Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 66/17 R

Verhandlungstermin 26.06.2019 10:30 Uhr

Terminvorschau

Gemeinschaftspraxis Dr. B. und Dr. R. ./. KÄV Baden-Württemberg
Zwischen den Beteiligten besteht für das Quartal 1/2009 Streit über die Bereinigung des Regelleistungsvolumens (RLV), das bei der Ermittlung des vertragsärztlichen Honorars in der kollektivvertraglichen Versorgung zur Anwendung kommt, aufgrund der gleichzeitigen Teilnahme an einem Selektivvertrag zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV). Im Kern geht es darum, ob die Minderung der Gesamtvergütungen infolge der Versorgung von Versicherten in der HzV alle Vertragsärzte oder nur diejenigen trifft, die an der HzV teilnehmen.

Die Klägerin, eine Berufsausübungsgemeinschaft zweier im Bezirk der beklagten KÄV zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Hausärzte, nahm im Quartal 1/2009 auch an der zum 1.10.2008 wirksam gewordenen HzV für Versicherte der AOK Baden-Württemberg teil. Während die Klägerin in dem für die Ermittlung des RLV maßgeblichen Quartal 1/2008 im Kollektivvertragssystem insgesamt 1159 Patienten versorgt hatte, reduzierte sich ihre Fallzahl im Quartal 1/2009 auf 823 Patienten; zudem hatten sich 461 ihrer Patienten in die HzV eingeschrieben. Die Beklagte minderte im Honorarbescheid das der Klägerin ursprünglich zugewiesene RLV von (korrigiert) 43 206,36 Euro aufgrund ihrer Teilnahme an der HzV um 21 089,38 Euro. Den Bereinigungsbetrag errechnete sie, indem sie den Betrag der aufgrund des HzV-Vertrags verminderten Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV - im Verhältnis zwischen AOK und KÄV, vgl § 73b Abs. 7 S 2 SGB V aF) für das Quartal 1/2009 um 10 % verringerte und durch die Zahl aller an der HzV teilnehmenden Versicherten teilte; den so ermittelten Bereinigungsbetrag je HzV-Versicherten von 45,75 Euro vervielfältigte sie sodann mit der Zahl der bei der Klägerin in diesem Quartal in die HzV eingeschriebenen Patienten (461). Die Beklagte stellte auch den Honorarbescheid unter den Vorbehalt einer nachträglichen Änderung, falls die Systematik der HzV-bedingten Honorarbereinigung auf Bundes- oder Landesebene abweichend geregelt werde.

Das SG hat die Beklagte nur hinsichtlich eines Abzugsbetrags aufgrund der hier nicht mehr streitbefangenen Konvergenzregelung zur Neubescheidung verurteilt, im Übrigen - hinsichtlich der RLV-Bereinigung - die Klage jedoch abgewiesen. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die von der Beklagten vorgenommene RLV-Bereinigung sei nicht zu beanstanden. Sie entspreche den Regelungen der zwischen den Gesamtvertragspartnern in Baden-Württemberg am 5.10.2010 abgeschlossenen RLV-Bereinigungsvereinbarung, die ihrerseits auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage, nämlich der Öffnungsklausel für regionale Vereinbarungen im Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 22.1.2009 beruhe. Insbesondere sei es nicht willkürlich, die Bereinigung der RLV ausschließlich bei den HzV-Ärzten vorzunehmen, da diesen das der kollektivvertraglichen Versorgung entnommene Vergütungsvolumen in der selektivvertraglichen Versorgung zur Verfügung gestanden habe.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision das Fehlen einer tragfähigen Rechtsgrundlage für die RLV-Bereinigung sowie eine Verletzung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit und des Rückwirkungsverbots. Das Gebot eines fairen und neutralen Bereinigungsverfahrens, das der Gesetzgeber bei einer Änderung des § 87b SGB V im Jahr 2015 ausdrücklich bekräftigt habe, schließe es aus, die Bereinigung einseitig nur zu Lasten der HzV-Ärzte durchzuführen und so die vom Gesetzgeber gewünschten Anreize für eine Teilnahme am selektivvertraglichen HzV-System wieder zu beseitigen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Stuttgart - S 20 KA 7296/10, 15.02.2012
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 5 KA 1251/14, 25.10.2017

Terminbericht

Die Revision der klagenden BAG war im Sinne der Verpflichtung der beklagten KÄV zur erneuten Entscheidung über den Honoraranspruch der Klägerin für das Quartal 1/2009 erfolgreich. Die Bereinigung des Regelleistungsvolumens (RLV) von Vertragsärzten, die in diesem Quartal zugleich an der selektivvertraglich organisierten hausarztzentrierten Versorgung (HzV) von Versicherten der AOK Baden-Württemberg teilnahmen, kann nicht auf die für den Bezirk der Beklagten am 5.10.2010 abgeschlossene RLV-Bereinigungsvereinbarung gestützt werden. Weder diese regionale Vereinbarung auf Gesamtvertragsebene noch die als ihre Ermächtigungsgrundlage herangezogene Öffnungsklausel im (damals sehr umstrittenen und von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zunächst beklagten) Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 22.1.2009 sind wirksam geworden. Jedenfalls der zuletzt genannte Beschluss ist nicht in der vorgeschriebenen Weise veröffentlicht worden, obwohl das für Normen unabdingbar ist.

Die Beklagte muss daher auf der Grundlage des ursprünglichen Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.8.2009 über die HzV-bedingte Bereinigung des RLV der Klägerin im Quartal 1/2009 neu entscheiden. Jener Beschluss war allerdings auf eine weitere Konkretisierung angelegt. Nachdem der Bewertungsausschuss seit 2012 für Vorgaben zur Ermittlung der RLV keine Zuständigkeit mehr besitzt, scheidet eine rückwirkende Ergänzung der Grundsätze zur Bereinigung der RLV für das Jahr 2009 durch dieses Gremium aus. Der Senat entnimmt aber einer Protokollnotiz zum Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 16.12.2009, dass nach dessen Willen die für 2010 anzuwendenden Bereinigungsregelungen rückwirkend auch für das Jahr 2009 herangezogen werden sollten, sofern - wie hier - die regionalen Gesamtvertragspartner bis zum 31.12.2009 keine Einigung erzielen konnten. Die Beklagte ist dem bislang nur für die Quartale 3/2009 und 4/2009 gefolgt, wird diese Regelungen im Rahmen der Neubescheidung nunmehr aber auch für die übrigen Quartale des Jahres 2009 entsprechend anzuwenden haben. Die Bereinigungsvorgaben für 2010 enthalten nach Ansicht des Senats einen sachgerechten Kompromiss, der die Lasten, die mit der Bereinigung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung infolge der HzV einhergehen, nicht ausschließlich auf die an der HzV teilnehmenden Ärzte überwälzt und zugleich die Belastung von Ärzten, die nicht an der HzV teilnehmen, auf maximal 2,5 % begrenzt. Sie verwirklichen insoweit bereits das vom Gesetzgeber des GKV-VSG im Jahr 2015 vorgegebene neutrale, dh vertragsunabhängige und faire Verfahren der Bereinigung bei allen Ärzten unabhängig von ihrer Teilnahme an einem Selektivvertrag.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK