Verhandlung B 3 KR 1/19 R - ohne mündliche Verhandlung
Verhandlungstermin
26.09.2019 00:00 Uhr
Terminvorschau
G. ./. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft/Bahn/See als Trägerin der Krankenversicherung
Bei dem bei der Beklagten krankenversicherten Kläger bestand ab 21.10.2013 krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit (AU), weswegen er bis 1.12.2013 Entgeltfortzahlung seines Arbeitgebers erhielt. In einer AU-Folgebescheinigung vom 29.11.2013 bestätigte die behandelnde Ärztin des Klägers in einem Formularvordruck dessen AU bis 13.12.2013 sowie - unter Beibehaltung der ursprünglichen Diagnose - in einer Folgebescheinigung vom 13.12.2013 weiter bestehende AU bis 31.12.2013. Beide für die Krankenkasse (KK) vorgesehenen Ausfertigungen der AU-Bescheinigungen gingen bei der Beklagten erst am 14.2.2014 ein. Die Formularbescheinigungen bestanden aus einer Ausfertigung zur Vorlage bei der KK, einer solchen zur Vorlage beim Arbeitgeber sowie einer Ausfertigung zum Verbleib beim Arzt. Die Ausfertigung zur Vorlage beim Arbeitgeber trug seinerzeit den Zusatz
"Der angegebenen Krankenkasse wird unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angabe über die Diagnose sowie die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt."
Den Antrag des Klägers auf Zahlung von Krg für die Zeit vom 2.12. bis 31.12.2013 lehnte die Beklagte ab: Sein Vorbringen, er habe die AU-Bescheinigungen innerhalb von einer Woche auf dem Postweg an die Beklagte übersandt, sei unerheblich, weil er die Übermittlungsgefahr trage und ihr die AU nicht spätestens innerhalb einer Woche gemeldet worden sei. Daher ruhe sein Krg-Anspruch nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V.
Während die dagegen erhobene Klage aus gleichem Grund in erster Instanz erfolglos gewesen ist, hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Krg für die streitige Zeit zu zahlen. Der Anwendungsbereich der Ruhensvorschrift des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V sei durch das Lohnfortzahlungsgesetz von 1969 und § 5 Abs 1 Satz 5 des ab 1.6.1994 geltenden Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG) erheblich eingeschränkt. Danach müsse die AU-Bescheinigung bei Arbeitnehmern, die Mitglied einer KK seien, einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der KK unverzüglich eine Bescheinigung über die AU mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der AU übersandt werde. Durch diese speziellere Regelung werde Versicherten mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung die Meldepflicht nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V abgenommen. Die Meldepflicht obliege in solchen Fällen dem Vertrags-arzt, dessen verspätete Meldung der KK zuzurechnen sei (Hinweis auf BSG Urteile vom 28.10.1981 – 3 RK 59/80 und vom 8.11.2005 – B 1 KR 30/04 R). Der Vertragsarzt könne sich seiner Verpflichtung zur AU-Meldung an die KKn nicht dadurch entziehen, dass er dem Versicherten den für die KK bestimmten Vordruck aushändige. § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V sei nur dann anzuwenden, wenn der Versicherte gewusst habe oder habe wissen müssen, dass der Vertragsarzt nicht so verfahren dürfe. Der wegen derselben Beschwerden durchgängig arbeitsunfähig gewesene Kläger habe nicht wissen müssen, dass die Beklagte die AU-Bescheinigungen vom 29.11.2013 und 13.12. 2013 nicht zeitnah erhalten habe.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt die Verletzung von § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V und beanstandet die Ansicht des LSG, der Kläger sei als Versicherter mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Bezug auf das Krg von seiner krankenversicherungsrechtlichen AU-Meldeobliegenheit befreit gewesen, weil seiner Ärztin eine Meldepflicht nach § 5 Abs 1 Satz 5 EntgFG oblegen habe. Sie bezieht sich insoweit insbesondere auf das Urteil des 3. Senats des BSG vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Chemnitz - S 11 KR 259/14, 14.04.2015
Sächsisches Landessozialgericht - L 1 KR 97/15, 31.05.2018
Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 45/19.
Terminbericht
Der Senat hat auf die Revision der Beklagten das für die Zeit vom 2.12. bis 31.12.2013 die Krg-Gewährung bejahende LSG-Urteil aufgehoben und das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt. Der Krg-Anspruch des Klägers ruhte nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V, weil der Beklagten die ärztlichen AU-Bescheinigungen insoweit nicht spätestens innerhalb einer Woche und damit verspätet zugingen. Das Risiko der nicht rechtzeitigen Übermittlung einer dem Versicherten ausgehändigten AU-Bescheinigung an die KK auf dem Postweg trägt grundsätzlich der Versicherte. Der Ansicht des LSG, dass die Verspätung der Beklagten zuzurechnen sei, weil dem behandelnden Arzt die AU-Meldung an die KK obliege, kann nicht gefolgt werden (dazu bereits Senatsurteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R, SozR 4-2500 § 49 Nr 8, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Der Text auf den dem Kläger ausgehändigten AU-Bescheinigungs-Vordrucken macht den Unterschied zwischen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Krg-Gewährung und die sich daraus ergebende jeweilige Pflichtenlage, die auch der Kläger kannte, hinreichend deutlich.
Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 45/19 und dem Nachtrag zum Terminbericht 45/19.