Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 5/18 R

Verhandlungstermin 15.05.2019 09:30 Uhr

Terminvorschau

N. S. ./. Berufungsausschuss für Ärzte Bayern
8 Beigeladene
Streitig ist, ob die Zulassungsgremien bei der Entscheidung über die Vergabe eines Vertragsarztsitzes, der nach partieller Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen in einem bislang für Neuzulassungen gesperrten Planungsbereich zusätzlich besetzt werden konnte, auch die Bewerbung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) berücksichtigen mussten, welche keine Angaben zu dem anzustellenden Arzt, sondern lediglich die Beschreibung der beabsichtigten Ergänzung des besonderen Versorgungsangebots dieses MVZ enthielt (sog Konzeptbewerbung).

Der Kläger ist Vertragsarzt und Träger eines MVZ mit mehreren Betriebsstätten im Großraum N, darunter einer im Landkreis NA-B gelegenen Filiale. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hob im August 2015 die früher für den Planungsbereich NA-B angeordnete Zulassungsbeschränkung für Orthopäden teilweise auf. Er beschloss, dass neue Zulassungen in diesem Fachgebiet im Umfang eines halben Vertragsarztsitzes erteilt werden könnten und machte bekannt, dass Bewerber ihre Anträge mit allen nach der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) erforderlichen Unterlagen spätestens bis zum 20.11.2015 einreichen müssten. Der Kläger legte einen Antrag auf Zuteilung einer halben Kassenzulassung für Orthopädie für sein MVZ in der Stadt NA vor, indem er die beabsichtigte Ergänzung des bisherigen Versorgungsangebots durch die vorteilhafte Zusammenarbeit der bisher dort tätigen Allgemeinmediziner, Rheumatologen und Nervenärzte mit einem Orthopäden beschrieb. Erst nach Fristablauf benannte er die Beigeladene zu 8. als Ärztin, deren Anstellung beabsichtigt sei. Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag ab, weil bis zum Fristablauf kein vollständiger Antrag vorgelegen habe und die Vorschrift zu Konzeptbewerbungen (§ 103 Abs 4 S 10 SGB V, eingefügt mWv 23.7.2015) nur auf Nachbesetzungsverfahren, aber nicht auf Zulassungen nach partieller Entsperrung anwendbar sei. Die Beigeladene zu 8. sei noch nicht in das Arztregister eingetragen, sodass ihre Anstellung nicht genehmigt werden könne. Mit gesondertem Beschluss vom selben Tag erteilte der Zulassungsausschuss einem in NA niedergelassenen Orthopäden die Genehmigung zur Anstellung einer weiteren Orthopädin im Umfang von 15 Wochenstunden.

Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid, der nur die Ablehnung seines Antrags betraf, blieb vor dem beklagten Berufungsausschuss ebenso ohne Erfolg wie seine Klage und Berufung. Auch nach Ansicht des LSG ist die für Nachbesetzungsverfahren getroffene Regelung zur Konzeptbewerbung auf Zulassungsverfahren nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs nicht entsprechend anwendbar. Es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke. Aufgrund der erheblichen Unterschiede zwischen Nachbesetzungsverfahren und Zulassungsverfahren könne nicht angenommen werden, der Gesetzgeber habe es übersehen, für letztere eine entsprechende Regelung zu treffen. Diese Unterschiede rechtfertigten auch eine unterschiedliche Verfahrensweise; auf die vom Beklagten vorgebrachte Verfassungswidrigkeit der Bestimmung zur Konzeptbewerbung komme es danach nicht an.

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung von § 103 Abs 4 S 10 SGB V, der Regelung in § 26 Abs 4 Nr 3 letzter Spiegelstrich der Bedarfsplanungs-Richtlinie zur Würdigung von Versorgungsgesichtspunkten bei der Auswahlentscheidung sowie von Art 12 Abs 1 GG. Der Gesetzgeber habe eine Regelung zur Berücksichtigung besonderer Versorgungsangebote von MVZ geschaffen, die auch bei der Vergabe von Zulassungen nach partieller Entsperrung anzuerkennen sei.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Nürnberg - S 1 KA 4/16, 25.01.2017
Bayerisches Landessozialgericht - L 12 KA 12/17, 17.01.2018

Terminbericht

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Die Entscheidung des LSG ist im Ergebnis zutreffend. Allerdings teilt der Senat die Ansicht des Beklagten und der Vorinstanzen nicht, dass die Regelung zu "Konzeptbewerbungen" im Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs 4 Satz 10 SGB V aF (seit 11.5.2019: § 103 Abs 4 Satz 5 Nr 9 SGB V nF) bei Auswahlentscheidungen über die Besetzung eines nach Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen zusätzlich zur Verfügung stehenden Vertragsarztsitzes generell nicht anwendbar sei. Die Unterschiede zwischen Nachbesetzungen einerseits und der Besetzung von zusätzlichen Vertragsarztsitzen nach partieller Entsperrung andererseits stehen einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift auch in den zuletzt genannten Zulassungsverfahren nicht entgegen. Allerdings können derzeit in beiden Konstellationen nur Bewerbungen von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) oder Vertragsärzten berücksichtigt werden, in denen neben dem geplanten Versorgungskonzept konkret der Arzt benannt wird, der auf dem Vertragsarztsitz tätig werden soll. Zwar wollte der Gesetzgeber für MVZ und Vertragsärzte die Möglichkeit eröffnen, sich auch ohne Benennung eines Arztes nur mit einem Versorgungskonzept um einen zu vergebenden Vertragsarztsitz bewerben zu können. Auf der Grundlage der derzeit geltenden Vorschriften sind die Zulassungsgremien jedoch noch nicht in der Lage, dies umzusetzen. Hierfür bedarf es zusätzlicher Regelungen, die bisher noch fehlen.

Mit der Auswahlentscheidung zugunsten einer Konzeptbewerbung würde eine bislang weder im SGB V noch in der Ärzte-ZV auch nur ansatzweise konturierte Sonderform einer "arztlosen Anstellungsgenehmigung" geschaffen. Diese müsste später in einem weiteren Verfahren mit einer Anstellungsgenehmigung für einen bestimmten Arzt ausgefüllt werden, wobei die Zulassungsgremien prüfen müssten, ob der anzustellende Arzt nach seiner persönlichen Befähigung in der Lage ist, den besonderen Versorgungsauftrag umzusetzen, mit dem sich das MVZ erfolgreich um den Sitz beworben hat. Andere Bewerber um den freien Sitz müssen es unter bestimmten Voraussetzungen hinnehmen, dass ein geringer qualifizierter Arzt auf dem zu vergebenden Sitz tätig wird, wenn das im Rahmen eines vorzugswürdigen Versorgungskonzepts erfolgt. Dann muss aber auch sichergestellt werden, dass das MVZ dieses Konzept zeitnah umsetzt. Das erfordert ua Regelungen zu den Anforderungen an Anstellungsgenehmigungen in Ausfüllung eines Versorgungskonzepts sowie Bestimmungen zum weiteren Bestand oder Fortfall des Sitzes, falls das Konzept nicht mehr verfolgt wird oder nicht realisiert werden kann, und schließlich auch Regelungen zur Beteiligung der im Auswahlverfahren unterlegenen Bewerber an den nachfolgenden Verfahrensschritten. Die Ausgestaltung einer solch komplexen, zT grundrechtlich determinierten Rechtslage kann nicht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung erfolgen; sie muss aus kompetenziellen Gründen unter Beachtung der Gewaltenteilung durch den Gesetzgeber bzw den Normgeber der Ärzte-ZV vorgenommen werden. Die Grundrechte der Träger von MVZ aus Art 12 Abs 1 GG werden dadurch nicht verletzt.

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