Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 17/18 R

Verhandlungstermin 11.09.2019 10:30 Uhr

Terminvorschau

M. AG ./. Gemeinsamer Bundesausschuss
Das klagende Unternehmen beantragte 2013 bei dem beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), nach § 137e Abs 7 SGB V eine Richtlinie zur Erprobung des von ihr angebotenen D. Tests zu beschließen. Den D. Test hat die Klägerin zur Durchführung der Urin-Proteomanalyse (UPA) zur Erkennung der Diabetischen Nephrophatie (DN) entwickelt. Die DN ist eine durch Diabetes mellitus verursachte chronische Nierenerkrankung. In Deutschland ist sie die häufigste Ursache für die Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz. Die Proteomanalyse soll bei Diabetikern mit arterieller Hypertonie dazu dienen, eine DN zu einem sehr frühen Zeitpunkt festzustellen oder vorherzusagen und damit eine frühere oder gezieltere Therapie zu ermöglichen. Der Beklagte lehnte den Antrag gestützt auf eine Potenzialbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ab. Aus den eingereichten Unterlagen gehe nicht hervor, dass die Methode hinreichendes Potenzial für eine Erprobung habe.

Bereits 2011 hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung bei dem Beklagten auf der Grundlage von § 135 Abs 1 SGB V die Bewertung des diagnostischen Verfahrens der UPA zur Erkennung einer DN beantragt. Diesen Antrag nahm der Beklagte an und leitete das Bewertungsverfahren ein. Mit Beschluss vom 15.9.2016 beschloss er, die UPA zur Erkennung einer DN bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes Mellitus und arteriellem Hypertonus in Anlage III ("Methoden, deren Bewertungsverfahren ausgesetzt ist") der Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (MVV-RL) mit der Maßgabe aufzunehmen, dass die im Rahmen seiner Bewertung aufgeworfenen ungeklärten Fragen durch aussagekräftige wissenschaftliche Unterlagen bis zum 30.6.2020 beantwortet würden. Der Beklagte begründete seine Entscheidung damit, dass das IQWiG keine wissenschaftlichen Studien habe identifizieren können, die für eine Bewertung des Nutzens geeignet gewesen wären, wohl aber eine Studie (PRIORITY), deren Ergebnisse eine Aussage zum Nutzen der Proteomanalyse erwarten lasse.

Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das LSG hat ausgeführt, soweit die Klägerin die Aufnahme der UPA in den Katalog der anerkannten Behandlungsmethoden nach § 135 Abs 1 SGB V begehre, sei sie bereits nicht in eigenen Rechten betroffen und die Klage unzulässig. Soweit sie den Erlass einer Erprobungsrichtlinie nach § 137e SGB V verfolge, fehle es am hinreichenden Potenzial der Methode für eine Erprobung. Zu Recht habe der Beklagte seine Prüfung allein anhand der von der Klägerin in ihrem Antrag angegebenen Studien vorgenommen. Auf Grund der Beschränkungen, die die Klägerin im Antragsformular hinsichtlich der Zielpopulation der Studie gemacht habe, dürften auch nur Studien mit identischer Population verwertet werden.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision, das LSG habe sich zu Unrecht nicht mit den Inhalten des Verfahrens nach § 135 SGB V befasst. Es seien nicht nur die von ihr im Antrag angegebenen Studien, sondern auch alle weiteren während der Verfahrenslaufzeit erstellten Studien einzubeziehen. Diese hätten einen erheblichen Nutzen der UPA gegenüber herkömmlichen Methoden gezeigt. Eines Abwartens der Ergebnisse der PRIORITY-Studie bedürfe es daher nicht mehr.

Vorinstanz:
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 7 KA 46/14 KL, 27.06.2018

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Terminbericht

Die Revision der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Ihre Hauptanträge sind - wie das LSG richtig gesehen hat - unzulässig. Die Klägerin als Herstellerin und Anbieterin eines diagnostischen Verfahrens - Urin-Proteomanalyse (UPA) zur Klärung einer diabetischen Nephropathie - hat weder einfachrechtlich noch grundrechtlich einen Anspruch auf Aufnahme eines von ihr angebotenen Verfahrens in die Richtlinie Methoden Vertragsärztliche Versorgung (MVV-RL) des beklagten Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA). Über die Anwendung des § 135 Absatz 1 SGB V entscheidet der GBA unter Berücksichtigung der Belange der Versicherten sowie der Leistungserbringer und der Kostenträger; die Klägerin als Herstellerin eines neuen Diagnoseverfahrens ist nach § 135 Absatz 1 SGB V nicht antragsberechtigt. Sie kann deshalb auch nicht verlangen, dass über einen von ihr gestellten Antrag auf Aufnahme in die MVV-RL in der Sache entschieden wird.

Die Hilfsanträge sind dagegen zulässig, soweit sie auf eine Erprobung des Verfahrens nach § 137e Absatz 7 SGB V gerichtet sind. Über solche Anträge entscheidet der GBA durch Bescheid, und einen solchen Bescheid kann der Antragsteller gerichtlich überprüfen lassen. Die Klage bleibt aber ohne Erfolg, weil der beklagte GBA das die UPA betreffende Bewertungsverfahren nach § 135 Absatz 1 SGB V aussetzen durfte. Der Beklagte hat auf den Antrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung das Verfahren nach § 135 Absatz 1 SGB V formell eingeleitet, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beteiligt und das Verfahren mit Beschluss vom 15.9.2016 ausgesetzt. Das IQWiG hatte keine klaren Nutzenbelege des neuen Verfahrens finden können, aber auf eine groß angelegte Studie (PRIORITY) verwiesen, von der künftig Ergebnisse zu erwarten seien. Daraufhin hat der GBA die UPA in die Anlage III der MVV-RL aufgenommen, in der Methoden aufgeführt werden, deren Bewertung beantragt, das jeweilige Verfahren aber ausgesetzt ist. Dieser Aussetzungsbeschluss für ein Verfahren nach § 135 Absatz 1 SGB V "sperrt" hier die Durchführung eines Verfahrens nach § 137e SGB V im Hinblick auf dieselbe Methode.

Von der PRIORITY-Studie sind wichtige Erkenntnisse zum Nutzen und zur Aussagekraft der UPA zu erwarten; es erscheint im Hinblick auf die Studienlage, die das IQWiG beschrieben hat, zumindest vertretbar, vor Vorlage der PRIORITY-Studie keine Erprobungsrichtlinie nach § 137e SGB V zu erlassen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte eine isolierte Feststellung zum "Potenzial" einer Methode trifft, solange der Erlass einer Erprobungsrichtlinie selbst nicht in Betracht kommt.

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