Bundessozialgericht

Verhandlung B 13 R 37/17 R

Verhandlungstermin 16.05.2019 10:15 Uhr

Terminvorschau

R. W. ./. Deutsche Rentenversicherung Nord
Im Streit steht die Zahlung einer Regelaltersrente des in den USA verstorbenen Versicherten an seine Witwe (Klägerin) für die Zeit zwischen dem 1.7.1997 und seinem Tod unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).

Der 1922 geborene und im März 2009 verstorbene Versicherte war Opfer nationalsozialistischer Verfolgung im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Im Februar 1950 wanderte er in die USA ein. Beim dortigen Rentenversicherungsträger stellte er im September 1984 einen Antrag auf US-amerikanische Rentenleistungen. Deutsche Rentenzeiten wurden nicht geltend gemacht.

Im Mai 2011 beantragte die Klägerin beim deutschen RV-Träger eine Hinterbliebenenrente unter Berücksichtigung von Ghettobeschäftigungs- und Ersatzzeiten der Verfolgung, die ihr auch bewilligt wurde. Zeitgleich stellte sie bei diesem einen Antrag auf Zahlung der Regelaltersrente des Versicherten. Im Verwaltungs- und Klageverfahren ist sie damit erfolglos geblieben. Das SG hat zur Begründung ua ausgeführt, dass der 1997 (fiktiv) entstandene Anspruch auf Regelaltersrente mit dem Tod des Versicherten erloschen sei (§ 59 S 2 SGB I). Der Rentenanspruch sei zu Lebzeiten des Versicherten weder festgestellt worden noch sei ein diesbezügliches Verwaltungsverfahren anhängig gewesen. Der in den USA gestellte Rentenantrag sei mangels Geltendmachung deutscher Rentenzeiten nicht zugleich als Antrag bei dem deutschen RV-Träger anzusehen. Eine solche Geltendmachung sei nicht von der Beitragsfiktion der §§ 2, 3 Abs 2 ZRBG umfasst. Dies gelte auch für die Antragsrückwirkungsfiktion des § 3 Abs 1 ZRBG. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei mangels Pflichtverletzung zu verneinen.

Mit ihrer Sprungrevision rügt die Klägerin eine Verletzung von §§ 2,3 ZRBG und Art 7 der Durchführungsvereinbarung zum deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommen (DV-DASVA). Insbesondere habe das SG die Reichweite der Fiktion des § 2 ZRBG verkannt. Die rückwirkende Beitragsfiktion des § 2 ZRBG führe dazu, dass bereits zum Zeitpunkt des Aufenthalts im Ghetto Beitragszeiten entstanden seien. Dementsprechend habe der Versicherte zum Zeitpunkt der US-Antragstellung im September 1984 bereits über fiktive deutsche Beitragszeiten verfügt. Diese Zeiten seien sowohl für den Versicherten als auch für den US-amerikanischen Rententräger fiktiv erkennbar im Sinne des Art 7 Nr 1 DV-DASVA gewesen. Dies habe zur Folge, dass der US-amerikanische Antrag des Versicherten auch als Antrag auf Regelaltersrente bei dem beklagten deutschen RV-Träger gelte.

Vorinstanz:
Sozialgericht Lübeck - S 6 R 334/15, 10.10.2017

Terminbericht

Die Revision der Klägerin war erfolglos. Sie hat als Rechtsnachfolgerin keinen Anspruch auf die Zahlung der Regelaltersrente des verstorbenen Versicherten für den Zeitraum vom Juli 1997 bis zum März 2009 gegen die Beklagte.

Unabhängig davon, ob der Versicherte zu Lebzeiten ein Recht auf Altersruhegeld nach der RVO oder auf eine Regelaltersrente nach dem SGB VI erworben hatte, sind Zahlungsansprüche daraus jedenfalls im Zeitpunkt seines Todes erloschen. Nach § 59 S 2 SGB I erlöschen Ansprüche von Rechtsnachfolgern auf Geldleistungen zwar nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Das war hier zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten im März 2009 jedoch der Fall.

Die Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens über Ansprüche auf Regelaltersrente beginnt gem § 18 SGB X iVm § 19 S 1 SGB IV, § 115 Abs 1 S 1 SGB VI mit dem entsprechenden Antrag auf Leistungen beim Rentenversicherungsträger. Unter dem Regime der RVO/des AVG galt zwar das Antragsprinzip des § 99 SGB VI noch nicht; gleichwohl musste der Anspruch - durch einen Antrag - überhaupt geltend gemacht werden. Beides ist hier jedoch, anders als nach § 59 SGB I erforderlich, nicht zu Lebzeiten des Versicherten geschehen. Ein Antrag auf Gewährung einer Altersrentenleistung unter Anerkennung der Ghetto-Beitrags- und Verfolgungszeiten wurde bis zum Tod des Versicherten bei der Beklagten nicht gestellt. Vielmehr erfolgte dies erst nach dem Tod des Versicherten durch die Klägerin als dessen Rechtsnachfolgerin.

Der vom Versicherten 1984 beim US-amerikanischen Rentenversicherungsträger gestellte Antrag auf Gewährung von US-amerikanischen Leistungen gilt hier unter Beachtung von Art 14 Abs 1 DASVA iVm Art 7 Abs 1 DV-DASVA nicht zugleich als Antrag auf eine entsprechende Leistung nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates, mithin nicht als Antrag auf eine Rente wegen Alters nach den Vorschriften des deutschen Rentenversicherungsrechts. Es mangelt insoweit bereits an der - auch für Ansprüche nach der RVO - erforderlichen Geltendmachung deutscher Versicherungszeiten im US-amerikanischen Rentenantrag, wie vom SG bindend festgestellt.

Eine derartige Geltendmachung konnte auch nicht durch die Beitragsfiktion des § 2 Abs 1 ZRBG bereits im Jahr 1984 bewirkt werden. Diese Vorschrift legt fest - fingiert -, dass für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt gelten. Dahinstehen kann hier, wie weit die Beitragsfiktion zurückreicht. Jedenfalls umfasst sie nicht zugleich die Geltendmachung dieser Beitragszeiten gegenüber dem Rentenversicherungsträger.

Aus diesen Gründen kann die Klägerin ihr Begehren auch nicht allein auf die Antragsrückwirkungsfiktion des § 3 Abs 1 S 1 ZRBG stützen. Ebenso wenig führt ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch hier zu dem von ihr gewünschten Ergebnis. Unabhängig davon, ob ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch im Rahmen des § 59 SGB I überhaupt beachtlich sein kann, liegen jedenfalls dessen Voraussetzungen in der Sache nicht vor.

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