Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 9/16 R

Verhandlungstermin 03.05.2018 09:30 Uhr

Terminvorschau

H. AG ./. GKV-Spitzenverband
Die Klägerin bringt als pharmazeutisches Unternehmen Arzneimittel auf den Markt, die zu der Festbetragsgruppe "Antianämika, andere, Gruppe 1" gehören. Der beklagte Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) beabsichtigte, ua für diese Gruppe die Festbeträge zum 1.7.2012 abzusenken und führte dazu ein Stellungnahmeverfahren durch. Als für ein Arzneimittel dieser Festbetragsgruppe, auf dessen Verfügbarkeit die Berechnungen zur beabsichtigten Absenkung maßgeblich mit basierten, ein Lieferausfall eintrat, stellte der Beklagte die Herabsetzung des Festbetrages zunächst zurück. Nach Wiederherstellung der Lieferfähigkeit beschloss er, den Festbetrag - wie vorgesehen - auf der Basis der bereits geprüften Daten und des Stellungnahmeverfahrens mit Wirkung zum 1.12.2012 abzusenken.

Das (erstinstanzlich zuständige) LSG hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen: Die Klägerin sei zwar klagebefugt, weil eine Verletzung eigener Rechte (Art 12 iVm Art 3 Abs 1 GG) nicht ausgeschlossen sei. Die Klage sei aber unbegründet. Der Beklagte habe den Festbetrag auf der Grundlage der Daten des Berechnungsstichtages rechtmäßig festgesetzt und hierzu auch ein Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Die eingetretene zeitliche Verzögerung mache die Festbetragsanpassung nicht rechtswidrig, denn der Gesetzgeber billige den erhobenen Daten grundsätzlich für einen Zeitraum von einem Jahr hinreichende Aussagekraft zu. Die Auffassung des Beklagten, der Aussagewert der erhobenen Daten sei durch die vorübergehenden Lieferschwierigkeiten nicht dauerhaft beeinträchtigt, halte sich im Rahmen des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums. Auch nach der Festbetragsanpassung sei eine hinreichende Versorgung mit von der Zuzahlung freigestellten Arzneimitteln gewährleistet. Unerheblich sei, dass es sich dabei auch um Parallelimporte handele.

Mit der Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen die Vorgaben aus § 35 Abs 3, 5 und 6 SGB V. Zur Zeit der Beschlussfassung sei die Datenbasis überholt gewesen, weil sich der ursprüngliche Sachverhalt durch die Lieferschwierigkeiten eines für die Berechnungen des Festbetrages maßgeblichen Arzneimittels erheblich geändert habe. Da ein Arzneimittelwechsel wegen der Besonderheiten dieses Wirkstoffs in der Regel nicht ohne Grund vorgenommen werde, sei auch nach Wiederherstellung der Lieferfähigkeit nicht damit zu rechnen gewesen, dass dieses Arzneimittel sofort wieder den alten Verordnungsstand erreiche. Jedenfalls habe der Beklagte hierzu erneut ein Stellungnahmeverfahren durchführen müssen. Das LSG habe den gerichtlichen Prüfungsmaßstab verkannt, denn bei der Feststellung der Versorgungssicherheit komme dem Beklagten kein Beurteilungsspielraum zu. Nach der Anpassung des Festbetrages werde auch keine hinreichende Versorgung mit Arzneimitteln gewährleistet, die von der Zuzahlung freigestellt seien, da nur 2,9% der Verordnungen Arzneimittel beträfen, die dann noch eine solche Freistellung erhielten. Durch Parallelimporte könne die Versorgung nicht hinreichend gewährleistet werden.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 1 KR 476/12 KL

Terminbericht

Die Revision der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung des Festbetrags-Beschlusses des Beklagten zur Festbetragsgruppe "Antianämika, andere, Gruppe 1" vom 8.10.2012 hat. Obwohl die Klägerin nicht selbst Adressatin der Allgemeinverfügung ist, ist sie klagebefugt, denn sie bringt Arzneimittel mit zu dieser Festbetragsgruppe gehörenden Wirkstoffen auf den Markt und insoweit ist eine Verletzung ihrer Rechte aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Anfechtungsklage ist allerdings unbegründet; die Klägerin ist weder in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf gleiche Teilhabe an einem fairen Wettbewerb noch in ihren einfachgesetzlichen Anhörungsrechten als pharmazeutisches Unternehmen verletzt. Festbeträge bilden ein preisregulierendes Anreizsystem, mit dem Wettbewerbselemente in den Markt der GKV eingeführt werden, die dort wegen des Auseinanderfallens von Nachfrager und Kostenträger fehlen. Ihr wesentliches Ziel ist die Stärkung des Preiswettbewerbs. Eine mit der Herabsetzung des Festbetrags verbundene Wettbewerbsverzerrung kommt nur in Betracht, wenn der neue Festbetrag nicht mit den Marktrealitäten in Übereinstimmung zu bringen, eine wirtschaftliche Preisgestaltung nicht möglich ist und sich Anbieter deshalb so weit vom Markt zurückziehen, dass dadurch eine Einschränkung des Preiswettbewerbs zu befürchten ist.

Die vom Beklagten festgesetzten Festbeträge unterschreiten diese Grenze der Wirtschaftlichkeit nicht. Dies ergibt sich zum Berechnungsstichtag bereits daraus, dass die Untergrenze der Ein-Fünftel-Regelung nach § 35 Abs 5 S 5 SGB V eingehalten wurde und bei 20 Arzneimitteln, die zum herabgesetzten Festbetrag für die Versicherten zuzahlungsbefreit (§ 31 Abs 3 S 4 SGB V) bleiben, sich auch keine Hinweise darauf ergeben, dass dieser neue Festbetrag einen unerwünschten, den Wettbewerb schädigenden Kellertreppeneffekt auslösen könnte. Die Daten des Berechnungsstichtags waren - als die zwischenzeitlich ausgefallene Lieferfähigkeit des zur Berechnung des neuen Festbetrages maßgeblichen Arzneimittels wiederhergestellt war - nicht in der Weise überholt, dass eine willkürliche Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Klägerin zu befürchten war. Vielmehr zeigt die Wiederherstellung der Lieferfähigkeit eines zur Festbetragsgruppe gehörenden Arzneimittels, dass es sich nicht um einen endgültigen Marktabgang aus wirtschaftlichen Gründen handelte und dass Anhaltspunkte für eine wettbewerbsschädigende Wirkung des Festbetrags gerade nicht gegeben waren. Auf die Versorgungssicherheit der Patienten und die medizinischen Bedingungen für einen Wechsel zwischen verschiedenen Präparaten - dh auf die Rechte Dritter - kann sich die Klägerin als pharmazeutisches Unternehmen nicht berufen. Deshalb ist es grundsätzlich unerheblich, ob aufgrund der Besonderheiten der betroffenen Arzneimittel Verordnungswechsel nach Möglichkeit vermieden werden. Vor diesem Hintergrund machte allein die zeitliche Verschiebung der Beschlussfassung auch keine erneute Anhörung erforderlich.

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