Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 8/18 R

Verhandlungstermin 26.06.2019 12:30 Uhr

Terminvorschau

Dr. S. H. und Dr. T. H. in GbR als Träger des MVZ L. ./. KÄV Bayerns
In diesem Verfahren besteht Streit über die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung des Honorarbescheids für das Quartal 4/2009 hinsichtlich der Gebührenordnungsposition (GOP) 88740 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä). Für die Abrechnung des laboratoriumsmedizinischen Nachweises des Erregers der Schweineinfluenza wurde zum 17.8.2009 die GOP 88740 (Nukleinsäurenachweis von neuer Influenza A/H1N1 <Schweineinfluenza> mittels Amplifikationsverfahrens <PCR> ohne weitere Subtypisierung) in den EBM-Ä eingefügt. Diese GOP sollte bis 31.12.2010 abrechenbar sein und wurde mit 23,10 Euro (inklusive Transportkosten) bewertet. Am 7.10.2009 beschlossen die Arbeitsgemeinschaft Ärzte/Krankenkassen und gleichlautend die Partner des Bundesmantelvertrages eine Ergänzung der Leistungslegende dieser GOP um den Zusatz "einmal am Behandlungstag". Diese wurde im Deutschen Ärzteblatt am 4.12.2009 veröffentlicht.

Die Klägerin betreibt ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) für Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie. Die beklagte KÄV stellte für das Quartal 4/2009 2561 Leistungen nach der GOP 88740 mit einem Honorarvolumen von 59 159,10 Euro richtig. Die mehrfache Abrechnung der GOP 88740 an einem Behandlungstag sei ausgeschlossen, da diese GOP mit Wirkung ab 1.10.2009 den Zusatz "einmal am Behandlungstag" enthalte. Widerspruch, Klage und Berufung, mit denen die Klägerin ua geltend gemacht hatte, insbesondere aufgrund der damaligen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts sei anerkannt gewesen, dass bei Verdacht auf Schweinegrippe für eine sichere Diagnose zwei Abstriche - aus Rachen und Nase - untersucht werden müssten, sind erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, eine zweimalige Abrechnung der GOP am Behandlungstag sei bereits nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht möglich. Die am 7.10.2009 beschlossene Änderung der GOP mit dem Zusatz "einmal am Behandlungstag" sei nicht wegen einer unzulässigen Rückwirkung rechtswidrig. In honorarrechtlichen Angelegenheiten liege ein abgeschlossener Sachverhalt erst dann vor, wenn die Honorarabrechnung für das streitbefangene Quartal zum Zeitpunkt der Änderung bereits vorgelegen habe. Hier sei von einer unechten Rückwirkung auszugehen, weil die Einschränkung der Abrechenbarkeit noch vor der Abrechnung für das Quartal 4/2009 erfolgt sei. Die Klägerin habe auch nicht auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage vertrauen dürfen. Ausreichende Gemeinwohlgründe bestünden in der Finanzierbarkeit des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass die hier strittige Einschränkung "einmal am Behandlungstag" erst mit Veröffentlichung der Beschlüsse am 4.12.2009 im Deutschen Ärzteblatt habe Wirkung entfalten können. Es liege eine echte Rückwirkung vor, die nicht durch zwingende Gründe des Gemeinwohls oder ein nicht oder nicht mehr vorhandenes schutzwürdiges Vertrauen des einzelnen Arztes gerechtfertigt werden könne. Da es sich bei der N1H1-Infektion um eine die Gesundheit der gesamten Bevölkerung betreffende Erkrankung gehandelt habe, hätten finanzielle Gesichtspunkte zurückzutreten.

Vorinstanzen:
Sozialgericht München - S 43 KA 1353/12, 11.05.2015
Bayerisches Landessozialgericht - L 12 KA 138/15, 22.11.2017

Terminbericht

Die Revision des klagenden MVZ hat Erfolg gehabt. Die beklagte KÄV war nicht berechtigt, den zweifachen Ansatz der Gebührenordnungsposition (GOP) 88740 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) am selben Behandlungstag zu berichtigen, wenn die Klägerin Material desselben Patienten auf das Virus der "Schweineinfluenza" mehrfach untersucht hat.

Das LSG hat die rückwirkende Ergänzung der GOP 88740 EBM-Ä um den Zusatz "einmal am Behandlungstag" für das Quartal 4/2009 mit der Erwägung gerechtfertigt, nachträgliche Korrekturen der Honorarverteilung seien nach der Rechtsprechung des Senats in gewissen Grenzen zulässig. Dabei hat das LSG nicht hinreichend beachtet, dass der Senat zwar Honorarbegrenzungsregelungen, die nach Ablauf des Quartals, aber vor dessen Abrechnung gegenüber den Vertragsärzten erlassen werden, als "unecht rückwirkend" angesehen hat, aber rückwirkende Korrekturen der Leistungslegenden und vor allem der punktzahlmäßigen Bewertung von Leistungen im EBM-Ä grundsätzlich nicht für zulässig hält. Die Beschränkung der Berechnungsfähigkeit einer Leistung im EBM-Ä auf "einmal am Behandlungstag" stellt sich grundsätzlich als eine rückwirkende Korrektur einer GOP dar und ist nicht rechtmäßig.

Eine zweifache Abrechnung der GOP 88740 EBM-Ä kam allerdings nur in Betracht, wenn die Abstriche getrennt und unter Hinweis auf die Entnahmestelle (Nase oder Rachen) dem Labor zugesandt worden sind. Dann stellt die Untersuchung beider Präparate sich als zweimalige Erbringung des Nukleinsäurenachweises der "neuen" Schweinegrippe dar, die bis zur Ergänzung der Legende auch dann zweimal abgerechnet werden konnte, wenn zwei getrennte und für sich aussagekräftige Untersuchungen durchgeführt worden sind. Ausdrückliche Feststellungen zur Vorgehensweise bei der Laboruntersuchung hat das LSG - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht getroffen. Im Revisionsverfahren ist aber Einigkeit der Beteiligten dahin erzielt worden, dass die Klägerin in den betroffenen Fällen getrennte Proben erhalten und untersucht hat.

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