Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 6/18 R

Verhandlungstermin 26.02.2019 10:00 Uhr

Terminvorschau

A. S. ./. Bundesagentur für Arbeit
Die Beteiligten streiten um Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) von September 2014 bis August 2015. Der Kläger begann am 1.9.2014 eine Ausbildung zum Hochbaufacharbeiter, die am 31.8.2016 endete. Nach dem Berufsausbildungsvertrag betrug seine Bruttovergütung im ersten Jahr 690 Euro monatlich und im zweiten Jahr 1060 Euro monatlich. Für die Miete musste der nicht bei seinen Eltern wohnende Kläger insgesamt 268 Euro monatlich, ab 2015 monatlich 278 Euro aufbringen. Die Kosten für Pendelfahrten zur Arbeit betrugen 44,70 Euro monatlich. Ausgehend von einem Bewilligungszeitraum vom 1.9.2014 bis 29.2.2016 (18 Monate) lehnte die Beklagten den Antrag auf BAB ab. Das durchschnittliche monatliche Einkommen iHv 640,09 Euro, das sich aus der Ausbildungsvergütung von insgesamt 14 640 Euro abzüglich Sozialversicherungspauschale ergebe, übersteige den Bedarf iHv 616,70 Euro monatlich. Vom 1.9.2014 bis 28.2.2015 bewilligte das Jobcenter einen Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 44 Euro monatlich.

Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, BAB in gesetzlicher Höhe zu erbringen. Abweichend von dem gesetzlichen Regelbewilligungszeitraum von 18 Monaten sei der Leistungsberechnung ein Zeitraum von 12 Monaten zu Grunde zu legen. Bereits bei Antragstellung sei absehbar gewesen, dass das Einkommen im ersten Ausbildungsjahr das Existenzminimum nicht abdecke. Durch ein Abweichen vom Regelbewilligungszeitraum entstehe kein Verwaltungsmehraufwand. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Für eine Bewilligung von BAB unter Berücksichtigung eines auf das erste Ausbildungsjahr verkürzten Zeitraums fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Eine auf den Regelbewilligungszeitraum bezogene Durchschnittsberechnung und damit einhergehende Verzerrungen seien verfassungsrechtlich unbedenklich (Hinweis auf BSG vom 8.7.2009 - B 11 AL 20/08 R).

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 69 Abs 1 S 2 SGB III. Der Gesetzgeber lege keinen Bewilligungszeitraum von 18 Monaten fest, sondern eröffne Ermessen. Nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe sei die Ausbildungsvergütung im zweiten Ausbildungsjahr gegenüber dem ersten Jahr untypisch hoch. Ein Unterschreiten des Existenzminimums sei nur vorübergehend, nicht jedoch für die Dauer eines Jahres hinzunehmen. Die vom Gesetzgeber mit der Verlängerung des Bewilligungszeitraums bezweckte Verwaltungsvereinfachung rechtfertige dies nicht.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Kiel - S 9 AL 167/14, 28.10.2016
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 3 AL 14/16, 23.02.2018

Terminbericht

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG zu Recht aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil er keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) vom 1.9.2014 bis 31.8.2015 hat. Zwar erfüllt der Kläger die allgemeinen Voraussetzungen für die Bewilligung von BAB. Sein durchschnittliches monatliches Einkommen aus der Ausbildungsvergütung in dem Regelbewilligungszeitraum von 18 Monaten in Höhe von 640,09 Euro monatlich übersteigt jedoch den vom Gesetzgeber bestimmten und von der Beklagten zutreffend mit 616,70 Euro monatlich berechneten Gesamtbedarf bei der BAB.

Die Beklagte ist nicht gehalten, einen vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall abweichenden Bewilligungszeitraum von einem Jahr, der sich allein auf das erste Ausbildungsjahr beziehen würde, zugrunde zu legen. Weder wegen der tatsächlichen Bedarfsunterdeckung im streitigen Zeitraum des ersten Ausbildungsjahres noch wegen der Ausbildungsdauer von 24 Monaten liegen besondere Umstände vor, die eine Verkürzung geboten erscheinen lassen. Der Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 28.11.2007 (B 11a AL 47/06 R) und vom 8.7.2009 (B 11 AL 20/08 R) betont, dass nach den Regelungen zur Berechnung der BAB regelmäßig und regelhaft vor allem zu Beginn einer Ausbildung eine Unterdeckung des Bedarfs des Auszubildenden auftreten kann. Dies beruht auf dem Umstand, dass die Ausbildungsvergütung im ersten Ausbildungsjahr im Vergleich zu den Folgejahren zumeist niedriger ist. Die mögliche Unterdeckung des Bedarfs folgt jedoch aus der gesetzgeberischen Entscheidung zur Verlängerung des Regelbewilligungszeitraums von einem Jahr auf 18 Monate. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber Auszubildende wie den Kläger mit einer lediglich 24 Monate umfassenden Ausbildung abweichend behandeln wollte. Der Gesetzgeber die Voraussetzungen zur Bewilligung von BAB hinsichtlich des Bewilligungszeitraums und der Einkommensberechnung gegenüber dem BAföG modifiziert. Zum Ausgleich einer Unterdeckung des Bedarfs zu Beginn einer Ausbildung hatte der Gesetzgeber bereits in § 27 Abs 4 SGB II aF eine Möglichkeit eröffnet, Härtefälle im System der Grundsicherung aufzufangen. Diesen Weg hat er durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung (BGBl I 2016, 1824) mit Wirkung zum 1.8.2016 fortgesetzt, indem er keinen Ausschluss der Auszubildenden mit Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe von SGB II-Leistungen in Konstellationen wie derjenigen des Klägers mehr vorsieht.

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