Bundessozialgericht

Verhandlung B 13 R 3/17 R

Verhandlungstermin 25.05.2018 11:00 Uhr

Terminvorschau

R. R. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
Im Streit stehen die Rücknahme eines Verwaltungsakts über Zahlungsansprüche aus einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (EM) aufgrund einer rund fünf Jahre nach deren Beginn einsetzenden Rente wegen voller EM mit Wirkung für die Vergangenheit und eine daraus folgende Erstattungsforderung.

Der beklagte RV-Träger bewilligte der Klägerin im Februar 2007 ab September 2006 eine Rente wegen teilweiser EM iHv monatlich rund 525 Euro. "Anstelle" dieser bewilligte er ihr im Juli 2012 eine Rente wegen voller EM iHv monatlich rund 1200 Euro ab Oktober 2011. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Nachzahlung iHv rund 12 600 Euro vorläufig nicht ausgezahlt werde, da zunächst Ansprüche der Krankenkasse der Klägerin zu klären seien. In der Anlage 10 des Bescheids hob die Beklagte den Ausgangsbescheid aus 2007 hinsichtlich des Zahlungsanspruchs aus der Rente wegen teilweiser EM für die Zeit ab Oktober 2011 "nach § 48 SGB X" auf und forderte von der Klägerin eine Erstattung der "Überzahlung" iHv rund 6300 Euro. Im August 2012 erstattete die Beklagte der Krankenkasse der Klägerin das zeitgleich ab Oktober 2011 zu der Rente gezahlte Krankengeld.

Anschließend hob die Beklagte den Bescheid aus Februar 2007 über die befristete Rente wegen teilweiser EM hinsichtlich des Zahlungsanspruchs für die Zeit ab Oktober 2011 "nach § 48 SGB X" auf. Sie rechnete ihre Forderung aus der "Überzahlung" dieser Rente gegen den Anspruch auf Nachzahlung der Rente wegen voller EM auf, soweit dieser nach Erfüllung des og Erstattungsanspruchs verblieben war, und forderte von der Klägerin eine Erstattung iHv noch rund 2800 Euro (Bescheid vom 10.8.2012/Widerspruchsbescheid vom 17.4.2013).

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Das LSG hat die Bescheide aus Juli und August 2012 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben, "soweit eine Erstattungsforderung in Höhe von rund 2800 EUR festgesetzt wurde". Zur Begründung hat es ua ausgeführt, die angefochtenen Aufhebungsentscheidungen seien teilweise rechtswidrig. Zwar habe die Klägerin mit der höheren Rente wegen voller EM Einkommen erzielt, welches zum Wegfall des Anspruchs auf Zahlung der Rente wegen teilweiser EM geführt habe (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X), jedoch wegen des zuvor befriedigten Erstattungsanspruchs der Krankenkasse nur iH des ihr verbliebenen Nachzahlungsbetrags von rund 3500 Euro.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Nur wenn sie berechtigt sei, von der Klägerin die streitbefangenen rund 2800 Euro zurückzufordern, verbleibe der Klägerin per Saldo (gezahlte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zzgl Krankengeld abzgl Erstattungsforderung) der Leistungsumfang, der ihr von Rechts wegen zustehe.

Sozialgericht Schleswig - S 21 R 116/13
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 7 R 92/15

Terminbericht

Die Revision des beklagten RV-Trägers war iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Der Senat vermochte auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend darüber zu befinden, ob die Aufhebung des Verwaltungsakts über den Zahlungsanspruch aus einer Rente wegen teilweiser EM für die Vergangenheit durch die hier angefochtenen Bescheide und die Erstattungsforderung des RV-Trägers, soweit sie noch im Streit standen, rechtmäßig sind.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung ist § 48 Abs 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs 1 S 1 SGB X). Nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse - binnen Jahresfrist - aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

Die wesentliche Änderung der Verhältnisse gegenüber denen, die dem Verwaltungsakt über die Leistung einer Rente wegen teilweiser EM zugrunde lagen, ist der hinzutretende Zahlungsanspruch auf eine Rente wegen voller EM zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin. Damit war die Beklagte nicht nur zur Aufhebung der Verfügung über den Zahlungsanspruch aus der Rente wegen teilweiser EM für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit berechtigt. Die Rente wegen voller EM schließt den zeitgleichen Bezug der Rente wegen teilweiser EM iS des § 89 Abs 1 Satz 1 SGB VI aus. Letztere ist durch die nachträglich gewährte höhere einkommensähnliche Sozialleistung zum Ruhen gelangt und damit iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X weggefallen.

Anders als das LSG angenommen hat, berechtigt und verpflichtet die Vorschrift den RV-Träger grundsätzlich auch zur Aufhebung des Zahlungsanspruchs aus dem Bescheid über die Rente wegen teilweiser EM in voller Höhe. Zwar beschränkt § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X die Aufhebung des Ausgangsbescheides wegen der Erzielung von Einkommen, indem sie nur erfolgen darf, "soweit" doppelte Zahlungen erbracht worden sind. Diese Grenze wird hier nicht deshalb berührt, weil der "Nachzahlungsbetrag" aus der Rente wegen voller EM durch die Erstattung des Krankengelds an die Krankenkasse reduziert worden ist. Denn soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Zahlungsanspruch auf die Rente wegen voller EM als erfüllt; auch insoweit liegt aber eine "Einkommenserzielung" der Klägerin iSv § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X vor. Dieser überstieg den im Rahmen des § 48 SGB X maßgeblichen Zahlbetrag der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Wenn jedoch - wie auch hier - die Erstattungsforderung des RV-Trägers gegenüber dem Versicherten nicht vollständig aus dem verbliebenen Nachzahlungsbetrag der Rente wegen voller EM beglichen werden kann, ist zu prüfen, ob gegenüber dem typischen Fall, der wegen Erzielung von Einkommen zur Aufhebung für die Vergangenheit berechtigt, Gesichtspunkte gegeben sind, die eine "Atypik" begründen. Dies vermochte der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG nicht zu beurteilen. Eine "Atypik" kann insoweit zB vorliegen, wenn die Leistung - hier die Rente wegen teilweiser EM - gutgläubig verbraucht worden ist und die Erstattungsforderung der Beklagten gegenüber der Klägerin, soweit sie den verbliebenen Nachzahlbetrag der später bewilligten höheren Sozialleistung - hier der Rente wegen voller EM - übersteigt, aus dem laufenden Bezug dieser Leistung beglichen werden müsste. Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren ua festzustellen haben, ob die Klägerin damit rechnen musste, dass die Rente wegen teilweiser EM und Krankengeld im Falle der Bewilligung einer höheren Rentenleistung zumindest teilweise zu "erstatten" seien, und ob ihr nur die laufende Rente wegen voller EM zur Erfüllung der Erstattungsforderung des RV-Trägers zur Verfügung steht. Sollte das LSG zur Bejahung eines atypischen Falls gelangen, wird es ferner zu beurteilen haben, ob die Ermessenserwägungen der Beklagte im Hinblick auf die Aufhebung der Verfügung über die Zahlung der Rente wegen teilweiser EM - soweit sie über die Nachzahlung der Rente wegen voller EM hinausgeht -, ausreichen

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