Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 64/17 R

Verhandlungstermin 03.04.2019 12:00 Uhr

Terminvorschau

1. Dr. E. Sz., 2. Dr. V. Sr. ./. KÄV Niedersachsen, 9 Beigeladene
Im Streit steht die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, mit dem die beklagte KÄV dem Beigeladenen zu 2., einem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Internisten mit Schwerpunktbezeichnung Nephrologie, nach dessen Ausscheiden aus einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) die Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrags für die Betreuung von Dialysepatienten erteilt hat.

Die Kläger zu 1. und zu 2. bildeten im Jahr 2010 zusammen mit den Beigeladenen zu 2. und zu 3. und zwei weiteren Ärzten eine in der Dialyseversorgung tätige überörtliche BAG. Lediglich der Beigeladene zu 2. hatte noch seinen Vertragsarztsitz in B., während die anderen Ärzte ihren Sitz von B. in das ca 8 km entfernte W. verlegt hatten. Die KÄV erteilte der BAG zuletzt einen Versorgungsauftrag für die Betreuung von bis zu 300 Patienten an den Standorten B. und W. sowie in zwei ausgelagerten Praxisstätten. Der Beigeladene zu 2. kündigte zum 31.12.2010 seine Mitgliedschaft in der BAG. Nachdem noch ein weiterer Arzt auf seine Zulassung verzichtet hatte, stellte der Zulassungsausschuss fest, dass die bislang überörtliche BAG ab 1.1.2011 von den beiden Klägern und dem Beigeladenen zu 3. als nunmehr örtliche BAG in W. fortgeführt wird. Daraufhin passte die KÄV den Versorgungsauftrag für die BAG an, indem sie ihn ab diesem Zeitpunkt auf die Versorgung von zunächst bis zu 250 Patienten in W. und den beiden ausgelagerten Praxisstätten begrenzte. Dem Beigeladenen zu 2. erteilte die Beklagte ab 1.1.2011 die Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrags für die Betreuung von bis zu 30 Dialysepatienten an seinem Vertragsarztsitz in B. sowie in den beiden ausgelagerten Praxisstätten.

Die Kläger zu 1. und zu 2. widersprachen der dem Beigeladenen zu 2. erteilten Genehmigung. Die Beklagte wies den Drittwiderspruch zurück. Es sei fraglich, ob die Kläger als Einzelärzte überhaupt aktivlegitimiert seien; jedenfalls fehle es an der Anfechtungsberechtigung, da die Vorschriften der Anlage 9.1 BMV-Ä keinen Drittschutz vermittelten. Auf ihre Klage hat das SG die zugunsten des Beigeladenen zu 2. erteilte Genehmigung aufgehoben. Die Kläger seien aktivlegitimiert und auch anfechtungsberechtigt und die ohne Bedarfsprüfung erteilte Genehmigung sei rechtswidrig. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte weitere Bescheide vorgelegt, die sie erlassen hatte, nachdem der Beigeladene zu 3. Ende 2011 aus der BAG mit den Klägern ausgeschieden war und mit dem Beigeladenen zu 2. eine neue überörtliche BAG begründet hatte. In einem an den Beigeladenen zu 2. gerichteten Bescheid hatte sie den diesem ab 01.01.2011 erteilten Versorgungsauftrag zum 01.01.2012 aufgehoben. Außerdem hatte die Beklagte in einem weiteren, an die BAG der Beigeladenen zu 2. und 3. gerichteten Bescheid die Übernahme der Dialyseversorgung für bis zu 200 Patienten an den Standorten W. und B. sowie in den ausgelagerten Praxisstätten genehmigt. Die Beklagte hat vorgetragen, dass mit Aufhebung der dem Beigeladenen zu 2. ursprünglich erteilten Genehmigung das Rechtsschutzinteresse für die Klage entfallen sei. Daraufhin haben die Kläger nunmehr die Feststellung begehrt, dass die dem Beigeladenen zu 2. erteilte Genehmigung rechtswidrig war. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei nach Erledigung der ursprünglich erteilten Genehmigung statthaft; ein Feststellungsinteresse ergebe sich aus einer tatsächlichen Präjudizialität für das weitere Verhältnis der Beteiligten. Den Klägern fehle aber die Anfechtungsberechtigung, denn der Beigeladene zu 2. habe durch den ursprünglich angefochtenen Bescheid keine neue Rechtsposition erlangt. Die Regelung in § 4 Abs 1b der Anlage 9.1 BMV-Ä, nach der beim Ausscheiden eines Arztes aus einer in gemeinschaftlicher Berufsausübung betriebenen Dialysepraxis der Versorgungsauftrag bei der Dialysepraxis verbleibe, sei im Falle einer überörtlichen BAG nicht anwendbar, wenn der einzige an einem anderen Vertragsarztsitz niedergelassene Arzt ausscheide. In einer solchen Konstellation verbleibe der Versorgungsauftrag vielmehr an diesem Vertragsarztsitz; ein neuer Versorgungsauftrag sei nicht zu erteilen und eine Bedarfsprüfung deshalb nicht vorzunehmen.

Die Kläger machen mit ihren Revisionen geltend, das Berufungsgericht habe den Bedeutungsgehalt der Regelung in § 4 Abs 1b Anlage 9.1 BMV-Ä verkannt und ihnen zu Unrecht die Anfechtungsberechtigung aberkannt. Die Heraustrennung eines Versorgungsauftrags für den Standort B. aus dem der BAG erteilten Versorgungsauftrag sei rechtswidrig gewesen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Hannover - S 65 KA 40/14, 23.09.2015
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 3 KA 128/15, 09.08.2017

Terminbericht

Die Revisionen der Kläger haben keinen Erfolg gehabt. Zwar steht die Begründung, auf die das LSG seine Entscheidung gestützt hat, mit Bundesrecht nicht in Einklang, doch ist das Urteil im Ergebnis zutreffend.

Die Kläger waren nicht berechtigt, die dem Beigeladenen zu 2. erteilte Genehmigung zur Übernahme eines Versorgungsauftrags für die Betreuung von Dialysepatienten in B. anzufechten. Das beruht allerdings entgegen der Ansicht des LSG nicht darauf, dass nach Ausscheiden des Beigeladenen zu 2. aus der bis dahin überörtlichen BAG ein Versorgungsauftrag für den Standort B. bedarfsunabhängig auf diesen zu übertragen war. Nach der Rechtsprechung des Senats zur Regelung in § 4 Abs 1b der Anlage 9.1 zum BMV-Ä (Dialyse-Vereinbarung) verbleibt der einer BAG erteilte Versorgungsauftrag bei der BAG, auch wenn der Arzt, der ihn bisher wahrgenommen hat, die BAG verlässt. Das gilt auch für eine überörtliche BAG, die das Recht hat, den ausgeschiedenen Arzt durch einen anderen Arzt zu ersetzen. Könnte der ausscheidende Arzt den von ihm wahrgenommenen Auftrag ohne Weiteres "mitnehmen" und an seinem bisherigen Standort die Dialyseversorgung in Einzelpraxis fortführen, würde das zu einer nicht vom Bedarf abhängigen Vermehrung von Versorgungsaufträgen führen.

Auch wenn danach die Erteilung eines neuen Versorgungsauftrags an den Beigeladenen zu 2. eine Bedarfsprüfung erforderte, können jedenfalls die Kläger eine Aufhebung der erteilten Genehmigung bzw die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit nicht erreichen, weil sie als einzelne Ärzte nicht anfechtungsberechtigt sind. Eine Anfechtungsberechtigung steht bei der - hier zu bejahenden - tatsächlich bestehenden Konkurrenzsituation nur der BAG zu, die selbst zur Erbringung von Dialyseleistungen berechtigt ist. Gerade weil die Versorgungsaufträge zur Dialyse der BAG und nicht den einzelnen ihr angehörenden Ärzten rechtlich zugeordnet sind, kommt auch nur der BAG das Recht zu, die Erteilung weiterer Versorgungsaufträge an Konkurrenten gerichtlich überprüfen zu lassen. Dieser BAG gehörte zum maßgeblichen Zeitpunkt neben den Klägern auch der Beigeladene zu 3. an, der allerdings zu keinem Zeitpunkt sein Einverständnis mit einer Anfechtung der dem Beigeladenen zu 2. erteilten Genehmigung erklärte, da er diese offenkundig nicht mittragen wollte. Damit beruhte der Umstand, dass die Kläger jeweils persönlich und gerade nicht in offengelegter Prozessstandschaft für ihre BAG die Genehmigung angefochten haben, weder auf einem Versehen noch auf einem Missverständnis.

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