Verhandlung B 3 P 3/18 R
Verhandlungstermin
26.09.2019 09:30 Uhr
Terminvorschau
1. Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen in Nordrhein-Westfalen, 2. Kreis Kleve ./. Schiedsstelle für die Soziale Pflegeversicherung im Land Nordrhein-Westfalen, beigeladen: F. GmbH
In den Revisionsverfahren B 3 P 1/18 R, B 3 P 2/18 R, B 3 P 3/18 R, B 3 P 4/18 R und B 3 P 5/18 R aus dem Leistungserbringerrecht der sozialen Pflegeversicherung streiten die Beteiligten über die Höhe eines Gewinn-/Risikozuschlags bei der Kalkulation von Pflegesätzen und Entgelten für die Jahre 2015/2016. Da die jeweils klagenden Kostenträger (Pflegekassen bzw Sozialhilfeträger) den jeweils von den beigeladenen Trägern der vertraglich in die Leistungserbringung eingebundenen Pflegeeinrichtungen (Pflegeheime sowie eine Tageseinrichtung) geforderten Gewinnzuschlag nicht akzeptieren wollten, beantragten die Einrichtungsträger (Beigeladenen) bei der Schiedsstelle für die soziale Pflegeversicherung im Land Nordrhein-Westfalen (Beklagte) die Festsetzung der Pflegesätze und der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung einschließlich eines Risikozuschlags von 4 % (im 3. Verfahren von 5 %).
Die Beklagte setzte die Pflegesätze und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung in allen Verfahren einschließlich eines Gewinnzuschlags in Höhe von 4 % der Gesamtkosten fest. Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums bevorzuge sie die Ausrichtung der Gewinnmarge an einem umsatzbezogenen Prozentsatz, für den sie die in § 44 Abs 1 SGB I für den Bereich des Sozialrechts normierten Verzugszinsen heranziehe. Darin liege zugleich die längerfristige normative Bewertung pauschalierter Gewinnerwartungen. Einzelfallgründe für eine Abweichung hiervon seien nicht ersichtlich. Eines externen Vergleichs habe es wegen der unstreitig angemessenen Kostenansätze nicht mehr bedurft. Eine ggf unterbliebene Anhörung des Heimbeirats könne sich nur auf das Vertragsverhältnis zwischen Einrichtung und Bewohnern auswirken.
Das (erstinstanzlich zuständige) LSG hat die Schiedssprüche in den fünf Verfahren aufgehoben und die Beklagte jeweils zum erneuten Erlass eines Schiedsspruchs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt: Die Orientierung des Gewinnzuschlags an § 44 SGB I sei sachwidrig und überschreite den Beurteilungsspielraum einer Schiedsstelle. Zur Kalkulation einer angemessenen Gewinnmöglichkeit seien sowohl die allgemeinen unternehmerischen Risiken von Pflegeheimen als auch die Kostenstrukturen der jeweiligen Pflegeeinrichtungen zu ermitteln. Zur Bewertung der angemessenen Relation zwischen unternehmerischen Risiken und Gewinnmöglichkeiten sei regelmäßig ein betriebswirtschaftliches Sachverständigengutachten erforderlich.
Hiergegen rügt die Beklagte in allen Fällen mit ihrer Revision sinngemäß eine Verletzung von § 82 Abs 1 Satz 1, §§ 84, 85, 87 SGB XI und macht geltend, mangels betriebsspezifischer Einzelrisiken habe allein der in Bezug auf allgemeine branchenspezifische Risiken angemessene Gewinnzuschlag ermittelt werden müssen. Hierbei habe sie (die Beklagte) sich - wie andere Schiedsstellen auch - an der normativen Wertung der Verzugszinsen orientiert und keine individuellen Gründe für eine Abweichung gesehen. Die zu erwartenden Selbstkosten der Einrichtungsträger als Ausgangspunkt für die Berechnung der Pflegesätze beließen wenig Spielraum für Gewinnmargen. Eine vom LSG regelmäßig für geboten erachtete Beweisaufnahme durch Einholung von Sachverständigengutachten entspreche weder dem Charakter noch dem Sinn und Zweck eines Schiedsverfahrens.
Die klagenden Kostenträger halten das LSG-Urteil für zutreffend und erwidern, die Beurteilung der Gewinnchancen dürfe sich nicht - wie hier erfolgt - sachwidrig und willkürlich an überhaupt nicht einschlägigen Normen orientieren und die Erhöhung nicht als für alle Pflegeeinrichtungen in gleicher Höhe geltende Pauschale festgelegt werden. Der Gewinnzuschlag sei vielmehr individuell bezogen auf das jeweilige Heim zu ermitteln. Ein prozentualer Zuschlag auf die Aufwandspositionen führe zu ungerechtfertigten Vorteilen für Einrichtungen mit hohen Gestehungskosten und setze dadurch falsche Anreize für unwirtschaftliches Verhalten.
Die Beigeladenen in den Verfahren B 3 P 3/18 R, B 3 P 4/18 R und B 3 P 5/18 R schließen sich den Ausführungen der Beklagten an; die Beigeladene in den Verfahren B 3 P 1/18 R und B 3 P 2/18 R trägt ergänzend vor, das LSG habe zutreffend festgestellt, dass in dem Angebot der Kläger keine Gewinnmarge enthalten sei. Höhere Gewinnmargen für höherpreisige Pflegeeinrichtungen seien wegen ihres erhöhten Risikos gerechtfertigt; denn die fast ausschließlich auf der Personalstruktur beruhenden Kosten ließen keinen Raum für Einsparpotentiale. Diese Einrichtungen trügen aber zB bei Nichterreichen des kalkulierten Auslastungsgrades auch ein größeres Risiko. Der angenommene Auslastungsgrad von 98 % werde in der Praxis regelmäßig nicht erreicht. Dadurch eintretende Verluste seien durch einen höheren Gewinnzuschlag auszugleichen. Sachverständigengutachten seien zur Bewertung der üblichen unternehmerischen Risiken unnötig; aus Zeit- und Kostengründen sei deren Einholung nur in Betracht zu ziehen, wenn besonders hohe oder besonders niedrige unternehmerische Risiken dargelegt würden.
Vorinstanz:
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 5 P 5/16 KL, 06.04.2017
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Terminbericht
In den weiteren ab 9.30 Uhr verhandelten, parallel gelagerten Revisionsverfahren B 3 P 2/18 R, B 3 P 3/18 R, B 3 P 4/18 R und B 3 P 5/18 R sind auf Vorschlag des Senats Vergleiche geschlossen worden. Danach hebt die Beklagte ihre jeweiligen Schiedssprüche im Einvernehmen mit den Klägern auf und verpflichtet sich, auch in diesen Sachen neue Schiedssprüche unter Beachtung der in dem Urteil B 3 P 1/18 R niedergelegten Rechtsauffassung des 3. Senats zu erlassen.
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