Ist ein sogenannter „Pool-Arzt“ im vertragszahnärztlichen Notdienst abhängig beschäftigt und sozialversicherungspflichtig?
Ausgabejahr 2023
Nummer 33
Datum 17.10.2023
Unterliegt ein Zahnarzt, der ohne Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung in dem von einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) organisierten Notdienst tätig ist und hierfür nach einem festen Stundensatz vergütet wird, aufgrund abhängiger Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht? Hierüber wird der 12. Senat des Bundessozialgerichts am 24. Oktober 2023 mündlich verhandeln und voraussichtlich eine Entscheidung verkünden (Aktenzeichen B 12 R 9/21 R).
Seit dem Verkauf seiner Praxis im Jahr 2017 verfügt der klagende Zahnarzt nicht mehr über eine Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Ab 20. Januar 2018 bis einschließlich 19. April 2019 war er an bestimmten Tagen für die beigeladene KZV Baden-Württemberg als Zahnarzt im Rahmen des Notdienstes überwiegend am Wochenende tätig. Die Tätigkeit fand in durch die KZV angemieteten und durch diese mit Geräten, Material und Personal ausgestatteten Räumlichkeiten eines Notfalldienstzentrums statt. Der Notdienst wurde sowohl durch an der zahnärztlichen Versorgung teilnehmende Zahnärzte als auch durch nicht hierfür zugelassene Zahnärzte - wie den Kläger - durchgeführt. Der Kläger konnte der KZV seine Bereitschaft zur Übernahme konkreter Schichten erklären. Hiervon ausgehend teilte sie ihn nach ihrem Ermessen zu konkreten Schichten ein. Während einer Schicht waren neben dem Kläger ein bis zwei zahnmedizinische Fachangestellte anwesend, die Assistenz- und Dokumentationstätigkeiten ausführten. Die Vergütung des Klägers richtete sich nach der jeweiligen Schicht (zum Beispiel Tag- oder Nachtschicht) und lag pro Stunde zwischen 34 Euro und 50 Euro. Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund verneinte das Vorliegen von Sozialversicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung.
Klage und Berufung, gerichtet auf Feststellung der Versicherungspflicht, sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht hat angenommen, es fehle an einem Beschäftigungsverhältnis vor allem deshalb, weil der Kläger durch die KZV mittels eines (mitwirkungsbedürftigen) Verwaltungsakts zum vertragszahnärztlichen Notdienst herangezogen worden sei und er gemäß § 75 Abs 1b Satz 5 SGB V für die Dauer des Notdienstes an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilgenommen habe. Dieses Rechtsverhältnis sei nahezu vollständig durch öffentlich-rechtliche Normen geprägt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Dass er nicht vollumfänglich an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilgenommen habe, zeige sich schon darin, dass er über keine Abrechnungsbefugnis verfügt habe, sondern stundenweise vergütet worden sei.
Hinweise zur Rechtslage:
§ 75 SGB V Inhalt und Umfang der Sicherstellung
1) 1Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, daß die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. (…)
(1b) 1Der Sicherstellungsauftrag nach Absatz 1 umfasst auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), nicht jedoch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, soweit Landesrecht nichts anderes bestimmt. (…) 5Nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende zugelassene Krankenhäuser und Ärzte, die aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung in den Notdienst einbezogen sind, sind zur Leistungserbringung im Rahmen des Notdienstes berechtigt und nehmen zu diesem Zweck an der vertragsärztlichen Versorgung teil. (…)
§ 7 SGB IV Beschäftigung
(1) 1Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. 2Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.