Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 4/17 R

Verhandlungstermin 15.03.2018 14:15 Uhr

Terminvorschau

K. ./. BARMER
Die beklagte KK versorgt den bei ihr versicherten Kläger ua mit Inkontinenzmaterialien. Ende Dezember 2012 beantragte er die Übernahme der Mehrkosten für die Entsorgung dieser Materialien und machte geltend, diese Kosten fielen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch an - ähnlich wie Stromkosten für einen Elektrorollstuhl-Akku - und seien seiner Ansicht nach von der Hilfsmittelversorgung mit umfasst. Er benötige dafür mit Blick auf die Entsorgung eine 120-Liter-Restmülltonne mit 14-tägiger Leerung anstelle der für seinen Haushalt sonst ausreichenden 40-Liter-Mülltonne (Kosten 8 Euro monatlich statt 3 Euro monatlich). Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme ab, da die Versorgung mit Hilfsmitteln deren Entsorgung nicht mit umfasse; die Entsorgung unterliege vielmehr der Eigenverantwortung des Versicherten.

Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ausgeführt, Versicherte der GKV hätten bezüglich der Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 33 S 4 SGB V zwar auch Anspruch auf die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und die zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und Kontrollen. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift seien Kosten der "Entsorgung" dagegen nicht vom Begriff der "Versorgung" erfasst. Es gehe dort stets nur um den "bestimmungsmäßigen Gebrauch". § 27 SGB V lege - anders als die Vorgängervorschrift des § 182 Abs 1 Nr 1 RVO - den Leistungskatalog der GKV abschließend fest; dort nicht erfasste Maßnahmen würden der Eigenverantwortung des Versicherten nach § 2 Abs 1 S 1 SGB V zugerechnet. Eine KK müsse nicht für alles aufkommen, was die Gesundheit fördere und mit der Behandlung im Zusammenhang stehe.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 33 SGB V, dessen sämtliche Voraussetzungen erfüllt seien. Der Leistungsanspruch umfasse auch Nebenleistungen der Hilfsmittelversorgung im Rahmen des bestimmungsmäßigen Gebrauchs, zB notwendiges Zubehör und hilfsmittelnahe Dienstleistungen. Der Gesetzgeber habe in diesem Sinne eine umfassende Versorgung der Leistungsberechtigten sicherstellen wollen. Hier beinhalte die Versorgung mit dem für einen einmaligen Einsatz zum Ausgleich der Behinderung vorgesehenen Hilfsmittel "Inkontinenzmaterial" als unmittelbare logische Folge auch die Entsorgung über den Hausmüll. Die Versorgung sei insoweit vergleichbar mit den auch von der Leistungspflicht umfassten Betriebs- und Energiekosten als Folgekosten des konkreten Hilfsmittels (zB Strom für einen Elektro-Rollstuhl; Versorgung eines Blindenführhundes). Eine gegenteilige Sichtweise bewirke eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung.

Sozialgericht Schleswig - S 26 KR 10/14
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 5 KR 71/16

Terminbericht

Die Revision des Klägers blieb erfolglos, weil er die Übernahme von Entsorgungskosten für das ihm gewährte Inkontinenzmaterial nicht beanspruchen kann. Zwar gehört Inkontinenzmaterial bei Erwachsenen nicht zu den von der Leistungspflicht ausgeschlossenen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens (stRspr, zB BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 22 S 129 f). Aus den einschlägigen Rechtsgrundlagen für Hilfsmittel ergibt sich indessen nach Wortlaut, Gesetzessystematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck kein Anspruch auf die Beteiligung der Krankenkassen an der Entsorgung. Der Wortlaut von § 27 Abs 1 S 2 Nr 3 und § 33 Abs 1 S 1 SGB V spricht nur von der "Versorgung" mit Hilfsmitteln, nicht von deren "Entsorgung". § 33 Abs 1 S 4 SGB V aF nennt zwar ausdrücklich einzelne Nebenleistungen der Hilfsmittelversorgung, die Entsorgung aber nicht. Nach der Gesetzesbegründung zu § 27 SGB V (BT-Drucks 11/2237, S 170) sollte dieser in Abkehr von der früheren Rechtslage den Leistungsinhalt "abschließend beschreiben". Einen gesetzlichen oder übergesetzlichen Anspruch auf alles, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist, gibt es nicht. Die Rechtsprechung zu "hilfsmittelbezogenen Nebenleistungen im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs" (zB Stromkosten für bestimmte Hilfsmittel) lässt sich für die Entsorgung von Inkontinenzmaterial nicht mit Erfolg heranziehen. Das Gesetz enthält zur Hilfsmittelversorgung sehr differenzierte Einzelregelungen, zB werden "zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel" bei § 33 Abs 8 S 3 Halbs 2 SGB V ausdrücklich genannt, jedoch nur (begünstigend) bei der Begrenzung der Höhe des Zuzahlungsbetrags. Die Entsorgung gebrauchter Inkontinenzmaterialien ermöglicht auch nicht erst den "bestimmungsgemäßen Gebrauch" des Hilfsmittels, sondern es geht um Folgekosten für nicht mehr gebrauchsfähige Hilfsmittel. Die dafür anfallenden Kosten sind nicht derart hoch, dass dem Gesetzgeber eine Überschreitung seines weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraums angelastet werden müsste.

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