Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 51/17 R

Verhandlungstermin 13.02.2019 11:00 Uhr

Terminvorschau

Dr. U. S. ./. KÄV Bayerns
Die Beteiligten streiten über den Umfang der Teilnahme des Klägers am ärztlichen Bereitschaftsdienst (Notdienst).

Der Kläger ist als Orthopäde mit Praxissitz in M. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Auf seinen Antrag genehmigte ihm die Beklagte die Tätigkeit auch in E. (Zweigpraxis) und ordnete ihn mit gesondertem Bescheid mit einem Anrechnungsfaktor von 0,5 der Bereitschaftsdienstgruppe am Ort der Zweigpraxis zu. Die Zuordnung zu der Bereitschaftsdienstgruppe am Praxissitz mit dem Anrechnungsfaktor von 1,0 bleibe davon unberührt. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück.

Auf die dagegen gerichtete Klage hob das SG die angefochtenen Bescheide auf. Die Heranziehung des Klägers mit einem Anrechnungsfaktor von insgesamt 1,5 sei rechtswidrig. Die Genehmigung der Zweigpraxis ändere nichts daran, dass dem Kläger nur ein voller Versorgungsauftrag zugeordnet sei.

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Heranziehung des Klägers zum Bereitschaftsdienst auch in der Bereitschaftsdienstgruppe am Ort der Zweigpraxis sei vom weiten Gestaltungsspielraum der Beklagten bei der Ausgestaltung des Bereitschaftsdienstes gedeckt. Der Kläger werde durch die Addition der Anrechnungsfaktoren auch nicht willkürlich benachteiligt. Mit dem Betrieb der Zweigpraxis erweitere der Kläger seinen Patientenstamm mit den daraus folgenden wirtschaftliche Vorteilen.

Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des sozialgerichtlichen Urteils. Die Heranziehung zum Notdienst mit einem Anrechnungsfaktor von insgesamt 1,5 benachteilige ihn willkürlich. Wegen der erweiterten Heranziehung allein der Ärzte, die ihre Zweigpraxis in einem anderen Bereitschaftsdienstbezirk als die Hauptpraxis betrieben, und der ganz unterschiedlichen Größe dieser Bezirke hänge es letztlich vom Zufall ab, ob ein Arzt mit dem Faktor 1,0 oder dem Faktor 1,5 zum Bereitschaftsdienst herangezogen werde. Dagegen verteidigt die Beklagte das Urteil des LSG. Die Verpflichtung von Ärzten, ihren Patienten außerhalb der Sprechstunden zur Verfügung zu stehen, beziehe sich auch auf die Zweigpraxis. Ein Arzt müsse sich deshalb auch dort am Bereitschaftsdienst beteiligen und dürfe die Versorgung nicht den Ärzten überlassen, die dort ihren Hauptsitz hätten.

Vorinstanzen:
Sozialgericht München - S 49 KA 330/16, 27.10.2016
Bayerisches Landessozialgericht - L 12 KA 125/16, 05.04.2017

Terminbericht

Die Revision des Klägers war erfolgreich. Das SG hat den Bescheid der beklagten KÄV über die Zuordnung des Klägers zur Bereitschaftsdienstgruppe am Ort seiner Zweigpraxis mit dem Faktor 0,5 zu Recht aufgehoben. Das LSG hätte dieses Urteil nicht aufheben dürfen.

Die angegriffenen Bescheide, die den Kläger ohne Anrechnung auf den bereits am Hauptsitz der Praxis zu leistenden Bereitschaftsdienst zusätzlich mit einem Anrechnungsfaktor von 0,5 der Bereitschaftsdienstgruppe am Sitz der Zweigpraxis zuordnen, stehen nach den Feststellungen des LSG zwar im Einklang mit der im Bezirk der Beklagten geltenden Bereitschaftsdienstordnung (BDO). Die Auferlegung einer um 50 % erhöhten Dienstpflicht ist jedoch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG nicht vereinbar. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Kläger am Bereitschaftsdienst mitwirken muss und dass der beklagten KÄV bei der Ausgestaltung des Dienstes ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt. Dieser deckt auch die Heranziehung von Ärzten zum Dienst am Ort ihrer Zweigpraxis: Zweigpraxen sind Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung, und je stärker ein bestimmter Bezirk tatsächlich durch Zweigpraxen versorgt wird, desto größer kann das Bedürfnis sein, die in diesem Bezirk praktizierenden Ärzte in den Bereitschaftsdient einzubeziehen, auch um eine Überlastung der Ärzte mit Hauptpraxen dort zu vermeiden. Das ändert aber nichts daran, dass Ärzte mit Zweigpraxen hinsichtlich des Umfangs ihrer Verpflichtung zur Teilnahme am Dienst nicht anders behandelt werden dürfen als andere Ärzte. Die BDO der Beklagten differenziert im Ausgangspunkt sachgerecht, indem sie den Umfang der Teilnahme am Bereitschaftsdienst an den Umfang der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung knüpft. Der Umfang des Versorgungsauftrags ändert sich jedoch durch den Betrieb einer Zweigpraxis nicht. Auch die in der BDO der Beklagten geregelte Unterscheidung danach, ob der Standort der Zweigpraxis im selben Bereitschaftsdienstbezirk wie die Hauptpraxis gelegen ist, ist jedenfalls, soweit es um den Umfang der Verpflichtung und nicht nur darum geht, wo der Dienst zu verrichten ist, nicht zu rechtfertigen.

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