Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 2/18 R

Verhandlungstermin 11.09.2019 09:30 Uhr

Terminvorschau

L. GmbH ./. Berufungsausschuss Niedersachsen, 8 Beigeladene
Streitig ist, ob die Klägerin als Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in der Rechtsform einer GmbH die Herausgabe einer Bürgschaftserklärung verlangen kann, die eine ihrer Gesellschafterinnen bei Zulassung des MVZ dem beigeladenen Zulassungsausschuss (ZA) vorgelegt hatte.

Das MVZ wurde 2008 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Juli 2009 schloss die I. GmbH & Co. KG, von der die Bürgschaftserklärung stammte (= Altgesellschafterin), mit der G. GmbH & Co. KG (= Neugesellschafterin) einen Ausgliederungs- und Übernahmevertrag nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG), der am 30.7.2009 in das Handelsregister eingetragen wurde. Darin übertrug die Altgesellschafterin alle Aktiva und Passiva auf die Neugesellschafterin; ausgenommen blieb nur ihr Anteil an der Neugesellschafterin. Die Klägerin unterrichtete den ZA über den Gesellschafterwechsel, reichte eine Bürgschaftserklärung der Neugesellschafterin zu den Akten und bat um Rückgabe der von der Altgesellschafterin ausgestellten Bürgschaftserklärung. Daraufhin stellte der ZA fest, dass die Altgesellschafterin ausgeschieden und die Neugesellschafterin zulässigerweise in die Träger-GmbH des MVZ eingetreten sei, die Bürgschaftserklärung der Altgesellschafterin aber bei den Akten zu verbleiben habe. Den nur dagegen gerichteten Widerspruch wies der beklagte Berufungsausschuss (BA) zurück, weil die Altgesellschafterin für alle bis zu ihrem Ausscheiden entstandenen Forderungen weiterhin hafte.

Im Klageverfahren hat die Klägerin eine mit der Altgesellschafterin am 10.1.2012 abgeschlossene Vereinbarung zur Abtretung des Herausgabeanspruchs vorgelegt. Das SG hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil der Gesellschafterwechsel nicht zu einer Entlassung der Altgesellschafterin aus der Haftung geführt habe und der Klägerin die Aktivlegitimation fehle. Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin eine Abtretungsvereinbarung mit der Neugesellschafterin vom 1.11.2017 präsentiert. Das LSG hat den Beklagten zu der Feststellung verurteilt, dass die Bürgschaftserklärung vom 18.2.2008 an die Klägerin herauszugeben ist. Die Neugesellschafterin habe den auf sie übergegangenen Herausgabeanspruch wirksam an die Klägerin abgetreten. Der Herausgabeanspruch sei auch entstanden. Zwar sei die Bürgschaftsverpflichtung noch nicht durch Entfallen der Hauptschuld erloschen, doch seien die Regelungen zu der auf fünf Jahre begrenzten Nachhaftung des aus einer Personengesellschaft ausscheidenden Gesellschafters entsprechend anzuwenden.

Mit ihren Revisionen wenden sich der Beklagte und die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) gegen die entsprechende Heranziehung der Vorschriften zur Begrenzung der Nachhaftung eines ausgeschiedenen Gesellschafters auf die Bürgschaftsverpflichtung der Gesellschafter der Träger-GmbH eines MVZ.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Hannover - S 78 KA 505/10, 02.09.2015
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 3 KA 109/15, 08.11.2017

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 40/19.

Terminbericht

Die Revisionen des beklagten Berufungsausschusses und der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) wurden zurückgewiesen. Lediglich klarstellend hat der Senat den Entscheidungsausspruch des Berufungsurteils geändert und festgestellt, dass der beigeladene Zulassungsausschuss die Bürgschaftserklärung an die Klägerin herauszugeben hat.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Der zutreffend beklagte Berufungsausschuss kann die Urkunde über die Bürgschaftserklärung allerdings nicht selbst herausgeben, da sie nicht in seinem Besitz, sondern in den Akten des Zulassungsausschusses ist. Der Zulassungsausschuss wiederum kann trotz seiner Beiladung zum Verfahren nicht direkt zur Herausgabe der Urkunde verurteilt werden. Der feststellende Ausspruch bindet jedoch auch ihn als Beigeladenen. Nach allgemeinen Grundsätzen kann davon ausgegangen werden, dass der Zulassungsausschuss als Behörde auch einen lediglich feststellenden Ausspruch befolgt.

Die Klägerin wurde nach den Feststellungen des LSG durch Abtretungsvereinbarung mit der Neugesellschafterin zur Inhaberin eines Anspruchs auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde entsprechend § 371 BGB für den Fall des Erlöschens oder des endgültigen Wegfalls der mit der Bürgschaft gesicherten Forderungen. Der Herausgabeanspruch ist zwischenzeitlich auch entstanden. Allerdings stellt sich hier nicht die Frage, ob die Regelungen zur Beschränkung der Nachhaftung des aus einer Personengesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters auf fünf Jahre (§ 736 Absatz 2 BGB iVm § 160 Absatz 1 HGB) entsprechend anzuwenden sind. Vielmehr sind sowohl die Verpflichtung als auch die damit verbundenen Rechte aus der noch von der Altgesellschafterin abgegebenen Bürgschaftserklärung mit der Ausgliederung und Übernahme des Großteils ihres Vermögens nach dem Umwandlungsgesetz ab Eintragung in das Handelsregister im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf die Neugesellschafterin übergegangen. Für eine solche Konstellation regelt § 133 Absatz 3 UmwG eine auf fünf Jahre beschränkte Nachhaftung der Altgesellschafterin unmittelbar; sie gilt auch für Verpflichtungen aus Bürgschaftserklärungen nach § 95 Absatz 6 Satz 2 SGB V. Die Neugesellschafterin ist aber nicht nur als Rechtsnachfolgerin der Altgesellschafterin aus der noch von dieser abgegebenen Bürgschaftserklärung verpflichtet, sondern hat bei ihrem Eintritt zudem eine eigene Bürgschaftserklärung abgegeben, welche auch bereits zuvor beim Betrieb des MVZ entstandene Forderungen von KÄV und Krankenkassen umfasst. Nach Ablauf des fünfjährigen Nachhaftungszeitraums besteht kein Grund mehr dafür, dass KÄV und Krankenkassen auch noch auf die von der Altgesellschafterin ausgestellte Bürgschaftserklärung zugreifen können. Diese ist deshalb an die Neugesellschafterin als Schuldnerin der übergegangenen Bürgschaftsverpflichtung bzw - nach Abtretung - nunmehr an die Klägerin herauszugeben.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 40/19.

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