Verhandlung B 13 R 5/17 R
Verhandlungstermin
12.03.2019 12:45 Uhr
Terminvorschau
B. S. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
Auch in diesem Verfahren ist ein Anspruch auf eine (abschlagsfreie) Altersrente für besonders langjährige Versicherte streitig.
Das letzte Beschäftigungsverhältnis des im August 1950 geborenen Versicherten endete am 31. August 2012 durch eine betriebsbedingte fristgerechte Kündigung seines Arbeitgebers. Anschließend bezog der Versicherte Arbeitslosengeld bis zum 30. August 2014.
Nach seinem Versicherungsverlauf sind bis zum 31. August 2012 insgesamt 528 Monate mit rentenrechtlichen Zeiten belegt. Hinzu kommen für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis 30. August 2014 Pflichtbeitragszeiten wegen Bezugs von Arbeitslosengeld. Der beklagte RV-Träger bewilligte dem Kläger ab September 2014 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung eines verminderten Zugangsfaktors von 0,964. Einen Anspruch auf Altersrente für besonders langjährige Versicherte ab dem selben Zeitpunkt verneinte er. Die Wartezeit von 45 Jahren (540 Kalendermonate) sei nicht erfüllt.
Im Widerspruchs- und Klageverfahren ist der Kläger mit dem Begehren einer Altersrente für langjährig Versicherte erfolglos geblieben. Das LSG hat seine Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, auf die Wartezeit seien im konkreten Fall nur 528 und nicht - wie für diese Rentenart erforderlich - 540 Kalendermonate anzurechnen. Die Pflichtbeitragszeiten wegen Arbeitslosengeld-Bezugs ab September 2012 könnten nicht berücksichtigt werden. In den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn sei dies nach § 51 Abs 3a Nr 3 Teils 2 und Teils 3 SGB VI nur vorgesehen, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sei, nicht jedoch wie vorliegend durch eine betriebsbedingten Kündigung.
Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß des § 51 Abs 3a SGB VI iVm § 236b SGB VI gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Potsdam - S 17 R 640/14, 28.05.2015
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 22 R 578/15, 26.01.2017
Terminbericht
Der Senat hat die Revision des Klägers, gerichtet auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab September 2014, zurückgewiesen. Der Kläger erfüllt die Wartezeit für diese Rentenart nicht.
Nach § 236b Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI in der Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014 (BGBl I, 787) haben Versicherte, die vor dem 1. Januar 1953 geboren sind, Anspruch auf diese Altersrente, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 45 Jahren (540 Kalendermonate) erfüllt haben. Der Kläger verfügt hier bis Ende August 2012 lediglich über 528 Kalendermonate rentenrechtlicher Zeiten, die auf die Wartezeit anrechenbar sind. Zwar hat das LSG für den Zeitraum von September 2012 bis August 2014 weitere Zeiten des Bezugs einer Entgeltersatzleistung der Arbeitsförderung (Arbeitslosengeld) festgestellt. Sie wurden jedoch in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn im September 2014 zurückgelegt und sind damit nach § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Teils 2 SGB VI nicht auf die Wartezeit anzurechnen.
Die Voraussetzungen für die Rückausnahme von der grundsätzlichen Nichtberücksichtigung in den letzten 2 Jahren vor Rentenbeginn liegen nicht vor. Diese sind nach dem Teils 3 nur dann gegeben, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Auf Fälle des Arbeitslosengeld-Bezugs aufgrund der Kündigung eines Beschäftigungsverhältnisses aus anderen betriebsbedingten Gründen ist die Rückausnahmeregelung der "Geschäftsaufgabe" nicht analog anzuwenden. Insoweit mangelt es bereits an einer planwidrigen Lücke (Anschluss an BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE 124, 58 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1; 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 2).
Der erkennende Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung verfassungswidrig sind. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vor. Dies gilt sowohl mit Blick auf den Anrechnungsausschluss von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten 2 Jahren vor Rentenbeginn als auch mit Blick auf die Rückausnahmen zugunsten der Personen, deren Leistungsbezug durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist. Der Gesetzgeber durfte die angegriffenen Regelungen zur Vermeidung von Fehlanreizen für verhältnismäßig halten. Insoweit verfügt er über einen weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum. Für die in Frage stehenden Verhaltenseffekte bzw deren Ausmaß sind keine empirischen Befunde vorhanden. Derartige Sachverhalte sind auch nicht im Voraus aufklär- oder vorhersehbar, denn das Rentenzugangsgeschehen ist multifaktoriell. Die vorgenommene gesetzgeberische Wertung widerspricht zugleich nicht der Lebenserfahrung.