Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 56/17 R

Verhandlungstermin 13.02.2019 12:00 Uhr

Terminvorschau

Dr. B. B. ./. KÄV Bayerns, 1 Beigeladene
In diesem Verfahren besteht Streit über die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung von Akupunkturleistungen (Nr 30790 bzw 30791 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen <EBM-Ä>).

Der Kläger war als Orthopäde zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er hatte sich an der Durchführung der GERAC-Studie beteiligt, deren Ergebnisse dazu beitrugen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Körperakupunktur bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule (LWS) und der Knie ab 1.1.2007 unter genau definierten Voraussetzungen in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufnahm. Die beigeladene Krankenkasse beantragte 2008 bei der beklagten KÄV die nachträgliche Richtigstellung des dem Kläger für das Quartal 2/2007 erteilten Honorarbescheids, weil nach ihrer Ansicht bei 114 von ihm behandelten Patienten die Voraussetzungen für eine Akupunktur nicht vorlagen. Die Beklagte entsprach dem nur teilweise. Sie setzte die vom Kläger für 68 Patienten abgerechneten Akupunkturleistungen ab, weil vor den Behandlungen ein ärztlich dokumentiertes Schmerzintervall von mindestens sechs Monaten nicht vorgelegen habe, und strich diese Leistungen in einem weiteren Fall, weil bis zur Akupunkturbehandlung keine Diagnosen dokumentiert waren, die chronische Schmerzen in LWS oder Knien belegten. Aufgrund der Richtigstellungen forderte die Beklagte vom Kläger 9322 Euro des ursprünglich bewilligten Honorars (ca 60 800 Euro) zurück.

Im Widerspruchsverfahren übersandte der Kläger zu allen betroffenen Fällen Auszüge aus seinen Aufzeichnungen sowie Erhebungsbögen mit Angaben der Patienten anlässlich der Eingangsuntersuchung zu Art, Lokalisation und Dauer der Schmerzen, wie sie auch in der GERAC-Studie verwendet worden waren. Darin war für jeden Einzelfall das Vorliegen eines mindestens sechsmonatigen Schmerzintervalls vor der Akupunktur dokumentiert. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ausgeführt, dass sich die laut Qualitätssicherungsvereinbarung zur Akupunktur erforderliche "Überprüfung, dass vor der Akupunktur ein mindestens sechsmonatiges ärztlich dokumentiertes Schmerzintervall vorliegt", nicht allein auf die Angaben des Patienten stützen dürfe. Erforderlich seien vielmehr ärztliche Schmerzdokumentationen aus dem Zeitraum vor Akupunkturbeginn. Sofern diese von anderen Ärzten stammten, müssten die Aufzeichnungen des Akupunkteurs erkennen lassen, dass er das Vorliegen von Schmerzen durch Nachfragen beim Vorbehandler überprüft habe. Zudem müssten die Schmerzzustände durchgängig mindestens sechs Monate vor Beginn der Akupunkturbehandlung vorgelegen haben; dass das für länger zurückliegende Zeiträume, nicht aber in den beiden vorangegangenen Quartalen dokumentiert sei, genüge nicht. Diese Anforderungen seien in den 68 bezeichneten Fällen nicht erfüllt. Im Fall 69 fehle es an der Dokumentation einer die Akupunktur begründenden Diagnose bereits im Abrechnungsquartal; entsprechende Aufzeichnungen erstmals im darauffolgenden Quartal 3/2007 reichten nicht aus.

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung der bundesrechtlichen Regelung in § 5 Abs 1 Nr 2 der Qualitätssicherungsvereinbarung zur Akupunktur. Sie könne nur so verstanden werden, dass die vom Akupunkteur unmittelbar vor der Behandlung anhand der Patientenangaben vorgenommene Dokumentation eines mindestens sechsmonatigen Schmerzzustands genüge. Die weitergehenden Anforderungen des LSG stellten eine bloße Förmelei dar und höhlten den Anwendungsbereich der Vorschrift aus.

Vorinstanzen:
Sozialgericht München - S 39 KA 307/12, 16.09.2014
Bayerisches Landessozialgericht - L 12 KA 221/14, 14.09.2016

Terminbericht

Die Revision des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die von der Beklagten vorgenommenen Richtigstellungen von Akupunkturleistungen im Quartal 2/2017 rechtmäßig sind und die Klage deshalb abzuweisen ist.

Die Nrn 30790 und 30791 EBM-Ä dürfen nach ihrer Leistungslegende nur abgerechnet werden, wenn die Voraussetzungen der Qualitätssicherungsvereinbarung zur Akupunktur (QV-A) erfüllt sind. Dazu gehört gemäß § 5 Abs 1 Nr 2 QV-A die Überprüfung, dass vor der Akupunktur ein mindestens sechsmonatiges ärztlich dokumentiertes Schmerzintervall vorliegt. Das LSG hat diese Vorschrift in Übereinstimmung mit der beigeladenen Krankenkasse zutreffend in dem Sinne ausgelegt, dass zu Beginn der Akupunktur in der Vergangenheit erstellte ärztliche Dokumentationen - des die Akupunktur durchführenden Arztes oder anderer Ärzte - vorliegen müssen, die ein Schmerzintervall belegen, das mindestens sechs Monate und auch noch aktuell andauert. Es reicht nicht aus, dass der die Akupunktur durchführende Arzt allein aufgrund von Angaben des Patienten in der Eingangsuntersuchung Schmerzzustände von mehr als sechs Monaten feststellt. Ebenso wenig genügt es, wenn sich aus vorhandenen ärztlichen Dokumentationen ergibt, dass solche Schmerzzustände irgendwann in der Vergangenheit vorgelegen haben. Ein Schmerzintervall, das nach der QV-A im Rahmen eines schmerztherapeutischen Gesamtkonzepts den Einsatz von Akupunktur rechtfertigt, muss unmittelbar vor Beginn der Behandlung mindestens sechs Monate bestanden haben. Das ergibt sich aus einer systematischen Interpretation der einschlägigen Regelungen der QV-A, deren Ergebnisse durch Dokumente aus der Entstehungszeit der Vorschrift gestützt werden. Die genannten Voraussetzungen lagen nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG in den streitbefangenen Behandlungsfällen nicht vor.

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