Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 3/17 R - Ohne mündliche Verhandlung

Verhandlungstermin 06.09.2018 00:00 Uhr

Terminvorschau

R. C. ./. BG Nahrungsmittel und Gastgewerbe, beigeladen: BG Handel und Warenlogistik
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger an Stelle des bewilligten Übergangsgeldes (Übg) ein Anspruch auf Verletztengeld (Vlg) für die Zeit vom 25.5. bis 31.10.2006 und vom 15.8.2007 bis 28.8.2011 zusteht.

Der Kläger erlitt 2004 einen Unfall bei seiner Tätigkeit als Fleischer. Nach mehreren operativen Eingriffen leidet er an Bewegungs- und Belastungseinschränkungen des rechten Arms. Der Kläger erhielt bis einschließlich 24.5.2006 Vlg von der Beigeladenen. Danach bewilligte die Beigeladene ab 25.5.2006 dem Kläger Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH in Höhe von monatlich 444,47 Euro. In der Zeit vom 1.11.2006 bis 14.8.2007 erhielt der Kläger Übg während eine Weiterbildung zum Fachassistenten für Fleischhygiene. Mit Bescheid vom 3.5.2007 wurde dem Kläger zudem eine Rente auf unbestimmte Zeit gewährt. Hiergegen legte der Kläger wegen der Höhe der MdE Widerspruch ein. Im anschließenden Klageverfahren schlossen die Beteiligten vor dem SG einen Vergleich, nachdem ihm für die Zeit ab 1.3. 2007 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 vH, monatlich ca 670 Euro, gewährt wurde und später nach einer MdE von 40 vH in Höhe von 925,35 Euro. Eine Tätigkeit als Fachassistent für Fleischhygiene konnte der Kläger aufgrund seiner Schulterverletzung nicht ausüben. Deshalb stellte er einen Antrag auf Gewährung einer weiteren berufsqualifizierenden Rehabilitationsmaßnahme zum Lebensmittelkontrolleur. Dies lehnte die Beigeladene ab. Nachdem der Unfallbetrieb zum 1.1.2006 an die Beklagte überwiesen worden war, verurteilte das SG 2010 die Beklagte, diesen Antrag erneut zu bescheiden. Daraufhin bewilligte die Beklagte 2011 dem Kläger als weitere Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben einen Meisterlehrgang an einer Fleischerfachschule vom 29.8.2011 bis zum 24.11.2011 sowie Übg für diese Maßnahme. Der Kläger beantragte sodann mit Schreiben vom 8.3.2011 bei der Beklagten die Zahlung von Vlg rückwirkend ab Mai 2006. Dies lehnte die Beklagte zunächst ab, weil die Einstellung des Vlg im Mai 2006 zu Recht erfolgt sei. Mit Bescheid vom 2.12.2011 bewilligte sie dem Kläger aber für den vergangenen Zeitraum vom 15.8.2007 bis 28.8.2011 Übg. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem Ziel, an Stelle des bewilligten Übg Vlg für die Zeit vom 1.5.2006 bis 28.8.2011 zu erhalten. Der Widerspruch blieb erfolglos. Das SG hat die Beklagte unter Änderung der Bescheide verpflichtet, dem Kläger unter Anrechnung des gezahlten Übg Vlg für die Zeit vom 15.8.2007 bis 28.8.2011 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Vlg habe vom 25.5. bis 31.10.2006 und 15.8.2007 bis 28.8.2011 bestanden, weil die Zahlung von Vlg nach § 46 Abs 3 SGB VII nicht beendet worden sei. Aus § 51 Abs 1 SGB IX aF folge, dass die Leistung weiterzuzahlen sei, auf die ein Anspruch bestanden habe, hier das Vlg. Allerdings sei gemäß § 44 Abs 4 SGB X entsprechend das Vlg wegen des Antrags vom 8.3.2011 frühestens ab 1.1.2007 zu gewähren. Die Beklagte hat Berufung und der Kläger Anschlussberufung eingelegt. Der Berichterstatter am LSG hat im Einverständnis mit den Beteiligten anstelle des Senats als Einzelrichter gemäß § 155 Abs 3 und Abs 4 SGG durch Urteil entschieden. Das Urteil des SG wurde geändert und auf die Berufung des Klägers die Beklagte unter Änderung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger auch für den Zeitraum vom 25.5. bis 31.10.2006 Vlg zu zahlen. Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, der Berichterstatter habe entscheiden können, weil die vorliegende Streitsache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise noch von grundsätzlicher Bedeutung sei. Die Berufung der Beklagten sei unbegründet, weil der Beendigungstatbestand iS des § 46 Abs 3 SGB VII nicht erfüllt sei. Insbesondere fehle ein feststellender Verwaltungsakt mit einer entsprechenden Prognoseentscheidung. Auch sei der Anspruch auf Vlg nicht allein durch die rückwirkende Gewährung von Übg beendet worden, weil maßgebend sei, ob ein Anspruch auf Übg entstanden sei. Die Anschlussberufung des Klägers habe Erfolg, weil § 44 Abs 4 SGB X auf den vorliegenden Fall nicht entsprechend angewandt werden dürfe.

Das BSG hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, mit der diese das Vorliegen von Verfahrensmängeln und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gerügt hatte, die Revision zugelassen. Die Beklagte rügt die Verletzung der § 155 Abs 3 und Abs 4 SGG, sowie der 46 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB VII und des § 51 SGB IX aF. Der Berichterstatter am LSG habe als Einzelrichter entschieden, obwohl die Rechtsfragen höchstrichterlich nicht geklärt seien. Eine Entscheidung durch den Berichterstatter bei Rechtssachen von grundsätzlicher Bedeutung komme regelmäßig nicht in Betracht (Hinweis auf BSG vom 7.8.2014, B 13 R 37/13 R). Hier sei die Frage zu klären, wann ein Anspruch auf Vlg gemäß § 46 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB VII ende. Diese Frage sei weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der bisherigen Rechtsprechung eindeutig zu beantworten. Das vom Einzelrichter am LSG angenommene Wiederaufleben des Vlg sei schon nicht mit § 51 SGB IX aF zu vereinbaren, weil dort die Weiterzahlung der Leistung abschließend geregelt sei. Das Wiederaufleben des Vlg-Anspruchs führe zu erheblichen Wertungswidersprüchen beim gleichzeitigen Bezug von Verletztenrente. Nach § 72 Abs 1 Nr 1 SGB VII werde Verletztenrente von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folge, an dem der Anspruch auf Vlg ende. Bei Bezug von Übg könne allerdings gleichzeitig ein Anspruch auf Verletztenrente bestehen. Würde man mit dem LSG den Anspruch auf Vlg wieder aufleben lassen, so würde der Kläger für einen erheblichen Zeitraum in der Vergangenheit gleichzeitig und systemwidrig Verletztenrente und Vlg erhalten. Dass dies nicht so gewollt sei, folge auch aus § 74 Abs 2 SGB VII.

Sozialgericht Berlin - S 115 U 165/12
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 3 U 198/15

Terminbericht

Über das Ergebnis des Verfahrens wird nach Zustellung des Urteils berichtet.

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