Bundessozialgericht

Verhandlung B 13 R 19/17 R

Verhandlungstermin 12.03.2019 11:15 Uhr

Terminvorschau

D. S. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
Im Streit steht der Anspruch auf eine (abschlagsfreie) Altersrente für besonders langjährig Versicherte.

Der im September 1952 geborene Kläger schloss im Mai 2012 mit seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag. Zeitgleich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wechselte er zu einer im Rahmen eines Sozialplans gegründeten Transfergesellschaft (betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit) in der Trägerschaft einer GmbH. Mit ihr schloss er einen "Vertrag über ein Beschäftigungsverhältnis", befristet bis zum 31. Mai 2013. Anschließend bezog der Kläger Arbeitslosengeld bis Ende Mai 2015. Danach war er arbeitslos ohne Leistungsbezug.

Seit 1. Oktober 2015 erhält der Kläger eine Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlägen (Zugangsfaktor 0,910). Seinen zuvor gestellten Antrag auf (abschlagsfreie) Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab Oktober 2015 lehnte der beklagte RV-Träger ab. Die hierfür erforderliche Wartezeit von 45 Jahren (540 Kalendermonate) sei nicht erfüllt. Es seien lediglich 529 Monate zu berücksichtigen.

Im Widerspruchsverfahren blieb der Kläger ebenfalls erfolglos. Das SG hat die Klage ab- und das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat ua ausgeführt, die im Versicherungskonto des Klägers vermerkten Beitragszeiten für den Bezug von Arbeitslosengeld vom 1. Oktober 2013 bis 30. Mai 2015 seien vom RV-Träger zu Recht nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet worden. Die gesetzliche (Rück-)Ausnahme, wonach solche Zeiten gleichwohl zu berücksichtigen seien, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen durch Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sei, liege nicht vor. Der Kläger sei durch bloßen Zeitablauf aus dem von vornherein befristeten "Arbeitsverhältnis" mit der Transfergesellschaft ausgeschieden. Der Übertritt in eine Transfergesellschaft zur Abwendung einer Insolvenz des vormaligen Arbeitgebers entspreche ebenfalls nicht der "vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers". Ebenso wenig sei der vereinbarte Aufhebungsvertrag "durch" die Insolvenz des ersten Arbeitgebers bewirkt.

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 51 Abs 3a SGB VI iVm § 236b SGB VI. Das Tatbestandsmerkmal der "vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers" in § 51 Abs 3a SGB VI umfasse auch eine Betriebsänderung, wie hier die Gründung einer Transfergesellschaft im Rahmen eines bei einem Arbeitgeber geschlossenen Sozialplans. Hierauf beruhe der von ihm geschlossene Aufhebungsvertrag und spätere Bezug von Entgeltersatzleistungen. Im Übrigen liege eine vollständige Geschäftsaufgabe der Transfergesellschaft vor, denn es sei insoweit auf die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit und nicht auf die sie tragende, tatsächlich weiterexistierende GmbH abzustellen. Die hier erfolgte Auslegung des § 51 Abs 3a Nr 3a SGB VI verstoße ferner gegen Art 3 Abs 1 und 3 GG. Versicherte, die in den letzten zwei Jahren vor Renteneintritt Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung bezogen hätten, würden sachwidrig anders als solche behandelt, die zu einem früheren Zeitpunkt auf diese Leistungen angewiesen gewesen seien. Auch eine Differenzierung zwischen Versicherten, deren Leistungsbezug seine Ursache in der "Insolvenz" oder "vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers" habe, und solchen mit ebenso unverschuldetem Leistungsbezug aus anderen Gründen sei nicht zu rechtfertigen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Karlsruhe - S 14 R 3639/15, 23.02.2017
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 2 R 1071/17, 21.06.2017

Terminbericht

Die Revision des Klägers ist erfolglos geblieben. Er hat keinen Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab Oktober 2015, denn die Wartezeit iS des § 236b Abs 1 SGB VI ist nach § 51 Abs 3a S 1 SGB VI in der Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014 (BGBl I, 787) nicht erfüllt. Danach haben Versicherte, die vor dem 1. Januar 1953 geboren sind, Anspruch auf diese Altersrente, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben. Der Kläger verfügt nicht über 540 Kalendermonate rentenrechtlicher Zeiten, die auf diese Wartezeit anrechenbar sind, sondern nur über 529.

Zwar sind im Versicherungsverlauf des Klägers weitere Monate mit Pflichtbeitragszeiten für den Bezug von Arbeitslosengeld von Oktober 2013 bis Mai 2015 belegt. Sie sind jedoch in den letzten zwei Jahren vor dem begehrten Rentenbeginn zurückgelegt worden. Damit sind sie nach § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 SGB VI von der Anrechnung auf die Wartezeit für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte grundsätzlich ausgenommen. Dies erfasst auch Zeiten vor dem Inkrafttreten dieser Regelung im Juli 2014 (Anschluss an BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 2 RdNr 26).

Die Voraussetzungen der Rückausnahme des Teils 3 liegen nicht vor. Danach ist der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auch in den letzten 2 Jahren vor Rentenbeginn anzurechnen, wenn dieser durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG endete das Arbeitsverhältnis des Klägers mit seinem ersten Arbeitgeber aufgrund des Aufhebungsvertrags zum 31. Mai 2012; der "Vertrag über ein Beschäftigungsverhältnis" mit der Transfergesellschaft durch Zeitablauf am 31. Mai 2013. Dafür, dass die Handlungsbefugnis einer der arbeitgeberseitig auftretenden Personen durch die InsO begründet gewesen sein könnte, mangelt es hier an Anhaltspunkten und wird auch vom Kläger nicht geltend gemacht.

Ebenso wenig hat eines der beteiligten Unternehmen im konkreten Fall seine Geschäfte aufgegeben. Das bloße Auslaufen des befristeten "Transferarbeitsverhältnisses" erfüllt nicht den Tatbestand der Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers, auch wenn dieses mit der Beendigung der Transfergesellschaft (betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit) zeitlich zusammenfällt. Es mangelt in einem solchen Fall bereits an der nach Teils 3 erforderlichen Kausalität ("bedingt") zwischen Geschäftsaufgabe und Bezug von Entgeltersatzleistungen. Rechtlich wesentliche Ursache ist hier der Fristablauf.

Schließlich ist die Rückausnahmeregelung nicht auf Fälle des Leistungsbezugs nach dem Wechsel in eine Transfergesellschaft analog anzuwenden. Auch wenn der in einem Sozialplan vereinbarte Wechsel in eine Transfergesellschaft mit Bezug von Transferkurzarbeitergeld stets eine Betriebsänderung iS des § 111 BetrVerfG voraussetzt, fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn derartige Fallgestaltungen waren im Gesetzgebungsverfahren diskutiert worden. Gleichwohl sind die Ausnahmen in Teils 3 vor dem Hintergrund der formulierten Zielsetzung der Vermeidung von Fehlanreizen bewusst auf die Tatbestände "Insolvenz und vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers" beschränkt worden.

Der erkennende Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Teils 2 und 3 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung gegen die Verfassung verstoßen.

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