Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 18/18 R

Verhandlungstermin 07.05.2019 12:00 Uhr

Terminvorschau

A. M. ./. Bundesagentur für Arbeit
Die Klägerin begehrt für die Zeit vom 1.1.2014 bis 31.7.2014 höheres Alg. Im Streit ist, ob der Berechnung statt des Verdienstes aus der letzten anwartschaftsbegründenden Beschäftigung das Bemessungsentgelt aus einem früher erworbenen Stammrecht zugrunde gelegt werden muss.

Ein seit März 1979 bestehendes Arbeitsverhältnis der Klägerin endete zum 31.5.2012 durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 215 589,83 Euro. Zum 1.6.2012 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Alg, das die Beklagte (erst) ab 21.4.2013 - ausgehend von einem täglichen Bemessungsentgelt von 136,58 Euro - in Höhe von 47,78 Euro täglich bewilligte; vom 1.6.2012 bis 20.4.2013 ruhe das Alg wegen Sperrzeiten und der Berücksichtigung der Entlassungsentschädigung. Nachdem die Klägerin bereits am 15.11.2012 eine bis zum 31.12.2013 andauernde befristete Beschäftigung aufgenommen hatte, hob die Beklagte die Bewilligung auf, ohne dass es zu einer Auszahlung von Alg gekommen war.

Die Klägerin meldete sich zum 1.1.2014 erneut arbeitslos und beantragte Alg, das die Beklagte für die Zeit ab 1.1.2014 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 28,30 Euro, berechnet nach einem täglichen Bemessungsentgelts von 70,12 Euro, bewilligte. Klage und Berufung, gerichtet auf höheres Alg unter Berücksichtigung des der Bewilligung aus 2012 zugrunde liegenden Bemessungsentgelts, blieben erfolglos. Die Klägerin habe am 1.1.2014 ein (neues) Stammrecht auf Alg erworben. Für die Bemessung der Leistung sei der (niedrigere) Verdienst im einjährigen Bemessungsrahmen vom 1.1.2013 bis 31.12.2013 maßgebend. Eine Bemessung nach § 151 Abs 4 SGB III scheide aus, denn die Klägerin habe in den letzten zwei Jahren vor der Entstehung des neuen Alg-Anspruchs am 1.1.2014 kein Alg unter Berücksichtigung eins höheren Bemessungsentgelts bezogen. Dies setze einen tatsächlichen Alg-Bezug voraus.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 151 Abs 4 SGB III. Es genüge für die Anwendung der Vorschrift, dass ein Stammrecht auf Alg bestanden habe, das nach einem höheren Bemessungsentgelt berechnet worden sei. Die Auffassung, dass die Leistung tatsächlich zumindest für einen Tag ausgezahlt worden sein müsse, widerspreche dem Ziel der Vorschrift, einen Anreiz zu schaffen, eine neue Beschäftigung aufzunehmen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Berlin - S 84 AL 609/14, 08.01.2018
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 18 AL 26/18, 08.05.2018

Terminbericht

Die Revision der Klägerin war erfolgreich. Entgegen der Auffassung von SG und LSG besteht ein Anspruch auf höheres Alg für den streitbefangenen Zeitraum, denn der Bemessung des Alg ist ein Bemessungsentgelt in Höhe von 136,58 Euro anstelle von 70,12 Euro zugrunde zu legen. Der Klägerin war innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem 1.1.2014 bereits Alg zuerkannt worden, das nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 136,58 Euro zu bemessen war. Zwar ruhte der Anspruch vom 1.6.2012 bis zum 20.4.2013, sodass es wegen der Arbeitsaufnahme durch die Klägerin zum 15.11.2012 nicht zu einer Auszahlung von Alg gekommen war. Jedenfalls aber war zum 1.6.2012 ein so genanntes Stammrecht der Klägerin auf Alg entstanden. Nach Sinn und Zweck des § 151 Abs 4 SGB III und unter Berücksichtigung systematischer Zusammenhänge ist davon auszugehen, dass Alg iS dieser Vorschrift "bezogen" wurde, wenn ein Stammrecht auf Alg bestanden hat. Die Bedeutung des Wortes "bezogen" fordert nicht zwingend auch ein tatsächliches Beziehen der Leistung, denn eine die tatsächliche Auszahlung von Alg fordernde Auslegung des Begriffs des Bezugs würde dem erkennbaren Zweck der Regelung zuwiderlaufen. Das Bestreben, Arbeitslose zu motivieren, auch geringer entlohnte Beschäftigungen aufzunehmen, kommt bereits dann zum Tragen, wenn nur ein Stammrecht auf Alg erworben wurde, die Leistung aber noch nicht ausgezahlt wird, weil Ruhenstatbestände vorliegen. Zudem bewirkt § 147 Abs 4 SGB III bezogen auf die Anspruchsdauer bereits dann Bestandsschutz, wenn ein entsprechendes Stammrecht entstanden war. Bei der Höhe der Leistung auf die tatsächliche Auszahlung abzustellen, wäre daher auch systematisch nicht stimmig.

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