Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 16/18 R

Verhandlungstermin 08.08.2019 12:00 Uhr

Terminvorschau

Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands eV ./. 1. Bundesverband der Arzneimittelhersteller eV, 2. Bundesverband der pharmazeutischen Industrie eV, 3. pro Generika eV, 4. Verband Forschender Arzneimittelhersteller eV, 5. Schiedsstelle nach § 130b SGB V, beigeladen: GKV-Spitzenverband
Der beigeladene GKV-Spitzenverband (GKV-SpV) leitete ein Schiedsverfahren ein, weil eine Einigung über die Ergänzung der Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs 9 SGB V (RV), in der die Maßstäbe für die Vereinbarung von Erstattungsbeträgen für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen festgelegt werden, nicht erzielt werden konnte. Der Beigeladene beantragte in diesem Zusammenhang ua, den klagenden Verband der Arzneimittel-Importeure Deutschlands eV als eine "für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene" iS von § 130b Abs 5 S 1 SGB V in das Rubrum der RV aufzunehmen, weil dieser als Vertragspartei beteiligt werden wolle. Die bereits beteiligten Organisationen pharmazeutischer Unternehmer - die Beklagten zu 1) bis 4) - lehnten das ab.

Die zu 5) beklagte Schiedsstelle kam daraufhin durch ihre unparteiischen Mitglieder zu dem Ergebnis, dass sie bei Streitfragen über die Beteiligung der maßgeblichen Spitzenorganisationen entscheidungsbefugt sei und stellte fest, dass der Kläger keine Spitzenorganisation iS von § 130b Abs 5 S 1 SGB V sei. Die von ihm repräsentierten Parallelimporteure nähmen typischerweise nicht an Erstattungsbetragsverhandlungen für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen teil. Nach dem Grundsatz der Betroffenenpartizipation könne er daher auch nicht Vertragspartner der RV sein.

Auf die dagegen erhobene Klage hat das (zuständige) LSG Berlin-Brandenburg den Schiedsspruch teilweise aufgehoben und die Beklagte zu 5) verpflichtet festzustellen, dass der Kläger eine für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene iS von § 130b Abs 5 S 1 SGB V sei: Die Beklagte zu 5) sei entscheidungsbefugt, weil es sich um eine Vorfrage handele, die im Konfliktfall einer Klärung durch die Schiedsstelle zugänglich sein müsse. Der Kläger sei eine Organisation pharmazeutischer Unternehmer iS des Arzneimittelgesetzes (AMG) und auch eine maßgebliche Spitzenorganisation iS der genannten Regelung. Hierfür genüge es, dass die Mitgliedsunternehmer zumindest potenziell Vertragspartner von Erstattungsbetragsvereinbarungen nach § 130b Abs 1 SGB V sein könnten. Wenn der Arzneimittelhersteller von der sog "Opt out"-Möglichkeit Gebrauch mache, also das Arzneimittel in Deutschland vom Markt nehme und (weitere) Verhandlungen über einen Erstattungsbetrag ablehne, werde dieser Erstattungsbetrag mit dem Importeur ausgehandelt, der das Arzneimittel in Deutschland in Verkehr bringe. Auf die Anzahl der Mitgliedsunternehmen des Klägers und auf die von diesen generierten Umsätze komme es zur Beurteilung der Maßgeblichkeit nicht an (Urteil vom 24.5.2018).

Gegen dieses Urteil haben (nur) die Beklagten zu 1) bis 4) Revision eingelegt. Sie rügen einen Verstoß gegen § 130b Abs 5 S 1 und Abs 9 SGB V sowie gegen Art 20 Abs 3 GG und eine daraus resultierende Verletzung ihrer eigenen Rechte durch das LSG: Es fehle schon an der Kompetenz der Beklagten zu 5), über den Status des Klägers verbindlich zu entscheiden. Die Dispositionsbefugnis der Schiedsstelle reiche nämlich nicht weiter als diejenige der Vertragsparteien. Die Definition eines pharmazeutischen Unternehmers nach dem AMG sei auf § 130b Abs 5 S 1 SGB V nicht anwendbar. Adressaten dieser Vorschrift seien vielmehr nur solche pharmazeutischen Unternehmer, die von der Nutzenbewertung nach § 35a SGB V und der daran anknüpfenden Vereinbarung des Erstattungsbetrags betroffen seien. Parallelimporteure könnten indessen zum Nutzenbewertungsverfahren nicht beitragen. Eine potenzielle Betroffenheit der Mitgliedsunternehmen des Klägers reiche insoweit wegen ihrer Sonderinteressen nicht aus. Der Kläger repräsentiere im Übrigen nur wenige, marginale Marktanteile haltende Unternehmen und sei auch deswegen keine maßgebliche Spitzenorganisation.

Vorinstanz:
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 9 KR 303/15 KL, 24.05.2018

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Terminbericht

Die Revisionen der Beklagten zu 1. bis 4. sind - bis auf eine teilweise Änderung des Urteilstenors - ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat den Schiedsspruch der Beklagten zu 5) im Ergebnis zu Recht teilweise aufgehoben. Der Kläger ist eine für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene iS von § 130b Abs 5 Satz 1 SGB V. Diese Feststellung konnte auf die hier einschlägige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage hin direkt durch das Gericht ausgesprochen werden, ohne dass die Schiedsstelle hierzu verpflichtet werden musste. Einen Gestaltungsspielraum besitzt die Schiedsstelle bei der Beurteilung der streitigen (Rechts )Frage nicht. Die Schiedsstelle ist jedoch entscheidungsbefugt, denn sie muss vor der Festsetzung des Inhalts der Rahmenvereinbarung notwendigerweise auch darüber entscheiden, mit welchen Verbänden sie sich nach § 130b Abs 9 Satz 5 SGB V aF (heute Satz 6) ins Benehmen zu setzen hat. Inhaltlich war die Entscheidung der Schiedsstelle allerdings rechtswidrig. "Maßgeblich" iS von § 130b Abs 5 Satz 1 SGB V sind solche Organisationen pharmazeutischer Unternehmer, durch welche eine hinreichende Repräsentation der Interessen der von den Regelungen der Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs 9 SGB V und den Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 130b Abs 5 SGB V betroffenen pharmazeutischen Unternehmer gewährleistet ist. Da die Rahmenvereinbarung als Normenvertrag auch für pharmazeutische Unternehmer gilt, die nicht Mitglied einer an ihrer Vereinbarung beteiligten Organisation sind, müssen zur Gewährleistung einer hinreichenden Betroffenenpartizipation sowohl solche Organisationen mitwirken können, die eine nicht unerhebliche Anzahl pharmazeutischer Unternehmer repräsentieren, als auch solche, die auf spezielle Mitgliedsunternehmen ausgerichtet sind und deren schützenswerte Sonderinteressen sie vertreten. Nur so ist die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine angemessene Interessenwahrnehmung Betroffener für eine Normsetzungsbefugnis im Rahmen der Selbstverwaltung hinreichend sichergestellt.

Die vom Kläger repräsentierten Parallelimporteure sind von den Regelungen der Rahmenvereinbarung schon deshalb betroffen, weil sie - wenn der Arzneimittelhersteller (weitere) Verhandlungen über einen Erstattungsbetrag ablehnt (sog "Opt-Out") - an der Festsetzung von Erstattungsbeträgen nach § 130b Abs 1 und Abs 3 SGB V mitwirken können. Eine Gruppe derart spezialisierter pharmazeutischer Unternehmer wie die Parallelimporteure hat Anspruch auf eine eigene Interessenvertretung beim Abschluss der Rahmenvereinbarung, ohne dass es auf ihre Marktmacht ankommt, denn ihre speziellen schützenswerten Interessen werden von den anderen maßgeblichen Spitzenorganisationen nicht mitrepräsentiert.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 35/19.

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