Verhandlung B 8 SO 14/18 R
Verhandlungstermin
05.09.2019 12:00 Uhr
Terminvorschau
R.F. ./. Land Berlin
Der verheiratete Kläger lebt seit der Trennung von seiner Ehefrau im Jahr 1982 mit Frau W in einer Wohnung. Der beklagte Sozialhilfeträger lehnte seinen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab, weil unter Berücksichtigung des Einkommens der W, mit der eine eheähnlichen Gemeinschaft bestehe, sein Bedarf gedeckt sei. Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, der Umstand, dass der Kläger noch mit einer anderen Frau verheiratet sei, stehe der Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit W nicht entgegen. Ob eine eheähnliche Lebensgemeinschaft tatsächlich vorliege, sei allein anhand von äußeren, objektiven Umständen zu entscheiden. Entgegenstehenden Erklärungen der Betroffenen komme regelmäßig keine durchgreifende Bedeutung zu, weshalb dem Antrag des Klägers, W zu vernehmen, nicht nachgekommen worden sei.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision und macht geltend, eine eheähnliche Gemeinschaft mit einer anderen Person könne nur vorliegen, wenn eine Eheschließung mit dieser Person möglich wäre.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Berlin - S 88 SO 2516/13, 28.07.2016
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 23 SO 236/16, 20.07.2017
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Terminbericht
Der Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Mangels hinreichender Feststellungen des LSG konnte der Senat nicht abschließend beurteilen, ob zwischen dem Kläger und Frau W eine eheähnliche Lebensgemeinschaft besteht; dem Beweisantrag hätte das LSG nachgehen müssen. Dem Bestehen einer solchen Gemeinschaft steht aber nicht entgegen, dass die Ehe des Klägers nicht geschieden ist. Diese Auslegung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Der besondere Schutz der staatlichen Ordnung, den Artikel 6 Absatz 1 GG gewährleistet, gilt zwar auch der gescheiterten Ehe. Die Entscheidung, bei Getrenntleben eine neue Lebensgemeinschaft einzugehen, unterliegt aber dem Selbstbestimmungsrecht des getrennt lebenden Ehegatten. Erfüllt die neue Lebensgemeinschaft die Kriterien an eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft, ist die wechselseitige Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nur eine rechtliche Folge dieser dem staatlichen Zugriff entzogenen Entscheidung.
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