Bundessozialgericht

Verhandlung B 14 AS 38/17 R

Verhandlungstermin 09.08.2018 14:00 Uhr

Terminvorschau

RA K. P. ./. Kommunales Jobcenter Lahn-Dill, beigeladen: 1. P. H., 2. A. H.
Umstritten ist der Ausgleich von Mietrückständen der Beigeladenen bei dem klagenden Vermieter durch das beklagte Jobcenter.

Die Beigeladenen waren Mieter einer Wohnung des Klägers. Im Mietvertrag war bestimmt, dass sie "der unmittelbaren Auszahlung des Wohngeldes" oder entsprechender Leistungen an ihn zustimmen und "die Abtretung" den Behörden offen legen. Der Beklagte bewilligte ihnen Alg II unter Berücksichtigung von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung und überwies zu Beginn der Mietzeit die Hälfte einer Monatsmiete sowie die Kaution direkt dem Kläger. Die Beigeladenen - die bei Abschluss des Mietvertrags in Substitionsbehandlung wegen Opiatabhängigkeit standen - überwiesen Miete und Nebenkosten nur zeitweise; von November 2012 bis Januar 2013 zahlte der Beklagte den Alg II-Anteil aufgrund eines anschließend widerrufenen Antrags der Beigeladenen direkt an den Kläger. Seit Dezember 2013 zahlte er eine Nutzungsentschädigung, nachdem die Beigeladenen trotz fristloser Kündigung wegen rückständiger Miete in der Wohnung verblieben sind.

Die Klage auf Zahlung ausstehender Miete hat das SG abgewiesen. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Der Zahlungsanspruch bestehe nicht. Der Beklagte sei weder dem Mietvertrag der Beigeladenen beigetreten noch bestünden Ansprüche auf Direktzahlung der Miete oder - schon mangels Antragstellung der Beigeladenen - auf Übernahme von Mietschulden. Aus abgetretenem Recht folge nichts, weil der Mietvertrag keine Abtretung enthalte und die Klage mangels Feststellung des wohlverstandenen Interesses nach § 53 Abs 2 Nr 2 SGB I insoweit auch unzulässig sei.

Mit seiner Revision rügt der Kläger als Verletzung rechtlichen Gehörs, dass Vortrag zur Verbuchung von Zahlungen nicht gewürdigt worden sei. In der Sache hätten die Beigeladenen ihm den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung abgetreten. Der Beklagte habe mit der Auszahlung von Miete für März 2012 und der Kaution festgestellt, dass dies in ihrem wohlverstandenen Interesse gelegen habe. Auch sei er dem Mietvertrag beigetreten. Jedenfalls hätte die Miete wegen der Opiatabhängigkeit der Beigeladenen gemäß § 22 Abs 7 Satz 3 Nr 3 SGB II ermessensfehlerfrei nur an ihn ausgezahlt werden dürfen.

Sozialgericht München - S 19 AS 179/14
Bayerisches Landessozialgericht - L 7 AS 326/17 ZVW

Terminbericht

Die Revision des Klägers war erfolglos. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass der Kläger weitere Zahlungen des Beklagten auf Miete und Nebenkosten der Beigeladenen nicht geltend machen kann, weshalb auch kein Zinsanspruch besteht.

Überwiegend stehen dem bereits prozessuale Gründe entgegen. Verfolgt der Vermieter eines Beziehers von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II Zahlungsansprüche aus dem Leistungsverhältnis zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Grundsicherungsträger, ist die allgemeine Leistungsklage nicht schon deshalb statthaft, weil in dem Gleichordnungsverhältnis zwischen Grundsicherungsträger und Vermieter eine Regelung durch Verwaltungsakt ausgeschlossen ist. Erfordert die Leistung vorab eine Entscheidung durch Verwaltungsakt im Verhältnis zwischen dem Grundsicherungsträger und dem Leistungsberechtigten, kann ein Vermieter - unbeschadet der materiellen Rechtslage - Ansprüche aus diesem Verhältnis im Wege der allgemeinen Leistungsklage nur geltend machen, soweit diese Entscheidung (bewilligend) getroffen worden ist. Fehlt sie oder ist sie ablehnend ergangen, kann er Ansprüche des Leistungsberechtigten im Wege der allgemeinen Leistungsklage gegen den SGB II-Träger dagegen nicht statthaft verfolgen; insoweit können seine prozessualen Befugnisse nicht weiter reichen als die des Leistungsberechtigten, auf dessen Ansprüche er sich beruft und der selbst Zahlungsansprüche gegen den SGB II-Träger im Wege der allgemeinen Leistungsklage nur geltend machen kann, soweit ein Verwaltungsakt nicht (mehr) zu ergehen hat.

Nach diesem Maßstab sind die in objektiver Klagehäufung erhobenen, weil auf rechtlich selbständige Klagegründe gestützten allgemeinen Leistungsklagen nur statthaft, soweit sie auf einen Schuldbeitritt des Grundsicherungsträgers zu den mietrechtlichen Verpflichtungen der Beigeladenen und auf eine abweichende Zahlungsbestimmung nach § 22 Abs 7 Satz 1 SGB II abheben. Unstatthaft sind sie hingegen, soweit der Beklagte nach Auffassung des Klägers im Hinblick auf die Opiatabhängigkeit der Beigeladenen eine abweichende Auszahlungsbestimmung nach § 22 Abs 7 Satz 2 und 3 Nr 3 SGB II hätte treffen müssen und Ansprüche aus der Mietschuldenregelung nach § 22 Abs 8 SGB II bestünden; die hierfür im Verhältnis zu den Beigeladenen erforderlichen Entscheidungen hat der Beklagte nach den diesbezüglich mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG nicht getroffen. Ähnlich verhält es sich, soweit sich der Kläger eines Anspruchs aus abgetretenem Recht berühmt, weil nach den auch insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des LSG die für die Wirksamkeit der Abtretung notwendige Feststellung nach § 53 Abs 2 Nr 2 SGB I fehlt und rückwirkend nicht nachgeholt werden kann.

Zahlungsansprüche wegen eines Beitritts des Beklagten zur mietvertraglichen Zahlungsverpflichtung der Beigeladenen - über die der Senat trotz der zivilrechtlichen Natur eines solchen Anspruchs als Rechtsmittelgericht nach § 17a Abs 5 GVG zu entscheiden hat - bestehen in der Sache nicht. Für einen solchen Anspruch bietet das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende keine Grundlage in der Art, wie es das BSG aus dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis für das SGB XII hergeleitet hat. Anders als dort sind die Leistungen zur Deckung auch der Bedarfe für Unterkunft und Heizung ausschließlich als Geldleistung ausgestaltet. Eine Sachleistungsverantwortung wie im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen Sozialhilfeträger und Leistungsberechtigtem trifft den Grundsicherungsträger dabei nicht. Entsprechend geht der BGH davon aus, dass das Jobcenter nicht als Erfüllungsgehilfe des Mieters tätig wird, wenn es für ihn die Miete an den Vermieter zahlt (vgl zuletzt BGH vom 29.6.2016 – VIII ZR 173/15 – NJW 2016, 2805 RdNr 16 mwN).

Zahlungsansprüche aus einer Direktzahlungsentscheidung des Beklagten nach § 22 Abs 7 Satz 1 SGB II bestehen ebenfalls nicht. Hat der Grundsicherungsträger auf Antrag des Leistungsberechtigten entschieden, dass der auf Unterkunft und Heizung entfallende Anteil an den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts direkt an den Vermieter auszuzahlen ist, begründet dies nach Wortlaut, Systematik und Regelungsintention ausschließlich eine von § 42 SGB II abweichende Empfangsberechtigung des Vermieters. Einen eigenständigen, selbständig einklagbaren Anspruch erwirbt ein Vermieter deshalb nur aus einer ausdrücklichen Schuldübernahmeerklärung, durch die sich das Jobcenter unabhängig von der Direktzahlungsentscheidung nach § 22 Abs 7 Satz 1 SGB II ihm gegenüber zur Zahlung der von den Leistungsberechtigten geschuldeten Miete verpflichtet. Eine solche Erklärung hat der Beklagte nach dem Vorbringen auch des Klägers selbst allerdings nicht abgegeben, weshalb es auf die Verfahrensrüge, das LSG habe Vortrag zur Verbuchung von Zahlungen nicht zur Kenntnis genommen, nicht ankam.

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