Entschädigungszahlung wegen überlanger Gerichtsverfahrensdauer – Einkommen im SGB II?
Ausgabejahr 2021
Nummer 28
Datum 08.11.2021
Führt die Zahlung einer Entschädigung für einen Nichtvermögensschaden wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens zu einer Berücksichtigung als Einkommen bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II? Darüber wird der 14. Senat des Bundessozialgerichts am 11. November 2021 ab 10.00 Uhr in zwei Verfahren verhandeln und entscheiden (Aktenzeichen: B 14 AS 15/20 R und B 14 AS 16/20 R).
Die Klägerin und ihr Ehemann hatten nach Abschluss eines Rechtsstreits Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach § 198 Gerichtsverfassungsgesetz erhoben wegen der unangemessenen Dauer des Verfahrens. Dieser Rechtsstreit endete durch Vergleich. Das beklagte Land verpflichtete sich, an die Klägerin und ihren Ehemann jeweils eine Entschädigung für immaterielle Nachteile zu zahlen. Dem Girokonto der Klägerin wurden davon 3.000 Euro im Mai 2017 gutgeschrieben.
Das beklagte Jobcenter berücksichtigte die Zahlung als Einkommen und forderte bereits bewilligtes Arbeitslosengeld II zurück beziehungsweise lehnte dessen Erbringung wegen bedarfsdeckenden Einkommens ab.
In dem von der Klägerin hiergegen eingeleiteten Klageverfahren ist sie zunächst erfolgreich gewesen. Das Landessozialgericht hat die Entscheidung des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Zahlung wegen der unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens, so das Landessozialgericht, sei anzurechnendes Einkommen.
Im Revisionsverfahren rügt die Klägerin eine Verletzung der Vorschriften zur Einkommensberücksichtigung im SGB II.
Hinweise zur Rechtslage:
§ 11a Abs 3 Satz 1 SGB II
Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen.
§ 198 Abs 2 GVG
1Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. 2Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. 3Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. 4Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.