, welches mit Einkünften aus ihrer früheren Erwerbstätigkeit geschaffen worden sei, um den Lebensunterhalt für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu
sichern (§ 8 Absatz 2 Nummer 3 BSchAV).
Hinweise zur Rechtslage:
Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten - Opferentschädigungsgesetz - OEG (idF des Gesetzes vom 11.5.1976, BGBl I 1181)
§ 1 Anspruch auf Versorgung
(1) 1Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere
Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in
entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes …
Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges - Bundesversorgungsgesetz - BVG (idF des Gesetzes vom 13.12.2007, BGBl I 2904)
§ 30 - Beschädigtenrente
(3) 1Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten …
einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach …
(4) 1Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen…
Berufsschadensausgleichsverordnung - BSchAV (idF vom 28.6.2011, BGBl I 1237)
§ 8 - Derzeitiges Bruttoeinkommen
(1) 1Als derzeitiges Bruttoeinkommen gelten, soweit in § 30 Absatz 11 Satz 1 und § 64c Absatz 2 Satz 2 und 3 des Bundesversorgungsgesetzes sowie in § 9 nichts anderes bestimmt ist,
1. alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert aus einer früheren oder gegenwärtigen unselbstständigen Tätigkeit…
(2) Zu den Einnahmen aus früherer unselbstständiger oder selbstständiger Tätigkeit gehören insbesondere
3. Einnahmen aus Vermögen, das Beschädigte mit Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit geschaffen haben, um sich nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben den Lebensunterhalt zu sichern…