Bundessozialgericht

Verhandlung B 7 AY 1/17 R

Verhandlungstermin 27.02.2019 12:15 Uhr

Terminvorschau

1. E. G., 2. T. G. ./. Landkreis Hildesheim
Die miteinander verheirateten Kläger sind aserbaidschanische Staatsangehörige und leben seit 2003 im Bundesgebiet. Ihre Asylanträge lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge <BAMF>) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass keine Abschiebungshindernisse vorlägen. Im Februar 2005 beantragte der Kläger beim BAMF unter Änderung des bestandskräftigen Bescheids erfolglos die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), da er unter Hepatitis C leide, die in Aserbaidschan nicht behandelt werden könne. Ein weiterer Antrag mit dieser Begründung vom 13.11.2006 hatte im Ergebnis eines Klageverfahrens im Juli 2008 Erfolg. Der beklagte Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bewilligte den Klägern zunächst um das "Taschengeld" abgesenkte Leistungen, weil sie falsche Angaben zu ihrer Person (Geburtsdaten und Namen) gemacht und keine Identitätsnachweise vorgelegt haben und so die Nichtvollziehbarkeit der Abschiebung zu vertreten hätten. In der Zeit vom 1.9.2006 bis 31.10.2008 senkte er die Leistungen weiter in Höhe der Bekleidungspauschale ab. Die hiergegen gerichteten Klagen hatten teilweise Erfolg. Das LSG hat ausgeführt, es fehle an der erforderlichen konkreten Kausalität des klägerischen Fehlverhaltens für den Nichtvollzug der Ausreise, weil der Kläger ohnehin wegen seines Gesundheitszustands nicht habe ausreisen können und seine Ehefrau an diesem Abschiebungsschutz partizipiere.

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, zielstaatbezogene Abschiebungshindernisse seien allein vom BAMF festzustellen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Hildesheim - S 42 AY 48/07, 23.10.2012
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 8 AY 33/13, 08.12.2016

Terminbericht

Der Senat hat, nachdem sich die Beteiligten über den Zeitraum ab 1.1.2008 verglichen haben, die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Da der Beklagte (zuletzt ab dem 1.1.2006) die auf das im Einzelfall unabweisbar Gebotene (nämlich um das sog Taschengeld) abgesenkten Leistungen zeitlich unbefristet bewilligt hatte, konnte die zusätzliche Absenkung (wertmäßig in Höhe der Bekleidungspauschale) nur auf eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen gestützt werden (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der von dem Beklagten angeführte Grund eines fortgesetzt rechtsmissbräuchlichen Verhaltens stellt keine solche Änderung dar; die Bestimmung des zur Existenzsicherung „unabweisbar Gebotenen“ erfolgt allein bedarfsorientiert. Auch die weitergehende Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Barbetrags zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens an den Kläger ab der Stellung des Folgeschutzantrags beim BAMF erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Zwar war die Ablehnung dieses Antrags durch das BAMF - ohne allerdings Tatbestandswirkung im Hinblick auf § 1a AsylbLG zu entfalten - auch in dem Verfahren, das auf höhere Leistungen nach dem AsylbLG gerichtet war, beachtlich. Die faktische Aussetzung von Abschiebemaßnahmen während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat aber dazu geführt, dass das rechtsmissbräuchliche Verhalten der Kläger für die Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht mehr allein kausal war.

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