Bundessozialgericht

Kindergeld für ohne Eltern eingereistes Kind aus Syrien?

Ausgabejahr 2023
Nummer 43
Datum 08.12.2023

Der 10. Senat des Bundessozialgerichts wird sich am 14. Dezember 2023 ab 10.30 Uhr im Elisabeth-Selbert-Saal mit der Frage befassen, unter welchen Voraussetzungen ein Kind Kindergeld für sich selbst beanspruchen kann, weil es den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt (Aktenzeichen B 10 KG 1/22 R).

Der im Januar 2001 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Sein Vater ist bereits kurz nach seiner Geburt verstorben. Im Jahr 2015 ist der Kläger aus seinem Heimatort geflohen und nach Deutschland eingereist. Ende 2017 hat sich auch seine Familie auf die Flucht begeben und zunächst jeweils nur für kurze Dauer an verschiedenen Orten in Syrien gelebt, zuletzt in der Nähe von Damaskus. Über ihren ungefähren Aufenthalt konnte der Kläger sich monatelang nur über seinen in Katar lebenden Bruder informieren. Später war es ihm möglich, hin und wieder über das Internet mit seiner Mutter zu telefonieren.

Das Landessozialgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Kindergeld für September 2018 bis Juni 2019 zu zahlen. Eine dem Anspruch entgegenstehende Kenntnis des Kindes vom Aufenthalt seiner Eltern könne nur angenommen werden, wenn zumindest ein Elternteil für das Kind „greifbar“ sei. Dies erfordere einen verstetigten und nicht nur vorübergehenden Aufenthaltsort sowie eine postalische Erreichbarkeit der Eltern beziehungsweise des verbliebenen Elternteils. Beide Kriterien seien vorliegend nicht erfüllt.

Mit ihrer Revision wendet die Beklagte sich gegen eine Anwendung der Vorschrift des § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 Alternative 2 Bundeskindergeldgesetz auf den Fall des Klägers. Es handele sich um eine Ausnahmeregelung unter Härtefallgesichtspunkten. Nach der Intention des Gesetzgebers stehe nur solchen Kindern ein Anspruch auf sozialrechtliches Kindergeld zu, die nicht wüssten, ob ihre Eltern noch am Leben seien. Nur dann sei die erforderliche Vergleichbarkeit mit den von der Norm auch erfassten alleinstehenden Vollwaisen gewährleistet.


Hinweise zur Rechtslage:
Bundeskindergeldgesetz (BKGG)
§ 1 Abs 2 Satz 1 BKGG (in der seit 1. Januar 1996 geltenden Fassung vom 11. Oktober 1995, BGBl I Seite 1250)

Kindergeld für sich selbst erhält, wer
1. in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,
2. Vollwaise ist oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt und
3. nicht bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigen ist.

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