Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 18/17 R

Verhandlungstermin 15.03.2018 10:30 Uhr

Terminvorschau

K. ./. DAK Gesundheit
Die 1959 geborene, bei der beklagten KK versicherte Klägerin wurde nach der Amputation des rechten Unterschenkels zunächst mit einer Interimsprothese versorgt und beantragte am 28.7.2014 eine ärztlich verordnete Definitiv-Unterschenkelprothese mit einem Prothesenfuß proprio foot®, zu dem sie einen Kostenvoranschlag über 15 664,80 Euro einreichte. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 17.11.2014 ab, nachdem der MDK ausgeführt hatte, obwohl es ausreichend Möglichkeiten für eine geeignete Alternativversorgung gebe, seien teils deutlich preiswertere Gelenkfüße nicht erprobt worden. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat das SG die Beklagte antragsgemäß zur Versorgung der Klägerin mit der begehrten Prothese einschließlich des Gelenkfußes proprio foot® verurteilt, weil die Leistung gemäß § 13 Abs 3a SGB V als genehmigt gelte. Die Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: § 13 Abs 3a S 6 SGB V sei sachlich anwendbar. Unter Berücksichtigung von § 4 Abs 3 Rehabilitations-Richtlinie handele es sich bei dem Hilfsmittel nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Die Klägerin habe einen hinreichend bestimmten Antrag gestellt und die ärztlich verordnete Leistung, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liege, für erforderlich halten dürfen. Die Beklagte habe diesen Antrag ohne Mitteilung eines hinreichenden Grundes nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a S 1 SGB V beschieden. Die eingetretene Genehmigungsfiktion begründe einen Naturalleistungsanspruch.

Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 13 Abs 3a und § 33 Abs 1 SGB V. Bereits der Anwendungsbereich des § 13 Abs 3a SGB V sei nicht eröffnet, da die von der Klägerin begehrte Unterschenkelprothese mit dem Prothesenfuß proprio foot® eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation darstelle. Zudem beinhalte die begehrte Versorgung für die Klägerin keinen wesentlichen Gebrauchsvorteil. Die Versorgung sei unter Berücksichtigung des MDK-Gutachtens nicht notwendig und damit unwirtschaftlich iS des § 12 SGB V. Schließlich habe die Beklagte eine etwa eingetretene fiktive Genehmigung mit Bescheid vom 12.4.2017 nach dem am 5.1.2017 ergangenen LSG-Urteil vor Einlegung der Revision zurückgenommen.

Sozialgericht Speyer - S 17 KR 278/15
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz - L 5 KR 43/16

Terminbericht

Die Revisionen waren in allen drei Fällen im Sinne der Aufhebung der LSG-Urteile und Zurückverweisung der Sachen an das jeweilige Berufungsgericht begründet. Die im Einzelnen geltend gemachten Ansprüche der Kläger auf Versorgung mit Hilfsmitteln können nicht mit Erfolg auf die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB V wegen verspäteter Bescheidung der Leistungsanträge durch die beklagten Krankenkassen gestützt werden. Der sachliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift wird nach § 13 Abs 3a S 9 SGB V für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation insgesamt nicht eröffnet. Dies gilt unabhängig davon, ob mit der Genehmigungsfiktion ein Sachleistungsanspruch oder ein Kostenfreistellungs- bzw -erstattungsanspruch für solche selbstbeschafften Leistungen begehrt wird. § 13 Abs 3a S 9 SGB V weist Leistungen zur medizinischen Rehabilitation dem eigenständigen Fristen- und Kostenerstattungsregime des Rehabilitations- und Teilhaberechts für Menschen mit Behinderungen zu (§§ 14, 15 SGB IX aF bzw §§ 14 bis 24 idF des Bundesteilhabegesetzes mWv 1.1.2018 - BTHG). Hilfsmittel der GKV zur Vorbeugung vor Behinderung (§ 33 Abs 1 S 1 Var 2 SGB V) und zum Behinderungsausgleich (§ 33 Abs 1 S 1 Var 3 SGB V) gehören - anders als Leistungen, die der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung dienen (§ 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V) - zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Sie werden nicht in erster Linie mit dem Ziel eingesetzt, auf die Krankheit, dh den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand als solchen iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V therapeutisch einzuwirken, sondern hauptsächlich mit dem Ziel, die damit verbundene Teilhabebeeinträchtigung eines Menschen mit Behinderung auszugleichen oder zu mildern. Auf die Unterscheidung zwischen Hilfsmitteln zum unmittelbaren und solchen zum mittelbaren Behinderungsausgleich kommt es für die Frage des sachlichen Anwendungsbereichs der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB V nicht an.

In allen drei Verfahren geht es um Ansprüche auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich, nicht aber um solche "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" iS von § 33 Abs 1 S 1 Var 1 SGB V. Auch bei dem im Fall 1 begehrten Therapie-Dreirad fehlt es an dem dazu erforderlichen engen Zusammenhang zwischen dem Einsatz des Hilfsmittels und einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung.

Der Senat kann allerdings jeweils nicht abschließend selbst in den genannten Sachen entscheiden. Die Vorinstanzen müssen nach deren Zurückverweisung in den wiedereröffneten Berufungsverfahren - unabhängig von § 13 Abs 3a SGB V - die Voraussetzungen der Hilfsmittelansprüche nach § 33 SGB V sowie Ansprüche nach den Vorschriften aus dem Bereich anderer Rehabilitationsträger vollumfänglich prüfen. Da die beklagten Krankenkassen die Anträge der Kläger jeweils nicht an andere Rehabilitationsträger weitergeleitet hatten, sind die Beklagten im Außenverhältnis gegenüber den Versicherten zur Überprüfung der Anträge im Hinblick auf alle in Frage kommenden Rechtsgrundlagen verpflichtet (§ 14 Abs 2 S 1 SGB IX). Hierbei wird die Versorgungssituation der Kläger unter Berücksichtigung ihres Wunsch- und Wahlrechts in einer dem Teilhaberecht des SGB IX (idF des BTHG) angemessenen Weise zu berücksichtigen sein. Bislang fehlen hierzu tragfähige Feststellungen der Berufungsgerichte.

Bescheide, mit denen die beklagten Krankenkassen in den Fällen 2 und 3 die vermeintlich nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V eingetretene fiktive Genehmigung zurückgenommen haben, gingen mangels Eintritts der Genehmigungsfiktion ins Leere.

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